Was aus Mobbing werden kann....?!
Er war klein. Kleiner als die anderen Jungs in der Klasse. Sie hänselten ihn deswegen immer. Klauten sein Pausenbrot und hielten es hoch. Selbst mit springen konnte er es nicht erreichen.
Niemand rechnete damit. Niemand rechnete mit dieser Reaktion. Für alle kam es überraschend.
Aber nicht für ihn. Für ihn war es einleuchtend, es machte Sinn.
Der Junge sah das Messer nicht. Als er einen Schmerz in seiner linken Bauchhälfte spürte, konnte er ihn nicht zuordnen. Er sah hinab. Das viele Blut erschrak ihn. Ihm wurde übel. Die Brezel in seiner Hand lies er fallen.
Der Junge hatte das Messer wieder herausgezogen. Er stand und sah auf seinen Gegner hinab. Dieser krümmte sich. Er hielt die Wunde mit beiden Händen. Es blutete weiter.
Nun hatte er gesiegt. Er stand über ihm. Er hatte triumphiert.
Er fühle Glück. Es war ein überwältigendes Gefühl. Es überflutete ihn. Er lächelte.
Sie sprach gerade mit einer der Mädchen. Das Mädchen fragte sie, bis wann sie die Hausaufgabe fertig machen mussten. Sie hatte am Ende der Stunde nicht aufgepasst. Es war ihr wichtiger, so schnell wie möglich auf den Pausenhof zu kommen. Aber nun musste sie fragen. Ihre Mutter würde sonst sauer auf sie sein, wenn sie wieder nicht wusste, was sie zu tun hat.
Sie wollte dem Mädchen gerade antworten, als sie den Schrei hörte. Er ging ihr bis ins Mark. Sowas hatte sie noch nie gehört. Ja, schön öfters war ein Junge beim Fangespielen gestürzt oder ein Mädchen hatte sich beim Seilspringen verletzt, aber nie hatte sie dabei einen solchen Schrei vernommen.
Sie drehte ihren Kopf. Sie wird dieses Bild nie wieder vergessen.
Es wird sie den Job kosten. Man wird ihr nicht die Schuld geben. Keiner hätte das vorhergesehen. Aber sie gab sich die Schuld. Sie wird versuchen, damit zu leben. Sie konnte es nicht. Geplagt von Depressionen und Schlafstörungen wird sie in der Psychiatrie enden. Niemand konnte ihr helfen.
Er stand. sie versuchte sich an seinen Namen zu erinnern. Es muss schon 2 Jahre her gewesen sein, dass er in ihrer Klasse war. Justin? Oder war es Thomas? Nein, Thomas war der andere.
Er hielt ein Messer. Es war ein großes Messer. So wie es Jäger verwenden. Sie wusste das, ihr Vater hatte gejagt. Sie mochte das nie, doch war sie damit aufgewachsen.
Der andere Junge war auf den Knien. Er war nach vorne gebeugt. Etwas rotes lag vor ihm, es war flüssig. War das Blut?
Schnell lief sie zu ihnen. Sie schrie und gestikulierte. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Darauf hatte sie niemanden vorbereitet. Als sie näher kam, sah sie sein Lächeln. Es verstörte sie.
Sie würde später aussagen, wie surreal sie alles wahrnahm.
Sie griff zu ihrem Handy. Es war nicht dort.
Erst heute hatte sie begonnen, alle Handys einzusammeln, da zu viele der Kinder sich nicht auf den Unterricht konzentrierten. Die Kinder hatten protestiert. Hatten ihr vorgeworfen, sie würde ihres behalten. Um für Ruhe zu sorgen, hatte sie auch ihres in die Box gelegt und dann in den Schrank verschlossen.
Nun konnte sie es nicht benutzen. Konnte den Notarzt nicht rufen.
Es wird eine neue Regel geben. Jeder Lehrer hat ein aufgeladenes Handy mit sich zu tragen. Sie Schulleitung wird es sogar in die Schulordnung aufnehmen. So etwas soll nie wieder passieren.
Es war zu spät
20 Minuten sind vergangen, bis der Notarzt eintraf.
Sie musste zuerst in das Sekretariat rennen. Dort befand sich der einzige Telefonanschluss. Es gab nur noch einen weiteren. Im Büro des Schulleiters, aber dieses befand sich weiter entfernt.
Das Sekretariat lag ganz hinten. Es war ungünstig platziert, für eine Schule.
Früher gab es ein anderes, weiter vorne, genau neben dem Eingang. Aber das war groß und die Schule wuchs, man baute es in ein Klassenzimmer um und setzte das Sekretariat in eine Kammer, die nicht benutzt wurde.
Sie brauchte lang, bis sie dort war. Der Rettungswagen fuhr sofort los, aber es dauerte. Das Dorf lag weit weg. Es war klein. Hier passierte nicht oft was.
Der Vorwurf verbreitete sich schnell. Er schlug eine tiefe Narbe in das Dorf.
Das Dorffest am nächsten Sonntag wurde abgesagt, der Vater des Jungen viel in eine tiefe Depression. Er zog ihn alleine auf. Seine Frau starb vor 5 Jahren. Es war Krebs.
Nun war er allein.
Das alles wegen einer Bretzel dachten alle. Aber für den Jungen war es nicht nur eine Bretzel. Für ihn war es nur der winzige Tropfen Wasser, der das Fuß zum überschwemmen brachte. Für ihn war es das Ende, langer einsamer und schwerer Jahre, voller Demütigung und Missachtung.
Nie wieder wird ihn jemand demütigen. Freunde wird er aber auch nicht finden.