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Wege zur Universität II

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26.02.2016
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Wege zur Universität II

Wege zur Universität II

Den Fluss kannte er gut. Oft war es dessen Rauschen, dass ihm morgens die Kraft verlieh, seinen Weg mit der nötigen Festigkeit zu beginnen, um sein Ziel zu erreichen. Morgens aß er nichts. Es kostete ihn genug Anstrengung, seinen Fuß auf den Gehweg zu setzen und einen neuen Tag anzunehmen. Das Leben und tägliche Erwachen an dem Flüsschen nahe der Natur hatten es ihm angetan. Jetzt, wo es Herbst war, glitten auf ihm rötlich gelbe Ahornblätter dahin. Kraftlos, aber noch mit etwas Leben erfüllt, trieb sie die sanfte Gewalt des fließenden Wassers zu Orten, von denen sie noch nichts wussten. Vielleicht verfingen sie sich an einem jungen Baum, der gebrochen und in das klare Wasser gefallen war. Vielleicht schafften sie es auch in einem reißenden Strom an das weite Meer oder aber mussten in einem stinkenden Seitenarm des Flusses verrotten.

'Genug geträumt', raffte er sich auf. Sein Ziel war klar. Er musste zum Campus. Von der kleinen Bank an seinem Fluss setzte er zielstrebig seine Füße in Gang und schlug eine kleine Nebenstraße in das Zentrum der Stadt ein. Das wohlhabende Viertel, in dem er jetzt seine bescheidene Bleibe gefunden hatte, war nicht weit vom Zentrum mit seiner Universität entfernt. Ein schmaler Weg führte an Häusern mit hellen schnörkeligen Fassaden bis zu einer stark befahrenen Straße, die man überqueren musste. Alles fuhr irgendwo hin - zum Arbeiten wohl. Er selbst arbeitet nicht, hatte kein Auto, ging heute zur Universität. Donnernd und rauschend zog der Fluss aus Blech an ihm vorbei, bildete eine fast unüberwindliche Barriere zwischen ihm und dem Inneren der Stadt. Es war gefährlich geworden, einfach in diesen Fluss zu springen.
'Es gab einmal Straßen, auf die konnte ich einfach meinen Fuß setzen.', dachte er, als er vor dem roten Licht stand.

Im Zentrum der alten Stadt hatten sich Studenten, Beamte und Geschäftsleute zu ihrem ersten morgendlichen Kaffee zusammengesetzt. Der Duft der frisch gebrühten Bohnen zog in seine Nase. Weißes Porzellan voller heißen Kaffees, der von oben betrachtet viele kleine Kaffeeteiche bildete. Dort konnte man ein süßes Gebäck hineinstoßen und in den Teichen ertrinken lassen. Man konnte es ebenso wieder retten - oder auch nicht. Im Grunde änderte es nichts und interessierte niemanden. Genauso wenig, wie es jemanden interessierte, wenn Ahornblätter in einem Fluss verrotten.

Die Universität hatten sie gerade restauriert. Eine neue Fassade aus blau-grünem Glas inmitten des rotgelben Backsteins wirkte modern. "Hier wird etwas auf den alten Mauern für die Aufstrebenden getan!", sollte wohl die Botschaft der teuren aber kalten Architektur sein.
Schnell ging er am Portier vorbei. Eigentlich hoffte er, dass ihn der Alte nicht sah, denn er mochte ihn nicht. Der Portier war der Sendbote der Architektur und hatte jene draußen zu halten, denen kalte und teure Fassaden nicht gefielen. Im Foyer saßen zwei der üblichen Penner, die es am Portier vorbei geschafft hatten, auf ihren Bänken und wärmten sich auf. Mit ihren naturbelassenen grau melierten Bärten in zufällig zusammengestückelten Kleidern waren sie der Gegenentwurf zur Fassade. Und dieser Geruch! Von fließendem Wasser konnten die zwei nur träumen und großen Nutzen brachte es ihnen ohnehin nicht mehr. Ihre Welt war fern von Blechflüssen und Kaffeeteichen. Er näherte sich ihnen und der süßlich schwere Geruch gewürzt mit einer gewissen Schärfe wurde so stark, dass sich selbst der ignoranteste Mensch nicht mehr entziehen konnte. Er blickte die beiden Alten lächelnd dann und wurde freundschaftlich zurückgegrüßt.

Eilig ging er an ihnen vorbei. Eilig ging er in den hell gefliesten Toilettenraum. Kurz blieb er vor dem Spiegel stehen und betrachtete sein verquollenes Gesicht, die ungekämmten Haare und den grau melierten Bart. Rote Bäckchen waren das Ergebnis der abendlichen Flasche und des scharfen Windes am nächtlichen Flussufer. Er fürchtete den Winter, fürchtete der Portier könne ihm die wenigen Stunden im Foyer nehmen. Die ungewaschenen schmutzigen Hände öffneten seine Hose. Er schaute sich um, ob der Portier ihm nicht doch gefolgt war. Das sanfte Plätschern auf dem weißen Porzellan und der aufdampfende süß-schwere Geruch zeigten ihm, dass er heute sein Ziel erreicht hatte.

 

Hej Giovanni
dieser Text unterscheidet sich schon sehr von deinem ersten und behagt mir sprachlich gut. Deine Art zu (be)schreiben entspricht meinem persönlichen Geschmack. Und reingefallen bin ich natürlich auch, du Schelm.

Mir hat sie Spaß gemacht. Das Pfriemeln nach Unschönem und Fehlern überlasse ich gern anderen.

Spontane Grüße, Kanji

 

Hallo Giovanni!

Die Geschichte ist eine schöne und bunte Erzählung, die einen zum Schmunzeln und manchmal auch zum Träumen bringt.
Schade, dass das Träumen nach dem zweiten Abschnitt schon aufhört. Ich hätte es gerne länger gemacht.

Eine Sache "versaut" ein wenig das Ende:

Eilig ging er an ihnen vorbei. Eilig ging er in den hell gefliesten Toilettenraum. Kurz blieb er vor dem Spiegel stehen und betrachtete sein verquollenes Gesicht, die ungekämmten Haare und den grau melierten Bart.

Zweimal "eilig ging er" ist zu viel. Lass den ersten Satz wer und schreib besser:

"Er ging eilig [an ihnen vorbei] in den hellgefliesten Toilettenraum."
Und den dritten Satz würde ich umstellen. "Er blieb kurz vor dem Spiegel stehen ..." hört sich flüssig an.

Sonst sind mir keine gravierenden Fehler aufgefallen.


LG

Betze

 

Kanji - Danke. Der erste Text ist halt wirklich sehr experimentell. Muss ich nochmal nachdenken.

Hallo Giovanni!

Die Geschichte ist eine schöne und bunte Erzählung, die einen zum Schmunzeln und manchmal auch zum Träumen bringt.
Schade, dass das Träumen nach dem zweiten Abschnitt schon aufhört. Ich hätte es gerne länger gemacht.


Ich wollte es nicht weiter ausdehnen. Die eigentliche Handlung ist ja sehr übersichtlich. Die Sätze sind alle sehr symbolistisch und bilden nur die Gedanken des Protagonisten ab. Ich hätte das Gefühl, dass der Leser bei zunehmender Länge genervt ist.

Eine Sache "versaut" ein wenig das Ende:

Zweimal "eilig ging er" ist zu viel. Lass den ersten Satz wer und schreib besser:

"Er ging eilig [an ihnen vorbei] in den hellgefliesten Toilettenraum."
Und den dritten Satz würde ich umstellen. "Er blieb kurz vor dem Spiegel stehen ..." hört sich flüssig an.
e


Die Anapher habe ich benutzt, um das Tempo zu steigern. Nicht so gut?

 

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