Was ist Liebe?
„Sui, ich liebe dich.“ hatte er gesagt.
Ich hatte geschluckt.Mehr konnte ich nicht heraus bringen.
Er hatte mir in die Augen geblickt-hoffnungsvoll,denn er wollte, dass ich etwas sage.
Aber ich konnte nicht.
Wir hatten so oft das Thema Liebe durchgesprochen.
Und obwohl ich ihm gesagt hatte,dass ich sehr viel für ihn empfinde,aber nicht sagen könnte, ob es Liebe sei, hatte er mich jetzt vor die Frage gestellt: „Liebst du mich auch?“
Ich sah ganz deutlich in sinen Augen, wie sehr er sich wünschte,dass ich sagen würde:„ Ja Tobi, ich liebe dich auch.“
Aber ich konnte es nicht.Ich spürte den innerlichen Druck, den er mir mit diesem einen Satz verschafft hatte und blickte auf den Boden.
„Sui, ... .“ er atmete tief durch.
Ich legte ihm den Zeigefinger auf den Mund und blickte ihm in die Augen.
Er blickte mich so verzaubert an.Voller Hingabe und Herz.Als wäre ich alles für ihn.
Ich hatte ihm gesagt, dass ich nicht wüßte, was Liebe sei.
„Wie merkt man es denn,ob man wirklich liebt?Ich meine, du kannst jemanden sehr gerne haben, für ihn viel empfinden, vielleicht so viel empfinden, wie noch nie für einen Menschen.
Aber wann weiß man,dass es Liebe ist?“
Tobi hatte gezögert und den Blick gen Sonne gerichtet.
„Liebe empfindet jeder anders,Sui.Empfindest du anders,empfinde ich anders ... .“
„Wie empfindest du Liebe?“ hatte ich ihn damals gefragt.
Er hatte sich seine Schuhe und Socken ausgezogen und war ans Flussufer gegangen und hatte seine Füße hinein gestreckt.
„Immer.Denn es gibt ja dich.“
Stille.
Ich hatte genau gewusst was er gerne gehört hätte.Nämlich:„Es geht mir genau so mit dir.“
Oder so etwas ähnliches.
Aber ich war still geblieben und hatte einfach weiter das Boot in Tobis Lieblingsfarbe rot gestrichen.
Später hatte er in meiner Lieblingsfarbe himmelblau „Sumaya“ drauf geschrieben. Mein richtiger Name.
Wir waren dann einfach ins Haus gegangen und hatten uns aneinandergekuschelt „Everybody is running“ angeguckt.Trotzdem- die Spannung blieb.
Und nun das. Er hatte mich wieder vor diese Frage gestellt, ob ich ihn lieben würde.
Es war ja eigentlich keine Frage.Es war eher eine Aufforderung, dies zu sagen.
Für mich eine Art Verpflichtung.
Traurig hatte er auf den Boden geblickt und die Spitze meines Zeigefingers zärtlich zwischen seine Lippen genommen.
„Tobi, sicherlich fühle ich sehr viel für dich.Ganz klar.Und mehr,als ich jemals für jemanden gefühlt habe.Ob es Liebe ist,weiß ich trotzdem nicht.“ Kurze Pause.
„Ich bin doch erst 19 und du 20. Woher sollen wir wissen,dass wir uns lieben?Wir haben noch ein ganzes Leben vor uns.“
„Sui, hör mir mal zu.Wenn du so denkst,dann kannst du das Thema Liebe gleich abhacken. Wenn du immer sagst, du wüsstest nicht,ob es Liebe sei und Jahre um Jahre das selbe sagst, weil du immer noch denkst, dass etwas anderes kommen würde, was vielleicht wie Liebe aussehe, dann bist du verloren.Du wirst immer danach suchen“
Wieder kleinePause.Ich musste schlucken.Er verzog sein Gesicht.
„Und warum willst du,dass ich dir sage,dass ich dich liebe?“
„Und warum kannst du es nicht einfach sagen?“ hatteer mich verzweifelt angeschrien.
„Weil es nicht einfach ist.Ich fühle mich,als würde ich mit dem Satz „Ich liebe dich“ eine Verpflichtung eingehen.“
Er hatte den Kopf geschüttelt und sich von mir abgewendet.Sein Blick warf er auf den Boden.
„Tobi, lass es uns doch einfach dabei belassen wie es ist.Vielleicht brauch ich noch Zeit,um dir das zu sagen was du dir von mir wünscht.Aber wenn ich es tue,weißt du,dass ich es auch so meine...“,ich hatte geseufzt und nach Worten gesucht, „Gib mir die Zeit.Du bist für mich der Mensch, mit dem ich glücklich bin und ich will keinen anderen.Nur dich.“
Er hatte sich zu mir umgedreht.Ich war geschockt gewesen,eine Träne lief ihm über die linke Wange.
Ich hatte sie mit der Handfläche sanft weggewischt und ihn angelächelt.
Dann hatte er mich in die Arme genommen,gedrückt und meinen Nacken geküsst.
„Ich bin glücklich mit dir.“ hatte er mir gesagt und ich hatte ihm sanft ins Ohr geflüstert: „Ja Tobi, ich auch mit dir.“