Was nun?
Was nun? (April 1997)
Die Abenddämmerung war schon fast vollendet, als zwei Lichtkegel die angebrochene Dunkelheit
auf der Hauptstraße durchschnitten. Etwa drei Sekunden später folgten zwei weitere.
Sonst war nicht viel los um diese Uhrzeit, die Rush-hour war schon vorüber
und es gab hier sowieso nur sehr wenig Verkehr.
Dollak saß im ersten Wagen. Er fuhr nicht sehr schnell, obwohl er es eigentlich ziemlich eilig hatte.
Das Auto hinter ihm hatte er schon bemerkt, er machte sich darüber so seine Gedanken...
Nachdem das zweite Auto, vermutlich ein BMW, schon eine halbe Stunde
annähernd den gleichen Abstand auf seinen Volvo hielt, wurde er sichtlich nervös.
Er schaltete das Radio aus und begann angestrengt nachzudenken.
Das Musikprogramm hatte ihm eh nicht besonders zugesagt,
seinen Heimatlokalsender konnte er hier nicht empfangen
und das Radio des Leihwagens hatte kein Kassettenteil.
Seine Lieblingsmusik hätte ihn sicherlich beruhigt.
Was ist nun wenn... - Oder doch nicht?
Dollak konnte kaum einen klaren Gedanken finden.
So befahren war die Straße abends nun auch wieder nicht,
dass einem ein Wagen so lange mit dem selben Abstand folgt.
Er beschloss, langsamer zu fahren und den vermeindlichen Verfolger überholen zu lassen.
Das Ergebnis machte ihn nur noch nervöser, denn der BMW hielt stur den Abstand.
Dollak disponierte um und fuhr schneller, doch der Raum zwischen den Autos wurde nicht größer.
Nun hatte er immerhin Gewissheit, dass er verfolgt wurde - oder hielt sein Hintermann nur zufällig den Abstand,
passte er sein Tempo einfach seinem Vordermann an um nicht alleine durch die Nacht zu fahren?
Dollak konnte im Rückspiegel zwei Silhouetten erkennen, der Größe nach zwei Männer.
Das vordere Nummernschild war wegen der hereinbrechenden Dunkelheit nicht mehr zu entziffern.
Er konnte entweder Gas geben was der Wagen hergab und versuchen, seinem Schatten zu entkommen
oder aber einfach stehen bleiben und der Gefahr ins Auge sehen.
Er versuchte die beiden Möglichkeiten nach Vor- und Nachteilen abzuwägen.
Vielversprechend waren sie beide nicht, deshalb fuhr er einfach normal weiter.
Dummerweise nahmen ihm seine Verfolger die Entscheidung ab, denn sie überholten seinen Volvo.
Ein paar hundert Meter vor ihm fuhren sie rechts ran, stiegen schnell aus und winkten ihm zu.
Falls sie Kripobeamten waren, dann sahen sie wenigstens nicht so aus. Wenn sie aber welche waren,
was konnten sie wissen? Er beschloss, sich nicht unnötig noch auffälliger zu verhalten.
Wenn sie hinter ihm her waren, konnte er sowieso nichts mehr tun, dafür war es schon zu spät.
Er bremste also ab und parkte seinen Wagen hinter dem BMW.
Wie ein Blitz durchfuhr es seinem Kopf: Nun war er dreihundert Kilometer von daheim entfernt
und das Kennzeichen des Autos vor ihm verriet Dollak,
dass seine Verfolger aus der selben Kleinstadt kamen wie er. Das konnte kein Zufall sein!
Er wollte schnell weiter fahren, aber die beiden Männer waren schon an seiner Fahrertür...
Seine feuchte Hand kurbelte langsam die Fensterscheibe herunter.
Hätte er im Notfall eine Chance gegen die beiden?
Einer der beiden brach die Stille: "Entschuldigung, Ihr rechtes Rücklicht geht nicht."
Dollak stockte der Atem.
Der Mann sprach weiter: "Aber der Grund, warum wir Sie angehalten haben,
war - ähm - weil wir sahen, dass Sie aus der selben Stadt kommen wie wir.
Ich glaube wir haben uns verfahren und wollten Sie fragen, ob Sie heute Abend noch nach Hause fahren."
Dollak dachte schnell nach und antwortete dann möglichst ruhig:
"Nein, ich übernachte in einem kleinen Hotel hier in der Gegend.
Ich kann Ihnen aber sagen, wie Sie nach Hause kommen."
Der Wortführer gab zu erkennen, dass er es wissen wolle. Dollak erklärte ihm,
dass er nur in die nächste Straße rechts abzubiegen brauche und dann auf die Autobahn gelange.
Die beiden Männer bedankten sich und gingen zurück zum Wagen.
Auf einmal drehten sie sich herum und kamen wieder auf den Volvo zu.
Dollak griff blitzschnell zu der im Handschuhfach befindlichen Pistole und verbarg sie unter seiner Jacke.
Nun sprach ihn der andere Mann an: "Nochmals Entschuldigung, wissen Sie, ob vor der Autobahn noch eine
Gaststätte ist, in der man was Vernünftiges bekommt?"
Dollak antwortete, dass es im übernächsten Dorf ein Wirtshaus mit großen Portionen und fairen Preisen gäbe.
Die Männer verabschiedeten sich zum zweiten Mal und stiegen in ihren BMW.
Dollak wartete bis sie weitergefahren waren und startete dann seinen eigenen Wagen.
Erleichtert fuhr er weiter - mit der Leiche im Kofferraum...
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Anmerkung:
1997, zur Enstehungszeit dieser Geschichte wurde in der Fernsehzeitschrif "Funk Uhr" jede Woche ein Leser-Krimi abgedruckt. Für eine Veröffentlichung gab es 100,- DM. An diesen Geschichten orientiert sich die meinige, ich habe sie allerdings nie eingeschickt, weil mir damals das nötige Selbstbewußtsein fehlte. Im Nachhinein sehe ich das als großen Fehler an, da die anderen Geschichten größtenteils keineswegs besser waren. Und die 100,- DM hätte ich brauchen können... *ggg*