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Warum?

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07.02.2018
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Warum?

Die Diagnose hatte er letzte Woche erhalten. Er hatte nur noch ein Jahr zu leben. Die Zeit wurde knapp, deshalb beschloss er es heute zu tun. Schon oft hatte er darüber nachgedacht sie anzurufen. An vielen Abenden hatte er in seinem Wohnzimmer gesessen, den Hörer in der Hand, die Nummer schon eingetippt. Doch immer war er zu feige gewesen. An diesem Abend aber war es anders. Er saß wieder auf der Couch vor seinem Fernseher mit dem Hörer in der Hand. Er tippte aufgeregt die Nummer ein. Nach kurzem Klingeln meldete sich eine Frauenstimme. Nachdem sich der Mann kurz vorgestellt hatte, fragte er sie nach einem Treffen am nächsten Tag. Sie stimmte zu und legte auf.
Der Mann legte erleichtert den Hörer auf den Tisch vor sich und strich sich anschließend eine graue Strähne aus seinem Gesicht. In seinen blauen freundlichen Augen sah man deutlich wie glücklich er war. Mühsam stand er auf und legte sich schlafen. Er konnte den nächsten Tag kaum erwarten.
Der Wecker riss den Mann aus dem Schlaf. Mit seiner kühlen Hand stellte er schnell den Wecker ab, bevor dieses schrille, ohrenbetäubende Klingeln auch noch die Nachbarn aufwecken würde. Seufzend setzte er sich auf. Da erinnerte er sich wieder an das Treffen, das diesen Nachmittag stattfinden sollte und sofort hob dieser Gedanke seine Stimmung wieder. Der Nachmittag kam schneller als gedacht. Die Sonne ging schon langsam unter und der Mond war schon schwach zu sehen. Der Mann stand mit einem kleinen Geschenk vor dem Café, in dem er sie treffen würde. Er sah zum siebten Mal aufgeregt auf seine Uhr.
Plötzlich erschien eine Frau neben ihm. Sie sah ihn freundlich an, bekam aber nicht mehr heraus als ein schwaches: „Hallo.“ Er konnte seinen Augen nicht trauen, sie war noch hübscher als erwartet. Er begrüßte sie ebenfalls und führte sie ins Café. Viele Blicke waren auf die junge, hübsche Frau gerichtet und der Mann freute sich darüber. Die zwei verstanden sich gut. Sie lachten viel miteinander, konnten aber auch über ernste Themen reden. Er wusste, dass er ihr über seine Diagnose berichten musste, doch er konnte es nicht. Nicht, wenn er in diese strahlend blauen Augen und auf dieses wunderschöne Lächeln sah. Es war schon spät, als die zwei aus ihrem Gespräch gerissen wurden und zum Gehen gebeten wurden. Dem Mann überkam ein kleines Gefühl von Traurigkeit, da der Abend so schnell vorbei gewesen war. Doch er wusste, dass er sie wiedersehen würde. Der Mond stand schon klar am Himmel und die einzigen auf dieser Straße waren sie. Er nahm vorsichtig ihre Hände und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Wange: „Ich bin froh, dich endlich kennengelernt zu haben.“ Die Frau nickte leicht und erwiderte: „Ich auch. Ich auch.“
Als der Mann wieder in seiner kleinen, aber gemütlichen Wohnung war, konnte er einfach nicht mehr aufhören zu lächeln. Er bekam sie nicht mehr aus dem Kopf. In seinen Augen war sie perfekt. Am nächsten Tag rief er sie nochmal an. Sie unterhielten sich stundenlang über alles Mögliche. Erst als er die Augen kaum noch offenhalten konnte, beendete er das Gespräch. Die nächsten Wochen trafen sie sich oft. Er besuchte sie bei der Arbeit, sie gingen essen oder einfach nur im Park spazieren und redeten.
Nach vielen, wunderschönen Treffen musste er es ihr dann endlich sagen. Er konnte es ihr nicht mehr verheimlichen. An der Tür klingelte es. Den ganzen Tag schon hatte er sich überlegt wie er es ihr sagen sollte. Jetzt war es so weit. Er öffnete ihr die Tür und sie setzten sich gemeinsam an den Tisch. Mit besorgter Miene fragte sie ihn: „Was ist los?“ Er atmete tief ein und erzählte ihr von seiner Diagnose und dass er nur noch ein paar Monate zu leben hatte. Sie saß ihm noch immer gegenüber, doch dieses wunderschöne Lächeln und das Funkeln in ihren Augen war verschwunden. Stattdessen liefen ihr Tränen über die Wangen. Sie fing an zu schluchzen und schrie: „Warum? Warum?“ Voller Verzweiflung vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen. Er saß ihr gegenüber. Entschuldigend, hilflos und stumm. Nach einer Weile ging er zu ihr und nahm sie in die Arme. Die ganze Nacht saß sie weinend dort.
Die Nacht hatte viel verändert. Immer noch war sie traurig, doch jetzt wollten sie das Beste aus der noch vorhandenen Zeit machen. Sie sahen sich fast täglich und unternahmen viel gemeinsam. Doch nach ein paar Wochen war der Tag gekommen. Ihm ging es sehr schlecht. Er hatte Schmerzen und konnte nicht mehr gehen. Verzweifelt rief sie den Krankenwagen, der ihn schnell ins Krankenhaus brachte. Er musste dortbleiben. Und er wusste, dass dies der letzte Ort sei, den er sehen würde. Sie besuchte ihn wieder jeden Tag. Obwohl er wahnsinnige Schmerzen hatte, freute er sich immer mehr über ihre Besuche und ihre Blumen, von denen sie ihm jeden Tag welche mitbrachte. Sie war die einzige, die er noch hatte. Täglich sah er zu, wie das Leben, eine Blume nach der anderen verließ.
Er lag dort, sah aus dem Fenster und beobachtete die Vögel, die draußen glücklich herumflogen, als sie wieder mit einem Blumenstrauß das Zimmer betrat. Sie gab die Blume in die Vase neben seinem Bett, setzte sich neben ihn und nahm seine Hand. Er zwang sich zu einem leichten Lächeln: „Danke.“ Sie lächelte schwach, drückte seine Hand ein bisschen fester, und umarmte ihn liebevoll. Dies war die letzte Begegnung die sie hatten. Denn in dieser Nacht machte er es den Blumen gleich und ließ seine Tochter traurig zurück.

 

Hallo Saberi,

gut zu wissen, dass ich nicht als einziger gerne mal direkt mehrere Texte hinter einander raushaue!
Auch hier kann ich wieder sagen, deine Kurzgeschichte gefällt mir. Die Handlung ist nicht unbedingt die Neuerfindung des Rads, aber die Art wie du sie erzählts, mit der ungewissheit über das Verhältnis zwischen deinem Prot und der jungen Dame gestaltet das ganze trotzdem interessant (hatte schon die Vermutung, dass es die Tochter ist und freue mich immer wenn ich bei sowas richtig liege :D).
Auch die Metapher mit den Blumen am Ende gibt der Geschichte hat noch einen Hauch Poesie, der sowas m.M.n. immer schön abrundet.

Allerdings muss ich auch hier wieder sagen, das mir etwas fehlt. Diesmal sind es die Gefühle. Versteh mich nicht falsch, deine Kurzgeschichte lässt einen definitiv nicht völlig kalt; ich hatte Mitleid mit dem alten Mann, habe mich aber auch mit ihm über seine Wiedervereinigung mit seiner Tochter gefreut. Allerdings ist es im Gesamtpacket nicht so emotional, wie ich es mir für diese Art Geschichte wünschen würde.
Vielleicht braucht es etwas mehr länge, um die Details und Emotionen gut auszuformulieren, die kleinen besonderen Momente wie mit einem feinen, dünnen Pinsel auszumalen (Vllt. Funktioniert es allerdings auch kürzer). Ich hatte beim lesen durchgehend das Gefühl, dass du eigentlich eine viel tiefgehendere Geschichte im Kopf hattest, ich kann mir ungefähr vorstellen, wie die einzelnen Szenen geplant waren, denke ich. Ich muss es mir jedoch selber vorstellen, in deiner Geschichte kann ich es nur erahnen.

Stell dir die einzelnen wichtigen Momente deiner Geschichte nochmal genau vor. Beschreib uns was passiert, wie sich deine Charaktere verhalten, kleine Anzeichen, an denen man ihre Gefühle ablesen kann, die Blicke, Handbewegungen, die Art, wie sie Worte aussprechen (gerade in der Szene, in der er ihr von seinem baldigen Ableben erzählt), all die kleinen Details, die mich mitfühlen lassen. Hauch deiner Geschichte das letzte bisschen Leben ein, so sanft wie der alte Mann seines am Ende aushaucht.

Soviel zu meiner Sicht der Dinge,

Beste Grüße,
Vorcelin

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Vorcelin ,

es freut mich, dass dir meine Geschichte gefällt. Ich verstehe vollkommen was du meinst mit die Gefühle fehlen. Daran muss ich auch noch arbeiten;) Vielen Dank für deine Tipps.

Liebe Grüße,
Saberi

 

Hallo, Saberi
maria.meerhaba und Vorcelin haben völlig recht: Hier fehlt einiges, und ich weiß auch nicht genau, wieso Du den Twist mit der Tochter machst. Es wäre doch viel ergreifender, Du würdest expliziter schreiben, wie er sie sucht, sich freut, sie noch gefunden zu haben. So ist das nur... hm.

Und dieses "Hm" drückt eigentlich ganz gut aus, was ich über den Text denke. Am Anfang versuchst Du noch, Spannung aufzubauen. Wir sehen einen Mann, der sich auf etwas freut, von dem wir nicht wissen, was es ist. Doch sobald er die Frau getroffen hat, verpufft die gesamte Spannung in ein "Hm". Du handelst Tage und Monate in wenigen Sätzen ab, preschst nur so vorwärts. Das ist so absolut nicht mitreißend.

Ich lese hier öfter, dass Autoren versuchen, wahnsinnig viel erzählte Zeit in wahnsinnig wenig Erzählzeit abzuhandeln. Das wirkt aber immer kalt, weil Du keine Szenen erzählen kannst, sondern nur eine Anreihung von Fakten präsentierst.

Mein Vorschlag: Reduziere das hier auf eine zentrale Szene. Er lernt sie kennen, alles ist super, große Freude, aber auch Wehmut wegen seiner Krankheit, am Ende stirbt er. Dann hast Du Zeit, Dich mit den Figuren zu beschäftigen, ihnen nicht nur Aussehen, Freude und Stolz zu verpassen, sondern auch Erwartungen, Handlungen (Stichwort: Wie hat der Mensch seine Tochter überhaupt gefunden? Warum haben sie sich vorher nie gesehen?) und Gefühle zu verweben. Nimm Dir eine oder zwei Szenen und lass Dir mehr Zeit dafür.

Natürlich wäre es auch möglich, den gesamten Prozess mit allen von Dir angelegten Szenen zu schreiben. Aber da hat Vorcelin schon recht: Die Szenen sind halt wirklich nur angelegt, nicht zu Ende erzählt. Aber dann muss die Geschichte deutlich länger werden. Normalerweise freue ich mich ja, wenn Leute kurz und prägnant erzählen können. Deine erste Geschichte war ein gutes Beispiel dafür. Aber Deine erste Geschichte spielte sich auch in wenigen Minuten ab. Auch hier hast Du extrem verkürzt, aber Du hast eindeutig an den falschen Stellen gespart, sodass sehr viel Emotionalität auf der Strecke geblieben ist.

So wirkt für auf mich das Ende auch eher aufgesetzt und theatralisch - weil ich mich in die mir immer noch fremden Figuren gar nicht hineinversetzen kann.

Daran muss ich auch noch arbeiten

Du kannst übrigens Deine Geschichten hier auch bearbeiten und uns überarbeitete Versionen präsentieren. Wenn Du da Lust drauf hast, würde es mich freuen, es mir noch einmal anzuschauen.

Hau in die Tasten!

Viele Grüße,
Maria

 
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Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Hallo maria.meerhaba ,
Zuerst einmal ja, das mit den Gefühlen werde ich noch versuchen zu ändern und zu verbessern.

Und gerade dieser Dialog wäre echt interessant gewesen, was sagt er, was sagt sie, wie kommt es zu dem Treffen. Alles ein Geheimnis.
Diesen Dialog habe ich nicht geschrieben, weil man dann schon wissen hätte müssen wer sie ist. Und das soll ja bis zum Schluss ein Geheimnis bleiben.
Und deshalb auch die vielen anderen ungeklärten fragen. Hätte ich all diese Dinge noch in meine Geschichte geschrieben, wäre viel zu offensichtlich gewesen wer sie ist.

Das hat den Unterton eines Märchens, das klingt so, als wärst du ziemlich jung. Bist du das auch? Wagst du dich das erste Mal in das Gebiet der Schriftstellerei? Ich weiß es nicht.
Hier verstehe ich nicht, wie du aus einem Satz schließen willst das ich noch ziemlich jung bin. Ich finde das Alter nicht relevant.

obwohl plötzliche Wendungen nicht funktionieren
Das sehe ich anders.

Liebe Grüße,
Saberi


Hallo TeddyMaria,

Schade, dass es nur ein hm ist. Ich habe eine gute Geschichte im Kopf und schaffe es dann nicht sie genau so nieder zu schreiben. Deshalb bin ich froh Kritik zu erhalten :)
Ich möchte mich von diesem twist einfach nicht trennen. :( Ich werde nochmal versuchen es mit dem twist am Ende zu schreiben, wobei ich finde, dass es ziemlich schwer ist gute Dialoge und Szenen einzubauen, ohne zu erwähnen wer sie ist. Ich denke, wenn ich merke, dass das nicht geht werde ich es schweren Herzens anders machen müssen:heul:
Danke jedenfalls für deine Tipps :)

Liebe Grüße,
Saberi

 

Hallo, Saberi

Ich werde nochmal versuchen es mit dem twist am Ende zu schreiben, wobei ich finde, dass es ziemlich schwer ist gute Dialoge und Szenen einzubauen, ohne zu erwähnen wer sie ist.

Das ist natürlich Deine eigene Entscheidung. Trotzdem überrascht es mich, dass Du erkennst, dass der Twist der Grund für die wesentlichen Probleme Deines Textes ist und ihn trotzdem behalten willst. In meinen Augen ist das Effekthascherei, zumal ich den Twist nicht einmal besonders gelungen finde.

Aber es ist Deine Geschichte, und ich finde es gut, wenn man genau weiß, wohin die Reise gehen soll - das fällt mir selbst oft schwer, und dann verzettele ich mich tierisch zwischen den Kommentaren aller Leute. Ich würde Dich nur darum bitten, beim Neuschreiben die Kosten (keine Dialoge, keine Hintergrundgeschichten, keine ausgearbeiteten Szenen) gegen den Nutzen (Twist) abzuwägen - das war jetzt vielleicht ein bisschen tendenziös von mir. ;) Wenn Du ein paar Dinge von der Kosten-Liste streichen kannst - top! Die Gleichung sollte am Ende aufgehen - genauso viel Kosten wie Nutzen oder besser noch: mehr Nutzen als Kosten. Wenn das nicht funktioniert, dann weg damit. Ich weiß, dass das schwer ist, aber ich tue es z.B. sogar gerne. Sich von Dingen zu trennen, die einen nur belasten, kann so befreiend sein - in allen möglichen Bereichen.

Diese Geschichte könnte richtig gut werden. Ich bin gespannt, wie Du das für Dich löst.

Bis dann,
Maria

 

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