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Was die anderen über mich denken

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20.04.2012
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Was die anderen über mich denken

Mein Lehrer sagt: „Schreiben Sie auf, wie Sie Ihrer Meinung nach von anderen gesehen werden!“ Ich nehme meinen Stift und starre auf das weiße Blatt Papier, das vor mir liegt. Ich weiß nicht, was die anderen über mich denken. Wahrscheinlich nicht mehr, als sie über andere denken. Und der eine sagt: „Der ist schon okay.“ Und der andere sagt: „Was will dieses Arschloch?“ Und der dritte sagt: „Eigentlich kann ich gar nichts über dich sagen.“ Und irgendwo dazwischen bin ich, ist die Wahrheit, ist das Bild, dass ich „Ich“ nenne.

Wie wirke ich auf die anderen? Auch das weiß ich nicht. Aber ich nehme an, dass ich immer fröhlich und heiter wirke – denn das bin ich meistens. Oder besser, das war ich meistens. Denn ich bin nicht mehr wie früher. Wer ist das schon? Aber kann man es hinnehmen, dass man depressiv wird? Früher war ich immer gut drauf – nicht ganz früher, aber vor einem guten Teil meines nicht grade ewigen Lebens. Ich bin aus dem Bett gekrochen, habe mich ins Badezimmer geschlichen, meinen Kaffee getrunken. Diese Zeit war die, in der ich griesgrämig war. Doch schon auf dem Weg zum Bus hatte ich mich bereits wieder mit den Ungerechtigkeiten des Lebens abgefunden. Und so ging es den ganzen Tag. Ab und an gab es auch einmal Streit, ja, aber ich kann eigentlich niemandem böse sein. Und das war mein Leben.

Und dann ging ich weg und ich war in der Fremde und ich bekam Heimweh. Nein, ich wurde melancholisch. Oder noch besser gesagt: Meine melancholische Ader war plötzlich meine Hauptschlagader. Und ich bekam Probleme mit dem, der sich mein „Freund“ nannte. Wir sind nie welche gewesen, wir waren die beiden Menschen die zusammen fanden, weil sie sonst niemanden hatten. Zumindest nicht die eine Hälfte des Tages. Und ich begann an mir zu zweifeln. Stärker als zuvor, als ich den Zweifel einfach wegschob und tief in mir drin versteckte. Und ich saß da und ich wollte nicht mehr ich sein.

Wer Selbstzweifel kennt, weiß, dass sie die Seele verätzen. Wer Selbstzweifel hat, weiß, dass alles gegen einen spricht. Selbstzweifel sind das schlimmste aller Gifte. Und auch in dem Moment, in dem ich merkte, dass ich Recht hatte, konnte ich mich nicht freuen und die Zweifel besiegen, denn vielleicht bildete ich mir das auch nur ein?

Und ich kehrte zurück und alles war gut. Und ich kam zurück und alles war gut. Und ich bin zurück und es ist vorbei. Denn in einem Jahr hatte ich mehr dunkle Phasen als mein ganzes Leben zuvor. Von der ersten ging es in die nächste ging es in die übernächste. Doch warum bin ich depressiv?

Ich bin depressiv, weil ich Angst habe. Wovor? Davor, meine Freunde, meine sozialen Kontakte zu verlieren. Warum? Weil ich es mir einbilde. Ich kann es nicht begründen, aber ich lebe in der Angst, meine Freunde könnten sich von mir entfremden. Das wird vielleicht tatsächlich irgendwann passieren. Aber ich glaube, dass es jetzt, grade jetzt in diesem Augenblick passiert. Und warum grade jetzt? Ach, es gibt da so Anzeichen… Was für Anzeichen? Naja, mich mag doch sowieso keiner. Willst du einen blöden Versprecher auf die Goldwaage legen? Brauch ich gar nicht, weil mich ohnehin niemand mag. So? Und ich werde doch nur ausgenutzt. Ach ja? Und dann lacht mich mein inneres rationelles Ich aus. Und ich weiß nicht, wie ich reagieren soll, denn: Es hat Recht. Es hat verdammte Scheiße Recht! Wieso rede ich denn nicht mit meinen Freunden, wenn ich das alles glaube? Wieso jammere ich rum, dass ich immer nur zu Hause hocke, wenn ich doch die Leute anrufen und auf ein Bier einladen kann? Warum versuche ich mich immer für jede Person so zu geben wie ich glaube, dass sie mich haben will, wenn ich mir damit doch nur mein eigenes Bein stelle? Wieso rede ich davon, dass sich meine Freunde zurückziehen, wenn eigentlich ich derjenige bin, der sich zurückzieht? Warum möchte ich, dass mich jeder mag? Warum jammere ich, dass ich keine Freundin hab, wenn ich eh nie ein Mädchen anspreche? Warum, wieso, weshalb?

Weil ich es nicht kann! Ich kann es einfach nicht! Ich bin ein sozialer Krüppel. Ich kann zu niemandem hingehen und ihm sagen: „Du bist mir wichtig!“; ich kann nicht offen auf die Leute zugehen, schon gar nicht auf Mädchen. Ich habe Angst, Angst vor Zurückweisung. Ein Teufelskreis! Und ich sehe diesen Teufelskreis und ich will schreien, aber nicht mal das kann ich. Und das ist mein Problem.

Und wie oft habe ich mir gedacht: „Ich muss hier raus, frische Luft schnappen!“ Ein paar Tage mit dem Rad einfach immer weiter geradeaus fahren. Mit dem Zug. Eine Woche, einen Monat, ein Jahrzehnt. Und ich fühle mich besser. Aber trotzdem lacht mich etwas in meinem Hinterkopf aus und sagt: „Das machst du ja doch nicht!“ Und ich habe Angst, dass ich eines Tages wirklich abhaue. Einfach um diese Stimme zum Schweigen zu bringen, die mir seit einem Jahr keine Chance lässt, einmal gedanklich auszubrechen.

Und weil ich keine Möglichkeit sehe, mich zu artikulieren, sitze ich da wie ein Häufchen Elend und will einfach nur in den Arm genommen werden. Einfach nur einmal gedrückt und keinerlei Worte. Ich will Zuneigung. Aber ich kann sie nicht artikulieren. Ich kann nicht mal einem Freund sagen, dass ich ihn liebe. Ich habe bloß eine tiefe Zuneigung; Menschen sind mir „wichtig“. Bloß keine Gefühle zeigen. Und in mir ist die große Leere und nicht mehr der Junge, der ich mal war, der ich nie war, sondern den ich glaubte, in mir zu sehen. Und ich lächele.

Und ich hoffe, dass dies einen Schlussstrich zieht. Denn vielleicht ist morgen schon wieder alles gut. Und ich hoffe es und ich weiß es nicht und ich habe die Angst, innerlich schon kapituliert zu haben und dass es mich von Mal zu Mal mehr Kraft kostet, wieder ins Licht zu finden. Ich hoffe dies ist Therapie, nicht Auslöser. Ich habe Zuversicht. Ich muss Zuversicht haben! Doch ich bin Fatalist. Und trotzdem merke ich, dass es mir besser geht…

Und ich gebe diesen Text ab und mein Lehrer liest ihn sich durch und sagt: „Die Konjunktion ‚und’ eignet sich nicht als Satzanfang. Außerdem haben Sie zu viele Wiederholungen. Insgesamt allenfalls wegen des Mittelteils noch ausreichend.“ Und ich lächele und habe endlich etwas, was definiert, wie mich die anderen sehen und womit ich mich klar einordnen kann. Und Innen ist die Leere.

 

Hallo MuGo und herzlich willkommen hier.

Deine Geschichte hat ein gutes Thema: Selbstzweifel, Ängste, die sich selbst erfüllen (können). Nur deine Umsetzung gefällt mir nicht so.
Meiner Meinung nach läufst du voll in die Falle des Ich-Erzählers: Da redet jemand immer nur über seine Gefühle und Gedankene, kreist nur um sich. Quinn hat hier mal was sehr Gutes geschrieben: Dem Sinn nach: Der Ich-Erzähler ist am Interessantesten, wenn er über andere schreibt. De facto geht es beim Ich-Erzähler um eine bestimmte Urteilsinstanz, eben deine Figur. Aber interessant wird es eben erst, wenn auch was zum Urteilen geboten wird. Sprich Beschreibung der Außenwelt. Lass doch seine Freunde auftauchen und mit ihrem Reden. Und er missversteht sie dann. Bring konkrete Beispiele für die Not, die dein Erzähler verspürt.
Solche Innenansichten, wie du sie lieferst, lesen sich meistens sehr trocken. Man bekommt keinen Zugang zur Gedankenwelt des Anderen, nur abstraktes Wissen: Okay, es geht ihm schlecht, okay, er hat Selbstzweifel. Wenn das ganze aber in Form von Szenen geliefert wird, wird es, für mich, interessanter.

Was ich gut fand: Der Text lässt sich flüssig lesen. Mir sind keine groben Schnitzer aufgefallen. Versuch doch einfach mal einen anderen Ansatz, ich glaube, dass wird was.

Gruß,
Kew

 

Hallo Kew,

danke für das Willkommen-Heißen und natürlich erst Recht für den Kommentar!

Meiner Meinung nach läufst du voll in die Falle des Ich-Erzählers: Da redet jemand immer nur über seine Gefühle und Gedankene, kreist nur um sich. Quinn hat hier mal was sehr Gutes geschrieben: Dem Sinn nach: Der Ich-Erzähler ist am Interessantesten, wenn er über andere schreibt.

Hm, ich nehme an, dass ich hier leider ziemlich betriebsblind war. Die Geschichte besteht im Kern aus einem ziemlich alten autobiografischen Text, ich war daher sozusagen etwas befangen bei der Bewertung der Relevanz des Inhalts...

Aber ich kann die Kritik nachvollziehen - so gibt es hier zwar einen Erzähler, aber der Leser kann ja nicht einmal beurteilen, ob man ihm vertrauen kann. Eine Persönlichkeit entwickelt der Erzähler dadurch natürlich nicht wirklich.

Aber interessant wird es eben erst, wenn auch was zum Urteilen geboten wird. Sprich Beschreibung der Außenwelt. Lass doch seine Freunde auftauchen und mit ihrem Reden. Und er missversteht sie dann. Bring konkrete Beispiele für die Not, die dein Erzähler verspürt.

Glücklicherweise habe ich in weiser Voraussicht *räusper* ja schon ein paar Andeutungen eingebaut, an die ich anknüpfen könnte. Was genau hat es denn mit diesem angeblichen Versprecher auf sich? Warum fühlt sich der Erzähler ausgenutzt? Was war mit diesem "Freund"? Wenn ich das jetzt so aufzähle, komme ich mir fast ein bisschen blöde vor, dass ich da nicht von selber drauf gekommen bin - aber ich war wohl ein wenig zu sehr auf den Stream of Consciousness fixiert, um mir das wirklich bewusst zu machen.

Allerdings wirft das jetzt die Frage nach eben genau diesem SoC auf: Soll ich dabei bleiben (die zweitklassige "Rahmenhandlung" mit der Klausur kann ja ruhig raus fliegen, wenn in der Geschichte selbst eine Struktur ist, die sie trägt) und den Erzähler das Erlebte weiterhin im Geiste rekapitulieren lassen? Oder soll ich es lieber mit einem radikalen Umbruch probieren, die Grundidee und einige gelungene Motive nehmen und die Geschichte komplett neu aufziehen?

Was ich gut fand: Der Text lässt sich flüssig lesen. Mir sind keine groben Schnitzer aufgefallen.

Das freut mich, denn ich habe extra etwas länger herum gefeilt, damit die Sätze stimmig sind und sich flüssig lesen lassen. Dazu aber jetzt gleich noch eine Frage: Gibt es vielleicht Formulierungen, die unbedingt erhalten bleiben sollten, weil sie gut/raffiniert/stylistisch schön sind? Ich finde einige Formulierungen nämlich ziemlich gut, aber nachdem ich jetzt schon einmal der Betriebsblindheit überführt wurde, möchte ich da lieber noch eine unabhängige Meinung hören...

 

Hallo MuGo,

es gibt in deinem Text drei Szenen, in denen du dem Leser etwas zeigst: ganz am Anfang, ganz am Ende und im zweiten Absatz, wo du herrlich trocken den mechanischen Ablauf sämtlicher Tagesanfänge deines Protagonisten beschreibst. Der Beginn (die ersten beiden Absätze) hat mir sehr gefallen, vor allem das Spiel mit dem Klang der Sprache.

Dann kommt ein großer Brocken Selbstanklage voller rhetorischer Fragen:

Ich bin depressiv, weil ich Angst habe. Wovor? Davor, meine Freunde, meine sozialen Kontakte zu verlieren. Warum? Weil ich es mir einbilde. Ich kann es nicht begründen, aber ich lebe in der Angst, meine Freunde könnten sich von mir entfremden. Das wird vielleicht tatsächlich irgendwann passieren.
usw. usw.
Solche Dinge sind nicht gerade spannend zu lesen, obwohl (oder weil) sie bei jedem sehr ähnlich sind. Drei oder vier Sätze, und man denkt sich als Leser: ah, das! ;)

Figuren, deren Gedanken nur um sich kreisen, können einen skurrilen Charme als Exzentriker versprühen. In einem Roman, in dem sehr viel passiert, kann es ein schöner Kontrast sein, ein paar Seiten lang zu lesen, wie Herr Mustermann depressiv ist und nichts tut, außer zu denken, wie das so ist, als rückbezügliche Endlosschleife. Aber was Geschichten vorantreibt, ist Bewegung: Ereignisse, die einander bedingen, Konflikte, Spannung.

Die ersten zweieinhalb Absätze dieses Textes fand ich frisch und charmant und sympathisch. Wenn es mein Text wäre, würde ich alles nach dem dritten Absatz und vor dem vorletzten Absatz durch einen Satz ersetzen: So wurde ich depressiv.

Wegen der Sprache (die hat was!) trotzdem gern gelesen,

Berg

 

Hallo Mugo,

hab den Text gern gelesen, er wirkt ziemlich authentisch auf mich. Es gibt hier immer wieder Texte, in denen ein Ich-Erzähler sein Leid schildert, die sind meistens melodramatischer und schlechter geschrieben.

Und ich bekam Probleme mit dem, der sich mein „Freund“ nannte. Wir sind nie welche gewesen, wir waren die beiden Menschen die zusammen fanden, weil sie sonst niemanden hatten. Zumindest nicht die eine Hälfte des Tages.

Irgendwie stolpere ich über die Stelle. Find ich unpräzis formuliert im Vergleich zum Rest. Welche Tageshälften meinst du? Schule und den Rest?

Was Kew und Berg sagen, über mehr Handlung und Szenen und andere Charakteren, das stimmt natürlich, das alles in Szenen zu packen und anschaulich zu machen mit einem Konflikt und so … ja.
Ist nicht wahnsinnig originell, aber es sind gute Sätze drin, habs gern gelesen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo MuGo,
auch von mir ein herzliches Willkommen hier,
gerade sehe ich, dass sich meine Antwort mit der von Juju überschnitten hat und sich ein bisserl was wiederholt, aber das lass ich jetzt mal.

ich habe deine Geschichte schon gestern gelesen und musste sie erst mal verdauen. Ich fand das Thema schön, ich fand auch, dass du mit deinen Fragen und Selbstreflektionen den Teufelskreis eines Selbstzweifels recht gut auf den Punkt bringst. Ich finde, da unterscheidest du dich auch sehr von vielen Geschichten, die hier eingestellt werden und die eine Szene beschreiben, in der ein armer Mensch pausenlos um sich selbst kreist. Du unterscheidest dich sowohl sprachlich, weil es einfach flüssig geschrieben und gut lesbar ist. Und du unterscheidest dich auch von der Reflektion her. Nur ist das alles in der Regel etwas, was man für sich selbst aufschreibt. Man sortiert die eigenen Gedanken, kommt dadurch vielleicht einem Problem oder einem bestimmten Umgang mit einem Problem näher und entdeckt Mechanismen, die einem das Leben schwer machen. Kann sie vielleicht sogar beheben oder zumindest abmildern. Aber das ist nichts, was einen besonderen Unterhaltungswert o.ä. für einen Leser hat. Jeder kennt diese Probleme mehr oder weniger selbst. Man interessiert sich vielleicht sogar dafür, wie du das beschreibst. Aber da man deinen Helden/Protagonisten gar nicht kennt, bleibt es blass und fremd.

Du hast nun gefragt, wie du mit der Geschichte umgehen, wie du sie verbessern könntest.

Dazu gerne meine Einfälle, auch wenn ich zugeben muss, dass ich selbst nicht die routinierteste Schreiberin bin. Aber vielleicht kannst du mit meinen Eindrücken ja doch was anfangen.

Schade fand ich fast, als ich in deiner Antwort las:

die zweitklassige "Rahmenhandlung" mit der Klausur kann ja ruhig raus fliegen

Klar, man muss absolut nicht so anfangen, aber in deiner Geschichte setzt sie doch den inneren Monolog des jungen Mannes in Gang. Er erzählt da doch ganz flockig los, ich fand das schön, wie sich auf einmal sein Bild anfängt zusammenzusetzen.

Ein bisschen bestätigt fühle ich mich dadurch, dass auch Berg den Anfang gut fand und das Ende.
Ich weiß, dass es schon Geschichten/Romane gibt, in denen so ein Schulaufsatz der Aufhänger ist. Es gibt auch Geschichten, in denen dasselbe Geschehen immer wieder aus einer anderen Sichtweise betrachtet wird und sich erst dadurch ein schlüssiges Bild ergibt. Aber ich finde, das macht nix, aus meiner Sicht lohnt es sich trotzdem, was daraus zu basteln.

Ich würde also weiter so anfangen:

Mein Lehrer sagt: „Schreiben Sie auf, wie Sie Ihrer Meinung nach von anderen gesehen werden!“ Ich nehme meinen Stift und starre auf das weiße Blatt Papier, das vor mir liegt. Ich weiß nicht, was die anderen über mich denken. Wahrscheinlich nicht mehr, als sie über andere denken. Und der eine sagt: „Der ist schon okay.“ Und der andere sagt: „Was will dieses Arschloch?“ Und der dritte sagt: „Eigentlich kann ich gar nichts über dich sagen.“

Nur den letzten Satz dieses ersten Absatzes
Und irgendwo dazwischen bin ich, ist die Wahrheit, ist das Bild, dass ich „Ich“ nenne.
würde ich weglassen, weil der überflüssig ist. Man weiß als Leser da schon, dass nun verschiedene Sichtweisen zu dem Jungen folgen werden und dass die Summe der Teile nicht die Wahrheit sein wird, man hat ja schließlich schon mal ein paar Bücher gelesen und ein paar Jahre gelebt. Also vertrau dem Leser da mal ruhig, man rafft schon, was kommen wird.

Und daran anknüpfend könntest du einzelne Szenen sich abspielen lassen.
Den Anfang, als er sich o.k. fühlt, nur bis zum Bus griesgrämig ist, aber eben als eine Handlung, aus der das auch rauskommt.
Dann eine Szene mit dem Versprecher des vermeintlichen/angeblichen/echten Freundes, der die Selbstzweifel-Maschinerie in Gang setzt. Was heißt das, dieser Freund und der Prot. hätten sich nur zusammengetan, weil kein anderer sie wollte? Was heißt "für die eine Hälfte des Tages"? Ohnehin man kann als Leser sich da gar kein Bild von diesem Typen machen, aber es könnte echt spannend werden.
Und dann wie weiter? Vielleicht eine Szene mit einem Telefonat, in dem sein sich selbstbestätigender Umgang mit den Freunden rauskommt? Keine Ahnung, musst du halt entscheiden.
Und dann das Ende, wenn dieser Lehrer ihm eine Vier Minus reinsemmelt, das finde ich ebenso wie Berg wieder stark. Das ist eine coole, nachdenklich stimmende Aussage, wenn du die Szenen mit dem Freund, die Szenen, in denen der Versprecher den Selbstzweifel auslöst, seine ganze Entwicklung, die jetzt aber für den Leser farbig und fleischig ist, mit diesem zynischen Satz des Lehrers kommentieren lässt:

„Die Konjunktion ‚und’ eignet sich nicht als Satzanfang. Außerdem haben Sie zu viele Wiederholungen. Insgesamt allenfalls wegen des Mittelteils noch ausreichend.“
Ich merke gerade, dass ich da eine Mordswut auf den Lehrer kriege, ich finde es schon ziemlich krass, in einer benoteten Arbeit solch ein Thema zu geben und dann auch noch so zu reagieren, wenn er diese traurige Selbstanklage des Jungen liest. Also der hat die Pädagogik einer Stinkmorchel. Ich finde, du darfst diesen Sack ruhig auch ein bisschen charakterlich zeichnen. So ein bisschen stinkend. :D nee, natürlich so, dass es passt.

Ob du dann die Endsätze

Und ich lächele und habe endlich etwas, was definiert, wie mich die anderen sehen und womit ich mich klar einordnen kann. Und Innen ist die Leere.
noch schreiben musst, das weiß ich gar nicht.
- Vielleicht kann der Junge dem Lehrer auch eine Antwort geben?
- Oder du lässt nur den allerletzten Satz weg.
- Oder du kürzt folgendermaßen:
Und ich lächele und habe endlich etwas, mit dem ich mich klar einordnen kann.

Du hast auch nach Sätzen, die du behalten solltest, gefragt.
Ich weiß nicht, ob du sie halten kannst, denn dadurch, dass du Szenen schreibst, verändert sich der ganze Mittelteil (hihi, merkwürdige Anspielung).
Trotzdem hier ein paar Beispiele für gelungene Formulierungen.

Meine melancholische Ader war plötzlich meine Hauptschlagader.

Wer Selbstzweifel kennt, weiß, dass sie die Seele verätzen.

Wie gesagt, ich such mal nicht mehr raus, denn es ist total unklar, ob du sie wirst halten können.
Ich kommntiere auch keine redundanten Stellen innerhalb des Textes, denn du überarbeitest es ja sowieso.
Ja, ich fände Idee und Teile so lohnenswert, dass ich auf jeden Fall überarbeiten würde.
Auch wenn Juju, womit er sicherlich Recht hat, meint, dass es keine bes. originelle Idee ist. Aber das ist leider oft so beim Schreiben. Manchmal ist es auch wichtig, einfach was auszuprobieren, was einen persönlich rihtig interessiert, auch wenn es das schon gab.

Viele Grüße und viel Spaß hier.

PS: Ich fand sowohl deine Antwort auf Kew, deine Auseinandersetzung mit deinem eigenen Text, als auch die Tatsache, dass du angfangen hast auch andereGeschichten zu kommentieren, sehr angenehm und sympathisch.
Bis denne

 

Das artet hier ja richtig in Arbeit aus...

Hallo Berg, JuJu und Novak,

vielen Dank auch an euch für eure Kommentare! Ich werde sie jetzt einzeln durchgehen und unten noch ein allgemeines Fazit anhängen.

Berg:

Die ersten zweieinhalb Absätze dieses Textes fand ich frisch und charmant und sympathisch. Wenn es mein Text wäre, würde ich alles nach dem dritten Absatz und vor dem vorletzten Absatz durch einen Satz ersetzen: So wurde ich depressiv.

Radikale Idee, das. Ich weiß nicht, ob ich mich damit anfreunden könnte, da mir dann doch zu viel verloren geht. Ich kann zwar deine Intention verstehen, aber derzeit steckt auch in den "langweiligen" Absätzen noch zu viel Herzblut, als dass ich mich einfach so von den angesprochenen Motiven trennen möchte. Da dann doch lieber umschreiben. Aber ich werde deine Variante einmal auf meinem Rechner verstecken - vielleicht sehe ich sie ja in einem halben Jahr mit anderen Augen?

Wegen der Sprache (die hat was!) trotzdem gern gelesen,

Vielen Dank, das freut mich!

JuJu

hab den Text gern gelesen, er wirkt ziemlich authentisch auf mich. Es gibt hier immer wieder Texte, in denen ein Ich-Erzähler sein Leid schildert, die sind meistens melodramatischer und schlechter geschrieben.

Der Text ist tatsächlich in weiten Teilen authentisch, weil er auf einem uralten Text basiert, den ich irgendwann gegen Ende der Schulzeit geschrieben habe (ach ja, süße Jugend). Und naja, ich habe extra an der Sprache gefeilt, damit es sich flüssig liest (und selbst jetzt gibt es noch Stellen, die mir nicht passen...)

Zitat: Und ich bekam Probleme mit dem, der sich mein „Freund“ nannte. Wir sind nie welche gewesen, wir waren die beiden Menschen die zusammen fanden, weil sie sonst niemanden hatten. Zumindest nicht die eine Hälfte des Tages.

Irgendwie stolpere ich über die Stelle. Find ich unpräzis formuliert im Vergleich zum Rest. Welche Tageshälften meinst du? Schule und den Rest?

Ja, richtig interpretiert. Mal sehen, was ich aus der Stelle mache, aber so bleibt sie sicherlich nicht erhalten.

Novak:

Aber da man deinen Helden/Protagonisten gar nicht kennt, bleibt es blass und fremd.

Ja, der Vorwurf ist berechtigt - hier muss was geschehen!

Schade fand ich fast, als ich in deiner Antwort las:

die zweitklassige "Rahmenhandlung" mit der Klausur kann ja ruhig raus fliegen

Klar, man muss absolut nicht so anfangen, aber in deiner Geschichte setzt sie doch den inneren Monolog des jungen Mannes in Gang. Er erzählt da doch ganz flockig los, ich fand das schön, wie sich auf einmal sein Bild anfängt zusammenzusetzen.

Schön, dass dir die Rahmenhandlung zusagt. Ich habe sie eher als Notlösung gesehen, da ich einen Auslöser für den Stream of Consciousness brauchte. Aber wenn sie ankommt, darf sie natürlich bleiben!

Nur den letzten Satz dieses ersten Absatzes
Und irgendwo dazwischen bin ich, ist die Wahrheit, ist das Bild, dass ich „Ich“ nenne.

würde ich weglassen, weil der überflüssig ist. Man weiß als Leser da schon, dass nun verschiedene Sichtweisen zu dem Jungen folgen werden und dass die Summe der Teile nicht die Wahrheit sein wird, man hat ja schließlich schon mal ein paar Bücher gelesen und ein paar Jahre gelebt. Also vertrau dem Leser da mal ruhig, man rafft schon, was kommen wird.

Schade, ich mochte den Satz. Aber da ich als Leser selbst auch nichts schlimmer finde als einen Autor, der mich für blöd hält, finde ich den Einwand erhellend und berechtigt.

Ich merke gerade, dass ich da eine Mordswut auf den Lehrer kriege, ich finde es schon ziemlich krass, in einer benoteten Arbeit solch ein Thema zu geben und dann auch noch so zu reagieren, wenn er diese traurige Selbstanklage des Jungen liest.

Das freut mich, dass die Geschichte trotz ihrer Schwächen solche starken Emotionen auslösen kann. Der Lehrer dient ja auch ein bisschen als Beispiel dafür, dass der Protagonist eigentlich nur irgendein Zeichen will, dass man ihn schätzt, wie er ist (-> in den Arm genommen werden), aber es sich eben niemand findet, der es ihm gibt. Natürlich kommt der Lehrer hier ziemlich mies weg, aber er ist gar nicht unbedingt der böse Antagonist, sondern nur eine Reflexion auf das Problem. Gleichzeitig bleibt der Protagonist aber auch passiv in der Szene - er will also gar nicht wissen, was der Lehrer inhaltlich von dem Text hält. Das macht für mich die Ambivalenz solcher Selbstanklagen aus. Manchmal ist es eben einfacher, Opfer zu sein. Aber ist man wirklich das Opfer?

Oder du lässt nur den allerletzten Satz weg.
Oder du kürzt folgendermaßen:
Und ich lächele und habe endlich etwas, mit dem ich mich klar einordnen kann.

Ja, der letzte Satz ist doof, der passt nicht einmal vom Lesefluss rein. Der kommt auf jeden Fall weg. Die Änderung vom vorletzten Satz ziehe ich in Betracht, auch wenn mich dieser Satz auch nicht ganz zufrieden hinterlässt. Vielleicht kommt die zündende Idee ja noch.

Auch wenn Juju, womit er sicherlich Recht hat, meint, dass es keine bes. originelle Idee ist. Aber das ist leider oft so beim Schreiben. Manchmal ist es auch wichtig, einfach was auszuprobieren, was einen persönlich rihtig interessiert, auch wenn es das schon gab.

Dazu habe ich einmal einen guten Kommentar von einem professionellen Drehbuchschreiber gehört: Alle wollen immer eine nie dagewesene, raffinierte, total neuartige Geschichte schreiben. Aber erst, wenn jemand auch die ganzen alten ausgelutschten Themen wie Mann liebt Frau, Gut gegen Böse, Ausbruch aus dem Alltagstrott etc. so beleuchten kann, dass sie den Leser trotz des bekannten Themas unterhalten, ist er ein wirklich guter Schreiber.

Seitdem habe ich kein Problem mehr damit, wenn meine Ideen nicht neuartig sind, sondern sehe es eher als Herausforderung, trotzdem was daraus zu machen!

PS: Ich fand sowohl deine Antwort auf Kew, deine Auseinandersetzung mit deinem eigenen Text, als auch die Tatsache, dass du angfangen hast auch andereGeschichten zu kommentieren, sehr angenehm und sympathisch.

Haha, ja, ich habe mich, bevor ich mich hier angemeldet habe, erstmal ein bisschen umgesehen und mit dem Forum vertraut gemacht und bin dabei auf einen Beitrag gestoßen, dass man sich erstmal umsehen und mit dem Forum vertraut machen soll. Da kam ich mir gleich wie ein Streber vor...

Aber im Ernst: Es erschreckt mich eher, dass es scheinbar Leute gibt, die hier keine konstruktive Kritik erwarten, sondern nur positive Wohlfühl-Kommentare. Wenn ich mich für so unfassbar begabt halte, dass ich keiner Kritik bedarf, dann kann ich mein Zeug auch auf einer eigenen Website veröffentlichen und muss nicht andere Leute damit belästigen.

Fazit:

Aus den vier Kommentaren habe ich jetzt folgendes als Fazit destilliert:

  • Die Idee ist gut und hat Potenzial - dran bleiben!
  • Die Rahmenhandlung ist scheinbar doch nicht so schlecht wie gedacht.
  • Der Protagonist ist zu blass - da müssen mehr Konflikte her! Andeutungen gibt es im Text ja genug, aber die müssen auch ausgeschrieben werden.
  • Weg mit der Selbstanklage - kennt jeder, versteht jeder und ist nicht wirklich interessant zu lesen.
  • Die Sprachpflege lohnt sich!

Na, da kann man doch was mit anfangen!

Noch einmal vielen Dank für das Durchlesen und Kommentieren. Ich bleibe an der Geschichte dran und werde sie überarbeiten, damit sie die Leser mehr anspricht.

 

Hi MuGo!

Haha, ja, ich habe mich, bevor ich mich hier angemeldet habe, erstmal ein bisschen umgesehen und mit dem Forum vertraut gemacht und bin dabei auf einen Beitrag gestoßen, dass man sich erstmal umsehen und mit dem Forum vertraut machen soll. Da kam ich mir gleich wie ein Streber vor...
Die Art von Streber darfst du gerne sein, dafür wirst du hier vermutlich NICHT verprügelt :D

Vorab: Depression halte ich für ein undankbares Thema beim Schreiben, genau wie Selbstmord. Da ist es ziemlich leicht, den größten Mist zu produzieren, da hab ich schon viel Übles gelesen im Forum.

Dein Text ist kein Mist, das meine ich nicht (zumal er sich auch flüssig liest, das wurde dir ja schon gesagt). Aber du tust dir keinen Gefallen mit dieser Erzählform, Ich-Erzähler + reine Innenansicht (abgesehen von zwei Dialogzeilen mit dem Lehrer).
So nebenbei: Ich bin mir relativ sicher, dass es sich bei dieser Erzählform nicht um SoC handelt, aber das solltest du besser selbst noch einmal nachschlagen. :)

Den Gedanken eines körperlosen, gesichtslosen, persönlichkeitslosen Ichs folgt ein Leser nur ungern. Da schlage ich in dieselbe Bresche wie alle andern vor mir: schreib da ein paar Szenen aus, mit Figuren, mit Dialog.

Dem Text, so wie er jetzt ist, konnte ich hier nicht so richtig folgen:

Und dann ging ich weg und ich war in der Fremde und ich bekam Heimweh.
...
Und ich kehrte zurück und alles war gut. Und ich kam zurück und alles war gut. Und ich bin zurück und es ist vorbei. Denn in einem Jahr hatte ich mehr dunkle Phasen als mein ganzes Leben zuvor. Von der ersten ging es in die nächste ging es in die übernächste. Doch warum bin ich depressiv?
Das ist komisch auf der Zeitebene.
"Ich" ging weg, kam wieder, alles war gut, aber es war dann ja doch nicht gut, "ich" blieb depressiv. Das knirscht.

Ich bin depressiv, weil ich Angst habe. Wovor? Davor, meine Freunde, meine sozialen Kontakte zu verlieren. Warum? Weil ich es mir einbilde. Ich kann es nicht begründen, aber ich lebe in der Angst, meine Freunde könnten sich von mir entfremden. Das wird vielleicht tatsächlich irgendwann passieren. Aber ich glaube, dass es jetzt, grade jetzt in diesem Augenblick passiert. Und warum grade jetzt? Ach, es gibt da so Anzeichen… Was für Anzeichen? Naja, mich mag doch sowieso keiner.
Das widerspricht sich mit dem Bild von weiter oben, wo er nur einen einzigen "Freund" zu haben scheint. Die Zweckgemeinschaft, der Typ, mit dem er nur für die Schulzeit zusammen ist. Jetzt sind es plötzlich ganz viele Freunde und soziale Kontakte, um die er fürchtet. Das knirscht auch.

Ich weiß nicht, was die anderen über mich denken. Wahrscheinlich nicht mehr, als sie über andere denken. Und der eine sagt: „Der ist schon okay.“ Und der andere sagt: „Was will dieses Arschloch?“ Und der dritte sagt: „Eigentlich kann ich gar nichts über dich sagen.“ Und irgendwo dazwischen bin ich, ist die Wahrheit, ist das Bild, dass ich „Ich“ nenne.
Bis auf das Kursive fand ich das schön. Das Kursive wird dann schon wieder so pseudo-poetisch ...

Und ich gebe diesen Text ab und mein Lehrer liest ihn sich durch und sagt: „Die Konjunktion ‚und’ eignet sich nicht als Satzanfang. Außerdem haben Sie zu viele Wiederholungen. Insgesamt allenfalls wegen des Mittelteils noch ausreichend.“ Und ich lächele und habe endlich etwas, was definiert, wie mich die anderen sehen und womit ich mich klar einordnen kann. Und Innen ist die Leere.
Als fiese Pointe finde ich das auch gut. (Davon ab: Du hast "Und" als Satzanfang echt strapaziert, hier ist das natürlich richtig der Pointe wegen, aber in anderen Texten machst du das hoffentlich nicht so arg.)

Ich wäre gespannt auf die Überarbeitung. Die Rahmenhandlung mit der Klausur und die Pointe mit dem Lehrer darf ruhig bleiben, aber anstatt innen drin nur Gedankengeschwafel, da dann halt "richtig erzählen", also Szenen zeigen. Dem Leser bisschen was bieten. So dass der Leser selbst drauf kommt: aha, dem Erzähler gehts mies - dann muss der Erzähler das mit diesen Worten gar nicht mehr sagen.
Also, ja, hau rein. Und behalt im Hinterkopf, dass ein Leser unterhalten werden möchte. :)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Möchtegern,

Die Art von Streber darfst du gerne sein, dafür wirst du hier vermutlich NICHT verprügelt

Puh, da habe ich ja noch einmal Glück gehabt...

Aber du tust dir keinen Gefallen mit dieser Erzählform, Ich-Erzähler + reine Innenansicht.

Zu der Erkenntnis bin ich inzwischen auch erlangt, denn die bisherigen Kommentare sprechen da doch eine ziemlich deutliche Sprache!

So nebenbei: Ich bin mir relativ sicher, dass es sich bei dieser Erzählform nicht um SoC handelt, aber das solltest du besser selbst noch einmal nachschlagen.

Ich habe es jetzt einmal bei Wikipedia nachgeschlagen und gut, einigen wir uns auf innerer Monolog...

Den Gedanken eines körperlosen, gesichtslosen, persönlichkeitslosen Ichs folgt ein Leser nur ungern. Da schlage ich in dieselbe Bresche wie alle andern vor mir: schreib da ein paar Szenen aus, mit Figuren, mit Dialog.

In Ordnung, wird gemacht!

Und dann ging ich weg und ich war in der Fremde und ich bekam Heimweh.
...
Und ich kehrte zurück und alles war gut. Und ich kam zurück und alles war gut. Und ich bin zurück und es ist vorbei. Denn in einem Jahr hatte ich mehr dunkle Phasen als mein ganzes Leben zuvor. Von der ersten ging es in die nächste ging es in die übernächste. Doch warum bin ich depressiv?

Das ist komisch auf der Zeitebene.
"Ich" ging weg, kam wieder, alles war gut, aber es war dann ja doch nicht gut, "ich" blieb depressiv. Das knirscht.

Ich habe erst eine Weile gebraucht, um das Knirschen auch zu bemerken, aber ja, es stimmt, es wird nicht erklärt, wieso erst alles gut ist und dann plötzlich doch nicht. Okay, es folgt eine Art Erklärung im nächsten Absatz, aber das ist ausgerechnet der, der am schlechtesten ankommt...

Das widerspricht sich mit dem Bild von weiter oben, wo er nur einen einzigen "Freund" zu haben scheint. Die Zweckgemeinschaft, der Typ, mit dem er nur für die Schulzeit zusammen ist. Jetzt sind es plötzlich ganz viele Freunde und soziale Kontakte, um die er fürchtet. Das knirscht auch.

Oh, dann ist die Stelle mit dem "Freund" nicht klar genug herausgearbeitet. Es geht darum, dass er in der Fremde (d.i. ein anderes Land, in dem er als Austauschschüler ist - eines dieser vielen kleinen Details mit denen ich den Leser nicht unnötig belasten wollte, wie es scheint) nur einen Freund hat, mit dem er während der Schulzeit zusammen hocken kann - nicht, dass er nur einen Freund hat.

Ich weiß nicht, was die anderen über mich denken. Wahrscheinlich nicht mehr, als sie über andere denken. Und der eine sagt: „Der ist schon okay.“ Und der andere sagt: „Was will dieses Arschloch?“ Und der dritte sagt: „Eigentlich kann ich gar nichts über dich sagen.“ Und irgendwo dazwischen bin ich, ist die Wahrheit, ist das Bild, dass ich „Ich“ nenne.

Bis auf das Kursive fand ich das schön. Das Kursive wird dann schon wieder so pseudo-poetisch ...

Auch diesen Schuh ziehe ich mir an, aber ich habe ein Problem mit dem verkürzten Satz, da er zumindest in meiner Wahrnehmung den Lesefluss zu abrupt beendet - da muss einfach noch was nachfedern. Mal sehen, da findet sich schon eine Lösung, die nicht wie bisher mit dem Holzhammer kommt...

Du hast "Und" als Satzanfang echt strapaziert, hier ist das natürlich richtig der Pointe wegen, aber in anderen Texten machst du das hoffentlich nicht so arg.

Glücklicherweise war ich auf einer Schule, wo einem solcher Unsinn, wie einen Satz mit "Und" zu beginnen, noch von den Deutsch-Lehrern ausgetrieben wurde. Hier hat es sich aber ergeben, dass es mir stimmig erschien und ich es deswegen als eine Art Stilmittel verwendet habe. Der Kommentar vom Lehrer ist daher eine Art Meta-Gag auf meine Kosten, weil ich es ja eigentlich besser wissen sollte. Ob das "Und" aber nach der Bearbeitung erhalten bleibt, wird sich noch zeigen müssen.

Die Rahmenhandlung mit der Klausur und die Pointe mit dem Lehrer darf ruhig bleiben, aber anstatt innen drin nur Gedankengeschwafel, da dann halt "richtig erzählen", also Szenen zeigen. Dem Leser bisschen was bieten. So dass der Leser selbst drauf kommt: aha, dem Erzähler gehts mies - dann muss der Erzähler das mit diesen Worten gar nicht mehr sagen.

Haha, da bleibt aber nicht mehr viel vom Original-Text. Aber ich nehme die Herausforderung gerne an. Schließlich scheint ja jeder hier ein gewisses Potenzial im Text zu entdecken!

Also, noch einmal vielen Dank für die kritischen Anmerkungen und den positiven Grundtenor - das motiviert!

 

Hey Mugo!

Ich lese sowas auch ungerne, ich habe deswegen zu Ende gelesen, weils flüssig geschrieben ist. Also stilistisch ist das sehr angenehm zu lesen.

Es gibt ja quasi keine Handlung, nicht im engeren Sinne, die einzige Handlung ist hier die Rahmenhandlung.

Es ist tatsächlich ein Aufsatz darüber geworden, was er über sich selbst denkt und meistens interpretiert er, es ist alles geschehen, der Leser erlebt nichts mit der Figur, sie erzählt uns, wie es ihr geht, ohne dass wir wirklich wissen, was mit ihr geschehen ist und warum es ihr so dreckig geht.

Ich finde, dass du da interessante Themen drin hast, aber das ist alles sehr oberflächlich. Schon allein dieses: Wir waren nur deswegen Freunde, weil wir die Übrigen waren, mit denen keiner befreundet sein wollte. Das ist hart.

Also ja, das würde sehr in Arbeit ausarten, wenn du das alles szenisch umsetzt, aber hey, du willst ja Kurzgeschichten schreiben und keine Aufsätze. :P Also ran an den Speck, das Handwerk hast du schon mal!

JoBlack

 

Hallo JoBlack,

Also ja, das würde sehr in Arbeit ausarten, wenn du das alles szenisch umsetzt, aber hey, du willst ja Kurzgeschichten schreiben und keine Aufsätze.

Hast ja Recht...

Also ran an den Speck, das Handwerk hast du schon mal!

Und mit solchem Rückenwind fürs Ego kann man ja nicht nein sagen!

Also, vielen Dank fürs Lesen (trotz ungerne) und erst Recht für den Kommentar!

 

Hi MuGo,

Viel Neues kann ich gar nicht mehr sagen, da ist schon viel gute Kritik gekommen. Es stimmt schon, es gibt hier öfter Texte, in denen ein Ich-Erzähler sein Leid klagt, oft besteht da eine Überschneidung zur nicht unerheblichen Fülle an Selbstmord-Texten und häufig sind die sehr autobiographisch. Aber der Text hier hebt sich positiv ab: Er liest sich sehr geschmeidig, ist - so weit ich sehe - von Schnitzern frei. Er hat nicht diese jammernden Ton, der einem furchtbar schnell auf die Nerven geht. Wahrscheinlich weil er sich, trotz eines autobiographischen Kerns, doch explizit als literarischer Text versteht.

Und Pointe und Rahmen - die finde ich richtig gut:

Mein Lehrer sagt: „Schreiben Sie auf, wie Sie Ihrer Meinung nach von anderen gesehen werden!“
Das war für mich in der Schulzeit auch so ein Phänomen: Dass viele Lehrer Dinge zum Gegenstand lächerlicher Hausarbeiten und Übungen machen, die für den Schüler von wirklicher persönlicher Bedeutung sind. Das heutige Aufsatz-Thema: "Bin ich glücklich?", "Mein peinlichstes Erlebnis" oder so. Und es ist halt schön, dass das die Geschichte wieder schließt, weil es diese Dinge, die für deinen Erzähler so wichtig sind, auf kaum zu überbietende Weise trivialisiert.

Zuletzt gefällt es mir auch, wie du hier mit der Kritik umgehst und ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis der Überarbeitung. Nur: Du musst schauen, dass du dich da nicht übernimmst. Weil du hier sehr viel zusammenfasst, viele Geschehnisse, große Zeiträume. Wenn du das alles szenisch gestaltest, hast du ein richtiges Epos. Da musst du sehen, dass du dir aus der Fülle irgendein zentrales Problem rausgreifst, vielleicht die Beziehung zu diesem Freund.

Also: Ich denke, der Text hat dir geholfen, dem Protagonisten näherzukommen, aber beim Überarbeiten würde ich auch ein Stück vom Text weggehen - weil es, wie gesagt, zu viel wäre, wenn du das alles ausarbeiten würdest.

Wie gesagt, ich bin gespannt!

Grüße,
Meridian

 

Hallo Meridian,

auch dir sei ein fröhliches "Danke!" für deinen Kommentar entgegen geschmettert.

Wenn du das alles szenisch gestaltest, hast du ein richtiges Epos. Da musst du sehen, dass du dir aus der Fülle irgendein zentrales Problem rausgreifst, vielleicht die Beziehung zu diesem Freund.

Vielen Dank für diesen Hinweis. Ich befürchte sogar, dass eine Ausgestaltung aller Szenen am Ende nicht nur einen Epos schaffen könnte, sondern darüber hinaus nur das Gefühl hervorrufen würde, nur immer wieder eine Variation des immergleichen Themas zu lesen. Ich werde mich daher wohl wie angeraten auf eine oder maximal zwei Szenen beschränken und das, was rausfliegt, als Steinbruch für zukünftige Geschichten verwenden.

Auch ohne viel Neues vielen Dank fürs Lesen und für das erneute Betonen, dass aller meiner Zweifel zum Trotz die Rahmenhandlung doch nicht so schlecht ist, sondern gut anzukommen scheint.

 

Hallo nochmal.

Gibt es vielleicht Formulierungen, die unbedingt erhalten bleiben sollten, weil sie gut/raffiniert/stylistisch schön sind?
Das ist immer schwierig. Ein Satz kann noch so schön sein, wenn er der Geschichte im Weg steht, muss er raus. Falls du aber Ermutigung möchtest, such ich dir gerne noch was raus. :)
Und ich denke, wenn du Lust zur Arbeit hast, solltest du die szenische Ausführung versuchen. Ich glaube, das siehst du die Unterschiede am Besten und weißt dann selbst, welcher der beiden Wege dir mehr liegt.

Ob SoC oder nicht: Ziemlich sicher nicht. Das ist eher ein innerer Monolog. Zuviel Struktur. Keine Gedankenfetzten und Assoziationssprünge, wenn ich mich richtig erinnere.

Gruß,
Kew

 

Hallo Kew,

Gibt es vielleicht Formulierungen, die unbedingt erhalten bleiben sollten, weil sie gut/raffiniert/stylistisch schön sind?

Das ist immer schwierig. Ein Satz kann noch so schön sein, wenn er der Geschichte im Weg steht, muss er raus. Falls du aber Ermutigung möchtest, such ich dir gerne noch was raus.

Nee, mach dir mal nicht so viel Mühe. Inzwischen ist mir klar, dass da ganz gehörig umgebaut werden muss, da macht es wirklich keinen Sinn, einzelne Sätze irgendwie wieder in die Geschichte zu pressen. Aber vielen Dank für dein Angebot!

Ob SoC oder nicht: Ziemlich sicher nicht. Das ist eher ein innerer Monolog. Zuviel Struktur. Keine Gedankenfetzten und Assoziationssprünge, wenn ich mich richtig erinnere.

Ach, Schade. SoC klingt so viel besser als Innerer Monolog...

 

Hallo MuGo

Mein Lehrer sagt: „Schreiben Sie auf, wie Sie Ihrer Meinung nach von anderen gesehen werden!“ Ich nehme meinen Stift und starre auf das weiße Blatt Papier, das vor mir liegt. Ich weiß nicht, was die anderen über mich denken. Wahrscheinlich nicht mehr, als sie über andere denken. Und der eine sagt: „Der ist schon okay.“ Und der andere sagt: „Was will dieses Arschloch?“ Und der dritte sagt: „Eigentlich kann ich gar nichts über dich sagen.“ Und irgendwo dazwischen bin ich, ist die Wahrheit, ist das Bild, dass ich „Ich“ nenne.

Der Anfang gefällt mir ziemlich gut, weil der Erzähler gleich einen Charakter bekommt, da hab ich erwartet, dass es ein guter Text wird, weil mir der Ton gefallen hat. Ich würde aber das weglassen, was ich fett markiert habe. Dann klingts viel runder.

Was danach kommt, gefällt mir nicht. Weil sich nichts bewegt, weil alles im Kopf kreist und keine Handlung entsteht, keine Bilder aufleuchten. Das Ende finde ich okay, gar nicht schlecht, aber dazwischen müsste eine Geschichte erzählt werden, zwischen dem guten ersten Absatz und der Pointe. Die fehlt, es fehlt die Sicht von außen auf den Erzähler, es fehlt das, was die anderen über ihn denken.

Lollek

 

Hallo Herr Lollek,

vielen Dank für das Lesen dieses Fragments, als das ich es ja nur noch zerknirscht bezeichnen kann.

Ja, da folgt noch einmal eine gründliche Überarbeitung (mit Szenen und Dialogen und diesem ganzen neumodischen Kram, der hier von alles so vehement gefordert wird, und deutlich weniger von diesem Herumgejammere). Aber das wird wohl noch ein Weilchen dauern, da ich gerade mit anderen wichtigen Sachen beschäftigt bin, wie zum Beispiel alle Miyazaki-Filme angucken und Urlaub machen!

Aber da kommt was - das sei hiermit auf das Allerheiligste versprochen!

 

Hallo MuGo,

die ersten beiden Absätze fand ich am besten, vielleicht auch am spannendsten. Vielleicht könntest du in einer Überarbeitung den Rahmen der Unterrichtsstunde etwas mehr ausführen. Da ist bestimmt noch Potential, um die Dynamik zwischen den Figuren auszuloten.

Mich würde etwas die "Auflösung" interessieren, die du schon etwas andeutest, wie wird dein Prot wirklich gesehen von den anderen?

Das Thema find ich ansprechend, leider dreht es sich am Ende eher etwas um sich selbst. Was aber nicht sooo schlimm ist, weil der Text recht kurz ist.

Sehr gelungen fand ich

Meine melancholische Ader war plötzlich meine Hauptschlagader. Und ich bekam Probleme mit dem, der sich mein „Freund“ nannte. Wir sind nie welche gewesen, wir waren die beiden Menschen die zusammen fanden, weil sie sonst niemanden hatten. Zumindest nicht die eine Hälfte des Tages.

besonders das Bild der melancholischen Hauptschlagader.

bitte mehr davon. :)

Das würde gerade bei so einem Text helfen, das man als leser nicht zusehr in die depressive welt gezogen wird (die sicher viele kennen), sondern einen angenehmen abstand dazu hat. gerade das nebeneinander von gut drauf sein, weniger gut drauf sein macht die mischung aus.

sehr spannend fänd ich, wenn du die figuren, wie den "freund" mit kleinen episoden und beschreibungen noch einbauen könntest. das würde ein großer gewinn sein.

schöne grüße petdays

 

Hallo petdays,

ja, dieser Text hier...

Also, da kommt irgendwann eine größere Überarbeitung und wahrscheinlich werden es sogar zwei Texte, die dann eigenständig noch einmal hier im Forum veröffentlicht werden. Da fließt dann auch alles ein, was hier so an Vorschlägen kam.

Aber derzeit liegt der Text leider noch als Steinbruch auf meiner Festplatte und wartet darauf, dass mich die Muse küsst. Solange bitte ich also darum, dich noch zu gedulden.

 

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