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Wattenmeer

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03.08.2003
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Wattenmeer

Regen fällt in dünnen Schnüren vom Himmel und ist wie ein Vorhang vor der Welt. Ich rühre meinen Cappuccino um und greife nach der Kartei, lasse die Kärtchen Daumenkino spielen. Welchen Namen mir der Zufall wohl diesmal zuspielen wird? All diese seltsamen Menschen mit ihren merkwürdigen Passionen. Ich suche sie und dokumentiere die Begegnungen mit ihnen. Das ist meine Leidenschaft.
Stopp! Neugierig beuge ich mich über die Karte.
Aaaah! Dr. Plechta! Lange habe ich nicht mehr an ihn gedacht. Ein in sich ruhender Mensch, immer mit der Andeutung eines Lächelns auf den Lippen. Als er mir seine Geschichte erzählt hatte, wusste ich warum.

Wenn die Schwalben hoch am Himmel den Sommer herbeifliegen, hält es Dr. Plichta nicht länger in der großen, stickigen Stadt. Er reist dorthin, wo kein Hochhaus den Blick verstellt und die Brust sich mit salziger Luft füllt, um seiner Passion zu frönen.
Sein Ritual beginnt früh am Morgen, wenn die Sonne ihre ersten Strahlen über das Wattenmeer schickt und die Sandbänke in ein warmes, goldenes Licht taucht. Dr. Plechta zieht sich eine wetterfeste Jacke an, schlüpft in Gummistiefel und macht sich auf den Weg. Möwen kreischen und zwischendurch, wenn sie einmal still sind, hört er das eigentümliche Knistern des Watts, das von Millionen winziger, zerplatzender Bläschen herrührt. Der Boden ist von wurmartig gewundenen Prielen durchzogen und von Muscheln, Algen und Krebsen bevölkert. Unter Dr. Plechtas Füßen fühlt er sich weich und nachgiebig an und jedes Mal, wenn er einen Fuß vor den anderen setzt, hinterlässt er eine Spur, die bald schon vom auflaufenden Wasser weggespült werden wird.
Ich sehe ihn förmlich vor mir, eine untersetzte, sehr aufrechte Gestalt mit vom Wind zerzausten grauen Haaren, die randlose Brille mit Salzwasser bespritzt, dessen rundes Gesicht geradezu leuchtet vor innerer Zufriedenheit. Und genau diese Zufriedenheit ist es, die den Kern seiner Passion ausmacht, wie er mir anvertraute, denn er freut sich darüber, dass er als einziger wattet und nicht – wie die anderen Urlauber alle – fälschlicherweise watet oder gar wandert.

Oh ja, er gab es zu. Früher hatte er sich oft dazu hinreißen lassen, sich zu ereifern, dass es „watten“ und nicht „waten“ heißen müsse, wenn etwa ein ahnungsloser Urlauber in der kleinen Pension, in der er Stammgast war, am Frühstückstisch verlauten ließ, er wolle nachher auf ein Stündchen im Wattenmeer waten. Bei solchen Gelegenheiten hatte Dr. Plechta sogar den Eindruck, manche Gäste würden nur auf seine Reaktion warten, denn sie unterbrachen dann ihre Unterhaltungen, legten Frühstücksei und Butter beiseite, stellten die Kaffeetassen ab und tauschten Blicke.
Selbst die Wirtin kam aus der Küche, um zu hören, wie Dr. Plechta sich bemühte, seinen Standpunkt ausführlich zu begründen.
Zuerst pochte er auf die etymologische Verwandtschaft des Wortes „Watt“ mit dem niederländischen „wad“. Dieses Wort stehe für die Schlammschicht, die sich im Laufe von Jahrtausenden im Wattenmeer herausgebildet habe. Dann unterstrich Dr. Plechta die Einzigartigkeit dieser Schlammschicht. Sie sei eine hochkomplexe Mischung aus Sedimenten und organischen Materialien. Darauf gehe man schlussendlich, wenn man watte. Das Verb „watten“ stelle also in einem Satz den exakt richtigen kausalen Zusammenhang des Prädikates mit dem lokalen Adverbial Watt heraus und nicht nur das. Indem man watte und nicht wate, zeige man angemessenen Respekt vor dem Naturphänomen, um das es hier gehe, um nicht zu sagen, auf dem man gehe, also watte.
So ungefähr lautete die Argumentation Dr. Plechtas.

„Doch konnte ich auch nur einen meiner Zuhörer überzeugen?“, fragte er mich achselzuckend. „Nein, ich kam mir vor wie einst Demosthenes, als er der tosenden Brandung sprach. Stellen Sie sich vor: Einmal behauptete einer dieser Ignoranten sogar, "Watten" sei aber ein in Österreich und Bayern beheimatetes Kartenspiel! Seitdem habe ich es aufgegeben. Sollen die anderen nur waten, ich watte und weiß, dass ich recht habe und das genügt mir.“
Da war es, dieses Lächeln.

Ein Lächeln stiehlt sich auch auf meine Lippen.
Wirklich, Dr. Plechta ist ein glücklicher Mann, wenn er wattet.
Zu wissen, ganz genau zu wissen, als einziger das Richtige zu tun, muss ein unglaublich schönes und stolzes Gefühl sein.

 

Hallo @Sturek!

Ich finde es sehr schwierig, möchte man eine Fülle von Informationen in eine Geschichte packen. Sobald ich beim Lesen erkenne, dass solch eine Absicht (mit) hinter einer Erzählung steckt, denke ich: Oha!
Oft gelingt das mMn nicht. Zumeist klingt es nach Wiki mit ein bisschen drumrum. Bei deiner Geschichte funktioniert es über weite Strecken gut, vollkommen wird sie den Beigeschmack des Wissen vermitteln wollen dann aber doch nicht los.

Anbei noch ein paar Kleinigkeiten:

Draußen fällt der Regen in dünnen Schnüren vom Himmel undKOMMA ist wie ein Vorhang vor der wirklichen Welt.
Könnte weg. Von wo sonst soll er fallen. Wenn der Himmel nicht besonders beschrieben wird, eher überflüssig.

All die seltsamen Menschen, merkwürdigen Leidenschaften – sie zeugen davon, dass es da hinter dem Vorhang weit mehr gibt als die sogenannte Wirklichkeit.

Als er mir seine Geschichte erzählte hatte, wusste ich warum.
Keine Ahnung, ob das so korrekt wäre, schöner zu lesen allemal.

Dr. Plechta liebt es, ans Meer zu fahren. Wenn die Schwalben hoch am Himmel den Sommer herbeifliegen, hält es ihn nicht länger in der großen, stickigen Stadt.
herbeifliegen, ja, schon gut aber irgendwie auch nicht. minsichbringen fände ich besser.
groß und stickig braucht es gar nicht. Das ginge auch so auf, bastelt sich (zumindest mein) Kopf ganz von selbst dazu.

Dr. Plechta zieht sich seine wetterfeste Jacke an, schlüpft in seine Gummistiefel und macht sich auf den Weg.
Schon das erste seine könnte ein eine sein und das zweite würde ich ersatzlos streichen.

Möwen kreischen und zwischendurch, wenn sie einmal still sind, hört er das eigentümliche Knistern des Watts, das von Millionen winziger, zerplatzender Bläschen herrührt.
würde auf Abermillonen aufstocken.

Der Boden ist von zahlreichen wurmartig gewundenen Prielen durchzogen und von Muscheln, Algen und Krebsen bevölkert.
Bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dass geht so nicht auf.
... und wird von Muscheln ...?

Unter Dr. Plechtas Füßen fühlt er sich weich und nachgiebig an und jedes Mal, wenn er einen Fuß vor den anderen setzt, hinterlässt er eine Spur, die alsbald vom auflaufenden Wasser wieder fortgespült werden wird.
Geschmaksache

Ich sehe ihn förmlich vor mir: Eine untersetzte, sehr aufrechte Gestalt mit vom Wind zerzausten grauen Haaren. Die randlose Brille mit Salzwasser bespritzt, das runde Gesicht geradezu leuchtend vor innerer Zufriedenheit.
Las sich für mich unrund.

Und Genau diese Zufriedenheit ist es, die den Kern seiner Passion ausmacht, wie er mir anvertraute. Dr. Plechta freut sich darüber, dass er als einziger wattet und nicht – wie die anderen Urlauber alle – fälschlicherweise watet oder gar wandert.
Die meisten und, die man beim Schreiben für notwendig hält, erweisen sich etwas später für entbehrlich. Geht mir jedanfalls so.

Oh ja, er gab es zu. Früher hatte er sich oft dazu hinreißen lassen, sich zu ereifern, dass es „watten“ und nicht „waten“ heißen müsse. Wenn etwa ein ahnungsloser Urlauber in der kleinen Pension, in der er Stammgast war, am Frühstückstisch verlauten ließ, er wolle nachher auf ein Stündchen im Wattenmeer waten.
Schon etwas lang das Ding.

Fast Dr. Plechta hatte zuweilen bei solchen Gelegenheiten sogar das Gefühl, die anderen manche Gäste würden nur auf seine Reaktion warten, denn sie unterbrachen dann ihre Unterhaltungen, legten Frühstücksei und Butter beiseite, stellten die Kaffeetassen ab und tauschten Blicke.
Auch etwas lang. Geschmaksache.

Sogar die Wirtin kam aus der Küche, um zu hören, wie Dr. Plechta sich bemühte, seinen Standpunkt ausführlich zu begründen.
Er müht sich ja bereits zu begründen. Da braucht es ausführlich gar nicht mehr.

Zuerst pochte er auf die etymologische Verwandtschaft des Wortes „Watt“ mit dem niederländischen „wad“. Dieses Wort stehe für die Schlammschicht, die sich im Laufe von tausenden von Jahren im Wattenmeer herausgebildet habe. Dann unterstrich Dr. Plechta die Einzigartig dieser Schlammschicht. Sie sei eine hochkomplexe Mischung aus Sedimenten, abgestorbenen organischen Materialien und lebenden Mikroorganismen. Darauf gehe man schlussendlich, wenn man watte. Das Verb „watten“ stelle also in einem Satz den exakt richtigen kausalen Zusammenhang des Prädikates mit dem lokalen Adverbial Watt heraus und nicht nur das. Indem man watte und nicht wate, zeige man angemessenen Respekt vor dem Naturphänomen, um das es hier gehe, um nicht zu sagen, auf dem man gehe, also watte.
Hier schlägt Wiki vollens zu.

So ungefähr lautete die Argumentation Dr. Plechtas, wenn ich sie richtig im Gedächtnis behalten habe.
Das ungefähr beinhalten den Zusatz bereits.

„Doch konnte ich auch nur einen meiner Zuhörer überzeugen?“, meinte Dr. Plechta achselzuckend, „Nein, ich kam mir vor wie einst Demosthenes, als er zu der tosenden Brandung sprach.
Das Fragezeichen schließt den ersten Satz ab. Daher muss es, glaube ich, danach groß weitergehen. Hinten fehlt ein zu. Oder war das beabsichtigt?

Gruß,
Sammis

 

Hej @Sturek

Gut, am Ende weiß ich, rein etymologisch gesehen, was Watten bedeutet. Dabei h#tte ich es interessanter gefunden, dem Wattenden Wanderer zu folgen, den Weg durch die Priele zu nehmen, an ekligen Meerestieren zu schnuppern, was auch immer. Klar, eine Pontengeschichte steuert auf eine Botschaft zu, aber ich möchte doch gerne das mir ziemlich unbekannte Watt spüren.
Wozu der Erzähler dient, bleibt ein ungelöstes Rätsel, ein Geheimnis, über das ich gerne mehr und wenn es nur Andeutungen sind, erfahren würde.
Stattdessen Info-Dump.
Aber die kleine Geschichte liest sich gut, das ist ja auch schon was. :D

Paar Stellen:

Draußen fällt der Regen in dünnen Schnüren vom Himmel und ist wie ein Vorhang vor der wirklichen Welt.
etwas beliebig, der Anfangssatz, überliest man leicht und soll wohl düstere Stimmung zeigen, wo doch das Haus selbst, in dem sich der Erzähler befindet vor der wirklichen Welt abschottet.

Und genau diese Zufriedenheit ist es, die den Kern seiner Passion ausmacht, wie er mir anvertraute, denn er freut sich darüber, dass er als einziger wattet und nicht – wie die anderen Urlauber alle – fälschlicherweise watet oder gar wandert.
Na ja, am besten wärs gar nicht zu watten, ist ja doch windig und kalt.

Ein Lächeln stiehlt sich auch auf meine Lippen.
Wirklich, Dr. Plechta ist ein glücklicher Mann, wenn er wattet.
Zu wissen, ganz genau zu wissen, als einziger das Richtige zu tun, muss ein unglaublich schönes und stolzes Gefühl sein.
Wer wattet ist automatisch glücklich?

Ausbildung baufähig ist die Geschichte bestimmt, vielleicht arbeitest du noch dran.

Viele Grüße von der dem Regen
Isegrims

 

Hallo @Sammis

Ich danke dir für deine wie immer konstruktive Kritik. Die Fülle von Informationen war mir beim Schreiben gar nicht aufgefallen. Das zeigt mal wieder, wie wertvoll der Blick von außen ist. Mit den Informationen wollte ich kein Wissen vermitteln, sondern nur das Erleben und die Argumentation Dr. Plechtas ausschmücken. Wenn das so rüberkommt, muss ich wohl nachbessern.

Dein Streichkonzert kann ich teilweise nachvollziehen, teilweise nicht. Manchmal erlaube ich mir ein ergänzendes (überflüssiges) Wort, nur, um etwas zu betonen, eine schönere Satzmelodie zu erreichen oder Abwechslung in die Struktur der Sätze zu bringen. Aber einiges werde ich gleich mal streichen bzw. nachbessern.

Der Boden ist von zahlreichen wurmartig gewundenen Prielen durchzogen und von Muscheln, Algen und Krebsen bevölkert.
Bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dass geht so nicht auf.
... und wird von Muscheln ...?
So etwas nennt man wohl Zustandspassiv – also eine statische Situation. Das ist meiner Meinung nach grammatikalisch korrekt.
„Doch konnte ich auch nur einen meiner Zuhörer überzeugen?“, meinte Dr. Plechta achselzuckend, „Nein, ich kam mir vor wie einst Demosthenes, als er zu der tosenden Brandung sprach.
Das Fragezeichen schließt den ersten Satz ab. Daher muss es, glaube ich, danach groß weitergehen. Hinten fehlt ein zu. Oder war das beabsichtigt?
Das „zu“ kann weggelassen werden. Dann ist es eine etwas gehobene ältere Form, die zu Dr. Plechta passt.

Grüße
Sturek

 
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Hallo @Sturek

Ich habe deinen Text gerne gelesen. Sicher ist das Wattenmeer ein faszinierender Ort und das hast Du in deiner Geschichte über die Passion Dr. Plechtas schön ausgeschmückt. Ich habe gar nicht viel anzumerken, mache aber noch ein wenig Textarbeit. Vielleicht ist ja was für Dich dabei.

Draußen fällt der Regen in dünnen Schnüren vom Himmel und ist wie ein Vorhang vor der wirklichen Welt. Ich rühre meinen Cappuccino um und greife nach der Kartei, lasse die Kärtchen Daumenkino spielen.
Regen fällt in dünnen Schnüren, ein Vorhang vor der Wirklichkeit. Ich rühre meinen Cappuccino um und greife nach der Kartei, lasse die Kärtchen Daumenkino spielen. Dies mein Vorschlag für den Einstieg. Du legst Wert darauf, den Sätzen eine Melodie zu verpassen, deshalb könnte Dir mein Vorschlag eventuell nicht zusagen. Ich finde dennoch, es würde auch so zum Text passen. Wie komme ich auf diese Umformulierungen? 'Draussen' ist mMn überflüssig, weil im zweiten Satz klar wird, dass er mit seinem Cappucino nicht im Regen hockt und der Regen auch nicht im Haus drinnen fällt. Das Regen vom Himmel kommt ... Merkste selbst, oder? 'vor der wirklichen Welt' ist umständlich für Realität oder Wirklichkeit, finde ich.

All die seltsamen Menschen, merkwürdigen Leidenschaften – sie zeugen davon, dass es da hinter dem Vorhang weit mehr gibt als die sogenannte Wirklichkeit.
Damit es sich nicht wiederholt, hier vielleicht 'Realität' (oder vice versa im obigen Satz). Was sind seltsame Menschen, was merkwürdige Leidenschaften? Inwiefern ist der Regenschleier ein Vorhang vor diesen? Bzw. finde ich, seltsame Menschen mit merkwürdigen Leidenschaften verbergen sich nicht unbedingt hinter einem Vorhang (denke z.B. an Nacktwanderer :D). Finde den Satz schwammig.

Dr. Plechta liebt es, ans Meer zu fahren. Wenn die Schwalben hoch am Himmel den Sommer herbeifliegen, hält es ihn nicht länger in der großen, stickigen Stadt. Er reist dorthin, wo kein Hochhaus den Blick verstellt und die Brust sich mit salziger Luft füllt. Um seiner großen Passion zu frönen.
Etwas geschmeidiger und weniger wortreich: Wenn die Schwalben hoch am Himmel den Sommer herbeifliegen, hält es Dr. Plechta nicht länger in der stickigen Stadt. Er reist dorthin, wo kein Hochhaus den Blick verstellt und die Brust sich mit salziger Luft füllt, um seiner Passion zu frönen. Daraus wird automatisch klar, dass er gerne ans Meer fährt, also ist der einleitende (und tellige) Satz überflüssig. Grosse Stadt? Mmmh, weiss nicht, das Gegenstück zu kleinem Dorf? :P Auch bei der Passion würde ich 'gross' killen.

Sein Ritual beginnt früh am Morgen, wenn das erste Licht des Tages über das Wattenmeer kriecht und die Sandbänke in ein warmes, goldenes Licht taucht.
Wortwiederholung 'Licht'. Wenn das an der Stelle Stilmittel ist, geh ich auch watten, obwohl hier weit und breit kein Wattenmeer ist :D Spass beiseite, wie wäre es mit: Sein Ritual beginnt früh am Morgen, wenn der (junge oder anbrechende? geht auch ohne) Tag über das Wattenmeer kriecht und die Sandbänke in ein goldenes Licht taucht. Was ist sein Ritual? Dass er eine wetterfeste Jacke und Gummistiefel anzieht? Da hätte ich irgendwie mehr erwartet, damit ich es als Ritual bezeichnen würde. Auch finde ich, goldenes Licht ist automatisch warm, weshalb 'golden' ausreichen würde.

Möwen kreischen und zwischendurch, wenn sie einmal still sind, [er] hört er das eigentümliche Knistern des Watts, das von Millionen winziger, zerplatzender Bläschen herrührt.
Würde ich streichen / bisschen umstellen.

Der Boden ist von zahlreichen wurmartig gewundenen Prielen durchzogen und von Muscheln, Algen und Krebsen bevölkert.
Das holperte für mich ziemlich beim Erstlesen. Der Boden ist von wurmartig gewundenen Prielen durchzogen? Das beeinhaltet für mich bereits, dass da wohl 'zahlreiche' dieser Priele sein müssen und nicht nur ein paar, erachte das Wort deshalb als überflüssig.

jedes Mal, wenn er einen Fuß vor den anderen setzt, hinterlässt er eine Spur, die bald vom auflaufenden Wasser wieder weggespült werden wird.
'werden wird' = unschön, finde ich. Würde 'werden' killen oder vielleicht ginge auch 'die bald vom auflaufenden Wasser weggespült würde'?

Fast hatte Dr. Plechta [hatte] bei solchen Gelegenheiten sogar das Gefühl, manche Gäste würden nur auf seine Reaktion warten, denn sie unterbrachen dann ihre Unterhaltungen, legten Frühstücksei und Butter beiseite, stellten die Kaffeetassen ab und tauschten Blicke.
Bisschen viele Füllwörter. Die Satzmelodie wird nicht zerstört, wenn Du da bisschen aussieben würdest. Auch habe ich mich hier gefragt: Wieso denn hier diese Formulierung, fast ein Gefühl zu haben? :D Vielleicht hat man eine Ahnung, den Eindruck oder so etwas, aber fast ein Gefühl haben liest sich für mich falsch.

Dieses Wort stehe für die Schlammschicht, die sich im Laufe von tausenden von Jahren im Wattenmeer herausgebildet habe.
'von tausenden von Jahren' liest sich bisschen behäbig und umständlich. Besser fände ich: Dieses Wort stehe für die Schlammschicht, die sich im Laufe von Jahrtausenden im Wattenmeer gebildet habe. Was unterstreicht das Wort herausgebildet? Wieso nicht einfach 'gebildet'?

Dann unterstrich Dr. Plechta die Einzigartig dieser Schlammschicht.
Ist wohl was verlorengegangen: die Einzigartigkeit?

„Nein, ich kam mir vor wie einst Demosthenes, als er der tosenden Brandung sprach. Stellen Sie sich vor: Einmal behauptete einer dieser Ignoranten sogar, Watten sei aber ein in Österreich und Bayern beheimatetes Kartenspiel! Seitdem habe ich es aufgegeben. Sollen die anderen nur waten, ich watte und weiß, dass ich recht habe und das genügt mir.“
Du schreibst in einem deiner Kommentare, dass sei eine ältere, gehobene Form. Ich bin auch darüber gestolpert, vor allem, weil die restlichen Aussagen Dr. Plechtas eben nicht in dieser älteren, gehobenen Form formuliert sind, sondern eher modern. Ich würde also diesen Teilsatz anpassen oder die gesamte Rede von Dr. Plechta in diese alte Form bringen.

Beste Grüsse,
d-m

 

Hallo @Isegrims

Danke auch dir für deine nützlichen Hinweise. Ein bisschen haust du ja mit der Erwähnung des berüchtigten Info-Dumps in die Kerbe von @Sammis. Das bestärkt mich darin, die Informationen über das Watt geschickter in die Geschichte zu integrieren und etwas auszudünnen. Es ist ja auch so, dass es diese Ausführlichkeit gar nicht unbedingt braucht, da das Watt nur der Stichwortgeber für die Story ist. Die Passion Dr. Plechtas besteht im Kern nicht im Watten, sondern darin, als Einziger recht zu haben.

Was den Erzähler anbelangt, so ist dessen Passion das Sammeln von Erinnerungen an Menschen mit außergewöhnlichen Hobbys. Ich denke, das wird zumindest angedeutet. Das ist seine Berechtigung, um in der Geschichte vorkommen zu dürfen, in der es ja um ein ungewöhnliches Hobby geht.

So, wie übrigens schon in „Das Hobby des Supermarktleiters“, wo der Erzähler auch schon vorkommt. Sollte ich das als Serie deklarieren? Aber die Story ist doch eigenständig genug, oder?

Grüße
Sturek

 
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Hallo @Sturek

Der Info-Dump hat mich überhaupt nicht gestört, der gehört ja zur Figur. Dennoch habe ich so meine Schwierigkeiten mit dem Text.

Ein Lächeln stiehlt sich auch auf meine Lippen.
Wirklich, Dr. Plechta ist ein glücklicher Mann, wenn er wattet.
Zu wissen, ganz genau zu wissen, als einziger das Richtige zu tun, muss ein unglaublich schönes und stolzes Gefühl sein.
Die Aussage des Erzählers kann m.E. nur ironisch gemeint sein. Plechta tut ja nichts anderes als die anderen, die übers Watt watten, er unterscheidet sich von ihnen nur durch sein Wissen um die korrekte Bezeichnung dieses Tuns. Dafür spricht auch die Gewichtung. Fast die Hälfte des Textes handelt von Plechtas Bemühungen, gegen die Ignoranz der Unwissenden anzukämpfen, während abschliessend in einem Satz behauptet wird, er sei glücklich.
Damit hast du eine interessante Figur geschaffen. Solche wortklauberischen und rechthaberischen Menschen gibt es und ich finde die als Figuren reizvoll. In meinen Augen müsste das aber eine Voraussetzung für eine Geschichte sein, nicht die Geschichte selbst. Der Erzähler führt (uns) eine Figur vor. Mehr lese ich aus dem Text nicht heraus, insofern empfinde ich dessen Lektüre als unbefriedigend. Auch als Charakterstudie ist mir das zu dünn. Du sprichst von der Passion, recht zu haben. Die kommt rüber, das ist gut gemacht. Aber das ist nur eine Dimension dieses Charakters.
zeugen davon, dass es da hinter dem Vorhang weit mehr gibt als die sogenannte Wirklichkeit.
Vorhang vor der wirklichen Welt.
Auch das lässt mich unbefriedigt zurück. Der Text gibt zu Beginn ein Versprechen, das er nicht einlöst. Die Entlarvung einer Figur ist mir da zuwenig, mit der Formulierung "hinter der sogenannten Wirklichkeit" wird mit metaphysischen Kanonen auf psychologische Spatzen geschossen.

Du schreibst eine Serie, in deren Verlauf die Leser verschiedene Menschen mit seltsamen Hobbies kennenlernen. Das finde ich ein interessantes Konzept. Um mich als Leser zu gewinnen, müsstest du mir deren Geschichten erzählen, nicht bloss eine statische Momentaufnahme vorlegen, die das Hobby beschreibt und einen wesentlichen Charakterzug zeigt, der damit verbunden ist.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo @deserted-monkey

Schön, dass ich dir das Wattenmeer nahebringen konnte. Vielleicht versuchst du es auch mal? Deine Textarbeit ist mir immer willkommen. Danke dafür. Das meiste ist wohl berechtigt und ich habe den Text schon entsprechend abgeändert.

Hier noch kurz Anmerkungen zu einigen deiner Vorschläge.

Das Regen vom Himmel kommt ... Merkste selbst, oder?
Hier fehlt für mich einfach etwas, wenn ich schreibe: Der Regen fällt in dünnen Schnüren. Es regnet in dünnen Schnüren? Dann habe ich den Übergang zum Vorhang nicht mehr.
finde ich, seltsame Menschen mit merkwürdigen Leidenschaften verbergen sich nicht unbedingt hinter einem Vorhang (denke z.B. an Nacktwanderer :D). Finde den Satz schwammig.
Ich habe den Satz jetzt verändert, schon, damit klarer wird, was es mit dem Erzähler auf sich hat.
Daraus wird automatisch klar, dass er gerne ans Meer fährt, also ist der einleitende (und tellige) Satz überflüssig. Grosse Stadt? Mmmh, weiss nicht, das Gegenstück zu kleinem Dorf? :P Auch bei der Passion würde ich 'gross' killen.
Der einleitende Satz ist wirklich überflüssig. Die große Stadt bleibt aber groß. Da ich selbst in einer Kleinstadt in der Nähe einer Großstadt lebe, kann ich sagen: Der Unterschied ist … ähm … groß.
Wortwiederholung 'Licht'. Wenn das an der Stelle Stilmittel ist, geh ich auch watten,
Du brauchst nicht zu watten. Die WW ist mir entgangen. Licht kann aber auch warm und gelb sein, zum Beispiel.
Was ist sein Ritual? Dass er eine wetterfeste Jacke und Gummistiefel anzieht?
Das Ritual beginnt ja erst damit. Ich denke, das kann man so lassen.
weil die restlichen Aussagen Dr. Plechtas eben nicht in dieser älteren, gehobenen Form formuliert sind, sondern eher modern.
Dr. Plechta hat ja eher wenig Text. Das meiste ist indirekte Rede. Ich fände es auch schade, wenn solche Wendungen aussterben.

Grüße
Sturek

 

Hallo @Peeperkorn,

danke auch für deine Kritik. Du hast mit geübtem Blick einige Punkte erkannt, die verbesserungswürdig sind, und ich kann auch verstehen, dass du nach dem Lesen unbefriedigt warst.

Die Aussage des Erzählers kann m.E. nur ironisch gemeint sein. Plechta tut ja nichts anderes als die anderen, die übers Watt watten, er unterscheidet sich von ihnen nur durch sein Wissen um die korrekte Bezeichnung dieses Tuns.
Hier zwischen tun und denken zu unterscheiden, kommt mir doch ein wenig spitzfindig vor. Dr. Plechta wattet und die anderen eben nicht. Er weiß, alle anderen waten oder wandern, tun also das Falsche. Die Aussage des Erzählers ist dessen ungeachtet ironisch gemeint. Ich verstehe ihn so, dass er sich ein wenig lustig über Dr. Plechta macht, gerade weil er nun glücklich ist.
Auch das lässt mich unbefriedigt zurück. Der Text gibt zu Beginn ein Versprechen, das er nicht einlöst. Die Entlarvung einer Figur ist mir da zuwenig, mit der Formulierung "hinter der sogenannten Wirklichkeit" wird mit metaphysischen Kanonen auf psychologische Spatzen geschossen.
Damit hast du sicher recht und mir kam es auch schon überzogen vor. Das habe ich inzwischen entschärft.
Um mich als Leser zu gewinnen, müsstest du mir deren Geschichten erzählen, nicht bloss eine statische Momentaufnahme vorlegen, die das Hobby beschreibt und einen wesentlichen Charakterzug zeigt, der damit verbunden ist.
Natürlich würde ich dich gerne als Leser gewinnen.
Ich reklamiere hier, dass Dr. Plechta sich immerhin ändert. Sollte ich diese Veränderung tiefer begründen? Aber ich habe den Text auch nicht ohne Grund in „Flash Fiction“ gepostet. Mir war es vor allem wichtig, auf hoffentlich unterhaltsame Weise die ausgefallene Passion Dr. Plechtas zu zeigen und so auch nebenbei einen Bezug zu unserer heutigen Diskussionskultur herzustellen.

Grüße
Sturek

 

Hallo @Sturek

Hier zwischen tun und denken zu unterscheiden, kommt mir doch ein wenig spitzfindig vor.
Das finde ich nicht. Spitzfindig ist Plechta. Stell dir ein Kind vor, das Menschen beobachtet, die übers Watt gehen. Es wird denken, dass alle dasselbe tun, und wird staunen, wenn es von Plechta erfährt, dass es sich irrt.
Ich reklamiere hier, dass Dr. Plechta sich immerhin ändert. Sollte ich diese Veränderung tiefer begründen?
Nicht begründen, sondern erzählen. Ja, das wäre eine Geschichte, die ich gerne lesen würde.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo @Peeperkorn

Stell dir ein Kind vor, das Menschen beobachtet, die übers Watt gehen. Es wird denken, dass alle dasselbe tun, und wird staunen, wenn es von Plechta erfährt, dass es sich irrt.
Ich beharre auf meiner Meinung. (Sollte etwas von Dr. Plechta auf mich abgefärbt haben? Oder umgekehrt?) Aus der Sicht des Kindes hast du sicher recht. Doch hier geht es um den Blickwinkel Dr. Plechtas. Etwas in einem bestimmten Bewusstsein zu tun, verleiht dem Tun eine zusätzliche Qualität.
Nicht begründen, sondern erzählen.
Ich bin gespannt, was mir Dr. Plechta noch so erzählen wird.

Grüße
Sturek

 

Wenn die Schwalben hoch am Himmel den Sommer herbeifliegen, ...
feiner Satz voller Poesie und uralten Naturglaubens, selbst wenn die Behauptung heute als eine „Schwalbe“ (in einem sportlich übertragenen Sinn) entlarvt ist,

lieber Sturek,

und ich stell mir vor, dass Dein Erzähler auf dem sandigen Ufer in einem Strandkorb (oder - je nach Vorliebe) auch nicht das Treiben auf diesem Fleckchen „Erde“ beobachtet. Aber warum hier

... und jedes Mal, wenn er einen Fuß vor den anderen setzt, hinterlässt er eine Spur, die bald schon vom auflaufenden Wasser weggespült werden wird.
das doppelte Lottchen „werden wird“? (als wörtl. Rede käme das doppelte „werden“ durchaus durch, weil auch durchaus so gesprochen wird)

..., ganz genau zu wissen, als einziger das Richtige zu tun, muss ein unglaublich schönes und stolzes Gefühl sein.
So isset,

schließt der Friedel,
der ein „wat“ sons` anhängt ...

 
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Hallo @Friedrichard

Schön, dass du auch zum Wattenmeer gefunden hast. Dein Kommentar, lieber Friedel, hat mich dazu verleitet, auch mal in den Untiefen der deutschen Grammatik zu waten … äh … watten.

Aber warum hier
... und jedes Mal, wenn er einen Fuß vor den anderen setzt, hinterlässt er eine Spur, die bald schon vom auflaufenden Wasser weggespült werden wird.
das doppelte Lottchen „werden wird“? (als wörtl. Rede käme das doppelte „werden“ durchaus durch, weil auch durchaus so gesprochen wird)

Die Stelle haben ja auch schon @Sammis und @deserted-monkey angesprochen:
Das Vollverb „wegspülen“ steht hier im Passiv. Im Präsens heißt der Satz, um den es geht: Eine Spur wird weggespült. Und schon bald, sofern man nicht die immer mehr in Mode kommende zeitlose Gegenwart bevorzugt: Eine Spur wird weggespült werden.

Durch die Umstellung der Reihenfolge im Nebensatz wird daraus „die weggespült werden wird“.

Damit sollte meine Argumentationskette hoffentlich korrekt sein?

Wenn man schreibt: „… die weggespült wird“, fällt im Passiv doch die Zukunft unter den Tisch - was sehr bedauerlich wäre. Mit diesem „wird“ kann man eben nicht zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen (Passiv und Futur), wenn man es genau nimmt.

Nachdem ich so wortreich begründet habe, warum ich recht habe, höre ich jetzt lieber auf. Ich merke schon, Dr. Plechta geht mit mir durch.:)

Grüße
Sturek

 

... und jedes Mal, wenn er einen Fuß vor den anderen setzt, hinterlässt er eine Spur, die bald schon vom auflaufenden Wasser weggespült werden wird.
mäkelte ich rum und Du, lieber @Sturek antwortest
Wenn man schreibt: „… die weggespült wird“, fällt im Passiv doch die Zukunft unter den Tisch -

und Recht hastu,,

lieber @Sturek,

sogar real in doppeltem Sinne,
zum einen durch die nicht mehr aufzuhaltende Erderwärmung (womit sich auch die Landschaft ändern wird) und zum andern, wenn „Interessenten“ ERDÖL eben in dieser schützenswerten Gegend fördern wollen und sicherlich obsiegen werden.

het windje

 
Zuletzt bearbeitet:

Und ich hoffe sehr, dass diese einzigartige Landschaft auch in Zukunft bewahrt wird, lieber @Friedrichard, diesmal gerne im zeitlosen Präsens, der sich auf die Zukunft ausdehnt.

Ölförderung im Wattenmeer gibt es wohl schon lange. Ab 2041 ist damit Schluss. Jetzt soll vielleicht Erdgas vor Borkum gefördert werden. Der Verlust des Prädikates „Unesco-Weltnaturerbe“ wäre das kleinste Übel. Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen. Dr. Plechta hätte wahrscheinlich in Borkum mit demonstriert.

Grüße
Sturek

 

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