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Wecker auf vier
Unsere Klasse fuhr nicht nach Amsterdam, Paris oder Barcelona, sondern in einen Kurort für Senioren an der polnische Ostseeküste. Nach Kolberg. Im Winter. Einmal täglich scheuchten uns die Lehrer den Strand entlang, danach ließen sie uns in Ruhe und ich verbrachte den größten Teil des Tages im Keller der Jugendherberge an der Tischtennisplatte.
»Ich muss dir was zeigen!« Keine Ahnung, wo sich Hannah in der letzten Stunde rumgetrieben hatte, aber nun war sie wieder aufgetaucht und tippelte von einem Fuß auf den anderen.
»Was denn?«
»Nicht hier, draußen.«
Ich folgte ihr die Treppe hoch und vor die Tür. Sofort begann ich zu frieren.
»Siehst du ihn?«
Ich schaute mich um, sah niemanden. »Wen?«
»Leo natürlich.«
»Nee, sehe ich nicht.«
»Dort drüben.« Sie deutete mit einem Kopfnicken zum Spielplatz hinüber. »Im Schiff.«
Durch eines der Bullaugen erspähte ich tatsächlich Leos Lockenkopf.
»Guck da nicht so auffällig hin!«
»Die beachten uns doch gar nicht.«
»Eben. Und genau deshalb musst du mir einen Gefallen tun.«
»Hä? Mir ist saukalt. Ich geh wieder rein.«
»Ja, zieh dir was an und komm wieder raus.«
»Und dann?«
»Frag doch nicht immer so viel. Tu mir bitte, bitte einfach den Gefallen.«
Was auch immer Hannah vorhatte, sie würde keine Ruhe geben, also holte ich Mantel und Mütze und ließ mich von ihr hinter den Fahrradschuppen ziehen, wo sie eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche zog.
»Seit wann rauchst du?«, fragte ich.
»Ich muss üben.«
»Rauchen?«
»Damit ich mit zu denen ins Boot kann.« Sie nestelte das Zellophan ab.
»Du spinnst!«
Hannah steckte sich eine Zigarette in den Mund und zündete sie an, stieß den Rauch aber sofort wieder aus.
»Warum willst du mit ins Boot?«
»Weil Leo da drin ist!«
»Ja, und?«
»Ich stehe auf ihn.«
»Seit wann?«
»Seit drei Stunden. Mel hat mit ihm Schluss gemacht.«
»Hat sie?«
»Wenn du nicht den ganzen Tag im beschissenen Keller beschissenes Tischtennis spielen würdest, würdest du auch was vom Leben mitbekommen.«
»Wusste gar nicht, dass du auf Leo stehst.«
»Mann! Der war mit M E L zusammen.« Hannah grinste breit. »Bis heute Nachmittag.«
Wieder paffte sie an der Zigarette, wieder verzog sie das Gesicht.
»Schätze, du musst das Zeug auch einatmen«, sagte ich.
»Weißt du, wie eklig das schmeckt? Ich mach das step by step.« Sie hielt mir die Kippe hin. »Willste auch mal?«
»Ich stehe nicht auf Leo. Ich geh wieder rein.«
»Warte!« Hannah nahm noch einen Zug, diesmal nicht Backe, und begann sofort zu husten. »Scheiße!«, sagte sie, als der Anfall vorbei war. Sie trat die Zigarette aus. »Nach dem Abendbrot üben wir weiter.«
»Echt jetzt? Leo, ja?«, fragte ich.
»Der ist doch süß. Und der weiß, wie es geht.«
»Wie was geht?«
»Na, Sex halt.«
Ich zeigte Hannah einen Vogel.
»Tue nicht so, als ob es dir egal wäre.«
»Und wenn doch?«, fragte ich.
»Und warum frisst du dann die Pille?
»Das war die bescheuerte Idee meiner Mutter.«
»Bist aber brav zum Arzt gerannt.«
»Du doch auch!«
Hannah grienst. »Eben.«
Ich schüttelte den Kopf. Leo, da konnte sie rauchen, bis ihr die Lunge krepierte, einen wie den wird sie nie abbekommen. Werden wir nie bekommen. Wir dürfen von solchen Typen nur träumen. Und das auch nur heimlich.
Abends reiste eine weitere Klasse an. Sie kamen aus Hannover, waren zwei Jahrgänge älter und unglaublich laut. Aus jedem Zimmer röhrte Musik, Matratzen wurden hin und her getragen, Türen geschmissen. Innerhalb von Minuten wurde der Flur zum Rummelplatz. Ich hatte Kopfschmerzen, Hannah hockte im Nachbarzimmer. Wenn einer der Hannoverjungs an deren Tür vorbeigockelte, glucksten oder kreischten sie oder riefen dämliche Kommentare. Aus dem Fenster sah ich vier der Hannovermädchen beim Piratenschiff. Sie standen vor den Bullaugen, aus denen Leo und seine Kumpels die Köpfe steckten. Es wirkte nicht so, als würde Leo wegen Mel trauern. Er kletterte aus dem Schiff und setzte der Blonden nach, die kreischend vor ihm weglief. Leo fing sie im Handumdrehen ein, nahm ihr die Kippe weg, zog daran, tat, als ob er sterben würde. In diesem Moment wurden die Mädels zurück ins Haus gepfiffen. Es gab Abendbrot für die Neuankömmlinge. Pech für Leo. Vielleicht hätte sie ihm ja das Leben gerettet. Jetzt musste er sich ganz allein retten.
Hannah stürzte ins Zimmer und durchwühlte ihren Koffer. »Wir organisieren eine Disko. Unten im Tischtenniskeller.«
»Aha.«
»Ein paar sind los, besorgen was zum Trinken.«
»Schon klar.«
»Das wird der Hammer!«
»Sicher.«
»Ich muss dringend was mit meinen Haaren machen!«
Vielleicht hätte sich Hannah einfach Zöpfe flechten sollen wie das Mädel aus Hannover, für das Leo gestorben war. Aber sie hielt schon Föhn, Bürste und Haarspray in den Händen, bereit für die Spiegelbelagerung im Waschraum. Als sie zurückkam, sah sie aus, wie einmal durch die Autowaschanlage geschoben.
»Krass, oder?«, sagte sie.
Ich nickte. In der Tat.
»Mel hat mir die Haare gemacht«, sagte sie stolz.
»Mel?«
»Ja.«
Das war schräg. Wahrscheinlich hatte Mel ohne Leo einfach Langeweile.
Wodka für die Cola bekam man auf der Toilette. Hannah hatte nur Augen für Leo, Leo für die Hannover-Püppi, und die Hannover-Püppi für Mel? Konnte das sein? Jedenfalls hing sie an ihr wie der Tau am Grashalm. Mel interessierte sich vor allem für den Wodka. Als die Lehrer das mit dem Alkohol spitz bekamen, erklärten sie die Disko für beendet und schickten alle auf ihre Zimmer. Es war gerade mal neun. Unser letzter Abend ging richtig in die Hose. Zusammen mit drei nüchternen Hannoveranern wurde ich zum Aufräumen verdonnert. Lustlos schleppten wir die Stühle zurück in den Speisesaal und stellten die Tischtennisplatte wieder auf. Die Lehrer saßen oben Wache, wir ließen uns viel Zeit. Keiner von uns war scharf auf Zimmerarrest. Nach dem Aufräumen spielten wir Tischtennis. Ich im Doppel mit Cadan gegen die anderen beiden. Cadan war ziemlich cool auf seine Art. Irgendwie der Typ Beobachter, nicht so ein Macho oder der Alleinunterhalter vom Dienst. Auf mich wirkte er wie ein Geheimnis. Vielleicht lag das aber auch nur an seinen Klamotten: Schwarze Jeans, schwarzer Hoodie, schwarze Wollmütze, schwarze, halblange Haare. Cadan war wie ein großes, schwarzes Loch. Halb Ire, halb Chilene, geboren in der Schweiz. Und er spielte echt gut. Nach jedem Punkt, den ich für unser Team holte, klatschte er mit mir ab. Bei jedem Punkt, den ich versemmelte, sagte er: »Scheiß drauf!«
Wir waren ein super Team, bis die Lehrer uns doch auf die Zimmer beorderten. Auf der Treppe flüsterte Cadan mir zu: »Stell dir den Wecker auf vier.«
Fragend schaute ich ihn an.
»Ich warte unten auf dich.«
War das Ernst oder Verarsche? Wollte Cadan sich treffen? Mit mir? Mitten in der Nacht?
»Bis später!«
Ich schwebte ins Zimmer. Ein Typ wie Cadan! Total verrückt-verkehrte Welt! Hannah saß auf ihrem Bett und funkelte mich wütend an. »Wieso dauerte das denn so lange?«
»Wir hatten es nicht eilig.«
»Mel hat gekotzt. Die Müller ist richtig ausgeflippt.«
»Und du? Wie geht es dir?«, fragte ich, denn auch Hannah war mit ihrer Cola auf dem Wodkaklo.
»Hatte ja nur einen Drink.«
»Sei froh. Kotzen war noch nie geil.«
»Leo ist so ein Arsch!« Hannah war in Plauderlaune. Im Gegensatz zu mir.
»Klar. War er schon immer.«
»Der hatte nur Augen für die Trulla aus Hannover. Die mit den albernen Zöpfen.«
»Hm. Ist mir auch aufgefallen.«
»Der kann mich mal!«
»Biste wieder entliebt?«
»Quatsch!«
»Ich denk, der kann dich mal?«
»Mann, morgen fahren wir ab. Da ist die doch Geschichte.«
»Und dann bleibt Leo nichts anderes übrig, als sich in dich zu verknallen, oder was?«
»Du kapierst das nicht, oder? Jungfrau zu sein, ist so uncool. So vorgestern.«
Während ich kaum bis gar nicht schlief, fiel Hannah in den Winterschlaf. Sie bekam nicht mit, wie ich aufstand, mich anzog und das Zimmer verließ. Auf Strümpfen schlich ich über den Flur in den Waschraum, putzte die Zähne und bürstete die Haare.
Durch den Türspalt schimmerte Licht. Cadan hatte mich nicht verarscht. Er war da! Mein Herz beschleunigte wie ein Gepard auf Antilopenjagd. Ich hasste es dafür. In Zeitlupe drückte ich die Klinke und öffnete die Tür. Cadan saß auf dem Fußboden, die Beine lang ausgestreckt, den Rücken an die Wand gelehnt:»Hey Teammate.«
»Hey.«
»Biste also wirklich gekommen.«
»Warum denn nicht?«
»Hätte ja sein können, du kneifst.«
Ich schloss die Tür und setzte mich zu ihm. Eine Weile saßen wir einfach nur so da, sein Duft streifte meine Nase, sein gleichmäßiger Atem beruhigte mich. Es fühlte sich gut an, neben Cadan zu sitzen.
»Schließ die Augen.«
»Warum?«
»Warum nicht?«
Ich gehorchte und wartete, was folgen würde. Aber es passierte nichts. Gar nichts. Wieder hörte ich Cadans Atem und sog seinen Duft ein, der mir jetzt viel intensiver, viel schöner vorkam. Irgendwann bewegte sich Cadan neben mir. Ich spürte seinen Körper dichter an meinen heranrücken, die Berührungen unserer Beine, Arme, spürte seine Finger, wie sie mir das Haar hinter die Ohren strichen, wie sie über meine Augenbrauen glitten, die Nase nachzeichneten, um in gerader Linie über meine Lippen zum Kinn hinunter zu streifen, wieder zurück zu den Augenbrauen sprangen und Kreise auf meine Stirn malten.
»Nicht wieder aufmachen«, flüsterte Cadan und wechselte abermals seine Position. Jetzt hockte er auf den Knien über meinen ausgestreckten Beinen, blies seinen Atem über meine Stirn, meine Augen, meine Nase, meinen Mund. Blies über meinen Hals und streifte mein T-Shirt über die linke Schulter. Berührte sie mit den Lippen. Ganz sacht, als würde sich ein Schmetterling drauf setzen. In mir war völliges Chaos. Es war schön, was Cadan da tat, aber meine Gedanken überschlugen sich: Was, wenn er mich küsst? Wenn seine Hände weiter wandern? Oder ... Und dann waren da wieder nur die Schmetterlinge mit ihren sachten Flügelschlägen, Cadans Hände in meinen Haaren, auf meinen Schultern, seine Hände, die nach meinen griffen, um sie auf seinen Rücken zu legen. Na klar, ich Trottel! Natürlich sollte ich auch irgendwas tun und hier nicht sitzen wie eine schmelzende Wachsfigur. Mach es wie er, ertaste ganz langsam das Terrain. Es ist nur ein Rücken, da kann man wohl kaum etwas verkehrt machen. Langsam öffnete ich die Augen. Ich wollte Cadan sehen. Ihn zu sehen, fühlte sich sicherer an.
»Alles okay?«, fragte er.
Ich nickte.
Cadan küsste mich sanft. Konnte es nicht einfach so bleiben? Küsse hauchen, das war einfach. Und schön! Doch als Zähne und Zunge dazu kamen, gefiel mir auch das. Es fühlte sich überhaupt nicht wie sabbernder Frosch an. Nie wieder wollte ich aufhören, Cadan zu küssen. Ich war so auf unsere Münder fixiert, dass mir seine Hände unter meinem Shirt, auf meinem Rücken, meinen Schultern, meiner Taille wie ein Hintergrundrauschen erschienen. Erst, als er meine Brüste berührte, von meinem Mund abließ, mich von der Wand weg auf den Boden zog, mein Shirt hochschob, seine Lippen meine nackte Haut trafen, seine Hände scheinbar überall gleichzeitig herumspazierten, als er seinen Schoß dicht an mich presste und ich seine Erektion spürte, die feuchte Wärme in meinem Schoß zunahm, als er mir langsam die Hose öffnete, als oben jemand über den Flur lief und wir uns ganz still verhielten, auf die Schritte lauschten, setzten meine Gedanken wieder ein. Er würde doch nicht? Hier auf dem dreckigen Linoleum neben der Tischtennisplatte? Mit einer wie mir? Nein, das konnte nicht sein. Cadan zwinkerte mir zu. Schnitt Grimassen und ich musste mir das Lachen verkneifen, niemand kam die Treppe zu uns herunter, oben kehrte wieder Ruhe ein, und Cadan begann mir die Jeans über die Hüften zu ziehen. Irgendwie war ich froh, dass er mir den Slip ließ, eine kurze Freude, da er ihn später einfach beiseite schob. Mein Verstand brüllte: Hau ab! Dass willst du doch gar nicht. Nicht so! Aber mein Körper fand alles neu und aufregend und auch schön, ich ließ Cadan, ließ ihn machen, hinderte ihn nicht, als er einen Finger in mich schob, staunte, als er die Hosen runterließ, das passt doch nie, das kann ich nicht wollen, das muss wehtun, ich liebe ihn doch gar nicht, das Kondom, wo kommt das Kondom auf einmal her, ich sollte hier dringend abhauen, ich werde ihn nie wieder sehen, ist doch scheiß egal, was er von mir denkt, was Hannah denkt, Cadan der sich auf mich schiebt, jetzt ist es zu spät, er tut es wirklich.
»Autsch!«
»Ich bin gleich drin. - Bleib locker. - Ganz ruhig.«
Cadan drang ein. Ich spürte den Schmerz, spürte dieses Ding in mir, wie es sich bewegte, hörte Cadans Atem, sah sein verzerrtes Gesicht, wollte, dass es schnell vorbei ging, spürte, wie der Schmerz etwas nachließ, wie Cadan sich schneller und schneller bewegte, hörte, wie er hechelte, sah, wie er zuckte und auf mir zusammensackte. Ich spürte, wie sich sein Ding zurückzog. Cadan rollte sich von mir und streifte das Gummi ab, warf es achtlos neben sich auf den Boden. Er lag auf dem Rücken, sein Atem wurde ruhiger, mein Herz drosselte das Tempo. Es war passiert. Einfach so. Ich war keine Jungfrau mehr. Vorsichtig richtete ich mich etwas auf, nur um zu sehen, ob ich in einer Lache von Blut lag, aber ich sah keines, zog Slip und Hose an, wann hatte er mir den eigentlich ausgezogen? Cadan lag noch immer flach auf dem Boden, er hielt die Augen geschlossen, sein Gesicht strahlte Zufriedenheit aus. Ich watschelte zur Tür, sehnte mich nach einer Dusche und frischer Unterwäsche, warf einen letzten Blick auf den seligen Cadan, auf das benutzte Kondom und fragte mich, ob das Brennen zwischen den Beinen je wieder aufhören würde.
Frisch geduscht betrachtete ich mich im Spiegel des Waschraumes. Ich war noch immer nicht größer, nicht schlanker, nicht schöner, nicht fraulicher. Ich strahlte nicht, wie Mel strahlte, ich schaute in dasselbe nichtssagende Spiegelbild wie jeden Tag. Langsam zog ich die Nagelschere aus dem Etui und begann, eine Handbreit unter der Spange meinen Pferdeschwanz abzuschneiden. Strähne um Strähne fiel zu Boden, streiften dabei meine nackte Haut, bis nichts mehr übrig war, was ich abschneiden konnte. Ich öffnete die Spange, wuschelte mit den Fingern durchs Haar und betrachtete erneut mein Spiegelbild. Das war eindeutig ich und doch kam ich mir fremd vor.
Ein paar der Mädchen sprachen mich beim Frühstück an. Ich zuckte mit den Schultern. »Mir war eben danach.«
Hannah war völlig entsetzt. »Bei dir ist doch echt was gerissen!«
Wenn Hannah wüsste, wie recht sie damit hatte. Irgendwann werde ich es ihr erzählen, aber nicht jetzt, nicht hier und heute. Sie würde hundert Fragen stellen, so wie damals, als ich die Untersuchung bei der Frauenärztin hinter mir hatte und ich das Gefühl nicht loswurde, Hannah spazierte mit ihren Fragen durch meinen Unterleib wie durch eine Tropfsteinhöhle. Außerdem hatte ich selbst genügend Fragen. Zum Beispiel, ob ich Cadan je wiedertreffen werde? Wahrscheinlich eher nicht. Möchte ich ihn denn überhaupt wiedersehen? Keine Ahnung. Bin ich verliebt? War Cadan verliebt? Ich schaute zu ihm rüber. Er saß mit Mel, Leo und der Püppi am Tisch der Strahlenden. Mel sah selbst leidend noch gut aus. Ich konzentrierte mich darauf, Cadan nicht anzustarren, nicht jede Sekunde zu ihm zu schielen, darauf zu warten, er würde sich zu mir umdrehen, denn das tat er nicht. Schätze, er war nicht verliebt. Würde ich es wieder tun? Nein. Oder doch? Was wusste ich überhaupt? Ich hatte Sex, war keine Jungfrau mehr. Ich hatte es mir schmerzhafter vorgestellt. Allerdings auch romantischer. Es war nicht peinlich. Nicht so, wie bei der Ärztin. Und Küssen war total schön. Hätten wir nur geküsst, ich wäre jetzt total verknallt. Haben aber nicht nur geküsst. Nur küssen, damit kommt man bei Typen wie Cadan nicht durch, schätze ich. Typen wie er haben ihren Preis.
Jetzt redete Cadan, Leo grinste blöd und guckte Mel zu uns rüber? Erzählte Cadan gerade von uns? Nein! So einer war er nicht. Das tat er nicht. War er doch nicht? Verdammt! Was für einer war Cadan eigentlich?
»Erde an Jule!« Hannah winkte mit ihrer Hand vor meinem Gesicht rum.
»Hä?«
»Du hörst mir gar nicht zu!«
»Sorry.«
»Ich habe dich gefragt, ob Leo und Mel wieder ein Paar sind?«
»Woher soll denn ich das wissen?«
»So wie es aussieht, könnte man das denken, oder?«
»Ja. Könnte man.«
»Mist!«
»Du wirst es überleben.«
Wieso lachen die jetzt da drüben? Sogar die leidende Mel? Cadan hat es doch getan. Er hat es ihnen erzählt.
»Erde an Jule!«
»Lass das!«, ranzte ich Hannah an. Ich wollte hier weg. Ich wollte nach Hause, wollte mich in mein Bett verkriechen. Zwischen meinen Beinen brannte es noch immer. Ob das normal war? Noch so eine Frage.
»Hast du die Zigaretten noch?«, fragte ich Hannah.
»Klar.«
»Gibst du mir eine?«
»Echt jetzt? Du willst rauchen?«
»Ich will hier vor allem raus.«
»Du bist echt komisch heute.«
»Mag sein.«
Ich stand auf, räumte das Geschirr ab und ging hinaus, Hannah folgte mir. Draußen pafften wir Nikotinwölkchen in den sauberen Luftkurort.
Dauerte nicht lange, bis die Clique das Piratenschiff enterte. Mel dagegen steuerte direkt auf uns zu.
Scheiße, dachte ich, Cadan hat geplaudert. Ich hasste ihn dafür.
»Deine Haare, hätteste nicht machen sollen. Ich war immer neidisch drauf«, sagte Mel.
»Wachsen ja wieder.«
»Wie du meinst«, sagte Mel und schlenderte zurück zu ihresgleichen.
»Ich habe ihr auch schon gesagt, dass das 'ne blöde Idee war«, rief Hannah ihr hinterher.