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Warum Moore an manchen Stellen tiefer sind
Ich springe aus dem Auto auf nassen Boden, Matsch spritzt meine Beine hoch. Es regnet in Strömen. Ich schaue mich um. Der große Hof ist von einer bröckeligen Steinmauer umgeben, die beinah so hoch wie Mama ist. Zumindest da, wo die Steine noch aufeinander stehen. Einige liegen herum und auf einem dieser ockerfarbenen Steine sitzt eine Kröte. Eine schöne dicke mit vielen Warzen. Bei Kröten sind Warzen etwas ganz anderes als bei Menschen. Zu denen gehören sie nämlich, das ist der Unterschied. Daher sind Kröten auch gar nicht hässlich, obwohl das viele immer sagen.
„Meine Güte, Finn, was hast du denn gemacht?“ Mama kniet sich vor mich. Sie versucht mir den Schlamm von der Hose zu streifen, verteilt ihn aber nur mehr auf dem Stoff. Seufzend gibt sie auf und schüttelt den Kopf. „Nicht so stürmisch, ja?“
Ich schaue zu dem großen Haus. Beinah doppelt so groß wie unseres, dabei verdient Mama Geld mit den Besuchern in der Pension, Martina nicht. Ich schaue noch einmal zu den Steinen, aber die Kröte ist verschwunden. Durch die Lücke in der Mauer kann ich die Bäume sehen und das hohe Gras, das den Boden bedeckt.
Mama zieht mich zur Tür. Dafür, dass man nicht schmatzen soll, schmatzt der Matsch ganz schön viel auf dem Weg dorthin. Aber Mama ist wohl gerade nicht nach schimpfen, zumindest nicht mit dem Matsch. Die Tür geht auf und Martina kommt heraus. Sie ist so alt wie Mama, hat aber braunes Haar und kein blondes. „Hallo Lena! Schön, dass ihr da seid. Kommt schnell rein und wärmt euch erst mal auf. Scheißwetter, wirklich.“
„Martina!“, rief Mama.
„Oh, entschuldige. Sehr schlechtes Wetter, meinte ich“, sagte Martina und zwinkert mir zu. „Hallo, Finn!“
Drinnen setzt uns Martina in ein großes Zimmer mit Kamin. Das Haus ist wirklich alt, Mama hat es ein „Herrenhaus“ genannt. Ein schönes Haus!
„Aber mitten im Moor, ist das bei diesem Wetter nicht arg trist?“
„Ach, nein! Ich liebe Regen und das schöne Moor sowieso. Und man hat hier auf jeden Fall Ruhe.“
„Die kann ich gut gebrauchen.“ Mama lässt den Kopf auf die Rücklehne des roten Sofas sinken.
„Hier, nimm einen Schluck.“ Martina drückt ihr ein Glas mit hellgoldener Flüssigkeit in die Hand. „Finn, wenn du den Flur runtergehst ist da Aarons Spielzimmer. Er ist momentan bei seinem Vater und hätte bestimmt nichts dagegen, wenn du dort spielst. Du findest sicher etwas für dich. Das ist spannender als unsere Erwachsenengespräche.“
„Aber seine Hose, der Dreck …“
„Ach, Lena. Du bist jetzt im Urlaub. Lass den Dreck dann mal meine Sorge sein.“
Aaron hat wirklich viele Spielzeuge. Einen hölzernen Zug, Ritterfiguren, sogar ein kleines Spielzeugauto mit Fernsteuerung. Die Batterien sind aber leer. Die Ritter könnten den Zug überfallen. Raubritter gab es ja. Aber so richtig heldenhaft ist das nicht.
Mein Blick fällt auf das Fenster. Es hat aufgehört zu regnen und gehe ich an die Scheibe, um hinauszuschauen. Jetzt hängt dichter Nebel in der Luft, durch den ich gerade so die nächsten Bäume sehen kann. Der Boden zwischen ihnen sieht hubbelig aus, bewachsen von dichtem Gras. Durch den Nebel ist alles grau, hie und da ragt eine verlorene Wurzel aus dem Boden empor. Immer einem blattlosen Ast entgegen, stelle ich mir vor. Vielleicht tanzen die Bäume ja miteinander, wenn keiner hinschaut. Und deswegen ist der Moorboden so weich!
Während ich so zwischen den stillstehenden Bäumen hindurchschaue, sehe ich ein kleines Licht näherkommen. Bis zur Steinmauer, wo es auf und ab hüpft. Das muss ein großes Glühwürmchen sein!
„Mama, darf ich im Moor spielen?“ Ich zupfe an ihrem Ärmel, vertieft im Gespräch mit Martina hat sie mich gar nicht reinkommen hören.
Ruckartig dreht sie sich zu mir um. „Was?! Nein! Im Moor ist es gefährlich, Finn. Da kannst du versinken oder verlorengehen …“
„Ach, Lena, das stimmt doch so gar nicht“, warf Martina ein. „Du bleibst höchstens stecken, wenn du eine besonders tiefe Stelle erwischst. Dann darfst du nicht zu sehr bewegen und viel Schlimmeres wird dir nicht passieren. Wenn Finn nach uns ruft, können wir ihm da leicht wieder raushelfen.“
„Das stimmt vielleicht, wenn du ins Moor gehst, Martina. Finn ist ein kleines Kind und kein Überlebensexperte. Hast du Aaron auch im Moor spielen lassen?“
„Das Moor ist nicht gefährlich, dort kann nichts schlimmes passieren“, sagt Martina. Sie schaut einen Moment komisch an Mama vorbei. Dann redet sie aber weiter: „Und du bist zu städterisch geworden. Lass den Jungen doch ruhig draußen spielen. Soll er zwei Wochen hier im Haus herumsitzen?“
„Natürlich nicht, aber …“
„Im Umkreis des Hauses ist das Moor ohnehin nicht tief. Da müsste Finn schon ganz weit laufen. Und das würdest du doch nicht machen, oder?“
Ich schüttele energisch den Kopf.
Mama drückt Daumen, Zeige- und Mittelfinger gegen die Stirn. Sie schüttelt den Kopf. „Na gut. Aber erst morgen, wenn es hell ist. Und nur in Sichtweite des Hauses!“
Ich spiele am nächsten Tag draußen. Es regnet nicht. Mama und Martina sitzen draußen im Hof, während ich mit meinen Gummistiefeln um die Mauer herumlaufe. Das dichte, grüne Gras fühlt sich an manchen Stellen wie Wackelpudding an. Ich springe von Hügelchen zu Hügelchen, bin ein Riese im Moor, aber einer, der Gutes tut und nach den Kröten und Libellen schaut und sie alle beschützt!
Von einem Hügel sehe ich eine große schlammige Pfütze. Mit einem Ast steche ich hinein und spüre direkt kräftigen Widerstand. Als ich ihn herausziehen will, ist es, als wäre da jemand auf der anderen Seite, der den Ast gegriffen hätte.
„Mama, schau mal!“
Sie kommt schnell zu mir gelaufen, Martina hinter ihr. Martina erklärt, dass das eines dieser Sumpflöcher ist und, dass man dort am besten herauskommt, wenn man sich möglichst flach ausstreckt. Während der Erklärung kaut Mama auf ihrer Unterlippe herum. Ob ich jetzt nicht mehr weiterspielen darf? Sie fasst sich an den Kopf. Ich glaube, der Kobold ist wieder da. Martina wendet sich Mama zu, hakt sich bei ihr unter und sie gehen ins Haus.
Wegen dem Kobold: Er sitzt in Mamas Kopf und haut ihr manchmal von innen gegen die Augen und die Stirn und dann hat sie Kopfschmerzen. Das wird besonders schlimm, wenn sie sich Sorgen macht und manchmal muss sie dem Kobold dann ein paar weiße Tabletten zum Füttern geben, damit er aufhört. Ich glaube, es war gut, dass ich Mama das Sumpfloch gezeigt habe, denn jetzt weiß sie, dass ich aufpasse und sie muss sich etwas weniger Sorgen machen!
Es ist jetzt schon fast dunkel. Bestimmt gibt es bald Abendessen. Ich schaue mich noch einmal um, ob ich eine Kröte sehe. Vielleicht, wenn ich Mama lieb frage, darf ich morgen eine fangen. Martina weiß bestimmt, wie man sich um sie kümmert. Aber ich sehe nur noch einige Libellen herumschwirren, von kleinen Fliegen bis zu großen Insekten. Ich werfe einen letzten Blick zu den Bäumen, die etwas entfernt vom Haus stehen. Zwischen ihnen ist wieder dieses kleine Licht. Es hat eine blaue Farbe und hüpft auf und ab. Dabei flackern immer wieder grüne Einsprengsel auf. Wenn das ein Glühwürmchen ist, muss es mindestens so groß wie ein Tennisball sein!
Ich schaue zum Haus. Mama und Martina sind noch drinnen. Aber wenn ich nur bis zu den Bäumen gehe, ist das noch nahe genug, da bin ich mir sicher! Ich laufe langsam los. Vielleicht ist das Tier schreckhaft. Einen Fuß setze ich vor den anderen, die Zehenspitzen immer zuerst. Das Licht bleibt an Ort und Stelle, es sieht beinah aus wie ein kleines Feuer. Ich bin schon ganz nah, da hüpft das Licht nach hinten, zwischen die Bäume. Aber ich kann es noch sehen. Das ist noch in Sichtweite des Hauses, ganz sicher. Ich laufe am ersten Baum vorbei. Er sieht knorriger aus als die Bäume im Park, als hätte er sich irgendwann entschieden, in sich selbst zu wachsen statt hoch hinaus. Das Licht macht noch einen Satz nach hinten. Aber ich bin schon nah dran. Es ist auf jeden Fall kein Glühwürmchen, dafür ist es wirklich zu groß. Mir läuft ein Schauer über die Arme. Ich entdecke hier etwas ganz neues! Das bisschen schaffe ich noch, hinter mir ist ja noch das Haus. Noch etwas näher ran. Das Licht hüpft zwischen den Bäumen hin und her, jetzt auch mal von links nach rechts. Am Boden ragen einige der tanzenden Wurzeln nach oben. Es riecht hier gar nicht mehr nach dem Regen von gestern. Es stinkt ein wenig wie wenn ich zu viel von Mamas Bohneneintopf hatte.
Das Licht ist weg. Ich hab nicht gut genug aufgepasst! Schnell drehe ich mich umher. Wo kann es denn hin sein? Die Bäume um mich herum sind in ihrem geheimen Tanz erstarrt und nirgendwo sehe ich das Licht. Zwischen ihnen sehe ich nur in einiger Entfernung Licht in einem Fenster von Martinas Haus. Ich sollte zurück, damit Mama sich keine Sorgen macht.
„Hallo? Ist da jemand?“
Ich drehe mich wieder vom Haus weg. Das war eine Jungenstimme. Aber ich sehe keinen.
„Hallo?“
„Hallo?“, rufe ich zurück.
„Magst du mit mir spielen? Es gibt hier sonst so wenige mit denen man spielen kann.“ Ich sehe ihn immer noch nicht. Aber er muss noch weiter weg vom Haus sein.
„Ich kann leider nicht. Ich muss jetzt zurück, sonst bekomme ich Ärger.“
Kurz ist es still. „Ich will eigentlich auch nicht spielen. Aber ich glaube, ich stecke fest. Kannst du mir helfen?“
Da! Zwischen den Bäumen. Ich strecke mich, damit ich an einigem Gestrüpp vor mir vorbeischauen kann. Zwischen den kleinen Ästchen sehe ich im grauen Abendlicht eine offene Fläche, übersät mit Pfützen. Mittendrin ein Junge, der mit den Füßen bis über die Knie im Moor steckt. „Ich sehe dich! Ich kann Martina holen, sie kennt sich mit Sumpflöchern aus. Sie kriegt dich da bestimmt raus.“
„Aber mir ist so kalt!“
„Das Wichtigste ist, dass du dich nicht bewegst.“
„Bitte, hilf mir! Du bist dann mein Held!“
Ein echter Held. Es ist wirklich schon sehr kalt geworden. Die Mama von dem Jungen ist bestimmt zu weit weg, sonst hätte er sie schon gerufen. Ich muss ja nur um das Gestrüpp herum, um den knorrigen Baum daneben, über die Wurzel. Es schmatzt, wenn ich jeden Schritt mache und es riecht, als hätte hier jemand sein Essen vergessen.
Ich stehe am Rand der offenen Fläche. Es ist noch dunkler geworden, die Wolken haben sich zugezogen. „He! Wo bist du hin?“
„Ich stecke noch fest! Bitte, hilf mir!“
Der Stimme folgend gehe ich los. Setze einen Fuß vor den anderen, dabei vorsichtig tastend, ob ich Grund spüre. Das Moor ist hier schon tief. Bei jedem Schritt wird meine Hose bis zum Knie nass. Den Jungen sehe ich nicht. Die Bäume habe ich schon ein gutes Stück hinter mir gelassen. Ich mache den nächsten Schritt, finde keinen Halt, rutsche ab. Vornüber stürze ich in den wässrigen Schlamm. Die eisige Kälte des Wassers schießt mir durch den Oberkörper und die Arme. Ich springe hoch, doch etwas zieht an meinen Füßen, packt mich an den Hacken. Schlamm klebt mir im Gesicht, an der Nase. Ich schnappe nach Luft, reibe den Dreck weg, damit ich wieder atmen kann, während irgendwas unter mir mich greift …
Ich stecke fest. Wollte doch nur dem Jungen helfen, jetzt stecke ich selbst fest. Ich sehe mich um. Die Bäume stehen weit weg. Wie weit bin ich gelaufen? Es ist still. „Hallo? Bist du noch da?“
Zwischen den Bäumen taucht das tanzende Licht wieder auf. „Mama? Bist du das?“
Das grünliche Flämmchen kommt näher, hüpft dabei auf und ab. „Mama?!“, höre ich meine Stimme rufen, aber das bin nicht ich. Die Stimme klingt schrill. „Mama?! Du Weichei. Verlierer.“
Das Licht kommt zwei Meter vor mir zum Halt. Es ist eine kleine Flamme, die einfach so in der Luft umherspringt.
„Ich bin kein Weichei! Ich wollte dem Jungen helfen!“
„Damit du ein Held wirst?“ Die Stimme verändert sich. Als sie „Held“ sagt, klingt sie wie der Junge. Ich zucke zusammen.
„Was bist du?“
Die Flamme antwortet nicht, sondern tanzt um mich herum.
„Das ist nicht witzig! Lass mich gehen! Ich will nach Hause!“
Die Flamme tanzt noch schneller. Ich höre ein Lachen. Wie das von Kindern in der Schule. Zu einer Stimme gesellen sich mehr dazu, ein ganzer Kinderchor, sie alle lachen, lachen mich aus. Ich stehe im Moor, meine Füße fest vom Schlamm gepackt, es ist kalt. Ich kann nicht weg. Ich will doch nur nach Hause.
Ich spüre wie mir die Tränen kommen.
Das Feuer kommt vor mir wieder zum Stehen. „Weine nicht, kleiner, dummer Junge. Denn weißt du …“, und die Flamme kommt näher und ich glaube in den Feuerzungen ein breites Grinsen zu sehen. „Dort, wo die Menschen am meisten weinen, wird das Moor noch tiefer und tiefer. Und bald bist du verschwunden.“
Ich packe mit meiner rechten Hand etwas Schlamm und schleudere ihn in die Flamme. „Lass mich in Ruhe!“
Das Feuer zuckt zurück, als es vom Dreck getroffen und verdunkelt wird. Dann flackert es auf, so groß wie ich es noch nie gesehen habe. „Du …“
„Finn! Finn!“
Das Feuer macht einen Satz. Dann ist es verschwunden.
„Finn! Wo bist du?“
„Mama?“, rufe ich. Zwischen den Bäumen taucht ein Licht auf – ein klarer, heller Lichtstrahl einer Taschenlampe.
„Da bist du ja!“ Mama kommt zwischen den Bäumen hervor und findet mich mit dem Licht der Lampe.
Sie zieht mich mit einiger Mühe aus dem Moor, wobei ich mich ganz flach hinlegen muss, damit meine Füße nicht mehr festgehalten werden. Ich sage ganz oft, wie leid es mir tut, aber Mama sagt gar nichts und geht mit mir zurück zum Haus. Wir stehen im Hof und Martina öffnet die Tür zum hell und warm ausgeleuchteten Inneren, da schallt ein Schrei aus dem Moor zu uns. Ein lauter, heller Kinderschrei. Jemand ruft um Hilfe.
„Martina!“, ruft Mama. „Wer ist das?“
Martina sieht sie nur an.
„Martina!“
Keine Regung.
„Verdammt.“
Noch ein Schrei. Mama geht vor mir in die Hocke. „Ich muss nachsehen, wer da ist.“
„Geh nicht! Das ist ein Trick!“
„Finn, jetzt bitte keine von deinen Geschichten. Wenn da ein Kind wie du im Moor steckt, muss man ihm helfen.“ Sie steht auf. „Martina, lass Finn bitte nicht mehr aus dem Haus!“ Dann wendet sie sich ab und geht los. Im Moor ertönt wieder der Schrei.
„Aber Mama!“ Keine Reaktion.
„Komm, Finn. Du musst dich aufwärmen, sonst erkältest du dich.“ Martina steht hinter mir und legt mir eine Hand auf die Schulter. Sanft drückt sie mich ins Kaminzimmer und setzt mich mit einer großen Decke nah ans Feuer.
„Willst du Schokolade? Ach, sicher willst du Schokolade.“
Ich gucke ins Feuer. Warum hat sie denn nicht auf mich gehört?
Martina ist kurz weg und kommt dann wieder mit drei großen Tafeln Schokolade. Sie öffnet eine Verpackung und drückt sie mir in die Hand. Ich habe keine Lust, aber Martina bleibt neben mir stehen und sieht mich an. Also beiße ich ein Stück ab. Sie schmeckt alt und irgendwie staubig. „Na, schmeckt sie dir?“
Ich nicke, weil ich glaube, dass Martina will, dass ich nicke. „Sehr schön. Iss nur.“ Dann geht sie aus dem Zimmer.
Ich bleibe am Feuer sitzen, denn mir ist wirklich sehr kalt. Der Schlamm auf meinen Sachen trocknet allmählich und blättert ab, aber das ist mir egal. Ich gucke immer wieder hoch zur Uhr. Mama ist schon eine Stunde weg.
Ich stehe auf und gehe zum Fenster. Wo bleibst du? Draußen stehen die tanzenden Bäume still, es ist mittlerweile stockduster. Nur hie und da kommt der Mond durch und erhellt das Moor. Vielleicht tanzen die Bäume auch gar nicht. Vielleicht greifen sie nach denen, die unbedacht zwischen ihnen hin und herlaufen. Oder versperren den Rückweg aus dem tiefsten Teil des Moors.
Während ich hinausschaue, nähert sich ein Licht. Ein klares, helles Licht – das auf und abtanzt. Eine grüne Flamme zwischen den Bäumen. Sie schaut zu mir hinüber, da bin ich sicher. Sie hat Mama.
Ich werfe die Decke weg, renne hoch in mein Zimmer und hole meine Taschenlampe. Dann geht es wieder runter, zur Haustür, die ich gerade aufmache …
„Wo willst du hin?!“
Erschrocken drehe ich mich um. Martina steht vor mir und sieht mich mahnend an.
„Ich will Mama suchen! Da draußen ist etwas Böses.“
„Du willst ins Moor?“ Martinas Blick verändert sich. Wird seltsam. Es ist, als würde sie jemanden anschauen, der hinter mir steht, aber dabei mich ansehen. „Das Moor ist nicht gefährlich, dort kann nichts schlimmes passieren“, sagt sie dann und ich weiß nicht wirklich, ob sie mit mir spricht. „Geh ruhig spielen.“
Ich nicke langsam, dann öffne ich die Tür. Keine Zeit, mir Gedanken zu machen. Ich muss jetzt Mama finden. Vielleicht werde ich doch noch ein Held.