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Wasser
Ich weiß, wie du mein Schweigen deutest. Du denkst, ich bin fassungslos, ängstlich und immer noch dein kleines, dummes Schwesterchen! Oh, die Liste der Schimpfwörter war lang. Doch ich sehe dich seit Langem erschreckend klar und schnörkellos.
Ja, ich verlor kurz die Fassung, als du mich heute Mittag aus meinem Leben gerissen hast, und erbrach mich spontan auf offener Straße. Ich hänge noch am Leben! In den Monaten der Freiheit erlebte ich so viel Schönheit. Aber jetzt bin ich hier. Die alten Reflexe sind komplett hochgefahren. Dein starrer Blick und dein verzerrtes Lächeln machen aus mir wieder eine Marionette, die dich nicht aufhalten kann.
Ein Teil von mir starb damals im Bad. Gleich folgt der Rest. Ich habe Angst und fühle mich, als hättest du mein Innenleben grün und blau geschlagen. Schutz suchend gehe ich vornübergebeugt.
Ich hasse dich und dein totes Herz!
Deute doch mein Schweigen, wie du willst, Arschloch! Du hast nichts verändert, bist ein Idiot, kein Visionär. Pisser!
***
Pia, Lisa, Daniela, Carmen, Miriam, Chrissy
und natürlich Marie.
Kleine, ängstliche Marie liebte mich bis zum Schluss.
Dabei war sie als Kind eine richtige Herausforderung.
Obwohl sie meine Hilfe meist nicht wollte, half ich ihr, wenn sie komplett verloren schien.
Ich war zuvorkommend, höflich und liebevoll. Ein guter, großer Bruder.
Da waren auch meist keine Worte nötig, sie verstand meine Zeichen immer.
Na ja, nicht immer. Manchmal wollte sie nicht aufhören zu quasseln.
Da musste ich sie kurz erinnern, das artige Mädchen keine Widerworte geben.
Wichtig war da mit einer gewissen Geradlinigkeit vorzugehen. Klare Grenzen, bestimmende Gesten, eine ruhige Stimme und kurze Wörter beruhigten sie wieder.
Das erste Mal, als ich eingriff, war sie vier Jahre alt.
So kleinen Kindern kann man mit dem normalen Verstand nicht beikommen!
Ich war schon in der dritten Klasse und hatte viele Ideen.
Eigentlich wunderschön wie sehr sich alle Gesetze unter Wasser aufzuheben scheinen. Wasser ist perfekt, schafft eigene Welten und erzeugt eine atemberaubende Stimmung. So rein, so simpel, so echt. Großartig!
Und im Zusammenhang mit Marie bedeutete Wasser sofortige Stille.
Am Anfang ließ ich ihr den Wasserstrahl über Mund und Nase laufen. Später sammelte ich Wasser in meiner Hand und drückte ihr Köpfchen dort hinein. Am Besten war jedoch das volle Becken. Da hatte ich die nötige Kontrolle und mehr Spielraum.
Erst als sich ihre Finger um den Waschbeckenrand klammerten, ihre Knöchel weiß wurden und ihre Füße zu stampfen begannen, erlaubte ich ihr den Kopf zu heben. Dann flüsterte ich ihr mit meiner warmen, beruhigenden Stimme ins Ohr, das sie aufhören müsse hysterisch zu sein.
Das war unser effektiver Weg zur stillen Übereinkunft.
Die Welt war in Ordnung.
Im Grunde änderte sich das erst, als sie mir als Teenager ein Messer unter die Nase hielt und meinte die Entscheidung über richtig und falsch hätte ich den Eltern überlassen sollen.
Die Beiden waren doch der Quell meiner Ideen!
Gerne habe ich darauf geachtet, dass deren Leitlinien auch in ihrer Abwesenheit umgesetzt wurden.
Nach all den Jahren, aufopfernder Erziehung, verstand Marie immer noch nicht die simple Botschaft? Sich selbst den einfachsten Regeln zu widersetzen ist ein eindeutiges Zeichen geistiger Überforderung!
Ich kann voller Stolz sagen, das ich mein Bestes gegeben habe, ihr mein Wissen zu vermitteln.
Auch andere weibliche Bekanntschaften zeigten einen gewissen, leicht kindlichen Trotz, den ich kaum zu bändigen wusste.
Sie sind alle gleich!
Schmarotzende Anhängsel die ohne männliche Führung kaum des Lebens fähig sind.
Deren primitives Verhalten, die aufdringlichen Stimmen, die gedankenlosen Worte und das schamlose Gebaren waren einfach nur widerlich!
Graue Waschweiber, die gefangen in ihrer eigenen Dummheit, in der Masse versunken wären, hätte ich ihnen nicht deren Potenzial entdeckt.
Kleine, naive Marie! Trampel und Hitzkopf.
Sie war die Letzte, leider.
Bald wird die Welt erkennen, dass diese Frauen erst jetzt ihre wahre Schönheit erlangt haben!
Durch mich haben sie nun ihren Stolz zurück erhalten, meine stillen, schwebenden Tänzerinnen!
Mein Werk!
Meine Arbeit, mein Schweiß, meine göttliche Planung, mein künstlerischer Verstand hat das Alles erst ermöglicht!
Ballett unter Wasser!
Meine großartige Kreation!
***
Deine Arroganz wird nicht ewig strahlen. Auch du bist hilflos, klein und verletzlich, wenn du mit heruntergelassener Hose im Gefängnis deinen Platz im Rudel suchst. Pia und Carmen waren meine Freundinnen und sind wahrscheinlich deine Kostbarkeiten. Mein Glanzstück heißt Hauptkommissar Arno Schneider.