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Watte hadde du de da

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26.05.2001
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Watte hadde du de da

Wenn Wattestäbchen sprechen könnten, wäre mir eine recht peinliche Situation in meinem Leben erspart geblieben. Außerdem steht die Warnung auch viel zu klein auf den Wattestäbchenschachteln: „Nicht in den Gehörgang schieben!“ ist meistens darauf verzeichnet, in einer millimetergroßen Schrift, die man allerhöchstens mit einem Mikroskop entziffern könnte, wenn überhaupt.

Und manchmal ist es eben wieder soweit: Das Ohr ist verstopft, die Hörprobleme nehmen zu, und schlimmstenfalls entwickelt sich sogar eine gesellschaftliche Ausgrenzung daraus. Ein himalayagroßer Berg an Ohrschmalz versperrt dem Schall den Durchgang, und man versteht lediglich sein eigenes Wort. Die Äußerungen der Mitmenschen dringen dumpf in den Verstand des Halbtauben, und das meiste Gemurmel schafft es nicht, durch den gelben Morast durchzusickern. Folglich kann der Leidende nicht mehr an den Smalltalkgesprächen teilnehmen, und er traut sich wegen dieser Kommunikationsbarriere nicht mehr aus dem Haus. Ausgegrenzt! Doch auch für dieses Problem gibt es eine Lösung.

Es wird Zeit für die Wattestäbchenattacke. Und los geht es! Hinein damit in den Gehörgang, allen Warnungen zum Trotz. Und dann bewege ich das Wattestäbchen rhythmisch im Ohr hin und her. Einmal links und einmal rechts und rundherum, ist gar nicht schwer. Zur Kontrolle nehme ich das Stäbchen zwischendurch heraus, schaue, ob schon etwas vom alles versperrenden Schmalz herausgekommen ist und gebe mich erst dann zufrieden, wenn die Watte buttergelb eingefärbt ist. Also noch einmal hinein damit.

Und spätestens jetzt wäre es schön gewesen, wenn das Wattestäbchen sprechen gekonnt hätte. „Entschuldigen Sie bitte die Störung“, hätte es mich freundlich darauf hinweisen müssen, „aber Sie wissen doch sicherlich, dass man das nicht macht.“ Ich hätte verdutzt geguckt, hätte das Wattestäbchen betrachtet und wäre vor Scham rötlich angelaufen. Natürlich weiß ich, dass man so etwas nicht tut. „Also hören Sie bitte auf, mich in Ihr Ohr zu schieben. Das ist schlecht für mich, und für Sie könnte es ebenfalls gesundheitliche Folgen nach sich ziehen.“

Später ist man immer schlauer. Und als ich wieder einmal mit dieser Wattestäbchenattacke beschäftigt war, passierte es. Die Watte blieb in meinem Ohr hängen, und ich bekam sie nicht mehr heraus. Nur das Plastikstäbchen konnte ich zurück ans Tageslicht ziehen. Ich versuchte es mit einer Pinzette, fuhrwerkte mit ihr in meiner Ohrmuschel herum, aber bekam die Watte nicht zu fassen. Ein gutes, halbes Jahr lang probierte ich es immer wieder, sie herauszubekommen, doch es gelang mir nicht. Zeitweise hatte ich den Fremdkörper in meinem Ohr schon als Selbstverständlichkeit angesehen, der dort nun alles in allem hinzugehören schien - meine Hörprobleme nahmen jedoch immer weiter zu und bewiesen mir, dass dem nicht so war.

Schließlich nahm ich all meinen Mut zusammen und ging zum Hausarzt. Freudig erregt begutachtete er mein Machwerk und rief sogar seine Frau herbei, um es ihr zu zeigen. „Ist das nicht lustig?“, grinste er ihr entgegen. „Guck dir das an! Ein Stück Watte im Ohr! Was einige Menschen alles in sich hineinstecken! Es ist schier unglaublich.“

Und dann spritzte er mir mit einer riesigen Spritze Wasser ins Ohr und schwemmte damit das Wattestück aus mir heraus.

Ich frage mich noch immer, was denn nun so lustig an meiner Misere gewesen sein könnte, dass der Arzt seine Frau konsultieren und ihr mein Missgeschick präsentieren musste. Andere Menschen hatten bestimmt Spektakuläreres in ihrem Ohr verkeilt als ein kleines Wattestückchen. Chinesische Essstäbchen vielleicht. Bleistifte. Einen Holzspiralschrauber für Bohrmaschinen. Doch wahrscheinlich hatte mein Hausarzt so etwas noch nie gesehen. Es ist doch immer wieder schön, Menschen mit einfachen Dingen überraschen zu können.

[Beitrag editiert von: Ben Jockisch am 04.02.2002 um 13:18]

 

Hallo Ombas.

Geschichte veröffentlichen ist schön und gut, aber bitte lass nächstes mal deine Webseiten-Werbung aus der Geschichte selbst raus. Wenn sich jemand für deine Website interessiert, kann er ja in deinem Profil nachsehen.

Gruß

Ben

 

Okay, kein Problem. Ich wusste nicht, dass das nicht erlaubt ist. Na ja, jetzt weiß ich´s. :)

[Beitrag editiert von: Ombas am 04.02.2002 um 17:59]

 

So lange das, was man an der einen Seite hineinschiebt, nicht auf der anderen hinauskommt...
Ganz amüsant. :)
Gruß, Cheese and Bacon.

 

Hübsch, obwohl es noch gestrafft werden könnte. Zum Schluss hast Du vielleicht etwas verschenkt. Stell Dir vor, Du hättest im letzten Absatz statt "Ohr" "Körperöffnung" geschrieben!
Welche Möglichkeiten sich da ergeben hätten! :lol:

 

Ich hab gut gelacht. Kann aber auch daran liegen, dass ich momentan eh albern drauf bin.
Nein, ehrlich, die Geschichte hat durchaus Qualitäten. Ich stimme allerdings Alpha zu: die Geschichte könnte etwas komprimiert werden.

 

Ich bin die Geschichte nochmal durchgegangen, und irgendwie ist sie wohl schon ein wenig schwerfällig. Hier und da kann ich wohl wirklich ein paar Sätze wegstreichen, dann kriegt sie mehr Geschwindigkeit. :) Werde ich bei Gelegenheit mal machen.

 

Hallo,
der Anfang deiner Geschichte ist echt gut. Musste fett dabei lachen. Allerdings war das Ende ein bisschen komisch...

 

Ist aber wirklich so passiert!

Du hattest doch nicht ECHT ein halbes Jahr Geduld damit?!?
naja, erzählt fand ich es lustig. Erlebt... naja.
Der Dialog mit dem Q-Tip war meiner Meinung nach das beste an der Geschichte. Im Rest hättest Du mehr Witz in die Formulierungen legen können. Und etwas straffen, ja.

Grüßchen, Mark

 

Doch. Hatte ich. Ein halbes Jahr lang. Alles wahr, nichts erstunken und erlogen.

 

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