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Novelle Wegen der Sache mit den Gaspistolen

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Seniors
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02.01.2011
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Wegen der Sache mit den Gaspistolen

1
Sie stehen vor meinem Haus – ich kann sie sehen, hier, aus dem fünften Stock, von meinem Fenster aus. Oleg lehnt am Wagen an, tippt auf seinem Smartphone herum und zieht genüsslich an seiner Zigarette.
Ich weiß nicht, wie das heute Nacht ausgehen wird. Ich weiß nicht, ob ich da jemals heil rauskommen werde.

Als ich zwei Minuten später unten aus der Tür komme, schnippst Oleg die Kippe auf die Straße und hält mir die Hintertüre auf.
»Wo bleibst du, mhm?«, sagt er – alles bebt in mir, Schweiß läuft mir den Rücken herunter.
Vorne sehe ich Stalin sitzen, mit seinem zerschnittenen, vernarbten Gesicht. Er starrt mich an, ohne sich zu rühren.
»Du hast’s versaut, also bringst du’s jetzt auch wieder in Ordnung«, sagt Oleg. »Also, rein jetzt!«


2
Manchmal denke ich, dass irgendwas nicht mit mir stimmt. Dass ich eigentlich ein anderer sein müsste: Dass es eben doch sowas wie einen großen, göttlichen Plan gibt, ein Schicksal für einen jeden von uns, wenn man so will – und dass ich vor meinem davonrenne, jeden Tag aufs Neue.

Maruschka habe ich vor ein paar Wochen am Grünen Markt kennengelernt. Das ist dieser Platz in unserem Viertel, wo die Alten schon mittags mit ihren Schiebermützen rumhocken, Karten spielen und Wodka kippen – genau zwischen Lidl, dem kirgisischen Bäcker und Tanja’s Nagelstudio, wo man im Hinterzimmer für ein paar Tacken mehr auch Minderjährige kriegen kann.
Die Sache mit den Gaspistolen war erst ’n paar Tage her, und Denis und ich hatten ’ne scheiß Angst, was das Gericht daraus machen würde und ob wir noch Jugendstrafe bekommen würden oder in den Knast müssten und sowas. Wir zogen also ein bisschen was von diesem grandiosen Speed, das es gerade bei den Kurden drüben in der Bergleite gab, und streiften durch die Gegend, ohne wirkliches Ziel: vorbei an den grauen Platten, vorbei am Bolzplatz, und durch die kleine Unterführung direkt runter zum Grünen Markt.
Da machte Denis plötzlich große Augen und meinte: »Fuck, siehste die da?«
»Scheiße«, habe ich gesagt und mich umgesehen, »wen?«
»Na diese suka da drüben.« Jetzt grinste er, die Hände tief im Hoodie vergraben, die Kapuze über seinem Kopf. »Die Alte da, mit dem Kinderwagen, bläd
Bläd, bläd, original Denis, immer nur am Fluchen.
Ich spuckte auf den Boden und sagte: »Nee, noch nie gesehen.«
»Ist glaube ich die Cousine von Oleg, da ist eine von den Vladows mit in die Dreiundfünfzig gezogen, hat Roman gesagt.«
»Roman labert doch nur Scheiße, der goluboij
Wir haben beide gelacht, sind weitergeschlendert, ich steckte mir eine Zigarette an. Dann sah ich noch mal rüber, zu dem Mädchen mit dem Kinderwagen – sie trug zwei, drei Einkaufstüten in der Linken, die Haare zum Pferdeschwanz gebunden, dunkle Flecken unter den Achseln. Schweiß glänzte auf ihrer Stirn; ein schönes Ding, trotz allem – und in genau diesem Augenblick riss ihr eine der Tüten, und das ganze Zeug flog auf die Pflastersteine.
Wir gingen natürlich sofort hin und haben gefragt, ob sie Russin sei – sie lächelte, nickte und sagte: »ja«, und dann haben wir ihr die Einkäufe nach Hause getragen und vor der Tür noch ein paar Kippen mit ihr geraucht, alles ganz sachte, alles gentleman, ist klar. Letztendlich mussten wir aber abhauen, weil ihre Tante bald wiederkam, die ist anscheinend so ’ne ganz orthodoxe, die zwanzig Mal am Tag das Bild vom Patriarchen abküsst.
Denis und ich sind dann runter zum Lidl, haben uns ’n paar Bier gezogen und den restlichen Tag Witze darüber gerissen, was für eine geile suka das doch ist, die Cousine von den Vladows, und wer sie von uns beiden wohl als erstes nageln würde.

So habe ich Maruschka kennengelernt – keine Ahnung, ob das gut war. Keine Ahnung, ob all das, was danach passiert ist, ob das nicht irgendwie mit diesem Nachmittag zusammenhängt: ob das nicht die Wurzel, der Ursprung von alldem ist.


3
Wegen der Sache mit den Gaspistolen müssen Denis und ich noch hundertzwanzig Sozialstunden im Arbeitsförderungszentrum abarbeiten. Die Kids, mit denen wir am ersten Tag in der Pause eine Tüte geraucht haben, nennen den Schuppen »KZ«, weil sich die deutschen Kapos hier alle wie Naziwichser aufführen.
Wir wurden in so einen fensterlosen Anbau eingeteilt, wo der Putz von den Wänden bröckelt und wir aus Gummis und Metallstangen irgendwelche Teile für Solaranlagen bauen, zusammen mit Langzeitarbeitslosen und einem klapperdürren Albaner, der einen Bullen mit einem Pflasterstein umgenietet hat.

In der Mittag verdrücke ich mich dann ’ne komplette Stunde aufs KZ-Klo. Denis sage ich, dass ich Dünnschiss habe, aber in Wirklichkeit will ich einfach nur in Ruhe ein bisschen was von meinem H ziehen. Ich versuche das Zeug in der letzten Zeit nicht mehr so oft zu drücken, langsam finde ich keine brauchbare Vene mehr in der Von-Klamotten-bedeckten-Zone, und wenn die Vladows wieder da sind und ich aussehe wie ein verstochener Junkie, geben sie mir mit Sicherheit keine Jobs.

Irgendwann klopft es dann wie bescheuert an der Klotür, und als ich aufmache, steht Denis vor mir, breit grinsend, und meint, was für ein Wichser ich doch sei, weil ich all das Zeug allein geballert habe.


4
Ich weiß nie, wie Maruschka drauf ist, wenn sie bei mir vor der Türe steht. Es gibt so Abende, da taucht sie mit diesem glasigen, trostlosen Blick auf, als ob sie in den Nachrichten gehört hätte, dass morgen der Dritte Weltkrieg ausbricht oder sowas. Sie sagt dann keinen Ton und will bloß, dass ich mit ihr im Bett rumliege und sie in den Arm nehme – und dann, einen Tag später, buff!, steht sie morgens um zehn sturmklingelnd vor meiner Tür, grinst mich mit einem Sixpack Export an und reißt mir schon im Gang die Hose runter.
»Fester!«, schreit Maruschka, und unsere heißen, brennenden, verschwitzten Körper reiben aneinander.
»Ja«, sage ich, »kriegst du«, und dann bohrt mir Maruschka ihre Fingernägel in die Arschbacken und beißt mir so fest in die Lippe, dass ich sofort Blut schmecke. Ich sehe, denke, höre nichts mehr, habe Scheuklappen auf, stoße immer wieder in sie hinein, bis zum Anschlag, bis es nicht mehr weiter geht: Ich habe das Gefühl, sie gleich in der Mitte zu zerreißen, sie aufzuschlitzen, umzubringen.
»Ja!«, schreit sie, »ja! So! Jetzt würg’ mich!«
»Was?«
»Würg’ mich!«
Ich packe sie, bumse sie, ihr Puls pocht in meinen Händen – Maruschkas Kopf wird rot, ihre Adern schwellen an. Dann kommt es mir, eine halbe Sekunde später zieht sich auch bei ihr alles zusammen, und es ist, als ob ich mit einer Rakete durch die Decke schießen würde, durch die Wolken breche, die Sonne sehe.
Wir liegen nebeneinander und schnaufen. Schweiß läuft mir das Gesicht herunter, mein Herz rast, ich kriege kaum Luft.
»Das war’s«, sagt Maruschka, fährt sich durch die Haare, schnauft und nickt. »Das war’s«, sagt sie.
Ich höre Maruschka noch eine Weile neben mir atmen. Dann steht sie auf, wühlt in ihren Sachen herum, fingert was vom H auf den Löffel, kocht das Ganze mit einem Schuss Ascorbinsäure auf, zieht die Spritze damit voll und sucht ihre Armbeugen nach einer brauchbaren Vene ab.


5
Wenn ich an das erste Mal denke, an dem ich Heroin genommen habe, dann muss ich auch an meinen Vater denken: wie er mich als Kind vor Teufels geraijn warnt, wie er mir von den Entzugsanstalten in Nowosibirsk erzählt, wo sie Onkel Jegor so lange mit Brot und Wasser an sein Bett gekettet haben, bis er zu schreien aufgehört hat.
Wenn ich an das erste Mal denke, an dem ich Heroin genommen habe, dann sehe ich es plötzlich wieder ganz genau vor mir: Denis, wie er mit mir draußen im alten Sägewerk steht und neugierig das braune Pulver beäugt, das er aus der Alufolie packt; wie er den weißen Rauch ausatmet, wie seine Augen angeschwollen zuklappen und sich dieses benebelte Grinsen in seinem Gesicht ausbreitet. Wir waren damals nicht älter als dreizehn, vierzehn gewesen; Scheiße, hat uns das die Schuhe ausgezogen: Wir sind richtig auf Wolke siebzehn geflogen, kein Witz. Und, auch wenn wir’s damals vielleicht nicht gemerkt haben: aber dieses erste Mal, das hat uns verändert. Einfach zu wissen, dass dieses bombastische Gefühl wirklich existiert, dass man es jederzeit haben kann, das hat ’ne Menge losgemacht bei mir. Seitdem ist Heroin für mich zu sowas wie der besten Versicherung überhaupt geworden: Egal, was kommen mag, egal, was passieren wird und wie beschissen ich mich dabei fühlen werde – solange ich einen Zehner über habe, kann ich mir sicher sein, dass ich für ein, zwei Stunden dieses Wahnsinnsgefühl haben kann: dass ich für ein, zwei Stunden ins Paradies schielen kann.

Klar frage ich mich, wie wohl alles gekommen wäre, hätte ich’s damals gelassen und ’ne anständige Ausbildung angefangen und das alles; klar frage ich mich, ob ich mich dann heute besser fühlen würde und ich nicht ständig dieses Gefühl hätte, dass irgendwas nicht mit mir stimmt, dass ich eigentlich ein anderer sein müsste. Klar frage ich mich das alles – aber letztendlich führt das alles zu nichts, letztendlich bringt mich dieses erdrückende, gottverdammte Gefühl, alles falsch gemacht zu haben, bloß zurück zu den Vladows, zurück zu meinem Ticker, zu einem Zehner H und einer Stunde im Paradies.


6
Gestern ist etwas Beunruhigendes passiert. Maruschka konnte sich für eine Stunde von ihrer Hitler-Tante wegschleichen, weil sie gesagt hat, sie würde Windeln und Babyzeugs kaufen gehen. Jedenfalls stand sie plötzlich mit dem Kleinen vor der Tür, gerade als ich mit Denis vom KZ gekommen war, und wir ein paar Feierabend-Töpfe ballern wollten. Maruschka war ziemlich nervös, wollte auch nichts rauchen, und als sich Denis verpisst hatte, fing sie zu erzählen an, dass Oleg, der jüngere der beiden Vladow-Brüder, wieder aus dem Bau ist, weil man ihm nichts nachweisen konnte. Er muss ziemlich aggro drauf gewesen sein, hat Gläser durch die Bude geschmissen und sowas – Maruschka hat das bloß von ihrem Zimmer aus gehört, aber anscheinend ist auch mein Name ein paar Mal gefallen: Polijak, Polijak.
Das macht mir eine scheiß Angst – klar, die denken, dass ich ’ne Ratte bin, dass ich bei den Bullen ausgepackt habe, dass die Razzia einen Tag später auf mein Konto geht, weil ich nach der Sache mit den Gaspistolen meinen eigenen Arsch retten wollte. War natürlich nicht so – aber, Scheiße, ich weiß nicht, wie lange das noch gut geht. Der ältere Vladow ist noch nicht mit seinem Prozess durch, aber wenn der wieder rauskommt und denkt, ich bin an diesem ganzen Mist Schuld, Scheiße, dann gnade mir der heilige Patriarch.


7
In der Mittag schleichen uns Denis und ich vom KZ-Gelände und gehen rüber zum alten Atrium-Einkaufszentrum, weil wir in Ruhe ein bisschen Gras rauchen wollen. Wir sitzen auf dem Dach dieser Betonleiche und erinnern uns, wie wir als Kinder vor den Spielzeugläden im Erdgeschoss gestanden haben, dann schweigen wir einen Moment, bevor ich die Sache mit Oleg erzähle, dass er wieder da ist und dass er wahrscheinlich denkt, wir seien Ratten und sowas. Denis sagt nichts, er nickt bloß und schaut mit seinen glasigen, blauen Augen vom Dach runter, auf das graue Wimmelbild vor uns, auf die Straßen, die viereckigen Wohnklötze, die rauchenden Fabrikschlöte.
»Betoncity, was?«, sagt Denis schließlich und grinst verkrampft.

Später rasen wir dann das Treppenhaus hinunter, wir schreien und lachen, spucken auf die Wände, überall stinkt es nach Pisse. Und dort, im Treppenhaus vom alten, leerstehenden Atrium, zwischen Erdgeschoss und Dach, da kann ich das alles für einen Augenblick vergessen; da kommt mir das alles kurz so vor, als ob es nie wirklich passiert ist: Als ob diese ganze Geschichte mit den Gaspistolen, mit Oleg und Maruschka, als ob das alles etwas ist, das mir irgendjemand mal erzählt hat, und von dem ich dann schlecht geträumt habe.


8
Die Vladow-Brüder sind bei uns im Viertel sowas wie eine Legende, richtige Russenmafia, mit ’n Haufen Cousins in Berlin und im Osten, die auch alle mit drin stecken.
Den älteren von den Vladows nennen hier alle nur »Stalin«, er muss schon Mitte vierzig sein und hat in den Neunzigern das ganze Geschäft aufgezogen. Ist auch der kleinere der beiden Brüder, ist nur knapp über einssechzig groß, schätze ich – aber es ist sein Gesicht, das ihm diese brandgefährliche Aura gibt: Nase, Wangen, Kinn und Stirn: Da gibt es kaum ein Stück Haut, was nicht von Narben übersät ist – lange, feine und kurze, grobe Narben; wo die herkommen, kann niemand so genau sagen: ein paar von den Alten bei uns im Viertel erzählen immer von dieser Familienfehde, noch in der alten Heimat; und für jeden, den Stalin umgelegt hatte, soll er sich selbst ins Gesicht geschnitten haben, damit jeder sehen konnte, wer er war.
Verrückte Geschichte, von der niemand so genau weiß, wie viel davon wahr ist – und, ich denke, das ist es auch, wieso sich die Leute in meinem Viertel so sehr vor Stalin fürchten: weil sie kaum etwas über seine Vergangenheit wissen, außer, dass sie diese Narben hinterlassen hat.

Oleg, das ist der jüngere der beiden Vladow-Brüder, der war früher ziemlich dicke mit Denis’ großem Bruder, bevor der in die Fabrik ging und Oleg mit in den Vladow-Familienbetrieb eingestiegen ist.
Aber Oleg blieb trotzdem Oleg: hauptsächlich unberechenbar. Entweder kam dieser große, drahtige Blondschopf über den Zaun vom Bolzplatz gesprungen, zu uns Kids, checkte blendend gelaunt mit uns allen ein, hat ’ne Runde mitgekickt und uns danach augenzwinkernd ein bisschen Gras zugesteckt – oder man hörte von seinen Wutausbrüchen, von den Aggressionsproblemen, sah Leute, denen er grundlos die Knochen gebrochen hat und erzählte sich von dieser einen Alten, die er vor irgendeiner russischen Großraumdisko in die Intensiv geschlagen hat, weil sie keinen Bock auf seine Grapschversuche hatte.
Oleg, Oleg; Oleg ist ein Irrer.
Jedenfalls haben er und sein Bruder hier im Viertel ihre Nase in sämtlichen Drogengeschäften stecken, auch ein bisschen was mit Nutten und Brüchen, aber davon weiß ich nichts Genaues.
Und dann taucht plötzlich dieser Deutsche auf, so ein dürrer, kleiner, tätowierter Typ, und vertickt tonnenweise Eins-a-Gras zu einem Spottpreis, nur zwei Straßen von den Vladows entfernt. Dass da was passieren musste, war ja klar.
Ich hatte in der letzten Zeit öfter mal was für Oleg geschoben, so ein paar Kleinigkeiten erledigt, weil er meinte, ich würde fast schon das Gesicht von einem Deutschen haben, und Deutschen würde hier sowieso nie was passieren.
Da schleppt mich Oleg an diesem einen Abend mit zu Stalin rüber, ich scheiße mir davor natürlich ordentlich in die Hose, weil ich keine Ahnung habe, was Stalin plötzlich von mir will.
Im Endeffekt drückt er mir zwei Pistolen in die Hand und meint, ich soll mit dem kleinen Bruder vom Alex zu dem deutschen Waschlappen-Ticker gehen, und ihm ein bisschen mit der Knarre vor der Nase rumwedeln, damit er sich verpisst oder mit dem Scheiß aufhört.
Dass das bloß Gaspistolen sind, die wir da in die Hände bekommen haben, wissen Denis und ich natürlich nicht – ich denke, Stalin hatte Schiss, dass wir Kids mit scharfen Knarren Scheiße bauen könnten, und dass das dann auf ihn zurückfällt.

Na ja, so viel zu unserem Plan – nur dumm, dass der Deutsche Ticker ’ne Tonne voller Bullenfreunde hat, alle Anfang Zwanzig oder was, und die chillen gerade bei ihm in der Bude auf dem Sofa, als Denis und ich mit unseren Sturmhauben und den Knarren reinschneien.
Der Richter weiß natürlich nichts von irgendeiner Drogensache. Für den sind wir einfach nur zwei Idioten, die einen Hartz-4-Empfänger mit Gaspistolen ausrauben wollten.
Blöderweise saßen wir dann die ganze Nacht über in U-Haft, und am nächsten Tag nahmen die Bullen die Vladows hoch, und was die jetzt von Denis und mir denken, ist ja wohl klar.


9
Ich weiß nicht, was das mit Maruschka ist. Ich habe eigentlich immer irgendeine suka am Laufen, aber das hier ist was anderes. Nachdem wir gebumst haben, drücken Maruschka und ich uns immer einen halben Daumen breit in den Arm, und dann stellen wir uns vor, dass wir abhauen, flüchten: irgendwohin, raus aus der Stadt, zu einem Ort, der wahrscheinlich gar nicht existiert: ins Paradies, ins Nirvana.
Als wir auf meinem Bett liegen und Maruschka sich den Gürtel vom Arm zieht, durchschwemmt mich schon dieses irre, warme Kribbeln, Wahnsinn. Meine Augenlider werden schwer und Maruschka steckt sich eine Zigarette zwischen die Lippen, blickt in die bläuliche Dunkelheit meines Zimmers und flüstert: »Amerika.«
Kurz leuchtet das Feuerzeug auf, ich sehe ihre spitze Nase, ihr glänzendes, verschwitztes Gesicht.
»Oder nee«, haucht Maruschka, fuchtelt erst mit der Hand herum, dann lacht sie und fährt sich durch die Haare. »Los Angeles. Dann George Clooney über ’n Weg laufen und mit dem durchbrennen oder was.«
Sie lacht noch mal, dreht sich auf die Seite, schiebt ihre Hand zwischen Kissen und Gesicht und tastet mich mit ihren großen, müden, braunen Augen ab.
»Und du?«, fragt sie.
Ich picke mir die Zigarette aus ihrer Hand, drehe mich auf den Rücken und nehme ein paar Züge.
»Kanada«, sage ich, und denke an blaue, klare Seen – ich denke an unendlich große Wälder, an Bären, an eine Hütte aus Holz, mitten auf einer gigantischen Wiese; und der Himmel ...

Als wir beide langsam wieder aufwachen, spüre ich Maruschkas warmen Körper neben mir. Ich rieche diesen fantastischen, einzigartigen Geruch, der nur von ihr ausgeht, der nur ihr gehört. Maruschka streicht mir mit den Fingerspitzen über die Brust.
»Pass auf dich auf«, sagt sie, »pass auf dich auf.«

Nachdem sie gegangen ist, setze ich mich aufs Bett und stecke mir eine Kippe an. Draußen hängt der Mond in einem blauschwarzen Himmel, er ist groß und rund, fast unwirklich.
Ich versuche darüber nachzudenken, wie ich am besten auf mich aufpassen kann, aber eigentlich denke ich die ganze Zeit bloß an Maruschka. Ich weiß einfach nicht, was das mit ihr ist – ich weiß nicht, ob es wegen ihrer Schönheit ist; ja, klar, sie ist schön, aber da ist noch etwas anderes an ihr, etwas, wofür ich keine Worte finde.
Dabei weiß ich kaum etwas über sie – dieses Kind zum Beispiel, das sie immer mit sich rumschleppt, das ist von irgendeinem Russen, wegen dem sie aus Berlin abhauen musste, und jetzt hier bei ihrer verrückten Jesus-Tante wohnt. Aber immer, wenn ich sie darauf anspreche, bekommt sie wieder diesen starren, glasigen Blick – diesen starren, glasigen Blick, als ob die Sonne nie wieder aufgehen würde, als ob die Welt bloß noch aus Schatten bestehen würde.
Als ich so darüber nachdenke, legt sich plötzlich eine unfassbare Schwere auf mich. Was stimmt nicht mit dieser gottverdammten Stadt? Und was stimmt nicht mit mir und was stimmt nicht mit Maruschka?
Es gibt Momente, da fühle ich mich so frei, so leicht, als ob mir nichts etwas anhaben könnte; und dann, eine Stunde später, fällt der komplette Himmel auf mich herab – dann fühle ich mich, als ob all das Stahl, all das Beton, all die geplatzten Wünsche, Träume und Depressionen dieser Stadt – als ob das alles auf meinem Rücken lasten würde.


10
Am nächsten Morgen geht alles sehr schnell. Als ich bei uns im Haus unten aus dem Aufzug steige, glaube ich, ich schiebe jetzt total. Oleg steht vor mir, in blauer Adidas-Trainingsjacke und Jeans, die Hände in die Hosentaschen gesteckt.
»Privijet«, sagt er, »privijet, Oleg«, sage ich zurück.
Er beäugt mich einen Moment, dann nickt er mit dem Kopf in Richtung Ausgang und sagt: »Komm, wir laufen ein Stück.«


11
Der Kapo wird mir den Arsch aufreißen, weil ich heute nicht im KZ aufgetaucht bin, aber das ist mir egal. Zweiundzwanzig Uhr hat Oleg gesagt, um zweiundzwanzig Uhr stehen sie vor meiner Tür, dann werden wir weitersehen.
Ich weiß nicht, ob Oleg mir glaubt. Er hat mich lange ausgefragt: Darüber, was ich dem Staatsanwalt gesagt habe und was ich bei den Sozialstunden machen muss und ob Denis ein Junkie ist, weil man Junkies nicht trauen kann. Und keine Ahnung, wo Denis steckt – ich habe ihn zehnmal angerufen und bin vorhin extra noch mal bei ihm vorbei, aber keine Spur.

Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so aufgeregt war. Meine Beine sind butterweich und meine Hände zittern wie irre, als ich mir auf meinem Bett das Zeug aufkoche. Das mit dem H ballern ist so eine Kunst für sich: haut man sich nur ein, zwei Nadelspitzen zu viel rein, fallen einem sofort die Augen zu und das war’s dann mit heute Abend – ist man aber zu sparsam und kann nachher nicht noch mal nachlegen, packt einen viel zu schnell der Affe und diese ätzenden Schmerzen in den Beinen legen einen dermaßen flach, dass man glaubt, man sei drei Marathons gelaufen.


12
Sie stehen vor meinem Haus – ich kann sie sehen, hier, aus dem fünften Stock, von meinem Fenster aus. Oleg lehnt am Wagen an, tippt auf seinem Smartphone herum und zieht genüsslich an seiner Zigarette.
Ich weiß nicht, wie das heute Nacht ausgehen wird. Ich weiß nicht, ob ich da jemals heil rauskommen werde.

Als ich zwei Minuten später unten aus der Tür komme, schnippst Oleg die Kippe auf die Straße und hält mir die Hintertüre auf.
»Wo bleibst du, mhm?«, sagt er – alles bebt in mir, Schweiß läuft mir den Rücken herunter.
Vorne sehe ich Stalin sitzen, mit seinem zerschnittenen, vernarbten Gesicht. Er starrt mich an, ohne sich zu rühren.
»Du hast’s versaut, also bringst du’s jetzt auch wieder in Ordnung«, sagt Oleg. »Also, rein jetzt!«


13
Ich sitze auf der Rückbank, Stalin fährt und Oleg streift sich durch die blonden Haare, zieht an seiner Zigarette und starrt aus dem Beifahrerfenster. Wo Denis steckt, wissen wir nicht – und das wirft alles andere als ein gutes Licht auf ihn, soviel ist klar.
Wir fahren ein paar Mal um den Block, und als sich Stalin sicher ist, dass wir niemanden hinter uns hängen haben, halten wir kurz an, Oleg springt raus, und dann schmiert er das Nummernschild hinten und vorne mit Erde aus einem Blumenbeet ein.

Wir stehen seit einer Stunde auf der anderen Straßenseite. Kaum ein Mensch ist zu sehen, bloß im vietnamnesischen Imbiss im Erdgeschoss sitzt ein Typ und schlürft Nudeln.
»Mij dolschnij bilij bi sdilidija de sewoijdnije«, murmelt Stalin mit seiner hellen, ruhigen Stimme vor sich hin, »wir sollten es noch heute tun.«
Oleg nickt, und dann schieben sich beide eine neue Zigarette in den Mund und starren weiter auf das Fenster über dem Vietnamnesen. Ich krampfe meine Linke zu einer Faust zusammen, dann spreize ich die Finger wieder auseinander; mir läuft der Schweiß die Wangen hinunter.
Oleg zieht etwas aus dem Handschuhfach und hält es nach hinten, zu mir. Als ich zugreife, fällt mir sofort auf, wie schwer die Knarre ist, viel schwerer als die letztes Mal.
»Diesmal kein Spielzeug«, knurrt Stalin auf Russisch und blickt mich mit seinen eisigen, durchdringenden Augen im Rückspiegel an. »Alles klar?«


14
Bei dem Deutschen ist das Licht jetzt schon seit einer halben Stunde aus. Oleg steigt vor mir aus dem Wagen, wir schlendern über die Straße und schauen uns noch mal um, bevor wir uns im Torbogen Sturmhaube und Handschuhe überziehen.
Die Haustür kriegt Oleg noch leicht mit dem Plastikkärtchen auf, aber als wir im zweiten Stock vor der Wohnungstür stehen, klappt das nicht mehr. Ich schwitze, schnaufe, die Knarre habe ich in meiner Hoodie-Tasche stecken – ich klammere mich an ihr fest, als ob sie meine Sicherheit, als ob sie meine Lösung für alles wäre; der Druck von vorhin lässt langsam nach, die Angst kehrt zurück, sie klettert mir von den Füßen die Knochen hoch.
»Schnauf nicht so«, zischt Oleg, dann steckt er die Stange zwischen Tür und Rahmen und hebelt ein paar Mal kräftig daran – das knarzt extrem laut, und die gottverdammte Paranoia hat mich fast so weit, dass ich einfach abhaue, dass ich einfach sage, scheiß drauf, nicht noch mal, sollt ihr doch denken, dass ich ’ne Ratte bin, ihr Penner.
Als die Tür draußen ist, kriegen wir sie trotzdem nicht auf – drinnen fängt es zu Rascheln an, irgendjemand läuft wie verrückt hin und her.
»Der goluboij hat drinnen noch ’n Schloss«, zischt Oleg halblaut, starrt auf die Tür, und ich beiße mir auf die Zunge.
»Was jetzt?«, frage ich – Oleg reißt bloß die Augen auf und knurrt: »Fuck! Fuck!«
Der Typ in der Wohnung fängt jetzt an, rumzuschreien, wer da vor der Tür steht und was wir wollen.
Zwei, drei, vier Sekunden vergehen, in denen nichts passiert, in denen Oleg bloß starr dasteht – und plötzlich habe ich so ein Gefühl, als ob diese ganze Nummer hier ein zweites Mal schiefgeht, als ob ich bald wieder in U-Haft hocke; da kommt mir diese Idee: Ich hole ich tief Luft und dann schreie ich in makellosem Deutsch: »Polizei!«
Einen Moment ist alles still. Oleg blickt mich entsetzt an, aber ich hebe bloß die Hand, dass er verdammt noch mal die Fresse halten soll – »Polizei! Sofort aufmachen! Polizei!«, schreie ich wieder.
Dann Schritte, Klimpern, und plötzlich steht der Idiot tatsächlich vor uns, total verpennt, mit zugekniffenen, vollgedröhnten Augen – bis er checken kann, was hier gerade abgeht, hat ihn Oleg, dieses Tier, schon längst an der Gurgel und schleift ihn quer durchs Zimmer. Dann ein Schlag, noch einer, Oleg prügelt dem Typen eine nach der anderen auf die Nase, der Kerl fliegt auf den Boden, zappelt und wimmert.
»Weißt du, wer ich bin?«, zischt Oleg und beugt sich zu dem Deutschen runter, »weißt du, was ich von dir will, bläd
Oleg würgt ihn, und der Deutsche wird plötzlich still, reißt die Augen auf und nickt.
»Gut«, knurrt Oleg. Er dreht sich um, blickt zu mir. »Dawaij!«, sagt er, »komm her, dawaij
Ich ziehe die Knarre aus meiner Tasche, laufe rüber, bücke mich und stopfe sie dem Deutschen zwischen die Zähne.
»Das passiert, wenn du deine Bullenfreunde holst«, flüstert Oleg, »eine Woche, dann bist du weg, kapiesch?«
Der Kerl nickt ganz irre – plötzlich fängt er an, irgendwas zu brabbeln.
»Was?«, sagt Oleg, »tu das Ding da mal weg, bläd
Als ich ihm den Lauf aus dem Mund gezogen habe, stammelt der Kerl: »I-ich war’s nicht!«
Oleg und ich sehen uns an.
»I-ich hab euch nicht bei den Bullen angepisst! I-Ich weiß aber, wer’s war! Die haben’s erzählt, neulich, die wissen, wer angerufen hat!«
»Sag es mir«, flüstert Oleg, und betont dabei jede einzelne Silbe; er beugt sich runter, und der Deutsche flüstert ihm etwas ins Ohr, ich kann es nicht verstehen.
Oleg hebt den Kopf und tauscht Blicke mit dem Deutschen aus. Dann bekommen seine Augen plötzlich sowas Starres, Glasiges, Irres, richtig unheimlich – er fängt an, dem Deutschen ins Gesicht zu schlagen, noch mal und noch mal, immer wieder, immer schneller, bis der Deutsche zu winseln aufhört, bis der Deutsche ganz schlaff wird, bis dunkle, rötlich-glänzende Flüssigkeit sein Gesicht überzieht und die Konturen seiner Nase, seiner Wangen und seines Kinns unter den Hieben von Olegs Faust weich werden, verschwimmen, sich verlieren – und als ich merke, dass da kein System dahinter steckt, als ich merke, dass Oleg die Kontrolle verliert, dass er sich da in einen Rausch reinprügelt, da packe ich ihn, mit aller Kraft, will ihn bremsen; aber dieses Tier, dieser Fels, ich kann ihn kein Stück bewegen – also springe ich auf, lade die Knarre durch und halte sie Oleg mitten ins Gesicht.
»Stopp!«, schreie ich, »hör auf! Du bringst ihn noch um, du Idiot!«
Da hört Oleg plötzlich auf – da schnauft er plötzlich durch und blickt mich an.
»Ja«, sagt er nach ein paar Sekunden auf Russisch und nickt. »Ja. Ja. Du hast recht. Ja.«
Schließlich helfe ich Oleg hoch, zerre ihn aus dem Zimmer, und zehn Sekunden später springen wir auch schon zu Stalin in den Wagen. Ich reiße mir die Sturmhaube vom Gesicht und habe das Gefühl, hier gleich alles vollzukotzen.


15
Keine Ahnung, wo die Reise hingeht. Kurz nachdem wir weggebrettert sind, hat Oleg Stalin etwas ins Ohr geflüstert, der ist vollkommen ausgerastet, hat ’ne Vollbremsung hingelegt, hat wie verrückt auf den Lenker eingeprügelt und ist mit achtzig, neunzig Sachen die Blaue Allee hochgeschossen, am Bolzplatz vorbei und dann runter zum Grünen Markt.
Da schmeißen sie mich raus, und ich stehe noch mit der Sturmhaube in der Hand auf einmal vollkommen alleine da. Das Motorengeräusch wird leiser, entfernt sich – nur ich und die Pflastersteine, die Leuchtreklame von Tanja’s Nagelstudio, der schwarze, sternenlose Himmel; da fange ich das Denken an. Am Grünen Markt? Was wollen die da? Was hat der Deutsche zu Oleg gesagt? Denis wohnt doch nicht am Grünen Markt – der wohnt drüben, in der Berggleiser Straße, das ist genau auf der anderen Seite vom Viertel.
Und da kommt es mir plötzlich – da verstehe ich plötzlich, was die ganze Zeit über passiert ist, da ergibt das auf einmal alles einen Sinn: Ich treffe Maruschka das erste Mal, kurz nachdem die Vladow-Brüder bei den Bullen angepisst wurden, mit diesem Baby und dieser patriarchengeilen Tante; und diese dunklen Wolken, die Maruschka ständig umhüllen, vereisen; und Olegs starrer, glasiger, irrer Blick, als der Deutsche ihm den Namen gesagt hat – und diese eine Alte, die er in die Intensiv geschlagen hat, weil sie keinen Bock auf seine Grapschversuche hatte.
Plötzlich wird mir alles klar: Scheiße, ja, Maruschka ist die einzige, die in der Nähe vom Grünen Markt wohnt.
Ich lasse mich auf die Pflastersteine sacken, schlage die Hände über dem Kopf zusammen ... Scheiße, was ist das da in meinem Hoodie? Das gibt es nicht – diese ganze Sache hat die Vladows so hart aus dem Konzept geworfen, dass die glatt vergessen haben, mir die Knarre abzunehmen. Ich starre auf das glänzende Ding in meiner Hand und schwitze, schlucke: Maruschka, Maruschka, alles rast in mir – Amerika, Kanada.
Jetzt gibt es kein Entkommen, kein Weglaufen mehr, weil: Maruschka, Maruschka – wenn ich das jetzt nicht tue, wenn ich sie jetzt im Stich lasse, davonrenne, dann ...


16
Als ich vor Maruschkas Hochhaus stehe, halte ich kurz an, atme durch; ich bin bis hier her gerannt, bin vollkommen durchgeschwitzt, hinüber. Ich schließe kurz die Augen, dann ziehe ich die Knarre aus meiner Hoodie-Tasche.

Die Schreie höre ich schon, als ich noch im Treppenhaus bin, ein Stockwerk unter der Wohnung von Maruschkas Tante. Das ganze Haus muss sie hören: grelle, schmerzerfüllte Schreie, meine Beine werden weich und zittrig.
Als ich endlich vor der Wohnungstür stehe, weiß ich nicht, wie ich reinkommen soll. Ich trete zwei-, dreimal gegen die Stelle neben dem Schloss, aber als sich nichts tut, halte ich einfach mit dem Lauf der Knarre drauf und drücke ab. Plötzlich ein riesen Knall, der Kolben springt zurück und schlägt mir fast gegen den Kiefer. Aber die Tür geht immer noch nicht auf – kurz geschieht nichts, kurz stehe ich einfach nur im Gang, vor der Tür, und weiß nicht, was ich jetzt tun soll, wie ich Maruschka jetzt daraus befreien kann – dann halte ich noch mal auf die Tür, schieße fünf-, sechs-, siebenmal auf die Stelle neben dem Schloss, wo die beiden Riegel sein müssen – da springt die Tür endlich auf, und als ich gegen sie trete, stehe ich auch schon in der Bude, in Mama Vladows Wohnzimmer; erst blicke ich in einen menschenleeren Raum, dann kommt Maruschkas Kopf langsam und mit erhobenen Händen hinter dem Sofa hervor. Nach zwei Sekunden sehe ich die Knarre, die ihr gegen die Schläfe gehalten wird: Oleg und Maruschka stehen auf, ihr Gesicht ist blau-rot geschwollen, blutüberströmt, und Oleg steht hinter ihr und lugt an ihrem Ohr vorbei – ich halte mit der Pistole auf ihn, und als er checkt, dass ich es bin, der da vor ihm steht, reißt er die Augen auf.
»Polijak?«, sagt er, »was soll der Scheiß? Bist du jetzt total behindert oder was?«
»Schnauze«, sage ich, »Waffe weg, oder ich schieß’ dir ’n gottverdammtes zweites Arschloch ins Gesicht, bläd
Da raschelt es plötzlich links von mir – jetzt sehe ich Stalin auf dem Teppichboden liegen, er starrt mich mit seinen blauen, durchdringenden Augen an, hält die Hände hoch und steht langsam auf.
»Ganz ruhig«, sagt er auf Russisch zu mir, »jetzt bleib’ mal ganz ruhig, Kleiner.«
Sofort ziele ich auf ihn, schreie: »Halt die Fresse! Halt bloß deine Fresse, oder ich knall dich ab, du Hundesohn!«
»Was willst du?«, fragt Stalin mit seiner ruhigen, hellen Stimme.
»Maruschka«, sage ich.
Da lacht Oleg plötzlich auf.
»Die Kleine?«, sagt er. »Kennst du die überhaupt?«
»Ich weiß es«, sage ich auf einmal, ohne von Stalin wegzusehen.
»Was?«, höre ich Oleg fragen.
»Das Kind, das Kind von Maruschka, das ist deins, Oleg, oder?«
Stalins Gesicht verkrampft, er reißt die Augen auf, beißt die Zähne aufeinander und starrt mich an.
Ich höre Oleg schnaufen, dann sagt er: »Hat die dir das gesagt oder was? Die Hure? Hat dir die Hure das gesagt, Polijak, mhm?«
»Du hast sie vergewaltigt und dann ist sie schwanger geworden, und jeder hat gewusst, dass das dein Kind ist, sogar deine Mutter. Und deswegen hat sie Maruschka hierhergeholt.«
Als ich das gesagt habe, atme ich tief ein und aus, blinzle zu Oleg und Maruschka rüber.
Und da passiert es plötzlich – da sehe ich in diesem Bruchteil einer Sekunde plötzlich diese eine kleine Bewegung aus dem Augenwinkel: wie Oleg seine Waffe von Maruschkas Schläfe wegbewegt, wie er sie neigt, auf mich halten will; und ich schwenke reflexartig meine Knarre wieder rüber zu Oleg und Maruschka – und da knallt es auf einmal, da hat sich auf einmal dieser Schuss aus meiner Waffe gelöst, und der Kolben schlägt wieder nach hinten, mit voller Wucht.
Kurz zieht sich alles in mir zusammen, kurz denke ich: nein, nein, nein, das kann nicht sein, nein, nein, nein; aber als es Olegs Kopf ist, den es nach hinten schleudert, als es Olegs Blut ist, das auf die Tapete hinter ihm spritzt, und Maruschka einfach starr stehenbleibt, da weiß ich es: Ich habe an ihr vorbeigeschossen.
Sofort fängt Stalin das Brüllen an, und ich kann meine Knarre gar nicht schnell genug wieder auf ihn richten, da hat er mich schon, da ist er schon an mir dran, schlägt mir die Pistole aus der Hand und prügelt mir seine Faust erst in den Magen, dann ins Gesicht. Ich gehe sofort zu Boden, sehe kurz Schwarz: Und dann ist er über mir, Stalin, mit diesem Gesicht, mit diesen ganzen Narben, mit den gefletschten Zähnen, den eisigen, blauen Augen – er würgt mich, ich versuche, ihn zu schlagen, ihn von mir wegzubekommen, aber ich schaffe es nicht: Ich werde schwächer und schwächer; Stalins Gesicht, die Narben, die eisigen Augen ...
Dann ein Schuss, noch einer und noch einer, und plötzlich wird es warm um mich herum, plötzlich spüre ich Stalins Gewicht auf mir liegen. Als ich wieder zu mir komme, sehe ich Maruschka über mir stehen, mit weit aufgerissenen Augen und der rauchenden Knarre noch in den Händen. Ich schiebe Stalin von mir und ringe nach Luft. Als ich mich wieder auf die Beine ziehen kann, nehme ich Maruschka die Waffe aus der Hand.
»Ich hasse sie«, sagt sie, und starrt noch immer auf Stalin. »Ich hasse diese Hurensöhne, ich hasse sie!«
Ich blicke kurz zu Stalin runter; auf die Einschusslöcher auf seinem Hinterkopf und seinem Rücken, aus denen dunkles Blut quillt.
»Wir müssen weg«, sage ich, und atme tief ein und aus, »komm schon, wir müssen hier weg.«


17
Sie sind hinter uns her – der Vladow-Clan, die anderen Cousins, die Bullen, da sind wir uns ganz sicher. Wir haben vielleicht einen Vorsprung von ein, zwei Tagen, bis die gecheckt haben, was passiert ist, und vor allem: wer das war.
Ich rase mit Stalins Volvo Richtung Süden, immer Richtung Süden. Vor ein paar Stunden haben wir eine Apotheke ausgeräumt, mit letzten Kräften, weil wir beide einen dermaßenen Affen geschoben haben, dass wir dachten, wir gehen sonst drauf. Die Pistole war zwar leer, aber das hat natürlich keiner gecheckt – ich habe sie jetzt im Hoodie stecken, nur für den Notfall.
Maruschka sitzt zusammengekauert auf dem Beifahrersitz und schläft. Sie hat sich zu ihrem Schuss noch jede Menge Downer reingeballert, weil sie meint, das Methadon wirkt bei ihr nicht, das stillt nicht dieses Verlangen, diese Gier. Ich blicke sie an und sehe ihr braunes, langes Haar, ihre feinen, knochigen, weißen Finger.
Ich weiß, dass wir beide nicht mehr lange leben werden. Egal, wer uns zuerst kriegt, die Bullen oder die Vladows, wir werden draufgehen – wer glaubt, Familien wie die Vladows würden sowas auf sich sitzen lassen, wer glaubt, die hätten nicht auch ihre Leute im Knast, der hat keine Ahnung.

Ich fahre auf eine Raststätte, stelle den Wagen ab. Die Sterne hängen da oben und leuchten, als ob sie irgendeine Bedeutung hätten, als ob sie einem irgendetwas sagen könnten, würde man sie bloß richtig verstehen. Maruschkas Brustkorb hebt und senkt sich, ich höre sie atmen.
Zuerst treffe ich die Vene an meinem Bein nicht, es ist zu dunkel – schließlich klappt es und mich durchfluten diese warmen, gigantischen Wellen, ein Ozean aus Träumen: Ich denke an diesen einen Tag, als ich Maruschka das erste Mal gesehen habe, am Grünen Markt. Keine Ahnung, ob das gut war. Keine Ahnung, ob all das, was danach passiert ist, ob das nicht irgendwie mit diesem Nachmittag zusammenhängt: ob das nicht die Wurzel, der Ursprung von alldem ist.
Aber nein, das kann gar nicht sein – ich denke, es hat viel früher begonnen: Es hat in mir drin begonnen, damals, mit Denis, im alten Sägewerk; es hat in mir drin begonnen und ist angewachsen: wie ein Fremdkörper, wie ein Geschwür, das ein immer größerer Teil von mir wurde.
Und das Schicksal? War diese ganze Sache, war die mein Schicksal? Oder war sie bloß eine Kette von Zufällen, von richtigen und falschen Entscheidungen? Und woher, zum Teufel, woher soll man eigentlich wissen, ob man seiner eigenen, göttlichen Vorherbestimmung – wenn sie denn existiert – ob man der gefolgt, oder wieder vor ihr weggelaufen ist?
Über all das denke ich nach, als ich auf der Raststätte im Auto sitze und über die Motorhaube ins dunkle Nichts blicke.
Und dann ist da plötzlich so ein Gefühl in mir, nur ganz kurz, nur vielleicht eine halbe Sekunde, kurz bevor mir meine Augen zufallen – es hat mit Maruschka zu tun. Mit meiner Hand, die auf ihrem Bein liegt. Dieses Gefühl, es ist etwas, was ich so noch nie empfunden habe, noch nie so intensiv; es ist etwas, das mir wie Bilder vorkommt, aber doch etwas anderes ist – etwas, aus einem längst vergessenen Traum, etwas, das vor meinem inneren Auge auftaucht und wieder verschwindet: Wärme, Licht, der Geruch von Wiesen. Meine Mutter. Eine Erdbeertorte: mein achter Geburtstag. Mein verstorbener Onkel Jergo.
Und dann sind da auf einmal nur noch große, dunkle Wellen vor mir, ein rauschendes Meer bei Nacht; Blitze, Donner, Gewitter. Kein Land.

 
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Hallo zigga,

ich finde, es hört sich besser an, wenn Du mehr Punkte rein bringst.


1

Als ich herauskomme, lehnt Oleg am Wagen an (streichen) Punkt Er sieht mich, raucht, dann schnipst er die Kippe weg und hält mir die Hintertüre auf.


bljäd – Was heißt das? Was möchtest du damit sagen?


»Wo warst du, bljäd«, sagt er. (Das ist eine Frage: Also: „Wo warst du, …?“, fragt er.) Punkt
(Neue Zeile) Alles in mir bebt. Punkt Schweiß läuft mir den Rücken hinunter. Punkt Ich will mir nichts anmerken lassen.

Vorne sehe ich Stalin sitzen. Punkt Sein Gesicht ist zerschnitten, vernarbt. Punkt Er zieht an der Zigarette und starrt mich an, ohne sich zu rühren.

(…) wieder in Ordnung«, sagt Oleg. Punkt. „Also rein jetzt!«

2


Das ist dieser Platz in unserem Viertel, wo die Alten schon mittags mit ihren Schiebermützen rumhocken, Karten spielen und Wodka kippen. Punkt Genau zwischen Lidl, dem kirgisischen Bäcker und Tanja’s Nagelstudio, wo man im Hinterzimmer für ein paar Tacken mehr auch Minderjährige bekommen kann.


Was ist ein „kirgisischer“ Bäcker?


Jetzt folgt ein extremer Schlangensatz:

Die Sache mit der Gaspistole und dem Messer war erst ein paar Tage her. Punkt Denis und ich hatten ’ne scheiß Angst, was das Gericht daraus machen würde und ob wir noch Jugendstrafe bekommen würden oder in den Knast müssten und sowas. Punkt Also zogen wir ein bisschen was von diesem grandiosen Speed, das es gerade bei den Kurden drüben in der Bergleite gab, und streiften durch die Gegend, ohne wirkliches Ziel: Vorbei an den grauen Platten, am Bolzplatz, (ohne Komma) und durch die kleine Unterführung direkt runter zum Grünen Markt.


Anmerkung: Was auch immer „Bergleite“ sein mag.

»Schort«, habe ich gesagt, verdammt, »wen?«
Dieser Satz wirft viele Fragen auf: 1. Was heißt "Schort"? Seltsamer Name für eine Person. 2. "habe" ist Vergangenheitsform. So ist es richtig: (...)", sage ich. 3. Was sucht das Wort „verdammt“ an der Stelle? 4. „Wen?“ schreibt man groß.

Sorry, aber Dein Text ist mir zu anstrengend und ich steige hier aus. Ich habe zu viele Korrekturen und kann mich nicht auf die Geschichte konzentrieren.

Vielleicht lese ich ja ein anderes Mal weiter.


Ich hoffe, Dir helfen meine Anregungen ein bisschen weiter bei der Überarbeitung.


Gruß Sonnenschein5

 

Hallo zigga,

ich finde, das ist eine sehr gute Genre-Geschichte. Mich hat das alles irgendwie an Fatih Akins "Kurz und Schmerzlos", erinnert, auch wegen dem Klientel, deinem Personal. Der erzählerische Kniff, den ersten Teil sich dann bei der gleichen Szene schließen zu lassen und dann den zweiten Teil einzuläuten, den finde ich gut. Das wiederum hat mich an die erste Staffel von Tru Detective erinnert.

Ist auf jeden Fall ein gutes Tempo, dass du auch durchziehst. Mir sind mehrere Dinge aufgefallen.

- Gaspistolen. Das finde ich in diesem Szenario unrealistisch. Es müssten schon echte Waffen sein. Leute in dieser Liga spielen glaube ich nicht mehr.

- dass er die Pistole behält. Das finde ich unrealistisch. Weil er im Prinzip immer noch eine Ratte sein könnte. Und dann ist diese Waffe benutzt worden, eventuell Fingerabdrücke der anderen, die man sicherlich in einem Register hat. Hier muss er sich selber tiefer in den Dschungel wagen, um an eine Waffe zu kommen. Das kommt zu plötzlich, so zufällig.

- Maruschka und Michail. Das ist noch mal so ein Bonuskonflikt am Ende, aber den könntest du besser ausreizen. Warum entdeckt er es erst da? Wieso nicht früher? Hat er nicht auch so noch mal eine extra Motivation, abzuhauen, Schluss zu machen? Und wenn nicht, kannst du Maruschka etwas erzählen lassen, subtile Hinweise ihr in den Mund legen, die ihn auf die richtige (oder eben falsche) Fährte führen.

- Insgesamt recht viel mat drin, in deinem Text. Ich persönlich finde, etwas zu viel. Weniger ist mehr. Ich glaube, du könntest insgesamt straffen. Braucht es den Teil im "KZ"? Was ist dann mit Denis? Wo ist der? Hat der noch eine Augabe? Warum haut der nicht mit ab? Nur so eine Idee.

Das sind nur so Gedanken, die ich nach dem ersten Lesen habe. Finde ich richtig gut, das Ding, zigga.

Gruss, Jimmy

 

Hallo zigga,

ich habe Deine Geschichte gerne bis zum Ende gelesen. Die Story fand ich spannend und in sich stimmig. Im Drogenmilieu passt für mich als Außenstehender die Sprache. Es stört mich jetzt auch nicht, wenn ich nicht alle Wörter verstehe. Ein bisschen Russisch kann ich und verstehe z.b. Privjet. bljäd übersetze ich mit Blöder.

спаси́бо большо́е,
oheim

 
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Hi Sonnenschein5,


Ja, ich habe etwas viel mat in diesem Text (Russisch), ich habe das reduziert. Die Länge der Sätze finde ich jetzt nicht besonders störend, aber ich werde das im Hinterkopf behalten, vllt sehe ich das anders, wenn ich den Text in zwei, drei Monaten noch mal lese.

das es gerade bei den Kurden drüben in der Bergleite gab, und streiften durch die Gegend, ohne wirkliches Ziel: Vorbei an den grauen Platten, am Bolzplatz, (ohne Komma) und durch die kleine Unterführung direkt runter zum Grünen Markt.
schreibt man tatsächlich klein! Bloß, wenn der Satz nach dem Doppelpunkt ein vollständiger Satz ist, wird das groß geschrieben.

Was ist ein „kirgisischer“ Bäcker?
ein Bäcker, der von einem Kirgisen geführt wird.

Anmerkung: Was auch immer „Bergleite“ sein mag.
na, eine Straße in der Geschichte!

»Schort«, habe ich gesagt, verdammt, »wen?«
Dieser Satz wirft viele Fragen auf: 1. Was heißt "Schort"? Seltsamer Name für eine Person. 2. "habe" ist Vergangenheitsform. So ist es richtig: (...)", sage ich. 3. Was sucht das Wort „verdammt“ an der Stelle? 4. „Wen?“ schreibt man groß.
1. Schort = verdammt (russisch)

2. das mit der Vergangenheitsform passt doch, weil der Absatz ein Rückblick ist, der Erzähler erzählt von einem Ereignis von vor ein paar Wochen.

4. Nein, wen schreibt man an der Stelle klein, weil das noch zum Vorsatz gehört (kein Punkt!)

vielen Dank fürs Anlesen und Rückmelden.


Hi Jimmy,

ich finde, das ist eine sehr gute Genre-Geschichte.
das ist cool!
Mich hat das alles irgendwie an Fatih Akins "Kurz und Schmerzlos", erinnert, auch wegen dem Klientel, deinem Personal.
okay, Fatih Akin kenne ich, aber den hab ich noch nicht gesehen. Schaue ich mir vllt heute Abend mal an.

Der erzählerische Kniff, den ersten Teil sich dann bei der gleichen Szene schließen zu lassen und dann den zweiten Teil einzuläuten, den finde ich gut.
das freut mich. Ja, das stimmt schon, das ist so ein typischer Autoren-Serien-Kniff, die Inversion voran zu stellen, und sie später noch mal zu zeigen. Ich schaue zwar kein True Detective aber andere Autoren-Serien, wahrscheinlich färbt sowas aufs eigene Erzählen ab.

- Gaspistolen. Das finde ich in diesem Szenario unrealistisch. Es müssten schon echte Waffen sein. Leute in dieser Liga spielen glaube ich nicht mehr.
Ja ... stimmt schon, irgendwie. Ich dachte mir: Das sind Kids, die sind 18, 19, erster großer Job von Stalin, der deutsche Dealer ist eh ein Weichei, da kann man sie mit Gaspistolen losschicken, damit sie auch keinen großen Mist bauen, der dann auf die Vladows zurückfallen könnte. Und die Pistolen sind natürlich keine scharfen, damit die Jungs mit Sozialstunden davonkommen. Wären das scharfe, wäre sehr unwahrscheinlich.

- dass er die Pistole behält. Das finde ich unrealistisch. Weil er im Prinzip immer noch eine Ratte sein könnte. Und dann ist diese Waffe benutzt worden, eventuell Fingerabdrücke der anderen, die man sicherlich in einem Register hat. Hier muss er sich selber tiefer in den Dschungel wagen, um an eine Waffe zu kommen. Das kommt zu plötzlich, so zufällig.
Ja. Ich hab an dem Ding die letzten Wochen rumgeschrieben und das ist die erste Version, mit der ich weitestgehend zufrieden war. Da sind natürlich solche Szenen drin, wie der Zufall mit der Pistole - da denkt man sich natürlich: klappt das? Glaubt einem der Leser das?
War so gedacht: Die Vladows erfahren davon, dass Maruschka die Ratte ist, und drehen halt im Auto total durch, und im Eifer des Gefechts sozusagen, vergessen sie das einfach, dass der Junge auf der Rückbank ja noch die Knarre einstecken hat.

- Maruschka und Michail. Das ist noch mal so ein Bonuskonflikt am Ende, aber den könntest du besser ausreizen. Warum entdeckt er es erst da? Wieso nicht früher? Hat er nicht auch so noch mal eine extra Motivation, abzuhauen, Schluss zu machen? Und wenn nicht, kannst du Maruschka etwas erzählen lassen, subtile Hinweise ihr in den Mund legen, die ihn auf die richtige (oder eben falsche) Fährte führen.
Ja. Ich werde noch mal drübergehen und das versuchen, mehr auszureizen, das hast du schon recht. Maruschka kommt ja öfters mal verstört an, das war so ein Hint. Ja, aber da muss ich noch ein paar Sachen einbauen, damit das nicht zu plötzlich kommt, und sich der Leser denkt: Ja, klar, hätte ich auch draufkommen können.

- Insgesamt recht viel mat drin, in deinem Text.
fuck, ja, stimmt schon. Hab ich jetzt runtergefahren.

Ich glaube, du könntest insgesamt straffen. Braucht es den Teil im "KZ"? Was ist dann mit Denis? Wo ist der? Hat der noch eine Augabe? Warum haut der nicht mit ab?
Wollte so ein bisschen charakterisieren, Milieu zeigen. Evtl schreibe ich das noch mal um, und biege das so hin, dass Denis im Showdown eine Rolle spielt; so ist er ja bloß eine falsche Fährte für den Leser, damit man lange Zeit denkt, er sei die Ratte. Aber ja, du hast schon recht, Jimmy.

Finde ich richtig gut, das Ding, zigga.
Yeah!

Jimmy, dir vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren und Zeitnehmen und sowas, du weißt schon!


Hi oheim,

ich habe Deine Geschichte gerne bis zum Ende gelesen. Die Story fand ich spannend und in sich stimmig.
das freut mich!

Im Drogenmilieu passt für mich als Außenstehender die Sprache. Es stört mich jetzt auch nicht, wenn ich nicht alle Wörter verstehe. Ein bisschen Russisch kann ich und verstehe z.b. Privjet. bljäd übersetze ich mit Blöder.
Ja, ist bisschen viel Russisch drin, ich habe das jetzt runtergefahren, ich kann das immer schlecht einschätzen, wie viel wer kann und wie viel man sich als Nichtrusse erschließen kann. bljäd ist so ein Fluchwort, das man als "Verstärker" im Satz verwendet.

Vielen Dank dir, oheim, fürs Lesen und Kommentieren und Zeitnehmen,


Grüße,
zigga

 
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Hallo zigga,

viel habe ich eigentlich nicht anzumerken, aber eine so gute Geschichte sollte nicht frühzeitig in den Tiefen des Forums versinken, finde ich. ;)

Ja, das ist ein sehr sehr guter Text, wirklich. Das Milieu, diese Russenmafia, das ist echt authentisch rübergebracht, wirkt so realistisch, dass man einfach in dieser Welt versinkt, ganz nah am Protagonisten ist. Die Dialoge haben auch richtig Feuer, hier wird geflucht und derbe gesprochen, das passt einfach, das ist dir gut gelungen.

Ebenfalls gut gefallen hat mir die non-lineare Struktur. Als großer Fan von Tarantinos Filmen hat mich das stellenweise an Pulp Fiction erinnert, diese Gangster und die Drogen und die Struktur. Das trägt enorm zur Spannung bei, finde ich, wenn es gut gemacht ist. So wie hier. Ich wollte einfach wissen, was mit der Gaspistole und dem Deutschen vorgefallen ist, was zu dieser ersten Szene geführt hat. Und dann liest man einfach weiter, wird einem die Länge des Textes egal. Zumal dein Stil einen da so durchträgt, einen bannt, sodass man nicht auf die Idee kommt, auf die Länge zu schauen, also ich zumindest nicht.

Das einzige, was ich noch anzumerken hätte, ist, dass das mit Maruschka anfangs so ein bisschen separat gewirkt hatte, so wie ein Konflikt, der neben der eigentlichen Handlung existierte. Anfangs dachte ich halt, diese Beziehung zwischen den beiden hätte für die Story, dem eigentlichen Konflikt nur wenig Relevanz, aber das hat sich ja dann auch geklärt am Ende, also nevermind. :D Wollte dir das nur antragen, was ich mir da gedacht hatte.

Wir gingen natürlich sofort hin und haben gefragt, ob sie Russin ist

Eine der wenigen Stellen, an denen ich den Konjunktiv schöner fände. ;)

Wir wurden in so einen fensterlosen Anbau eingeteilt, wo der Putz von den Wänden bröckelt und wir irgendwelche Teile für Solaranlagen bauen, zusammen mit Langzeitarbeitslosen und einem klapperdürren Albaner, der einen Bullen mit einem Pflasterstein umgenietet hat.

Wäre hatte nicht besser? Sonst denke ich, der Bulle liegt da noch.

so ein dürrer, kleiner, tätowierter blonde Typ

blonder, oder? Wenn ich die anderen Adjektive weglassen würde, stünde da ja so ein blonde Typ, hört sich komisch an.

»das ist ’n riesen Fehler, Junge, ein riesen Fehler.«

Riesenfehler (sagt jedenfalls der Duden)

Du hast sie vergewaltigt und dann ist sie schwanger geworden, und jeder hat gewusst, dass das dein Kind ist, auch deine Mutter, und deswegen hat sie Maruschka hier her geholt, hab ich recht?

hierhergeholt

Spannend, melancholisch, authentisch. Das ist ein richtig starker Text, zigga, beeindruckend.

Beste Grüße,
gibberish

 

Priwet Zigga,

wenn sie nicht so spannend und tragisch und gut komponiert wäre, dann hätte ich sie eschd ned zuende gelesen, Digga. :)
Sehr gut getroffen die Sprache des Protagonisten, der ja so eine Art Tagebuch führt, sonst könnten wir das Ganze nicht lesen. (Da wird es dann unglaubwürdig, warum sollte dieser koksende Versager seine Gedanken niederschreiben? Aber das nehme ich hin...)
Sehr gut getroffen auch die verzweifelte Liebe und die Zeichnung deiner Figuren.

Am liebsten mag ich den Schluss mit einer vagen Hoffnung oder zumindest der Offenbarung von Schönheit...wo es doch kaum Hoffnung gibt...Bonnie and Clyde müssten sterben, um ihre Schönheit zu erhalten, deine Protagonisten blendest du weg und so bleibt ein Funke, ein donnerndes Land...

Ich hab´s gern gelesen.
Obwohl, bei all dem mat ... pistez... solltest du noch hinzufügen...und irgendwie auch vermitteln, dass mat in der russischen Sprache mit das beste ist, weil die Schimpfwörter je nachdem bei welcher Gelegenheit sie verwendet werden ganz unterschiedlich benutzt werden und manchmal dann gar nicht mehr so gemeint sind, wie es die Bedeutung vermuten lässt (Im Deutschen bleibt ein Arschloch ein Arschloch, egal wie du es betonst)

Weiter so und mehr davon, aber kürzer und viel bedrohlicher wäre es ja für mich als Leser, wenn es sich nicht um Junkies und Verbrecher handelte, sondern um die Trostlosigkeit des "normalen" Lebens.

viele Grüße
Isegrims

 
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Hi gibberish!

Mann, erst mal ein riesengroßes Danke für den tollen und ausführlichen Kommentar. Ich habe mich da sehr drüber gefreut.

Ja, das ist ein sehr sehr guter Text, wirklich. Das Milieu, diese Russenmafia, das ist echt authentisch rübergebracht, wirkt so realistisch, dass man einfach in dieser Welt versinkt, ganz nah am Protagonisten ist. Die Dialoge haben auch richtig Feuer, hier wird geflucht und derbe gesprochen, das passt einfach, das ist dir gut gelungen.
das freut mich sehr!

Ebenfalls gut gefallen hat mir die non-lineare Struktur. Als großer Fan von Tarantinos Filmen hat mich das stellenweise an Pulp Fiction erinnert, diese Gangster und die Drogen und die Struktur. Das trägt enorm zur Spannung bei, finde ich, wenn es gut gemacht ist. So wie hier. Ich wollte einfach wissen, was mit der Gaspistole und dem Deutschen vorgefallen ist, was zu dieser ersten Szene geführt hat. Und dann liest man einfach weiter, wird einem die Länge des Textes egal. Zumal dein Stil einen da so durchträgt, einen bannt, sodass man nicht auf die Idee kommt, auf die Länge zu schauen, also ich zumindest nicht.
Ach, das hört man doch gerne. Man hat ja schon so ein Gefühl, wann ein eigener Text gut oder schlecht ist, aber wenn einem dann die Außenwelt dieses Gefühl bestätigt, ist das natürlich schon bombe. Tarantino, Pulp Fiction, das ist natürlich ganz großes Kino, ich mag das auch. Vielleicht färbt der Konsum von solche non-linearen Filmen- oder Serienplots ja irgendwie aufs eigene Schreiben ab, ich steh zumindest auch sehr darauf, immer bisschen mit den Chronologien zu spielen.

Das einzige, was ich noch anzumerken hätte, ist, dass das mit Maruschka anfangs so ein bisschen separat gewirkt hatte, so wie ein Konflikt, der neben der eigentlichen Handlung existierte. Anfangs dachte ich halt, diese Beziehung zwischen den beiden hätte für die Story, dem eigentlichen Konflikt nur wenig Relevanz, aber das hat sich ja dann auch geklärt am Ende, also nevermind. :D Wollte dir das nur antragen, was ich mir da gedacht hatte.
Hey, das ist extrem hilfreich für mich, wenn du mir so eine Lesermeinung sagst. Also das war ja schon so geplant, dass zum Schluss etwas passiert, was man nicht vorhersehen kann, was einen überrascht. Mir wurde das von einem meiner (wenigen :D) Offline-Leser neulich angetragen, ich solle doch mal was schreiben, wo das Ende überhaupt nicht vorhersehbar ist.

Danke dir auch für die Verbesserungen! Du hast dir echt EXAKT die Stellen rausgesucht, bei denen ich selbst mir nicht sicher war!

Spannend, melancholisch, authentisch. Das ist ein richtig starker Text, zigga, beeindruckend.
danke, danke, danke, auch fürs Lesen und Zeitnehmen, ist ja schon ein längerer Text.

Privjet Isegrims,

wenn sie nicht so spannend und tragisch und gut komponiert wäre, dann hätte ich sie eschd ned zuende gelesen, Digga. :)
Ach, sehr cool!

Sehr gut getroffen die Sprache des Protagonisten, der ja so eine Art Tagebuch führt, sonst könnten wir das Ganze nicht lesen.
Ja ... ein bisschen tagebuchmäßig ist es. Ich denke nicht, dass sich jeder Leser jetzt denkt, er blättere im Tagebuch von diesem Typen herum, wahrscheinlich auch wegen des Präsens', aber du hast recht

warum sollte dieser koksende Versager seine Gedanken niederschreiben?
och, so würde ich das jetzt nicht sehen. Drogenkonsum und/oder -abhängigkeit sind doch kein Indiz dafür, dass jemand dumm ist, geschweige denn, dazu in der Lage ist, ein Tagebuch zu schreiben.

Sehr gut getroffen auch die verzweifelte Liebe und die Zeichnung deiner Figuren.
vielen Dank.

Am liebsten mag ich den Schluss mit einer vagen Hoffnung oder zumindest der Offenbarung von Schönheit...wo es doch kaum Hoffnung gibt...Bonnie and Clyde müssten sterben, um ihre Schönheit zu erhalten, deine Protagonisten blendest du weg und so bleibt ein Funke, ein donnerndes Land...
Ist auch einer meiner Lieblingsstellen!

pistez... solltest du noch hinzufügen...
muss ich mal gucken, hab das mat eh schon gut runtergefahren, ich weiß nicht, ob ich das noch unterbringe. :D

irgendwie auch vermitteln, dass mat in der russischen Sprache mit das beste ist, weil die Schimpfwörter je nachdem bei welcher Gelegenheit sie verwendet werden ganz unterschiedlich benutzt werden und manchmal dann gar nicht mehr so gemeint sind, wie es die Bedeutung vermuten lässt (Im Deutschen bleibt ein Arschloch ein Arschloch, egal wie du es betonst)
Ja ... ist sicher ein interessantes Detail über mat, aber ich befürchte, das würde den Rahmen ein bisschen sprengen von der Story

Weiter so und mehr davon
hoffe ich auch!

aber kürzer und viel bedrohlicher wäre es ja für mich als Leser, wenn es sich nicht um Junkies und Verbrecher handelte, sondern um die Trostlosigkeit des "normalen" Lebens.
mal sehen. So ganz aussuchen kann man sich seine Thematiken ja nicht, und irgendwas Besonderes, Unbekanntes, abseits des "normalen" Lebens ist ja auch für den Leser immer interessant


Isegrims, auch dir vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren und Zeitnehmen, hat mich gefreut!


Viele Grüße,
zigga

 
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Hi maria,

ja, das Russisch, das war noch viel mehr, habe es schon runtergefahren ... ich finde halt, das trägt schon zum Feeling von einer Russenmafia-Story bei, also, da muss das schon bisschen drin sein. Bljät, suka, das sind eigentlich alles ausdrücke, ich dachtw zumindest bei suka kann man sich das als Leser erschließen, weil das ja nur als Bezeichnung bei Frauen vorkommt, und ja - ist halt auch ein Ausdruck für Frauen. Ich weiß gerade noch nicht, ob ich das erkläre oder runterfahre, ich finde es selbst beim Lesen manchmal nicht schlimm, wenn ich ein, zwei Worte nicht oder nur halb kapiere - mal schauen. Privjet ist übrigens hallo, guck, da hast du's doch erschlossen, die Bedeutung :D ich denke mal drüber mach!

Stimmt, irgndwie wusste ich von Anfang an, dass der Erotikbutton falsch ist, aber ich konnte es nicht lassen :D

Ichweiß nicht, dass alle 08/15 bis aufs Blut sind ... ich finde, damit tust du der Geschichte bisschen unrecht. Ja, ich kenne das Ideal hier, mit jeder Story das Rad neu zu erfinden, und das ist auch meins,und ich versuche schon immer was zu erzählen, was ich so noch nicht gehört habe, aber dass v.a. bei Mafiageschichten man schnell sagt: kenn ich schon so!, ja, damit hab ich gerechnet. Das Problem hier ist: Mafiatypen wie die Vladows sind in echt nun mal so wie klischeehafte Mafiatypen - keine Entschuldigung, ich weiß, aber ein Versuch. Würde ich halt bei jeder Story aufpassen, dass alles absolute Weltneuheit und unikat ist, würde ich glaube ich halt gar nicht mehr schreiben. Also ich erzähl einfach, was ich selbst gern hören würde, ist kanchmal vllt für den ein oder anderen ein abgetrampelter Pfad, aber gut ... letztes Jahr Einer nach dem anderen gesehen, da waren die Mafiosis wunderbar originell - ein veganer Bio-Mafiosi, der Koks getickt hat, das war toll.

Ja, die Charakterzeichnung hab ich diesmal auf ein Minimum zurückgefahren, ich bin auch am überlegen, ob ich das hochfahre ... wollte mich mal voll auf die Handlung konzentrieren, und hab den Rest gestrichen, weil der Text eh schon so lang war.

Freut mich trotzdem, dass du die Story gern gelesen hast. Evtl wälze ichdie Figurenzeichnujg echt noch bisschen aus, muss ich mal sehen.

Vielen Dank fürs Lesen und Kommentieren, maria,

Grüße,
zigga

 

Hi Zigga,

packend und spannend fand ich deine Geschichte. Dabei spielt es für mich keine Rolle, dass so ein Thema schon x-mal behandelt wurde.

Maria hat die Charakterschwäche ja schon angesprochen. Auch ich hätte mir hier ein bisschen mehr gewünscht. Manchmal fand ich deine Geschichte ein bisschen emotionslos, zu distanziert, zu unterkühlt. Ich kann es leider gerade nicht richtig ausdrücken. Aber viele Protagonisten sind blass bzw. konturlos. Was hat z.B. Stalin gemacht? Ein, zwei Sätze dazu würden schon mehr Kontur erzeugen. So könnte Denis und der Hauptprotagonist sich kurz über ein Gerücht über Stalin. Schlussendlich ist ja der Bruder von Denis im Clan mit drin.

Den Titel finde ich nicht so passend. Ein besserer fällt mir so auf die Schnelle aber nicht ein, vielleicht "Maruschka".

Die Handlung mit der Konkurrenz finde ich nicht ganz so überzeugend. Warum sollte ein drogenverkaufender Hartz-4 Mensch so viele Polizistenfreunde haben, die auch noch bei ihm zuhause Details über polizeiliche Ermittlungen ausplappern? Da schwächelt ein bisschen die Glaubwürdigkeit ;). Im ersten Augenblick dachte ich, dass die Polizisten einen eigenen Drogenring aufgebaut hätten.

Ebenso der zweite Anlauf auf die Konkurrenz, da hab ich eine ganz einfache Frage ... warum? Der Stalin sollte spätestens jetzt geschnallt haben, dass er und sein ganzes System unter Beobachtung steht. Warum also so eine Operation, auf eine für ihn ungefährliche Person. Der hat ein bisschen was verkauft, aber es steht anscheinend keine Organisation hinter im. Bei Stalin müsste die Bude ganz woanders brennen. Ist mir natürlich schon klar, dass der Job mal zu Ende gebracht werden muss.

Schlussendlich bekam ich immer mehr den Eindruck, dass es sich hier eigentlich nicht um eine Mafia handelt, sondern eher um eine Gang, die vielleicht gerne eine Mafia wäre.

Ansonsten hat es mir wirklich gut gefallen :thumbsup:.

Viele Grüße
Kroko

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Kroko,

vielen herzlichen Dank dir fürs Lesen und Kommentieren und Zeit nehmen.

packend und spannend fand ich deine Geschichte. Dabei spielt es für mich keine Rolle, dass so ein Thema schon x-mal behandelt wurde.
das freut mich schon mal sehr!

Maria hat die Charakterschwäche ja schon angesprochen. Auch ich hätte mir hier ein bisschen mehr gewünscht. Manchmal fand ich deine Geschichte ein bisschen emotionslos, zu distanziert, zu unterkühlt. Ich kann es leider gerade nicht richtig ausdrücken. Aber viele Protagonisten sind blass bzw. konturlos. Was hat z.B. Stalin gemacht? Ein, zwei Sätze dazu würden schon mehr Kontur erzeugen. So könnte Denis und der Hauptprotagonist sich kurz über ein Gerücht über Stalin. Schlussendlich ist ja der Bruder von Denis im Clan mit drin.
Ja ... ich kann das nachvollziehen. Ich hab hier drastisch alles mögliche weggekürzt, dass die Geschichte immer schön Zug hat, wahrscheinlich in Sachen Charakterisierung einen Tick zu viel. Steht ganz oben auf meiner To-do-list, da noch mal drüberzuarbeiten.

Den Titel finde ich nicht so passend.
den Titel mag ich eigentlich recht gerne!

Warum sollte ein drogenverkaufender Hartz-4 Mensch so viele Polizistenfreunde haben, die auch noch bei ihm zuhause Details über polizeiliche Ermittlungen ausplappern?
Hey, so weit hergeholt ist das gar nicht. Also das passiert schon öfter als man denkt, dass z.B. Leute aus dem gleichen Abi-Jahrgang sich untereinander kennen, alles eine große Clique, gehen oft zusammen feiern ... dann gehen halt die einen auf die Uni, ein paar andere werden Cops, und ein anderer fängt an zu ticken. Gibt genügend Polizisten, die selbst Gras rauchen ab und an, und die dann halt bei ihrem alten Bekannten vorbeischauen, und auch teilweise selbst mit drin hängen - lass dich da mal nicht täuschen.

Ebenso der zweite Anlauf auf die Konkurrenz, da hab ich eine ganz einfache Frage ... warum? Der Stalin sollte spätestens jetzt geschnallt haben, dass er und sein ganzes System unter Beobachtung steht. Warum also so eine Operation, auf eine für ihn ungefährliche Person. Der hat ein bisschen was verkauft, aber es steht anscheinend keine Organisation hinter im. Bei Stalin müsste die Bude ganz woanders brennen. Ist mir natürlich schon klar, dass der Job mal zu Ende gebracht werden muss.
Ja, ich muss bei den Motivationen der einzelnen Figuren vllt noch mal bisschen nachlegen. Es ging hier nicht um Kleinstmengen verticken, sondern um:

Und dann taucht plötzlich dieser Deutsche auf, so ein dürrer, kleiner, tätowierter blonder Typ, und vertickt tonnenweise Eins-a-Gras zu einem Spottpreis, nur zwei Straßen von den Vladows entfernt.

Klar, das ist eine Übertreibung, aber halt schon viel. Bei diesen Leuten und in dem Business herrscht eben sehr starkes Ellbogen-Konkurrenz-Gehabe, v.a. wenn jemand im eigenen Gebiet verkauft. Die wollen sich sowas auf keinen Fall gefallen lassen, da geht es viel um zu zeigen, dass man stark ist, um sich selbst zu sichern - außerdem geht es auch um Andrej, der zeigen will bzw. muss, dass er kein Verräter ist und auf der Vladow-Seite steht. Das ist eben ein Job, wie du schon angemerkt hast, der zu Ende gebracht werden muss - v.a., um die Machtverhältnisse wieder herzustellen im Viertel. Dass das so ist, sollte ich evtl in den Text mit einflechten.

Ansonsten hat es mir wirklich gut gefallen :thumbsup: .
ich freue mich!

Kroko, dir herzlichen Dank nochmals.

Viele Grüße,
zigga

 

Titeländerung + Update

Glaubt mir irgendjemand, dass ich die letzten 9 Monate an diesem Ding gebastelt habe? :D

Die Story hieß früher "Betoncity", und es wurde damals angemerkt, dass die Story oft zu glatt, zu unpersönlich über die Bühne geht, auch die Figuren seien zu dünn und abziehbildchen-mäßig gewesen, und ein paar kleinere Ungereimtheiten mit dem Handlungsablauf gab es da noch, und zu viele russische Begriffe.

Hab vieles umgeschmissen, hab versucht, mehr Figur in die Story zu bringen, und sie trotzdem noch spannend und kurzweilig zu erzählen, hab das Russisch runtergefahren und die Handlung entmüllt und angepasst (keine Ahnung, ob sich da noch jemand dran erinnert, aber das große Feuerwerk zum Schluss sollte jetzt für den Leser im Rückblick logischer erscheinen).

Ich denke, der Text hat davon provitiert. Viele Dank an die Kommentatoren von letztem Sommer.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey zigga

Die letzten paar Tage hatte ich wenig Lust, Geschichten zu kommentieren und ich dachte, das bleibe noch eine Weile so. Und jetzt hat es mich doch schon wieder gepackt. Also deine Geschichte. Mir hat das gefallen, das war für mich sehr authentisch. Kraftvoll und dynamisch in einzelnen Passagen. Und diese Ebene der Sinnfragen, der Blick ins Kosmische, das fand ich sehr gelungen, da droht man schnell mal abzugleiten, aber ich fand das gut austariert.

Textkram:

alles ganz sachte, alles gentleman, ist klar.

Gentleman gross, ist eingedudet.

die Cousine von den Vladows, und wer sie von uns beiden wohl als erstes nageln würde.

„wer von uns beiden sie wohl …“ klingt m.E. besser. Und: als erster

Keine Ahnung, ob all das, was danach passiert ist, ob das nicht irgendwie mit diesem Nachmittag zusammenhängt: ob das nicht die Wurzel, der Ursprung von alldem ist.

Das „das“ wechselt die Bedeutung, von „was danach geschehen ist“ zu „ was der Ursprung gewesen ist“. Das ist ziemlich verwirrend, obwohl schon klar ist, was gemeint ist. Vielleicht: „ob der [Nachmittag] nicht Wurzel, der Ursprung von alldem ist.“

»Fester!«, schreit Maruschka, und unsere heißen, brennenden, verschwitzten Körper reiben aneinander.

Drei Adjektive am Stück passen nicht so recht zum sonstigen Stil des Erzählers. Obwohl, später setzt du das ja ab und zu ein (z.B. der Blick) Dennoch: Ich fände hier ein einziges Adjektiv (verschwitzt) heisser. :)

ihre Adern schwillen an.

schwellen

Wenn ich an das erste Mal denke, an dem ich Heroin genommen habe

als ich. Die ganze folgende Passage fand ich ausgezeichnet, das ist echt gut beschreiben, dieses erste Mal.

Später rasen wir dann das Treppenhaus hinunter, wir schreien und lachen, spucken auf die Wände, überall stinkt es nach Pisse. Und dort, im Treppenhaus vom alten, leerstehenden Atrium, zwischen Erdgeschoss und Dach, da kann ich das alles für einen Augenblick vergessen; da kommt mir das alles kurz so vor, als ob es nie wirklich passiert ist: Als ob diese ganze Geschichte mit den Gaspistolen, mit Oleg und Maruschka, als ob das alles etwas ist, das mir irgendjemand mal erzählt hat, und von dem ich dann schlecht geträumt habe.

Davon hast du ein paar Passagen drin, so Reflexionen, die etwas Träumerisches haben, die aber dennoch sinnlich eingebettet sind, um’s mal so zu sagen (Treppenhaus, Pisse). Die finde ich wirklich gut gemacht. Da hast du in wenigen Zeilen sehr viel für die Stimmung geleistet, aber auch für die Story.

, und dann stellen wir uns vor, dass wir abhauen, flüchten: irgendwohin, raus aus der Stadt, zu einem Ort, der wahrscheinlich gar nicht existiert: ins Paradies, ins Nirvana.

Würde ich streichen, scheint mir unnötig, diesen Ort, der nicht existiert, doch noch zu benennen. Würde stärker wirken, m.E.

bekommt sie wieder diesen starren, glasigen Blick – diesen starren, glasigen Blick, als ob die Sonne nie wieder aufgehen würde, als ob die Welt bloß noch aus Schatten bestehen würde.

Mir will diese Doppelung nicht so recht gefallen, ich würde das Fettmarkierte streichen.

»Das passiert, wenn du deine Bullenfreunden holst«, flüstert Oleg, »eine Woche, dann bist du weg, kapiesch?«

Bullenfreunde

Oleg hebt den Kopf und tauscht Blicke mit dem Deutschen aus. Dann bekommen seine Augen plötzlich sowas Starres, Glasiges, Irres, richtig unheimlich – er fängt an, dem Deutschen ins Gesicht zu schlagen, noch mal und noch mal, immer wieder, immer schneller, bis der Deutsche zu winseln aufhört, bis der Deutsche ganz schlaff wird, bis dunkle, rötlich-glänzende Flüssigkeit sein Gesicht überzieht und die Konturen seiner Nase, seiner Wangen und seines Kinns unter den Hieben von Olegs Faust weich werden, verschwimmen, sich verlieren – und als ich merke, dass da kein System dahinter steckt, als ich merke, dass Oleg die Kontrolle verliert, dass er sich da in einen Rausch reinprügelt, da packe ich ihn, mit aller Kraft, will ihn bremsen; aber dieses Tier, dieser Fels, ich kann ihn kein Stück bewegen – also springe ich auf, lade die Knarre durch und halte sie Oleg mitten ins Gesicht.

Das habe ich als Stilbruch empfunden. Du hast hier diesen Rhythmus drin: Adjektive: starr, glasig, irre. Substantive: Nasen, Wangen, Kinn. Verben: weich werden, verschwimmen, sich verlieren. Und auch syntaktisch: „bis … bis … bis“ / „als ich merke … als ich merke.“ / „dieses Tier, dieser Fels.“ Ich finde jedes einzelne Element isoliert betrachtet sehr gelungen. In der Summe war’s mir dann doch etwas zu viel, es wirkt insgesamt zu gewollt. Aber ist natürlich klar, dass das alles Kritik auf hohem Niveau ist.

Als ich endlich vor der Wohnungstür stehe, weiß ich nicht, wie ich reinkommen soll. Ich trete zwei-, dreimal gegen die Stelle neben dem Schloss, aber als sich nichts tut, halte ich einfach mit dem Lauf der Knarre drauf und drücke ab. Plötzlich ein riesen Knall, der Kolben springt zurück und schlägt mir fast gegen den Kiefer. Aber die Tür geht immer noch nicht auf – kurz geschieht nichts, kurz stehe ich einfach nur im Gang, vor der Tür, und weiß nicht, was ich jetzt tun soll, wie ich Maruschka jetzt daraus befreien kann – dann halte ich noch mal auf die Tür, schieße fünf-, sechs-, siebenmal auf die Stelle neben dem Schloss, wo die beiden Riegel sein müssen – da springt die Tür endlich auf, und als ich gegen sie trete, stehe ich auch schon in der Bude, in Mama Vladows Wohnzimmer; erst blicke ich in einen menschenleeren Raum, dann kommt Maruschkas Kopf langsam und mit erhobenen Händen hinter dem Sofa hervor. Nach zwei Sekunden sehe ich die Knarre, die ihr gegen die Schläfe gehalten wird: Oleg und Maruschka stehen auf, ihr Gesicht ist blau-rot geschwollen, blutüberströmt, und Oleg steht hinter ihr und lugt an ihrem Ohr vorbei – ich halte mit der Pistole auf ihn, und als er checkt, dass ich es bin, der da vor ihm steht, reißt er die Augen auf.

Die Szene hat ja eine ähnliche Intensität, wie die, die ich oben kritisiert habe, und hier fand ich es extrem gut dosiert. Eine starke Passage.

weil wir beide einen dermaßigen Affen geschoben haben, dass wir dachten, wir gehen sonst drauf.

Gibt’s dieses Wort?

Und das Schicksal? War diese ganze Sache, war die mein Schicksal? Oder war sie bloß eine Kette von Zufällen, von richtigen und falschen Entscheidungen? Und woher, zum Teufel, woher soll man eigentlich wissen, ob man seiner eigenen, göttlichen Vorherbestimmung – wenn sie denn existiert – ob man der gefolgt, oder wieder vor ihr weggelaufen ist?

Diese Schicksalssache, die hast du ja eigentlich schon, das ist alles schon da, aber hier machst du es noch mal (zu) explizit. Was vorher kommt, finde ich super, den Schluss ebenfalls, aber das hier könnte man m.E. ohne Verlust streichen.

Ich habe das sehr gern gelsen, zigga, das ist packendes Geschichtenerzählen, finde ich.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Peeperkorn,

erst mal vielen lieben Dank für deinen tollen und umfangreichen Kommentar. Ich hab mich da wirklich sehr gefreut.

Mir hat das gefallen, das war für mich sehr authentisch. Kraftvoll und dynamisch in einzelnen Passagen. Und diese Ebene der Sinnfragen, der Blick ins Kosmische, das fand ich sehr gelungen, da droht man schnell mal abzugleiten, aber ich fand das gut austariert.
Auch danke fürs Kompliment, solche netten Worte freuen einen als Autor natürlich immer. :)

Noch kurz zur Feinarbeit:

alles ganz sachte, alles gentleman, ist klar.
Gentleman gross, ist eingedudet.
Jaein, ich hab das hier als Adjektiv gedacht. Ist totale Umgangssprache, klar, bin mir hier auch nicht zu 100% sicher, aber fühlt sich für mein Sprachverständnis adjektivisiert richtiger an

Oleg hebt den Kopf und tauscht Blicke mit dem Deutschen aus. Dann bekommen seine Augen plötzlich sowas Starres, Glasiges, Irres, richtig unheimlich – er fängt an, dem Deutschen ins Gesicht zu schlagen, noch mal und noch mal, immer wieder, immer schneller, bis der Deutsche zu winseln aufhört, bis der Deutsche ganz schlaff wird, bis dunkle, rötlich-glänzende Flüssigkeit sein Gesicht überzieht und die Konturen seiner Nase, seiner Wangen und seines Kinns unter den Hieben von Olegs Faust weich werden, verschwimmen, sich verlieren – und als ich merke, dass da kein System dahinter steckt, als ich merke, dass Oleg die Kontrolle verliert, dass er sich da in einen Rausch reinprügelt, da packe ich ihn, mit aller Kraft, will ihn bremsen; aber dieses Tier, dieser Fels, ich kann ihn kein Stück bewegen – also springe ich auf, lade die Knarre durch und halte sie Oleg mitten ins Gesicht.
Das habe ich als Stilbruch empfunden. Du hast hier diesen Rhythmus drin: Adjektive: starr, glasig, irre. Substantive: Nasen, Wangen, Kinn. Verben: weich werden, verschwimmen, sich verlieren. Und auch syntaktisch: „bis … bis … bis“ / „als ich merke … als ich merke.“ / „dieses Tier, dieser Fels.“ Ich finde jedes einzelne Element isoliert betrachtet sehr gelungen. In der Summe war’s mir dann doch etwas zu viel, es wirkt insgesamt zu gewollt. Aber ist natürlich klar, dass das alles Kritik auf hohem Niveau ist.
Da hast du nicht ganz unrecht, auch wenn ich das auch bei neuem Lesen immer noch so lese, als ob das funktionieren könnte, auch wenn da viel Input drin steckt ... ja, ich bin mir gerade nicht sicher. Du hast schon irgendwo recht, da könnte man ein Stück runterfahren, und die Passage würde dadurch bloß kräftiger werden, aber für mich ist das gerade noch so stimmig, dass ich mich da nicht rantraue. :D Aber werde ich auf jeden Fall im Hinterkopf behalten, und in 4, 8 Wochen, wenn ich da noch mal drüberlese, darauf achten.

weil wir beide einen dermaßigen Affen geschoben haben, dass wir dachten, wir gehen sonst drauf.
Gibt’s dieses Wort?
Das frage ich mich auch gerade. Ist mir gar nicht aufgefallen, im Text. Ist wohl zu arg Mundart, also gesprochen kenne ich das Wort, aber im Duden oder so finde ich es gerade nicht ... korrekter wäre wohl dermaßenen

Wenn ich an das erste Mal denke, an dem ich Heroin genommen habe
als ich. Die ganze folgende Passage fand ich ausgezeichnet, das ist echt gut beschreiben, dieses erste Mal.
ist das grammatikalisch falsch? Das an dem? Für mich fühlt sich beides richtig an, aber ich kann mir vorstellen, dass du recht hast. Die folgende Szene ist auch eine, die ich selbst liebe.

Und das Schicksal? War diese ganze Sache, war die mein Schicksal? Oder war sie bloß eine Kette von Zufällen, von richtigen und falschen Entscheidungen? Und woher, zum Teufel, woher soll man eigentlich wissen, ob man seiner eigenen, göttlichen Vorherbestimmung – wenn sie denn existiert – ob man der gefolgt, oder wieder vor ihr weggelaufen ist?
Diese Schicksalssache, die hast du ja eigentlich schon, das ist alles schon da, aber hier machst du es noch mal (zu) explizit. Was vorher kommt, finde ich super, den Schluss ebenfalls, aber das hier könnte man m.E. ohne Verlust streichen.
Genau, das ist schon vorher drin. Du hast da noch mal einen schärferen Blick drauf, was mögliche Kürzungen angeht, als ich bei diesem Text, und das ist viel Wert. Das hier ist natürlich auch so ein Wackelkandidat, den man kicken könnte; aber ich bin mir auch hier nicht sicher. Dieser innerer Konflikt, den ich hier im Prot "beenden" will, diese Frage nach sich selbst, die gleich zu Anfang auch aufgeworfen wird, die möchte ich schon zu einem Abschluss bringen an dieser Stelle, einfach, um die Figur innerhalb der Story verändert zu haben und auch, damit der Leser das Gefühl von einem runden Ende hat. Du weißt schon. Ich hab halt Schiss, dass, wenn ich diese Passage hier kicke oder hart eindampfe, dass dann der Leser nicht mehr zu 100% fühlt, dass sich da etwas im Prot verändert hat, dass er jetzt ein "anderer" ist, und sich sein innerer Konflikt aufgelöst/weiterentwickelt hat.
Aber auch diese Stelle werde ich mir im Hinterkopf behalten, und das mal sacken lassen und in ein paar Wochen drüber nachdenken.


Peeperkorn, nochmal vielen vielen lieben Dank für dein Feedback und fürs Lesen und Vorbeischauen, und natürlich für dein Lob. Diese minutiöse Feinarbeit, der Kampf um einzelne Wörter und Passagen, das ist es wirklich, was ich hier schätze, und du hast da auf jeden Fall auch ein gutes Auge für.
Auch die anderen Stellen, auf die ich hier nicht explizit eingangen bin, habe ich natürlich im Kopf und werde sie in eine Überarbeitung mit einfließen lassen.


Viele Grüße,
zigga

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey zigga,

mir hat sie auch gefallen, deine, ja, Milieustudie. Ich fand die Figuren gut gezeichnet, das Umfeld auch, alles wirkt weitestgehend glaubhaft, die Handlungsweisen nachvollziehbar. Auch die Sprache, die du verwendest, passt. Dir gelingt es gut, Spannung aufzubauen und diese zu halten; ich war gespannt, wie es weitergeht und alles endet. Hast auch gute Hooks gesetzt und die Zeitsprünge sind dir auch gelungen, ohne Verwirrung zu stiften.
Natürlich ist das alles farblos und grau, da helfen auch Träume von einem Neuanfang nichts, wenn sie - kaum geträumt - zerstochen werden wie Seifenblasen; letztendlich durch eigene Hand, mit Kanülen, die eben auch Unheil anrichten.
Die erdachte, bessere Zukunft ist halt weit weg für das Paar, über dem Ozean und natürlich sehr verklärt. Ein kleiner Hoffnungsschimmer, eine greifbare Zukunftsoption, ein erreichbares Ziel, hätte mir da noch gefallen können - hättest sie ruhig daran scheitern lassen dürfen, aber ja, hätte alles noch mehr Schärfe, aber eben auch etwas mehr Farbe gegeben, finde ich.


Diese minutiöse Feinarbeit, der Kampf um einzelne Wörter und Passagen, das ist es wirklich, was ich hier schätze ...

Na, wenn du so willst: Ein, zwei Dinge, die mir aufgefallen sind :):


Als ich rauskomme, lehnt Oleg am Wagen an, mit dem Ellenbogen auf dem Volvo-Dach und einer Zigarette zwischen seinen Fingern.
Gleich im ersten Satz :): lehnt Oleg am Wagen an, gefällt mir irgendwie nicht, auch das Possessivpronomen ... hm.
Ich hätte es so geschrieben:
Als ich rauskomme, steht Oleg am Wagen gelehnt, mit dem Ellenbogen auf dem Volvo-Dach und einer Zigarette zwischen den Fingern.

Wir gingen natürlich sofort hin und haben gefragt, ob sie Russin sei – sie lächelte, nickte und sagte: »Ja« ...

Und, auch wenn wir’s damals vielleicht nicht gemerkt haben: aber Dieses erste Mal, das hat uns verändert.

Würde ich streichen, dann wirkt das stärker, finde ich. Groß anfangen, da eigenständiger Satz.

... diesen starren, glasigen Blick, als ob die Sonne nie wieder aufgehen würde, als ob die Welt bloß noch aus Schatten bestehen würde.

Tja, der Konjunktiv. Du willst da nicht so hochgestochen klingen, klar.
Vielleicht so:
... diesen starren, glasigen Blick, als ob die Sonne nie wieder aufgehen, als ob die Welt bloß noch aus Schatten bestehen würde.

Als ich so darüber nachdenke, legt sich plötzlich eine unfassbare Schwere auf mich. Was stimmt nicht mit dieser gottverdammten Stadt? Und was stimmt nicht mit mir und was stimmt nicht mit Maruschka? Es gibt Momente, da fühle ich mich so frei, so leicht, als ob mir nichts etwas anhaben könnte; und dann, eine Stunde später, fällt der komplette Himmel auf mich herab – dann fühle ich mich, als ob all das Stahl, all das Beton, all die geplatzten Wünsche, Träume und Depressionen dieser Stadt – als ob das alles auf meinem Rücken lasten würde.

Würde ich eindampfen.

»Mij dolschnij bilij bi sdilidija de sewoijdnije«, murmelt Stalin mit seiner hellen, ruhigen Stimme vor sich hin, »wir sollten es noch heute tun.« Oleg nickt, und dann schieben sich beide eine neue Zigarette in den Mund und starren weiter auf das Fenster über dem Vietnamnesen. Ich krampfe meine Linke zu einer Faust zusammen, dann spreize ich die Finger wieder auseinander; mir läuft der Schweiß die Wangen hinunter.
Oleg zieht etwas aus dem Handschuhfach und hält es nach hinten, zu mir. Als ich zugreife, fällt mir sofort auf, wie schwer die Knarre ist, viel schwerer als die letztes Mal.
»Diesmal kein Spielzeug«, knurrt Stalin auf Russisch und blickt mich mit seinen hellen, klaren, durchdringenden Augen im Rückspiegel an. »Alles klar

Da sind auch unnötige Wiederholungen drin, finde ich. Ließe sich vermeiden, wenn du willst.

Ich schwitze, schnaufe, die Knarre habe ich in meiner Hoodie-Tasche stecken – ich klammere mich an ihr fest, als ob sie meine Sicherheit, als ob sie meine Lösung für alles wäre; der Schuss von vorhin lässt langsam nach ...

Da blieb ich kurz am Schuss hängen - wegen der Knarre zuvor -, hab mich gefragt, ob ich was überlesen hatte ... Vielleicht: Fix oder so?

Oleg reißt bloß die Augen auf und knurrt: »Fuck! Fuck!« Der Typ in der Wohnung fängt jetzt an, rumzuschreien, wer da vor der Tür steht und was wir wollen.
Zwei, drei, vier Sekunden vergehen, in denen nichts passiert, in denen Oleg bloß starr dasteht – und plötzlich habe ich so ein Gefühl, als ob diese ganze Nummer hier ein zweites Mal schiefgeht, als ob ich bald wieder in U-Haft hocke; da kommt mir diese Idee: Ich hole ich tief Luft und dann schreie ich in makellosem Deutsch: »Polizei!«
Einen Moment ist alles still. Oleg blickt mich entsetzt an, aber ich hebe bloß die Hand.

... der Hand plötzlich vollkommen alleine da. Das Motorengeräusch wird leiser, entfernt sich – nur ich und die Pflastersteine, die Leuchtreklame von Tanja’s Nagelstudio, der schwarze, sternenlose Himmel; da fange ich das Denken an. Am Grünen Markt? Was wollen die da? Was hat der Deutsche zu Oleg gesagt? Denis wohnt doch nicht am Grünen Markt – der wohnt drüben, in der Berggleiser Straße, das ist genau auf der anderen Seite vom Viertel.
Und da kommt es mir plötzlich – da verstehe ich plötzlich, was die ganze Zeit über passiert ist, da ergibt das plötzlich alles einen Sinn ...

Ich mag das Wort plötzlich nicht, in der Fülle schon gar nicht. Verwendest du, glaube ich, noch öfter im Text. Dann , bloß und sowas [so was] wird auch sehr oft verwendet von dir.

Scheiße, ja, Maruschka ist die Einzige, die in der Nähe vom Grünen Markt wohnt.

Und da passiert es plötzlich – da sehe ich in diesem Bruchteil einer Sekunde plötzlich diese eine kleine Bewegung aus dem Augenwinkel ...

Ich höre jetzt auf, versprochen, aber, wenn du es weglässt, was verlierst du?

Und dann sind da plötzlich bloß noch große, dunkle Wellen vor mir, ein rauschendes Meer bei Nacht; Blitze, Donner, Gewitter. Kein Land.

Und da ich am ersten Satz gemeckert habe, schließe ich mit dem (vor-) letzten ab.
Ich hätte ihn so geschrieben:
Und dann sind da nur noch dunkle Wellen vor mir, ein rauschendes Meer bei Nacht; Blitze, Donner, Gewitter. Kein Land.

Ansonsten finde ich deinen Schluss sehr gut; den ganzen letzten Abschnitt.


So viel mal zum Stil. Klar, kannst natürlich sagen, der redet halt so ... Das passt schon auch irgendwie, trotzdem ist mir das nun mal aufgefallen alles. Keine Ahnung, ob dir das weiterhilft; vielleicht kannst du ja was davon gebrauchen.

Schade finde ich ein wenig, dass du Denis irgendwann einfach abwürgst; den hättest du noch einbinden können irgendwie. Und dieses Mutterthema hätte für meinen Geschmack etwas mehr Raum bedurft - da steckt ja auch viel Konfliktpotential drin, dass du kaum anschneidest, das aber auch wichtig ist, was Maruschka angeht. Ich kann das nicht so recht glauben, dass sie sich da kaum einen Kopf darüber zu machen scheint - zumindest wirkt das so auf mich. Aber gut, die Geschichte ist ja auch so schon recht lang - aber ein, zwei Sätze hätten da schon auch gereicht. Vielleicht, als sie von Amerika träumt oder so ...


Klingt letztendlich nach viel Gemecker von mir, das soll aber nicht täuschen. Ich habe deinen Text mit Spannung gelesen; hat mir wirklich gut gefallen, zigga.


Vielen Dank fürs Hochladen


hell

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo zigga

ich hab den Text ja schon vor der Überarbeitung gelesen und was zu geschrieben. Aus Zeitgründen jetzt noch mal bis Abschnitt 6. Ist wirklich intensiver geworden, du bleibst bei deinem Prot und hältst den Ton. Das ist wirklich gut. Gibt noch ein paar Stellen, wo du nacharbeiten könntest, die noch bisschen ungenau oder inkonsequent sind, hat sich aber wirklich gelohnt was dran zu machen, ist besser geworden, obwohl es mir schon beim ersten Lesen gefallen hat.

Ich schreib mal, was ich gefunden habe (bis dahin, wo ich gelesen habe):

Wir wurden in so einen fensterlosen Anbau eingeteilt, wo der Putz von den Wänden bröckelt und wir aus Gummis und Metallstangen irgendwelche Teile für Solaranlagen bauen, zusammen mit Langzeitarbeitslosen
langzeitarbeitsloser passt nicht ganz zum timbre, klingt so bürokratisch

In der Mittag verdrücke ich mich dann ’ne komplette Stunde aufs KZ-Klo.
am Mittag?

langsam finde ich keine brauchbare Vene mehr in der Von-Klamotten-bedeckten-Zone,
klingt sonderbar und könntest du ohne verlust weglassen...

dass ich für ein, zwei Stunden dieses Wahnsinnsgefühl haben kann: dass ich für ein, zwei Stunden ins Paradies schielen kann.
das ist gut mit dem ins paradies schielen...

ich komme vielleicht noch mal vorbei, zigga, ist so ne geschichte, aus der sich auch ein roman machen ließe...

viele Grüße
Isegrims

P.S. Und bau "Pisdes" doch auch ein :D überhaupt: so ein russisches schimpfwortverzeichnis wär was :)

 
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Hi hell!

Diese minutiöse Feinarbeit, der Kampf um einzelne Wörter und Passagen, das ist es wirklich, was ich hier schätze ...
Na, wenn du so willst: Ein, zwei Dinge, die mir aufgefallen sind :):

Ohje, da hab ich mir jetzt was eingebrockt :D!
Nee, ich bin dir sehr dankbar für dein detailliertes Feedback, wirklich.

mir hat sie auch gefallen, deine, ja, Milieustudie. Ich fand die Figuren gut gezeichnet, das Umfeld auch, alles wirkt weitestgehend glaubhaft, die Handlungsweisen nachvollziehbar. Auch die Sprache, die du verwendest, passt. Dir gelingt es gut, Spannung aufzubauen und diese zu halten; ich war gespannt, wie es weitergeht und alles endet. Hast auch gute Hooks gesetzt und die Zeitsprünge sind dir auch gelungen, ohne Verwirrung zu stiften.
das freut mich erstmal!

Ein kleiner Hoffnungsschimmer, eine greifbare Zukunftsoption, ein erreichbares Ziel, hätte mir da noch gefallen können - hättest sie ruhig daran scheitern lassen dürfen, aber ja, hätte alles noch mehr Schärfe, aber eben auch etwas mehr Farbe gegeben, finde ich.
Ja, hätte man einbauen können, das ist keine schlechte Idee. Aber ist natürlich immer so eine Sache, bei so einem "Seitenstrang" dann dem Leser nicht irgendwann das Gefühl zu geben, der Erzähler würde abschweifen. Aber wie gesagt, keine schlechte Idee.

Als ich rauskomme, lehnt Oleg am Wagen an, mit dem Ellenbogen auf dem Volvo-Dach und einer Zigarette zwischen seinen Fingern.
Gleich im ersten Satz : lehnt Oleg am Wagen an, gefällt mir irgendwie nicht, auch das Possessivpronomen ... hm.
Ich hätte es so geschrieben:
Als ich rauskomme, steht Oleg am Wagen gelehnt, mit dem Ellenbogen auf dem Volvo-Dach und einer Zigarette zwischen den Fingern.
Mhm ... vllt ist das Geschmackssache, aber ich fände bei deiner Version das Passiv (ist das Passiv?) am Wagen gelehnt bissle zu umständlich formuliert ... also wenn ich die Wahl zwischen Aktiv und Passiv habe, versuche ich schon immer, Aktiv zu nehmen, ich bin einfach der Meinung, das ist eingänglicher für den Leser zu konsumieren

Ich schwitze, schnaufe, die Knarre habe ich in meiner Hoodie-Tasche stecken – ich klammere mich an ihr fest, als ob sie meine Sicherheit, als ob sie meine Lösung für alles wäre; der Schuss von vorhin lässt langsam nach ...
Da blieb ich kurz am Schuss hängen - wegen der Knarre zuvor -, hab mich gefragt, ob ich was überlesen hatte ... Vielleicht: Fix oder so?
Also Fix sagt mir jetzt nichts, also ich kenne diesen Begriff dafür nicht ... ich hab das mal mit "Druck" geändert, obwohl das auch nicht 100%ig ist, du hast schon recht, ich bin selbst immer über diese Stelle gestolpert, aber dachte mir immer: nee passt schon

Ich mag das Wort plötzlich nicht, in der Fülle schon gar nicht. Verwendest du, glaube ich, noch öfter im Text. Dann , bloß und sowas [so was] wird auch sehr oft verwendet von dir.

:D Da hast du absolut recht. Ich bin ein riesen bloß- und plötzlich-Fan, dann und sowas auch ... ich werde da runterfahren. Mir ist das schon bewusst, dass ich diese Wörter oft verwendet habe ich in dem Text, ich hatte nur versucht, sie auszuwägen, sie zwar in Fülle zu verwenden, aber trotzdem die Suppe nicht damit zu versalzen ... aber sind schon sehr viele, ja. Ich werds runterfahren.

Und da ich am ersten Satz gemeckert habe, schließe ich mit dem (vor-) letzten ab.
Ich hätte ihn so geschrieben:
Und dann sind da nur noch dunkle Wellen vor mir, ein rauschendes Meer bei Nacht; Blitze, Donner, Gewitter. Kein Land.
Hab das mal zu 50% so angenommen.

Schade finde ich ein wenig, dass du Denis irgendwann einfach abwürgst; den hättest du noch einbinden können irgendwie.
Das stimmt. Ich hab da ewig dran getüftelt, hab ihn zum Höhepunkt mit Maruschka retten lassen und so ... aber das erschien mir alles nicht authentisch, nicht natürlich und organisch, zu aufgesetzt ... ja, das wird im Text wohl so bleiben müssen. Ist er eine ganz überflüssige Figur? Finde ich trotzdem nicht. Er ist wichtig, um den Erzähler zu charakterisieren, und um den Leser evtl. auf eine falsche Fährte zu führen, wer denn die Ratte ist und die Vladows bei den Bullen angeschwätzt hat ... klar, das ist nicht zu 100% Denis' Figur ausgeschöpft, aber nun gut.

Und dieses Mutterthema hätte für meinen Geschmack etwas mehr Raum bedurft - da steckt ja auch viel Konfliktpotential drin, dass du kaum anschneidest, das aber auch wichtig ist, was Maruschka angeht. Ich kann das nicht so recht glauben, dass sie sich da kaum einen Kopf darüber zu machen scheint - zumindest wirkt das so auf mich. Aber gut, die Geschichte ist ja auch so schon recht lang - aber ein, zwei Sätze hätten da schon auch gereicht. Vielleicht, als sie von Amerika träumt oder so ...
Ist auf jeden Fall einen Gedanken wert. Ich werd da mal gucken, du hast recht.

Klingt letztendlich nach viel Gemecker von mir, das soll aber nicht täuschen. Ich habe deinen Text mit Spannung gelesen; hat mir wirklich gut gefallen, zigga.
super!

Ich danke dir fürs Lesen und ausführliche Kommentieren, hell, hat mich echt weitergebracht. Und die restlichen Verbesserungsvorschläge, auf die ich jetzt nicht eingegangen bin, die hab ich natürlich im Kopf und werde sie teilweise mit in den Text flechten.


Hi Isegrims,

ich hab den Text ja schon vor der Überarbeitung gelesen und was zu geschrieben. Aus Zeitgründen jetzt noch mal bis Abschnitt 6. Ist wirklich intensiver geworden, du bleibst bei deinem Prot und hältst den Ton. Das ist wirklich gut. Gibt noch ein paar Stellen, wo du nacharbeiten könntest, die noch bisschen ungenau oder inkonsequent sind, hat sich aber wirklich gelohnt was dran zu machen, ist besser geworden, obwohl es mir schon beim ersten Lesen gefallen hat.
cool!

langzeitarbeitsloser passt nicht ganz zum timbre, klingt so bürokratisch
ja ... ich werd mal schauen, ob ich was besseres finde.

In der Mittag verdrücke ich mich dann ’ne komplette Stunde aufs KZ-Klo.
am Mittag?
Also das sagt man bei uns so, v.a. auf dem Bau oder im Handwerk. Was machste in der Mittag?

langsam finde ich keine brauchbare Vene mehr in der Von-Klamotten-bedeckten-Zone,
klingt sonderbar und könntest du ohne verlust weglassen...
Jaein, hätte der Kerl in seinem Alter schon jegliche Venen an seinem Körper versaut, (was der Satz ja bedeuten würde, würde ichs weglassen), dann wäre das schon erstens extrem hart und zweitens auch unglaubwürdig. Viele Fixer, die auch noch ein einigermaßen intaktes Sozialleben haben, versuchen die Einstiche möglichst an nicht sichtbaren Stellen zu haben, damit das einfach nicht gleich jeder sieht. Es sei denn, sie scheißen halt vollkommen drauf, aber so hatte ich meinen Prot nicht eingeschätzt. Aber vllt finde ich nen anderen Ausdruck.

P.S. Und bau "Pisdes" doch auch ein überhaupt: so ein russisches schimpfwortverzeichnis wär was
:D :D Ja nee, ich hab da eh schon mit dem Russisch runtergefahren, der Zug ist abgefahren. :D

ich komme vielleicht noch mal vorbei, zigga, ist so ne geschichte, aus der sich auch ein roman machen ließe...
wie du Bock hast! Würde mich natürlich freuen, aber ich finde es auf jeden Fall sehr cool, dass du auch die ersten 6 angeschaut hast. Ist ja sehr lang, das Ding, da finde ich es auch okay, wenn jemand bloß in die ersten Kapitel schaut, und zu denen ein Feedback gibt.


Vielen Dank auch dir, Isegrims, fürs Vorbeischauen und Kommentieren, gerade, weil du ja die Urversion kennst, hat mich das sehr gefreut.


Viele Grüße,
zigga

 

Hey zigga,

scheint viel Arbeit drin zu stecken. Um so mehr habe ich jetzt fast ein schlechtes Gewissen, zu sagen, mich hats nicht berührt. Drogengeschichten und Gewalt sind jetzt auch nicht so ganz mein Thema, von daher haben es solche Texte bei mir auch schwerer mich zu erreichen, aber bei Deiner kommt noch was dazu, wovon ich selbst überrascht bin, es je unter einen Deiner Texte zu schreiben. Deine Figuren haben mich nicht erreicht. Vor allem der Erzähler nicht. Ich weiß nicht, wofür ich ihn mögen sollte. Da ist nichts, was ihn sympathisch macht für mich. Er handelt und verhält sich genau so, wie es das gesellschaftlich vorgezeichnete Bild vorgibt. Auch die beiden Mafiabrüder - brutal, kalt, fiese Grimasse ... tja, genau so erwartet man sich solche Leute. Und er hat eben Schiss, ist ein kleines Würmchen in ihrem Spiel, vögelt, drückt sich Stoff, dealt, vertreibt sich die Zeit. Mir war es emotional total wurscht, was mit ihm passiert und von daher wollte auch nicht so recht Spannung aufkommen. Am interessantesten von allen fand ich noch die Nazitante, aber die hat ja nicht mal einen eigenen Auftritt. Das der Prot. am Ende zum Hero wird, da ist eigentlich schon alles zu spät, da war mein Bild von ihm schon festgelegt.

Das war der erste Punkt, der zweite (und das hat mich echt genervt), war diese Sache mit der Gaspistole, die Du ständig erwähnst, ohne weiter auf sie einzugehen. ich weiß, es ist als Spannungsmoment drin, ich soll mich fragen, ja was ist den mit der und diese Frage soll mich weiter am Text halten. Funktioniert nur bis zu dem Punkt, wo ich denke, jetzt fühl ich mich langsam verarscht. Da wedelt er immer mit der Schokolade vor mir rum und ich darf die nicht haben. Kennst Du das, wenn jemand sagt: Ich weiß was, aber ich darf Dir das nicht sagen, habs verspochen. Da wünscht man sich doch auch, er hätte von vornherein die Klappe ganz gehalten. So was nervt. So erging es mir hier auch.

Den Einstieg, den Prolog, den fand ich übrigens ganz unglücklich. 10 Zeilen Input und man versucht sich in die "Szene" reinzulesen und nach 10 Zeilen, totaler Schnitt. 10 Zeilen und ich muss die Figuren erfassen, ihre Beziehung zueinander, die Situation als Ganzes begreifen. Das ist echt viel. Das steckt ja auch drin, aber es erfordert doch eine Menge Kopfarbeit. Dann habe ich das alles gerafft und zack, brauche ich das nicht mehr. Klar freut man sich, es später wiederzuentdecken, aber die Freude war bei mir verhaltener als die Enttäuschung. Ist natürlich subjektiv.

Sprachlich ist das gut, schreiben kannst Du, wissen wir ja. Der Plot ist auch gut, finde ich, und wenn mich der Erzähler hätte berühren können, hätte ich sicher auch mit ihm gelitten. Weiß nicht, ob es den Nebenstrang mit der Vergewaltigung wirklich gebraucht hätte, das Kind im Allgemeinen. Da werden mehr Fragen aufgeworfen, als der Text sie dann beantwortet. Finde ich jedenfalls.

Tut mir leid, Dir nach all der Arbeit und den Mühen hier so ein Feedback zu hinterlassen. Ich freue mich halt einfach auf deine nächste :).

Liebe Grüße, Fliege

 
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Grüßdi Fliege,

haiaiai, da konntest du wohl echt gar nichts mit anfangen. :D

Um so mehr habe ich jetzt fast ein schlechtes Gewissen, zu sagen, mich hats nicht berührt.
Das brauchst du überhaupt nicht zu haben. Ich weiß nicht, ob man mir das glaubt, aber ich bin auch über negatives Feedback dankbar. Klar wünscht man sich, dass jeder den eigenen Text feiert, aber wenn du mir Punkte aufzeigst, wieso es für dich nicht geklappt hat, dann bringt mich das auch schon weiter.

Deine Figuren haben mich nicht erreicht. Vor allem der Erzähler nicht.
Ja, mhm. Ich weiß nicht. Ich schieb das ungern auf Geschmackssache, aber das ist halt auch schon so ein Genre-Ding. Also irgendwie war's gar nicht dein Ding, jaaa ... das ist schon alles ein wenig, wie man sich es auch vorstellt, Mafiatypen sind böse und sowas, naja ... ich hab mit der Story nicht das Rad neu erfunden, das ist mir schon klar, aber irgendwie mag ich das Teil trotzdem. Wie gesagt, ich schieb's ungern auf den Geschmack, aber ich finde schon, dass die Story hier Leuten was geben kann, und ich mag sie selbst nach wie vor. Aber ich kann deine Kritik nachvollziehen, ich weiß schon, welche Figuren und Typen du gerne magst (bilde ich mir jetzt einfach mal ein), und diese sympathische Ecke, die eine Figur für dich braucht, damit du mitfiebern kannst, das kannst du halt in der Story nicht finden. Vielleicht sind die Figuren für dich auch einfach noch eine Ecke zu flach, mhm.

Den Einstieg, den Prolog, den fand ich übrigens ganz unglücklich. 10 Zeilen Input und man versucht sich in die "Szene" reinzulesen und nach 10 Zeilen, totaler Schnitt. 10 Zeilen und ich muss die Figuren erfassen, ihre Beziehung zueinander, die Situation als Ganzes begreifen. Das ist echt viel. Das steckt ja auch drin, aber es erfordert doch eine Menge Kopfarbeit.
Da werde ich noch mal drüber nachdenken. Anfänge sind irgendwie meine große Schwäche, hab ich so langsam das Gefühl. :D Ich baller da immer viel zu viel rein, will zu viel sagen. Also oft. Danke für die Anmerkung, ich werde da mal drüber nachdenken.

Der Plot ist auch gut, finde ich, und wenn mich der Erzähler hätte berühren können, hätte ich sicher auch mit ihm gelitten.
Ja, ach, der Erzähler hat dich halt einfach gar nicht berührt. Ich verstehe das schon, Fliege. Ist nur so ... ich hab da so ein Gefühl, dass es einen Schlag Mensch bzw. Leser gibt, den dieser Erzähler schon berühren kann ... verstehe mich nicht falsch, ich gebe schon viel Wert auf deine Meinung, aber dieses Manko, dass du nicht Mitfiebern kannst mit dem Prot, das ist ja der große Minuspunkt für dich in der Story ... wäre das nicht, sagste ja hier selbst, dann würdest du die Geschichte wahrscheinlich auch anders lesen. Ach, ja, ich denke gerade, es liegt nicht an so einer erzähltechnischen Sache, von wegen Figur symapthischer zeichnen, ihr etwas geben, damit man als Leser mitfiebern kann ... sondern an so einer subjektiven Sache: Wen finde ich sympahtisch und wen nicht? Korrigier mich ruhig, wenn ich da falsch liege. Kann natürlich auch sein, dass ich da gerade den Überblick verloren habe, und ich die Figur noch zu dünn und zu vorhersehbar gemacht habe. Ich lass das Teil eh mal ne Ecke ruhen und lese da im Sommer noch mal drüber. Irgendwie mag ich das Stück, so wie es gerade ist.

Tut mir leid, Dir nach all der Arbeit und den Mühen hier so ein Feedback zu hinterlassen. Ich freue mich halt einfach auf deine nächste
Gar nicht! Hab bitte kein Mitleid mit mir! :D Ernsthaft: Jetzt weiß ich, dass es einen Typ Leser gibt, der mit dem Erzähler nichts anfangen kann bzw. sich nicht in ihn reinfühlen kann - oder ich müsste da die Figuren noch mehr ausbauen, individueller gestalten. Mal sehen. Freut mich auf jeden Fall, mal wieder was von dir gehört zu haben, Fliege. Und ruhig Bescheid sagen, wenn du was scheiße findest. Finde ich sehr wichtig.

Vielen Dank dir fürs Lesen und Kommentieren,

Grüße,
zigga

 

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