Wehen
»Man, Linda...wir sind noch jung. Mein Chef hat mich grad rausgeschmissen...«
»Tom, wir schaffen das schon. Meine Eltern helfen uns wenn es sein muss.«
»Danke, darauf kann ich verzichten. Dein Vater hat noch nie was von mir gehalten. Das macht doch alles nur schlimmer. Ich kann Deinen Vater schon hören: ›He, der Kerl vögelt meiner Tochter ´n Kind an und kann´s dann nicht ernähren‹«
»Das ist nicht war, und das weißt du auch! Meine Eltern haben immer zu uns gehalten.«
»Ja, zu Dir, aber mich konnten sie noch nie ausstehen. Der Bengel aus dem Süden ist doch zu nichts zu gebrauchen, nicht gut genug für unser Kind.«
So ungefähr hatte alles vor fünf Monaten angefangen, als sie Tom von ihrer Schwangerschaft erzählte.
Eigentlich hatte sie sich darauf gefreut es ihm zu sagen. Den Verdacht hatte sie schon eine ganze Weile, doch seit heute hatte sie Gewissheit. Als Linda in Doktor Denborns Wartezimmer saß, brauchte sie die Bestätigung ihres Arztes eigentlich nicht mehr, so sicher war sie sich.
Sie hatte extra eingekauft um ihnen beiden etwas schönes zum Abendessen zu kochen. Lasagne. Toms Leibgericht. Den Tisch hatte Linda liebevoll mit Kerzen und ein paar Rosenblättern aus dem Garten dekoriert.
Tom kam fast eine Stunde zu spät und war total betrunken. Linda sagte an diesem Abend nichts. Zu dem Streit kam es erst am folgenden Morgen.
Seit dem stritten sie sich regelmäßig. Aber niemals so schlimm wie heute.
Seit Tom seinen Job verloren hatte trank er fast jeden Tag. Er trank und haderte mit sich selbst und der ganzen Welt.
Bis vor kurzem konnte sie ihren Kummer noch vor ihren Eltern verbergen, doch als ihre Mutter sie neulich fragte wie es ihr ginge, brach sie in Tränen aus. Sie redete sich ihren ganzen Frust von der Seele. Über ihre Schwangerschaft, über Tom, über ihr tägliches Flehen nach einem anderen, einem besseren Leben. Sie wollte keine Hilfe ihrer Mutter, nein, sie wollte das was sie von Ihrem Mann nicht mehr bekam; Aufmerksamkeit, Liebe, Jemand der einem Zuhört.
Der Wecker zeigte 4:45 Uhr als Linda es vor Schmerzen nicht mehr aushielt. Ihr Unterleib zog sich immer wieder krampfhaft zusammen. Schon seit über zwei Stunden hatte sie nun schon diese Schmerzen.
Aber die Wehen konnten es eigentlich noch nicht sein, schließlich war sie erst im sechsten Monat.
Verdammt, musste ich Tom ausgerechnet heute aus dem Haus werfen.
Gegen 05:20 Uhr traf der von ihr gerufene Krankenwagen ein. Dann ging alles sehr schnell. Die Diagnose: Frühgeburt.
»Die üblichen Infusionen, Doc?«
»Ja, wir müssen die Wehentätigkeit hemmen. Beta-Adrenergica und Prostaglandin-Inhibitoren, schnell!«
»Magnesium?«
»Ja. Und dann sag im Krankenhaus bescheid, dass wir mit ´ner Frühgeburt kommen.«
»Ok, mach ich.«
»Das war aber höchste Zeit, dass Sie uns gerufen haben Ma´am.«
Nachdem Linda auf den Transport vorbereitet war, brachte man sie behutsam in den Krankenwagen. Der Arzt und ein Sanitäter blieben hinten bei ihr im Wagen. Mit Blaulicht bahnten sie sich Ihren Weg durch den noch dunklen Morgen.
»Alles wird gut Ma´am, ich geb Ihnen was gegen die Schmerzen«, beruhigte sie der Sanitäter. Kurz darauf fielen ihr die Augen zu.
Ausschnitt aus der Wilson Creek Gazette vom folgenden Tag:
Schwangerer Frau das Baby aus dem Leib geschnitten!
In Wilson Creek wurde eine 21-jährige Frau von einem Rettungsassistenten tot aufgefunden. Der Frau, die im sechsten Monat schwanger war, war der Fötus aus dem Bauch gestohlen worden.
Die Leiche der Frau, sowie die des Arztes, wurden vom Fahrer, beim Eintreffen im Krankenhaus gefunden. Beide wurden mit einem Kopfschuss regelrecht hingerichtet. Von dem Rettungssanitäter und dem Baby fehlt bislang jede Spur. Der Polizei ist es ein Rätsel wie der Täter entkommen konnte. Dem Fahrer des Krankenwagens ist während der Fahrt nichts ungewöhnliches aufgefallen.