Warum seit ihr so traurig?
Ernste, traurige Gesichter überall. Ich sehe sie im Tram, bei der Arbeit, in der Stadt. Nur selten dringt ein Lachen an meine Ohren und wenn, dann ein Kinderlachen. Doch wo ist das Lachen der Erwachsenenwelt geblieben?
Bei uns Schweizerinnen und Schweizer hat die Arbeit einen äusserst hohen Stellenwert, es wird viel und konzentriert, unter oft strengen Bedingungen gearbeitet. Ich wage jedoch zu bezweifeln, ob es neben der Arbeit noch ein Leben gibt. Leben wir um zu arbeiten? Oder arbeiten wir um zu leben? Viele Menschen haben wohl das Zeitgefühl verloren, erst recht, wie es ist, Zeit zu haben. Oftmals wissen die Leute nicht mehr was mit sich anzufangen, wenn sie schon einmal Zeit haben. Deshalb verplanen sie ihre Zeit, stopfen sie voll mit Aktivitäten und Action, weil sie glauben, sich so ablenken und erholen zu können. Doch ich denke das ist reine Illusion, damit verstecken wir uns doch nur vor uns selber und verlieren die Kontrolle über die eigene Persönlichkeit, was uns mit der Zeit unglücklich und einsam macht. Jugendliche haben die Fähigkeit das Glück in seiner Schlichtheit zu erkennen nicht mehr. Aus lauter Verzweiflung, das absolute Glück finden zu wollen, hetzen sie durchs Leben. Dabei rennen sie an Momenten vorbei, in denen sie hätten glücklich sein können.
Auch die neuen Kommunikationsmittel helfen uns nicht unbedingt, den freudlosen Alltag zu verbessern. Neuerdings wird SMS schreiben einem Gespräch vorgezogen, was mich jedoch nicht mehr erstaunt. Die Diskretion, die Freundlichkeit und das programmierte Lächeln, ob echt oder falsch, sind typisch für uns. Lieber verkriechen wir uns hinter einem SMS oder E-mail, als jemandem in die Augen zu sehen. Ein Lachen jedoch entsteht selten allein und ist am Schönsten zu zweit. Wer wagt sich denn schon im Tram laut über einen Witz, den man gerade gelesen hat, zu lachen, geschweige davon, ihn dem unbekannten Sitznachbarn zu erzählen? Apropos laut lachen, sitze ich in einem Kino und sehe mir einen lustigen Film an, ist lachen selten erlaubt, wagt sich doch jemand, muss er oder sie mit bösen Blicken von allen Seiten rechnen. Warum nur?
Ist lachen schon so ungewohnt? Oder verstehen wir lachen nicht mehr? Vielleicht interpretieren wir es als Diskriminierung gegenüber denen, die nichts zu lachen haben. Schlimm finde ich, dass alles immer extremer dargestellt werden muss, um ein Lächeln auf unseren Gesichtern zu provozieren. Über den feinen Humor wird nur so hinweggefegt, auch hier wartet man angestrengt auf die grosse Pointe und verpasst sie dabei.
Sehe ich mich in der Stadt um, blicken schöne, lächelnde Frauen und Männer von Werbeplakaten auf mich herunter. An ihnen vorbei gehen Menschen mit ernsten Mienen. Dieses ewige Lächeln unserer Ideale, gilt als in, jeder sucht es verzweifelt und vergisst dabei sein eigenes Lachen. Trifft man aufeinander, sei es durch Zufall oder Schicksal, ziehen wir einen scheuen Blick dem spontanen Gespräch vor, was bestimmt nicht immer schlecht ist. Tatsächlich gibt es bei uns trotzdem Kommunikation, sie hat nur nicht einen lachenden, offenen Charakter. Sie ist still, magisch, distanziert und fein.
Höre ich ein herzliches Lachen, befreit es mich und macht mich glücklich. Ich bin froh, dass ich weiss, lache ich, macht mich das noch glücklicher und dies ist immerhin schon ein Anfang.