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Weiße Pracht
Die Luft war weiß.
Millionen Schneeflocken drängten sich dicht an dicht; stürzten sich in Todesmut zur Erde. In Millionen Variationen, keine der anderen gleich.
Passanten haben längst vor der weißen Macht kapituliert. Autos wagen sich nur wenige heraus.
Farbe gibt es nicht mehr! Einheitliche weiß liegt die Stadt in ihren letzten Zügen, bevor das letzte Tageslicht aus ihren Adern weicht.
In einer ehemals belebten Straße liegt ein brauner Fleck., dicht gedrängt in einen verlassenen Hauseingang. Seit Stunden liegt er dort und steht nicht auf. Geht nicht weg. Wohin auch?
Er summt. Leise. Immer wieder die gleiche Melodie. Eine alte Melodie; behaftet mit Erinnerungen Warmen Erinnerungen; an alte Zeiten. Als er in einem kleinen Reihenhaus am Stadtrand wohnte. Nicht alleine, zusammen mit ihr. Ihre warme Stimme, ihr glattes Haar, ich weicher Körper.
Weiß, überall weiß – wie die Fliesen in ihrem Badezimmer. Unzählige Stunden in der Badewanne, zusammen mit ihr, tauchten in seinen Erinnerungen auf. Nur blaß, kaum wahrnehmbar. Ein Schleier liegt vor ihnen, wie der Schleier aus Schnee, der den Blick auf die unerreichbar entfernten Geschäfte auf der anderen Straßenseite trübt.
Er wird keine Chance bekommen, seine blassen Erinnerungen wieder aufzufrischen.
Ein Schub Übelkeit kroch in ihm hoch.
Lintzer gähnte. Erst vor drei Stunden war sein Flugzeug aus Kopenhagen gelandet. Die Abfertigung am Flughafen lief schnell, erstaunlich schnell sogar. Bereits neunzig Minuten nach der Landung fiel er auf die viel zu harte Matratze seines Hotelbettes. Er hatte nur seinen Wecker gestellt und sich sofort schlafen gelegt. Nach einer Stunde wurde er von seinem schrillen Störgeräusch geweckt. Vor seinem Fenster hatte sich die Landschaft verändert. Sie war weiß geworden. Es schneite heftig. Und so würde es wohl auch die nächsten drei Stunden bleiben. Ein Schneefall, wie er herrschte, als er in Kopenhagen in den Flieger stieg.
Seine Verabredung war um sechs. Er hatte also noch vierzig Minuten Zeit. Er zog sich sein neues Hemd an, daß ihm seine Frau extra noch vor seiner Abreise gekauft hatte, was eine etwas alberne Angewohnheit von ihr war. Sie kaufte vor jede seiner Reisen ein neues Hemd. Danach band sich mit geübten Griffen die Krawatte um. Er überprüfte noch einmal, ob er genügend Bargeld dabei hatte, dann ging er los. Er verzichtete auf ein Taxi, das war ihm bei diesen Straßenverhältnissen viel zu gefährlich. Er hatte bei früheren Besuche in Deutschland schon die eine und andere wilde Taxifahrt mitgemacht, so daß er seinen eigenen Füßen mehr vertraute als den gelben Rasern (ein Name, den sich seine Frau ausgedacht hatte).
Es wehte zum Glück kein sehr heftiger Wind, so daß er nicht unangenehm war zu laufen, solange man zu Boden blickte.
Lintzer hätte sich eigentlich noch ein bißchen auf sein Geschäftsessen vorbereiten müssen, zumindest im Gedanken, doch er dachte nur an den Geburtstag seines Sohnes in drei Tagen. Er kam extra aus Malmö herüber, wo er bei einer Zeitung arbeitet.
Der Tag wird wieder exakt nach dem gleichen Schema ablaufen, wie bereits seit Jahren: Gegen drei wird Bart an ihrer Tür klingeln. Um Vier gibt’s Kaffee und Kuchen, gegen Fünf dann der Spaziergang, der um halb Sieben im Moreno’s enden wird. Um halb neun wird Bart mit dem Hinweis auf die lange Heimfahrt und den kommenden harten Arbeitstag ihre Wohnung verlassen.
Beinahe wäre er über etwas gestolpert. Er blieb stehen. Am Boden lag jemand. Wohl ein Obdachloser, dicht eingehüllt in einen braunen Mantel. Automatisch griff Lintzer in seine Tasche. Er hatte nur wenige Kronen gegen Mark eingetauscht. Zufällig erwischte er gerade ein Markstück und warf es dem Obdachlosen hin. Dann ging er – natürlich in einem großen Bogen – um den Mann herum.
Dann wird eben der Kellner etwas weniger Trinkgeld bekommen, dachte Lintzer und bog in eine Seitenstraße ab.
Er hatte sich nicht aufgerichtet. Er war sich aber sicher, daß er etwas gehört hatte. Aber jetzt war es weg. Oder er, oder sie. Mit letzter Kraft versuchte er sich doch noch einmal aufzurichten, dann stöhnte er resigniert und sackte zusammen.
Der Schnee um seinen Kopf wechselte langsam seine Farbe; von weiß in rot.
Die Luft war weiß.
Millionen Schneeflocken drängten sich dicht an dicht; stürzten sich in Todesmut zur Erde. In Millionen Variationen, keine der anderen gleich.
Passanten haben längst vor der weißen Macht kapituliert. Autos wagen sich nur wenige heraus.
Farbe gibt es nicht mehr! Einheitliches weiß liegt die Stadt in ihren letzten Zügen, bevor das letzte Tageslicht aus ihren Adern weicht.
In einer ehemals belebten Straße liegt ein brauner Fleck., dicht gedrängt in einen verlassenen Hauseingang. Seit Stunden liegt er dort und steht nicht auf. Geht nicht weg. Wohin auch?
Er summt. Leise. Immer wieder die gleiche Melodie. Eine alte Melodie; behaftet mit Erinnerungen Warmen Erinnerungen; an alte Zeiten. Als er in einem kleinen Reihenhaus am Stadtrand wohnte. Nicht alleine, zusammen mit ihr. Ihre warme Stimme, ihr glattes Haar, ich weicher Körper.
Weiß, überall weiß – wie die Fliesen in ihrem Badezimmer. Unzählige Stunden in der Badewanne, zusammen mit ihr, tauchten in seinen Erinnerungen auf. Nur blaß, kaum wahrnehmbar. Ein Schleier liegt vor ihnen, wie der Schleier aus Schnee, der den Blick auf die unerreichbar entfernten Geschäfte auf der anderen Straßenseite trübt.
Er wird keine Chance bekommen, seine blassen Erinnerungen wieder aufzufrischen.
Ein Schub Übelkeit kroch in ihm hoch.
Lintzer gähnte. Erst vor drei Stunden war sein Flugzeug aus Kopenhagen gelandet. Die Abfertigung am Flughafen lief schnell, erstaunlich schnell sogar. Bereits neunzig Minuten nach der Landung fiel er auf die viel zu harte Matratze seines Hotelbettes. Er hatte nur seinen Wecker gestellt und sich sofort schlafen gelegt. Nach einer Stunde wurde er von seinem schrillen Störgeräusch geweckt. Vor seinem Fenster hatte sich die Landschaft verändert. Sie war weiß geworden. Es schneite heftig. Und so würde es wohl auch die nächsten drei Stunden bleiben. Ein Schneefall, wie er herrschte, als er in Kopenhagen in den Flieger stieg.
Seine Verabredung war um sechs. Er hatte also noch vierzig Minuten Zeit. Er zog sich sein neues Hemd an, daß ihm seine Frau extra noch vor seiner Abreise gekauft hatte, was eine etwas alberne Angewohnheit von ihr war. Sie kaufte vor jede seiner Reisen ein neues Hemd. Danach band sich mit geübten Griffen die Krawatte um. Er überprüfte noch einmal, ob er genügend Bargeld dabei hatte, dann ging er los. Er verzichtete auf ein Taxi, das war ihm bei diesen Straßenverhältnissen viel zu gefährlich. Er hatte bei früheren Besuche in Deutschland schon die eine und andere wilde Taxifahrt mitgemacht, so daß er seinen eigenen Füßen mehr vertraute als den gelben Rasern (ein Name, den sich seine Frau ausgedacht hatte).
Es wehte zum Glück kein sehr heftiger Wind, so daß er nicht unangenehm war zu laufen, solange man zu Boden blickte.
Lintzer hätte sich eigentlich noch ein bißchen auf sein Geschäftsessen vorbereiten müssen, zumindest im Gedanken, doch er dachte nur an den Geburtstag seines Sohnes in drei Tagen. Er kam extra aus Malmö herüber, wo er bei einer Zeitung arbeitet.
Der Tag wird wieder exakt nach dem gleichen Schema ablaufen, wie bereits seit Jahren: Gegen drei wird Bart an ihrer Tür klingeln. Um Vier gibt’s Kaffee und Kuchen, gegen Fünf dann der Spaziergang, der um halb Sieben im Moreno’s enden wird. Um halb neun wird Bart mit dem Hinweis auf die lange Heimfahrt und den kommenden harten Arbeitstag ihre Wohnung verlassen.
Beinahe wäre er über etwas gestolpert. Er blieb stehen. Am Boden lag jemand. Wohl ein Obdachloser, dicht eingehüllt in einen braunen Mantel. Automatisch griff Lintzer in seine Tasche. Er hatte nur wenige Kronen gegen Mark eingetauscht. Zufällig erwischte er gerade ein Markstück und warf es dem Obdachlosen hin. Dann ging er – natürlich in einem großen Bogen – um den Mann herum.
Dann wird eben der Kellner etwas weniger Trinkgeld bekommen, dachte Lintzer und bog in eine Seitenstraße ab.
Er hatte sich nicht aufgerichtet. Er war sich aber sicher, daß er etwas gehört hatte. Aber jetzt war es weg. Oder er, oder sie. Mit letzter Kraft versuchte er sich doch noch einmal aufzurichten, dann stöhnte er resigniert und sackte zusammen.
Der Schnee um seinen Kopf wechselte langsam seine Farbe; von weiß in rot.