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Was ist eigentlich "gut"

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30.08.2006
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Was ist eigentlich "gut"

Persönlichkeitsspaltung, kennt ihr das?

Auf Autorenseite ist die Sache ganz einfach. Frau hat eine Idee, denkt sich selbige gäbe ein nettes Geschichtlein und fängt an zu tippen (oder zu überlegen, je nach Geschmackslage). Das ganze sprudelt jedenfalls irgendwann aus innerer Notwendigkeit mit dem dem nötigen Herzblutzdruck aus ihr/ihm heraus, wird überarbeitet oder auch nicht und schließlich veröffentlicht. irgendwie ein ganz selbstverständlich ablaufender Vorgang ...

Aber man ist ja vielseitig und auch als KritikerIn aktiv. Und in dieser Eigenschaft stelle ich mir dann so seltsame Fragen nach stilistischer Korrektheit und inwieweit mich pures Lesevergnügen berechtigt, eine positive Kritik zu schreiben, die über ein "hat mir persönlich gefallen" hinausgeht. Das ganze gipfelt schließlich in der Frage: "Was ist eigentlich gut?"

Erst dachte ich mir, das sei aber reichlich akademisch. Nachdem ich aber in letzter Zeit jede Menge Geschichten in den Fingern hatte, die eben nicht eindeutig schlecht waren, und ich ernsthafte Schwierigkeiten mir ein "objektives" Urteil zubilden, bin ich nun etwas verwirrt. Drum die Frage ans Plenum:

Was ist eigentlich gut?
Und was gefältt euch?

In naiver Verwirrung,

N

 

Um die Verwirrung am Köcheln zu halten: Ich habe in den letzten Tagen einen Roman (Paula Wall - Die Frauen der Familie Bell) dreimal gelesen, der gewiss zur Trivialliteratur gehört. Eine Kurzgeschichtsfassung hätte sicher als Kritik bekommen: Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen, alles schon mal gehört usw. Der Roman ist nicht "gut", aber er hat mir gefallen und deshalb habe ich ihn gerne mehrmals gelesen.
So geht es mir auch mit Kurzgeschichten. Manche sind gut, aber mir viel zu schwer und deshalb mag ich sie nicht. Andere sind zwar der dreihundertste Aufguss bekannter Themen und Handlungsabläufe, aber so spannend/einfühlsam/mitreißend geschrieben, dass sie mich fesseln. Dann schreib ich das auch - ganz subjektiv.
Dann gibts noch die Geschichten, die rundum gut sind - handwerklich, inhaltlich usw. - die mich aber trotzdem nicht ansprechen. Da fällt es mir schwer, eine Kritik zu schreiben.
Und dann gibt es noch Geschichten, .. aber das schreibe ich dann in der Kritik.

jo

 

In der Tat, sehr verwirrend, jobär: Wieso liest Du einen Roman voller Allgemeinplätze dreimal hintereinander in wenigen Tagen? :susp:

 

Eigentlich ist es keine verwirrende Sache.

Gut ist immer das, was einem gut gefällt.

Sonst hätten wir hier auf kg nicht so ein reges Miteinander, wenn dies bei jedem dasselbe wäre.

Für mich ist eine Kurzgeschichte gut, wenn sie mich fesselt, weil der Plot spannend ist, weil sie mich wegen des Themas oder auch nur wegen der Umsetzung eines Themas in den Bann schlägt, weil sie mich gut unterhält, mir Kurzweil gibt, mich ablenkt, in eine andere Welt mitnimmt, zum Lachen bringt, zum Weinen und von mir aus auch wütend macht, soweit die Wut nicht deswegen entsteht, weil die Geschichte so grottenschlecht verfertigt ist. :D

Klar jetzt? Noch Fragen? ;)

 

FLoH schrieb:
Eine gute Geschichte ist für mich angenehm zu lesen und fehlerfrei, hat mindestens eine deutlich umrissene Figur und eine hauptsächlich über die Handlung transportierte Message. Sie entspannt und unterhält ebenso wie sie mir neue Impulse gibt. Ihr Stil passt zum Inhalt, optimiert diskret dessen Wirkung. Eine gute Geschichte braucht der Autor nicht öffentlich erläutern, geschweige verteidigen.
(aus meinem Profil kopiert)
-- floritiv.

 

Gut ist für mich, wenn mich die Geschichte unterhalten hat. Für mich ist es egal, ob das Thema schon 100 oder 1000 Mal angefasst wurde. Wenn ich nach dem Lesen das Gefühl habe, meine gut genutzt zu haben, ist die Geschichte gut.
Nicht gut, sondern schlecht, ist die Geschichte, wenn ich mich ärgere, meine Zeit damit verschwendet zu haben.
Nicht nur gut, sondern sehr gut ist die Geschichte, wenn ich etwas für mich daraus entnehmen kann. Ich meine, wenn mich die Geschichte berührt, ich darüber nachdenken muss, sie mich nicht mehr los lässt oder ich darüber lachen muss.

 

Hat diese Diskussion nicht ein wenig Ähnlichkeit mit dem "Was ist Kunst und was ist Mist?"-Thread? Dort wurde, so viel ich weiß, mit wenig Erfolg in viel breiterem Ausmaß über die Möglichkeit objektiver Kritik gesprochen.
Ich bin mir auch nicht hundertprozentig sicher, ob und wie man ein objektives Urteil über die Qualität eines Kunstwerks fällen kann. Wir hatten hier einmal ein Forumsmitglied, das mit hochintellektuellen Zitaten aus Politik- und Literaturwissenschaft nur so um sich werfen konnte und verständlicherweise dagegen war, dass man alles so subjektiv und beliebig sehen konnte - das hätte schließlich seine gehobene geistige Stellung abgewertet.
Dieselbe Eitelkeit stelle ich manchmal bei mir fest. Lehnt der Autor meine Kritik ab, kommt es mir so vor, als würde er meine Mühe nicht würdigen - schließlich ist mein Urteil zu sehr von analytischem Denken geprägt, um nicht "objektiv" zu sein.

 

@ Megabjörnie

ich vermute, dein letzter Satz ist einfach nur triefend ironisch gemeint. ;)

Aber wenn nicht, dann mein Tipp, den ich gewiss schon an anderen Stellen verbreitet habe.
Dieser Wunsch, der Autor, dem man eine ausführliche und konstruktive Kritik geschrieben hat, die einen sehr viel Zeit gekostet hat, möge es mit einer gewissen Haltung, die Dank pder wenigstens Zurkenntnisnahme ausdrückt honorieren, z.B. indem er sich sofort an die Korrekturen macht oder sonstwie signalisiert, die Hilfe annehmen zu können, ist schlicht zu fordernd und im Grunde genommen auch zu egoistisch, weil er man dann als Kritiker nach dem Prinzip handelt: wenn ich dir helfe, erwarte ich Dank,um es einmal etwas überzeichnet plakativ auszudrücken.

So begibt man sich in die große Gefahr der Frustration, denn was derjenige, dem man helfen will, mit diesem Angebot machen möchte, ist schlicht seine Sache und es ist kein Vergehen, gute und gütige Hilfe abzulehnen.

Versuche es einfach mal so zu sehen: jede Kritik, die du einem Text angedeihen lässt, bringt dich weiter in deinen eigenen Erkenntnissen, schult weiter dein Auge und vervollkommnet dein Wissen, denn du übst dich an einem Text und wächst automatisch daran, weil du dir Gedanken über ihn machst.

Der Autor mag deine Kritik nutzen oder auch nicht, sie verwerfen, verdammen und ignorieren, aber du hast letztendlich dir Lektionen erteilt.
Und du hast allen Lesern, die sich deine Kritik anschauen und wenn sie gut ist, sind es gewiss gar nicht so wenige, ebenfalls zu mehr Erfahrung verholfen. Auch sie lernen durch dich.

Was also bitteschön ist dann so frustrierend an einer Kritik, die der Autor verschmäht oder besser gesagt, von der du ausgehst, dass er sie verschmäht, denn oftmals wirkt sie besser und hachhaltiger als du es dir zu erträumen wagst!

Ich hoffe, dass ich damit ein wenig all diejenigen Kritiker ermutigen konnte, die mit ihrem Schicksal als Missachtete und Übergangene hadern.
Der Autor mag euch vielleicht nicht achten, aber die Leser tuns und ihr selbst erweist euch auch einen Dienst.
Es gibt aus meiner Sicht daher keine nutzlosen Kritiken.

 

Was soll das heißen, ich soll das nicht so schwer nehmen? Es ist eine Ungeheuerlichkeit sondergleichen, meine Kritiken zu verschmähen. Ein Sakrileg, jawohl! Ich bin der größte Kritiker aller Zeiten, und mich hat man gefälligst mit Respekt zu behandeln. Wollte ich jetzt nur mal gesagt haben.

Dabei ist mir übrigens aufgefallen, dass die Kritiken zu meinen Geschichten ausnahmslos schlecht und ungerechtfertigt sind. Darüber möchte ich gern mit euch diskutieren.

 

Ja, ich wusste, dass du megabjörnieschen Ärger machen würdest :lol:

 

Hat diese Diskussion nicht ein wenig Ähnlichkeit mit dem "Was ist Kunst und was ist Mist?"-Thread? Dort wurde, so viel ich weiß, mit wenig Erfolg in viel breiterem Ausmaß über die Möglichkeit objektiver Kritik gesprochen.

Man könnte jetzt antworten: "Was kümmert mich mein Thread von gestern" Schließlich ist es ja nicht unbedingt leicht, einen Überblick über die bereits diskutierten Themen hier zu behalten, trotz eines Elefantengedächtnisses :Pfeif:.

Nee, Quatsch beiseite, die Formulierung "gut" war durchaus beabsichtigt und ich finde die bereits geäußerten Ansichten von der elektrischen Weichenstellung im Hirn bis hin zu Megabjörnies objektiver, unfehlbarer Wahrheit durchaus anregend.

Was mir auch sehr gefallen hat, war MiKs Unterscheidung zwischen "gut" und "sehr gut":

Nicht nur gut, sondern sehr gut ist die Geschichte, wenn ich etwas für mich daraus entnehmen kann. Ich meine, wenn mich die Geschichte berührt, ich darüber nachdenken muss, sie mich nicht mehr los lässt oder ich darüber lachen muss.

 

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