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Wassergeister

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21.07.2015
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Wassergeister

Sie fahren zum See. Was könnte man bei diesem Wetter auch besseres tun? Das Wandthermometer, das ihre Mutter auf der Terrasse im Schatten aufgehängt hat, zeigt 31°C, als Lia das Haus verlässt. Während sie ihr Fahrrad aus dem Gartenschuppen holt, sieht sie Dinah schon wartend an der Straßenecke stehen. Um die Wette rasen sie den abschüssigen Weg zum See hinunter, ihre Haare flattern im Wind. Auf der Liegewiese herrscht bereits reger Betrieb, die Hitze lässt die Menschen die Nähe des Wassers suchen. Familien haben auf dem Gras Decken ausgebreitet, um die spielende Kinder herumtoben. Teenager und Studenten schleppen Getränke in Kühlboxen zu ihren Handtüchern. Unter einem Baum wird bereits der erste Grill aufgebaut. Lia und Dinah sichern sich einen Sitzplatz, der halb in der Sonne und halb im Schatten liegt. Dann rennen sie zum Wasser. Nach der aufgeheizten Luft ist der See herrlich erfrischend, und sie fangen an zu schwimmen, sobald sie sich einen Weg durch die in Ufernähe planschenden Menschen gebahnt haben.
„Ich liebe diesen Ort“, sagt Lia zu ihrer besten Freundin, während sie sich langsam auf die Mitte des Gewässers zubewegen. „Der See ist wie mein zweites Zuhause.“
„Das geht mir genauso.“ Dinah dreht sich auf den Rücken und lässt sich treiben. „Weißt du noch, wie wir als Kinder ein Zelt aus Wasserpflanzen gebaut haben, genau auf der Mitte des Seebodens?“
„Aber natürlich! Und dann haben wir dort drinnen gesessen und Prinzessinnen gespielt.“ Lia lacht. „Was meinst du, ob es wohl noch da ist?“
„Ich denke schon. Lass uns doch nachschauen!“
„Meinst du, uns sieht keiner?“ Lia schaut sich um. Die beiden Mädchen haben sich schon ein gutes Stück vom Ufer entfernt und die anderen Schwimmer hinter sich gelassen. Hier draußen ist die Wasseroberfläche so ruhig, dass sie an einen Spiegel aus grünem Glas erinnert. „Okay, wir sind allein. Dann also los!“ Mit einer kräftigen Armbewegung taucht sie senkrecht nach unten. Unter der Oberfläche ist der See kühl und still. Kleine Teile von Pflanzen treiben im Wasser. Ein Stück weiter sieht sie Dinah, die neben ihr in die Tiefe sinkt. Ihre Freundin winkt und bläst eine Wolke aus Luftblasen in ihre Richtung. Lia schickt ihre letzten Luftreserven als Antwort. Dann atmet sie tief ein und lässt zu, dass das Wasser ihre Lungen füllt. Die Kiemen an ihrem Hals öffnen sich, als sie wieder ausatmet. Ihre Füße beginnen, sich zu verformen, und sie spürt das vertraute klebrige Gefühl auf ihrer Haut, das sie instinktiv ihre Finger und Zehen zusammenpressen lässt. Als sie sie wieder spreizt, hat sie Schwimmhäute. Dinah hat sich einige Sekunden schneller verwandelt als sie, und schwimmt jetzt einen Salto um die andere Nixe herum. -Bist du so weit?- singt sie in der Sprache des Meervolks. Beim Klang ihrer zweiten Muttersprache muss Lia unwillkürlich lächeln. Sie findet, dass Meerisch, insbesondere Hochmeerisch, schöner klingt als alles, was die Welt über Wasser an Geräuschen zu bieten hat. Es klingt ein wenig wie der Gesang von Walen, nur höher, und man glaubt, das Schnattern junger Delfine und gleichzeitig menschlichen Gesang herauszuhören. -Ja-, singt sie zurück, hebt zum Beweis ihre Schwimmhäute. Dinah bleckt ihre spitzen Zähne zu einem übermütigen Grinsen. –Dann auf nach unten!-

Das Zelt steht tatsächlich noch, auch wenn es mittlerweile halb zugewuchert ist. Sie haben damals in einem dichten Gestrüpp aus Wasserpflanzen die längsten Stränge an den Enden zusammengebunden und die Pflanzen in der Mitte des Kreises zurückgeschnitten, sodass eine sichtgeschützte grüne Höhle entstand. An einer Seite haben sie einen Eingang freigelassen, der immer noch zu sehen ist. Dinah schlüpft zuerst hinein, und kommt gleich darauf mit einem sehr menschlichen Quieken wieder herausgeschossen. Lia kann gerade noch zur Seite schwimmen, um einen Zusammenstoß zu verhindern. –Was zum...?-
-Da drinnen ist jemand!- zwitschert Dinah aufgeregt.
-In dieser Tiefe? Meinst du jemanden aus unserem Schwarm?-
-Keine Ahnung, ich glaube nicht. Ich habe nur gesehen, wie sich in der Ecke irgendwas Helles bewegt hat!-
-Hmmm.- Stirnrunzelnd betrachtet Lia das verknotete grüne Dickicht, lässt sich ein Stück nach oben treiben und dann wieder absinken. –Meinst du, wir sollten rein und nachgucken? Zu zweit?-
-Ich glaube, das ist nicht nötig-, singt Dinah und deutet auf den Eingang. Ich glaube, es kommt raus.-
Tatsächlich scheint sich etwas in der dunklen Öffnung zu bewegen. Die beiden Nixen schwimmen ein wenig näher zusammen und warten, bis sich eine Silhouette aus dem Halbdunkel löst. Es ist ein Karpfen. Unbeteiligt sieht er die Mädchen aus seinen Glupschaugen an, dann schießt er erschrocken davon, als Lia losprustet.
-Ein Fisch! Oh Gott, Dinah, du hast mir echt einen Schrecken eingejagt!-
Dinah versucht, ihre Würde zu retten und schlägt eine Welle in die Richtung ihrer Freundin.
-Hey, da drinnen sah er viel größer aus!- Trotzdem wirkt sie erleichtert.
Lia schüttelt den Kopf, was ihr langes blondes Haar wie einen Heiligenschein um ihren Kopf schweben lässt. –Wir Heldinnen! Nur gut, dass die Jungs uns nicht sehen konnten.-
Dann schlüpft sie ins Zelt, und Dinah folgt ihr. Im Inneren ist es noch dunkler als außerhalb des Unterwasser-Dickichts und selbst die Raubfischaugen der beiden Nixen brauchen einen Moment, bis sie sich an die neuen Lichtverhältnisse gewöhnt haben. Lia schaut sich um. Das Zelt wirkt etwas kleiner, als sie es in Erinnerung hatte, doch sie weiß, dass in Wirklichkeit sie selbst größer geworden ist. In einem Strang aus Algen hat sich eine Plastikhaarbürste verfangen, die die Mädchen einmal zum spielen mit heruntergenommen haben. Weiter hinten sind die Pflanzen nachgewachsen, so dass die Gestalt, die zwischen ihnen kauert, kaum zu sehen ist. Tatsächlich bemerken die Mädchen sie erst, als sie ein leises Räuspern hören.
Lia fährt herum und saugt erschrocken das Wasser ein, ohne einen Laut zu verursachen.
-Wusste ich doch, dass ich jemanden hier drinnen gesehen habe!-, singt Dinah triumphierend. –Wer bist du denn?-
Die Gestalt verlässt ihre Ecke und treibt auf sie zu. Es ist eine Frau knapp über dreißig mit langen braunen Locken. Sie trägt ein weißes T-Shirt mit Blumenmuster und abgeschnittene Jeans, ihre Hände hält sie schüchtern hinter dem Rücken versteckt.
-Ich wollte euch nicht erschrecken-, entschuldigt sie sich mit einem zurückhaltenden Lächeln. –Ich habe dieses Versteck hier zufällig gefunden. Habt ihr es gebaut?-
Dinah nickt. –Als wir Kinder waren. Wir waren schon eine Weile nicht mehr hier und wollten sehen, ob das Zelt noch steht.-
Die Frau schaut sie nachdenklich an. –Dass ihr die letzten Tage nicht hier wart, weiß ich. Wir wären uns sonst sicher über den Weg gelaufen. Ich hoffe nur, es macht euch nichts aus, dass ich mich quasi bei euch einquartiert habe?-
Lia sieht die Frau an und legt den Kopf schief. Die Fremde hat eine seltsame Art, zu sprechen. Sie singt nicht auf Meerisch, auch wenn sie die Nixen problemlos zu verstehen scheint. Ihre Sprache erinnert viel mehr an ganz normales Deutsch; nur dass alles, was sie sagt, unter Wasser so klar und deutlich klingt wie an der Luft. Wie seltsam.
Dinah scheint dieser Umstand nicht wirklich zu stören, sie hat bereits begonnen, ihrer neuen Bekanntschaft Löcher in den Bauch zu fragen. –Nein, natürlich störst du uns nicht. Wir waren nur überrascht, weil wir dich noch nie hier unten gesehen haben. Bist du neu in dieser Gegend? Sind noch mehr von deinem Schwarm in der Nähe?-
-Nein. Ich bin allein. Ich habe seit Tagen niemanden mehr gesehen.-
Dinah stutzt. –Moment mal, du bist seit Tagen ganz allein hier unten? Ist das nicht sehr einsam?-
-Schon, ja.-
-Warum gehst du dann nicht zur Abwechslung an die Oberfläche?-
-Ich kann nicht-, meint die Frau und schaut weg. Als sie den Kopf dreht, kann man die Schwellung über ihrem linken Wangenknochen erkennen. Das bringt Lia dazu, ein wenig näher zu schwimmen und sich in das Gespräch einzumischen.
-Dinah, schau dir ihr Gesicht an.- Sie schwimmt noch näher an die Fremde heran und betrachtet sie besorgt, bis diese zurückweicht.
-Du bist ja regelrecht verprügelt worden. Bist du hier, weil du dich vor jemandem verstecken musst?-
-Nein…-
Dinah treibt neben sie. –Du kannst es uns ruhig erzählen, wenn du Probleme hast. Wir werden dich nicht verraten, und wenn du möchtest, können wir den Schwarm für dich um Hilfe bitten.-
Schweigen. Die Frau hält ihren Blick weiter gesenkt, doch sie scheint mit sich zu ringen. Lia und Dinah wechseln einen Blick und warten dann geduldig ab. Eine Minute vergeht. Der Karpfen, den sie vorhin gesehen haben, kommt ins Zelt zurückgeschwommen und umkreist die Meerjungfrauen neugierig. Endlich beginnt die Fremde, stockend zu erzählen.
-Es… Es geht um meinen Verlobten. Felix Ich heiße übrigens Laura. Felix und ich, wir sind vor ein paar Monaten in ein Haus direkt am See gezogen. Vorher haben wir in Köln gelebt, wie unsere Familien.-
Lia nickt. Das erklärt, warum noch niemand vom ortsansässigen Meervolk ihr begegnet ist.
-So, dein Verlobter also. Hat er dich so zugerichtet?-
Laura zieht die Schultern hoch. –Ja.-
Die Mädchen schauen sie abwartend an.
-Unsere Beziehung hat den Umzug nicht wirklich gut verkraftet. Felix wurde immer unausgeglichener, er war ständig aggressiv und wurde wegen Kleinigkeiten wütend auf mich. Ich glaube, er hatte Probleme in seinem neuen Job, oder vielleicht hat er auch einfach seine alten Freunde vermisst. Was auch immer es war, er hat es jedenfalls an mir ausgelassen. Wir haben uns immer öfter gestritten, was früher kaum passiert ist. Und dann rutschte ihm zum ersten Mal die Hand aus.-
-Aha!- Dinah verengt ihre Augen zu Schlitzen und schlägt wütend Wellen, die den Fisch, der gerade an Lauras Haaren schnuppert, erschrocken auf Abstand gehen lassen. Seit ihrer letzten Trennung ist sie im Allgemeinen nicht mehr gut auf Männer zu sprechen, wie Lia sehr genau weiß. –Bist du deshalb hier unten, weil du es zu Hause nicht mehr ausgehalten hast?-
-Nein, so einfach ist das nicht.- Laura sieht jetzt wirklich traurig aus, auch wenn Dinahs weibliche Solidarität sie zum lächeln bringt. –Es war nicht so schlimm, wie ihr jetzt vielleicht denkt. Er hatte sich damals sofort bei mir entschuldigt, und der Vorfall blieb auch für lange Zeit der einzige. Felix fing an, Sport zu machen, wir haben viel geredet und sind übers Wochenende nach Köln zu Besuch gefahren. Es sah so aus, als würde alles wieder gut werden.-
-Und dann?-
-Dann, nun ja…- Laura starrt auf ihre Hände und drückt nervös an ihren Fingern herum. Dann lässt sie die Arme schnell wieder hinter dem Rücken verschwinden. Lia blinzelt. Hat sie gerade richtig gesehen, dass die neue Bewohnerin des Sees überhaupt keine Schwimmhäute zwischen den Fingern hat? Es gibt Nixen ohne Schwimmhäute, das weiß sie, doch es ist ein extrem seltenes Phänomen. Üblich ist es, soweit sie weiß, nur bei einer speziellen Unterart in der Karibik. Einen Moment lang überlegt Lia, ob die Fremde vielleicht karibische Wurzeln hat. Wenn ihre Familie ausgewandert ist, würde das ihre aktuelle Schwarmlosigkeit erklären. Aber nein, dafür ist sie zu blass. Irgendetwas an dieser Frau wirkt verstörend auf Lia, auch wenn sie noch nicht genau in Worte fassen kann, was es ist. Dinah scheint nichts in dieser Art zu spüren, sie hört immer noch aufmerksam zu, während Laura ihre Geschichte fortsetzt.
-Sein Name war Leonard. Ist Leonard. Wir haben uns in einem VHS-Kurs für Malerei kennengelernt. Er hat mir Komplimente zu meinen Bildern gemacht, wir sind ins Gespräch gekommen, dann hat er mich auf einen Kaffee eingeladen. Ich hätte ablehnen sollen, aber ich habe es nicht getan. Wir sind dann jede Woche nach Kursende ins Café gegangen, es wurde so eine Art Tradition daraus. Und aus dieser Tradition… wurde schließlich eine Affäre.-
-Oh.- Lia muss grinsen. Das passt jetzt so gar nicht in Dinahs Weltbild. –Und was wurde dann aus Felix?-
-Er hat es herausgefunden. Und deshalb…- Sie deutet auf die Schwellung in ihrem Gesicht. –Allerdings sah es vor ein paar Tagen noch nicht so aufgequollen aus.-, fügt sie schnell hinzu, als sie den geschockten Gesichtsausdruck der beiden Mädchen sieht. Dann herrscht für eine Weile betretenes Schweigen. Lia wendet den Blick von Lauras Gesicht ab, lässt ihn stattdessen über ihre Kleidung wandern. Eigentlich komisch, dass sie die unter Wasser trägt. Sie muss nach dem Streit sofort zum See gerannt sein. Der Karpfen kreist schon wieder um den Kopf der Frau, ohne dass sie ihn überhaupt beachtet. Dann wird der Fisch langsamer und beginnt… Knabbert er da etwa an ihrem Ohr?
Dinah durchbricht das Schweigen. –Eins verstehe ich nicht ganz. Du hast doch vorhin gesagt, du wärst nicht hier unten, um dich zu verstecken, oder? Dabei versteckst du dich sehr wohl, nämlich vor ihm.-
Laura schüttelt den Kopf. –Nein. Vor Felix brauche ich mich nicht zu verstecken. Er ist tot.-
-Tot?!-
-Ja. Wir haben uns gestritten, er ist auf mich losgegangen, hat mich geschlagen, und dann habe ich ihn erstochen.-
-A-aber dann… Hast du denn die Polizei gerufen? Das hast du doch hoffentlich, es war schließlich Notwehr…-
-Wenn das Messer in seinem Rücken steckt?-, fragt Laura leise.
-Oh.-
Wieder Schweigen, diesmal noch tiefer, drückender. Trotzdem berührt es Lia nicht, die dem Gespräch nur noch halb folgt. Der Fisch knabbert tatsächlich am Ohr dieser Fremden, er beißt sogar kleine Stücke heraus. Ein Faden aus Blut sickert hervor und verteilt sich im Wasser, trotzdem scheint Laura die Wunde nicht einmal zu bemerken. Ihr Blut wirkt ölig, und es kommt Lia so vor, als hätte es nicht einmal die richtige Farbe. Ein plötzlicher Schauder läuft ihr den Rücken hinunter.
-Ich habe mich selbst um die Leiche gekümmert.- Wann hat die Frau wieder zu reden angefangen? –Ich hatte solche Angst, ins Gefängnis zu müssen, und er atmete nicht mehr, und überall war Blut… Dann musste ich daran denken, wie er manchmal alleine weggefahren ist, und dass alle glauben würden, er wäre sonst wo, wenn ihn nur keiner finden würde. Also habe ich ihm seine Jacke angezogen und die Taschen mit Steinen vollgestopft. Ich bin mit unserem Boot auf den See rausgefahren. Es war diese Nacht, in der es so gestürmt hat. Meine Mutter hat mir immer eingebläut, dass man bei so einem Wetter nicht Boot fahren darf, aber was hätte ich denn tun sollen? Ich konnte doch nicht… die ganze Zeit im Wohnzimmer… mit einer Leiche, mit…-
-Aber der Sturm hat dein Boot umgekippt.- Lia kann ihre eigene Stimme kaum hören. –Dein Boot ist umgekippt, oder es wurde vom Wind einfach unter Wasser gedrückt. Wahrscheinlich hast du noch versucht zu schwimmen, aber du hast es nicht bis zum Ufer geschafft. Dinah, schau auf ihren Hals!“
Dinah wirft sich zurück. –Scheiße!-
Laura folgt ihnen, verlässt jetzt das Halbdunkel des Algendickichts. Ihre gebrochenen Augen schauen beinahe bestürzt, als sie die Erkenntnis auf den Gesichtern der beiden Nixen sieht.
-SCHWIMM WEG!- Lia weiß nicht, woher der Schrei gekommen ist. Ihre Instinkte übernehmen die Kontrolle über ihr gelähmtes Gehirn, und sie schwimmt. Pflanzen reißen, als sie sich zwischen ihnen hindurch windet, Dinah gleich neben ihr, -Wartet doch! Ich brauche jemandem zum reden hier unten!-, aber sie schwimmen weiter, nach oben, schneller, bis ihre Kiemen zu brennen anfangen, und weiter, bis ihre Köpfe die Wasseroberfläche durchstoßen. Menschen drehen sich verwundert zu ihnen um, als die Mädchen durch das flache Wasser zum Ufer rasen, über die Wiese rennen, ihre Handtücher erreichen und sich endlich, endlich weit genug vom See entfernt fühlen. Mit einem Laut, der fast wie ein Schluchzer klingt, wirft Dinah sich neben ihre Tasche. Ihre Freundin sinkt zitternd neben ihr zusammen.
„Wir… wir müssen zum Schwarm“, stößt Dinah hervor. Sie hat ihr Gesicht in den Armen verborgen und bebt am ganzen Körper.
Lia nickt und zerrt am Reißverschluss ihres Rucksacks. Ihre Hände zittern so stark, dass das Handy ihr fast aus den Fingern gleitet. „Ich rufe Elias an, der weiß, was zu tun ist. Zieh dich an, wir müssen sofort nach Hause. Wahrscheinlich berufen sie noch heute Abend eine Notfallversammlung ein.“
Ihre beste Freundin schaut zu ihr hoch. Erst jetzt sieht Lia, wie stark Dinahs Pupillen geweitet sind. Hoffentlich hat sie keinen Schock erlitten.
„Sie hatte keine Kiemen“, flüstert Dinah. „Wie kann man denn ohne Kiemen unter Wasser atmen?“
Lia sieht in den Augen ihrer Freundin, dass sie die Antwort bereits weiß, aber noch damit kämpft, sie zu akzeptieren. Besorgt legt sie ihre Hände auf die Arme der Freundin, versucht, Dinah durch die Berührung zu beruhigen. „Untote brauchen keinen Sauerstoff“, antwortet sie leise. „Diese Frau hat überhaupt nicht mehr geatmet.“

 

Halloo Sodalith,
ein herzliches Willkommen von mir :D ich bin auch gerade erst dazugestoßen. Dann auf ins Gefecht.

Sie fahren zum See. Was könnte man bei diesem Wetter auch besseres tun? Das Wandthermometer, das ihre Mutter auf der Terrasse im Schatten aufgehängt hat, zeigt 31°C, als Lia das Haus verlässt. Während sie ihr Fahrrad aus dem Gartenschuppen holt, sieht sie Dinah schon wartend an der Straßenecke stehen. Um die Wette rasen sie den abschüssigen Weg zum See hinunter, ihre Haare flattern im Wind. Auf der Liegewiese herrscht bereits reger Betrieb, die Hitze lässt die Menschen die Nähe des Wassers suchen. Familien haben auf dem Gras Decken ausgebreitet, um die spielende Kinder herumtoben. Teenager und Studenten schleppen Getränke in Kühlboxen zu ihren Handtüchern. Unter einem Baum wird bereits der erste Grill aufgebaut. Lia und Dinah sichern sich einen Sitzplatz, der halb in der Sonne und halb im Schatten liegt. Dann rennen sie zum Wasser. Nach der aufgeheizten Luft ist der See herrlich erfrischend, und sie fangen an zu schwimmen, sobald sie sich einen Weg durch die in Ufernähe planschenden Menschen gebahnt haben

Den ersten Satz finde ich gut. Kurz.Viele Informationen. Doch danach verläufst du dich in Beschreibungen, die eigentlich nicht notwendig wären... z.B es ist nicht unbedingt wichtig für die Geschichte, dass Lias Mutter ein Thermometer aufgehängt hat. So etwas würde ich streichen. Und auch die Beschreibung der Menschen am See ist zuviel des guten. Wichtig ist eigentlich nur, dass reger Betrieb herrscht und vielleicht noch ein oder zwei Details. Ich fand das Bild, dass Teenager Kühlboxen zu ihrem Handtuch tragen sehr gut und passend :).

Nach der aufgeheizten Luft ist der See herrlich erfrischend, und sie fangen an zu schwimmen, sobald sie sich einen Weg durch die in Ufernähe planschenden Menschen gebahnt haben.

Das ist ein weiteres Beispiel. Den fettgedruckten Teil braucht es eigentlich nicht. Die aufgeheizte Luft klingt auch etwas umständlich. Nimm doch einfach "Hitze".

Das deine 2 Protas Nixen sind, war dann doch eine Überraschung. Ich hatte mir unter der Geschichte etwas anderes vorgestellt. War aber eine gute Überraschung, ich mag Wasserwesen aller Art :) Im weiteren Verlauf der Geschichte habe ich aber dann doch schnell gemerkt, worauf das alles hinausläuft. Vorallem wegen dem Titel "Wassergeister". Irgendwie wusste ich sofort, dass die Frau tot war und ich habe auch anfangs nicht verstanden, warum sie sich nicht darüber wundern, dass sie keine Schwimmhäute hat. Das löst du ja auch irgendwann auf, aber vielleicht wäre es besser, wenn du den Teil mit der Karibik früher erwähnst, damit der Leser ein bisschen weniger misstrauisch wird. Ein bisschen Misstrauen ist gut, zuviel ist schlecht. Der Frau stand quasi auf der Stirn geschrieben: Seht her, ich bin tot (zumindest konnte sich das jeder nach dem Titel denken...)

-Bist du so weit?- singt sie in der Sprache des Meervolks. Beim Klang ihrer zweiten Muttersprache muss Lia unwillkürlich lächeln. Sie findet, dass Meerisch, insbesondere Hochmeerisch, schöner klingt als alles, was die Welt über Wasser an Geräuschen zu bieten hat. Es klingt ein wenig wie der Gesang von Walen, nur höher, und man glaubt, das Schnattern junger Delfine und gleichzeitig menschlichen Gesang herauszuhören. -Ja-, singt sie zurück, hebt zum Beweis ihre Schwimmhäute. Dinah bleckt ihre spitzen Zähne zu einem übermütigen Grinsen. –Dann auf nach unten!-

Diesen Absatz finde ich sehr stimmig. Und auch das Detail, dass die Nixen eine eigene Sprache besitzen, ist interessant. Aber auch hier könntest du ein bisschen streichen.
Du hast eine sehr detailierte Welt geschaffen, bei der ich das Gefühl nicht loswerde, dass es sich hierbei mehr um ein Kapitel eines Romanes handelt, als um eine Kurzgeschichte.

Auf jeden Fall streichen, streichen, streichen. Ich bin selbst nicht gut dabei, aber es ist nötig. Ansonsten hat mir deine Geschichte aber recht gut gefallen, dein Schreibstil ist auch flüssig. Die Idee ist vielleicht nicht ganz originell, aber du hast es trotzdem geschafft ein paar Überraschungsmomente einzubauen. Trotzdem finde ich, dass es dem Höhepunkt ein bisschen an Spannung fehlt, auch wenn sie Hals über Kopf abhauen. Die Frau wirkt nicht gefährlich, auch nachdem man erfahren hat, dass sie ihren Mann umgebracht hat. Auch zieht sich der ganze Dialog der Frau mit den beiden Nixen in die Länge. Das müsste alles kürzer sein, sonst wird es langweilig, aber jetzt wiederhole ich mich nur.

Auch beim Ende habe ich einfach das Gefühl, dass die Geschichte nicht abgeschlossen ist (und damit meine ich jetzt kein "offenes Ende" bei einer Kurzgeschichte). Diese ganzen Andeutungen vom Schwarm, von den anderen Personen; für eine Kurzgeschichte sind das zuviele Informationen, zuviele Namen. Entweder du machst eine längere Geschichte draus oder du musst mehr wegsschmeißen. So ein Zwischending funktioniert nicht...

So jetzt hab ich fertig kritisiert, ich hoffe du nimmst mir das nicht übel :/ Versuche einfach an deinem Text zu arbeiten, da lernt man schon viel dabei. Viel Spaß noch beim Schreiben.

Lg
Lucinda

 

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