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Serie Warum Liebe?

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28.02.2017
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Warum Liebe?

„Ich muss dir was sagen.“ Es ist mitten in der Nacht und Sophie hat mich angerufen.
Als sie mir das sagt, bin ich von ihrem Tonfall zunächst verwirrt, dann zunehmend besorgt, schließlich beängstigt.
Das letzte Mal, als sie mir „etwas sagen“ wollte, hatte sie mir erzählt, dass sie seit geraumer Zeit Heroin nimmt und davon abhängig ist. Sie hatte mir beschrieben, wie sie mit ein paar Freunden, die auch Drogen nehmen, etwas neues ausprobiert hätte. Etwas, mit unabsehbaren Folgen, etwas, das sie beinahe das Leben gekostet hätte.
Als sie mich damals angerufen hatte, war die Wirkung des LSD´s seit ein paar Stunden abgeklungen. Sie hatte einen fürchterlichen Trip erlebt, Halluzinationen gehabt und sich schließlich beinahe selbst umgebracht.
Der festen Überzeugung verfallen, sie könne dieser Welt und all ihren Sorgen, all ihren Ängsten, dem ganzen Kummer ihres Lebens entfliehen, wollte sie davonfliegen, einfach weit weg, hoch hinaus in den Himmel, ohne einen Gedanken daran, dass sie abstürzen, dass sie sterben würde, beim Versuch zu fliegen, beim Sprung von der 80 Meter hohen Autobahnbrücke.
Jemand hatte sie damals aufgehalten, aber als sie mich anrief, hatte sie panische Angst gehabt, war völlig aufgelöst, von dem, was sie erlebt hatte, von all den grauenvollen Halluzinationen.
Sie hatte mir erzählt, dass sie mich hätte sterben sehen. Dass sie gesehen hätte, wie ich mir im Bad die Pulsadern aufgeschnitten hätte, in der Badewanne liegend, das Wasser vom Blut rot gefärbt, genauso Rot wie von Rosen, die sie immer als schön und gefährlich zugleich empfunden hatte.
Als sie jetzt anrief, mit ziemlich traurig klingender Stimme, machte ich mir bereits Sorgen, ob diesmal etwas ähnliches passiert sein könnte, ob nicht doch einer ihrer Freunde ihr neuen Stoff, neue noch nicht ausprobierte Drogen gegeben hätte, obwohl sie es eigentlich besser wissen müssten.
„Was ist denn passiert?“, frage ich sanft, versuche sie mit dem Tonfall meiner Stimme zu beruhigen, ihr zu zeigen, dass ich für sie da bin und ihr helfen werde, ganz egal was passieren würde.
Am anderen Ende der Leitung höre ich ein Schluchzen, offensichtlich weint sie, was mich nicht unbedingt beruhigt.
Und dann schickt sie mir eine Frage, aus ihrem Mund durch das Telefon, direkt zu mir ow sie wie eine Klinge mein Trommelfell durchschneidet.
„Liebst du mich?“
Verwirrt, da ich mit dieser Frage nicht gerechnet habe, aber auch ängstlich, frage ich: „Was? Wie kommst du darauf?“
„Na, liebst du mich? Liebst du mich noch?“ Ihre Stimme klingt verzweifelt, so als hätte ich sie verlassen, so als hätte ich ihr gesagt, dass ich nicht mehr mit ihr zusammen sein wollte.
„Natürlich liebe ich dich, Sophie. Das habe ich immer getan und das werde ich immer tun.“
Eine Weile sagt sie nichts, ich höre nur ihr gelegentliches Schluchzen in der Leitung, höre sie ab und zu Luft holen, als wollte sie etwas sagen, aber sich nicht richtig trauen.
Schließlich entschließt sie sich doch dazu und spricht die Frage aus, die sie offenbar schon die ganze Zeit beschäftigt hatte: „Wieso?“
„Wieso?“, frage ich verblüfft zurück, weniger wegen der Frage, als vielmehr, weil ich nicht weiß worauf sie hinaus will, was sie mir eigentlich sagen will, beziehungsweise, was ich befürchte, das sie mir sagen will.
„Ja, wieso liebst du mich? Ich meine, das kannst du doch nicht einfach so tun, du liebst mich ja nicht einfach so.“ Sie hält inne. Dann, fast angstvoll, mit jetzt völliger Verunsicherung in der bebenden Stimme: „ Das tust du doch nicht. Oder? “.
Erschrocken antworte ich ihr. „Nein, ich liebe dich natürlich nicht einfach so. Ich meine, du willst wissen, wieso ich dich liebe?“ Ich lasse mich auf sie ein, spiele mit, habe aber immer noch die Befürchtung, dass gleich etwas Schlimmes kommt. „Ich liebe dich dafür, dass du du bist, ich liebe dich und nur dich." Kurz halte ich inne. „Sophie, wie soll ich dir erklären, wieso ich dich liebe? Was soll das alles?“
Ich höre sie wieder schluchzen.
„Ich kann es einfach nicht verstehen. Es gibt so viele perfekte Mädchen, die kein Borderline haben, die nicht völlig vernarbt sind, keine Magersucht haben…“ Sie schluchzt erneut, diesmal heftiger. „Wieso ausgerechnet mich? Was ist an mir so besonders, dass du mich trotz all dem lieben kannst?“
Als ich ihr diesmal antworte, versuche ich all die Liebe, die ich für sie empfinde in meine Stimme zu legen, versuche ihr zu zeigen, dass ich sie immer lieben werde, nie aufgeben werde, egal was auf uns beide, vor allem auf sie zukommen wird und dass immer für sie da sein werde: „Sophie, ich habe dich nie trotz dieser Sachen geliebt. Ich habe dich dafür geliebt. Ich liebe dich dafür, dass du magersüchtig bist und nichts isst, damit du so aussiehst, wie du willst, egal, was andere dazu sagen. Das hat mich nie gestört, es war mir auch egal, was die anderen gesagt haben, es ging nur um dich. Um dich, mit all deinen Narben, deiner Vergangenheit, all dem, was dich ausmacht, dem, was dich zu der Sophie macht, die ich liebe. Ehrlich, ich liebe dich und werde es immer tun, ganz egal, was passiert.“
Eine Weile herrscht Stille.
Dann kommt wie aus der Tiefe der Dunkelheit und der Stille ihre schwache und verwundete Stimme gehumpelt, findet den Weg zu mir, offenbart mir ihre schreckliche Botschaft, den Grund für ihre Fragen: „Ich habe mich entschlossen, es zu tun. Ich will es endgültig durchziehen.“
Kurz hält sie inne, nur ihr Schluchzen ist in der auf ihre Worte folgenden Stille zu hören.
Dann: „Es tut mir so leid, Maxi. Ich bin so schrecklich zu dir, ich bin ein Monster, ich hab deine Liebe eigentlich gar nicht verdient-aber so kannst du mich vergessen, jemand anderen kennenlernen, dich endlich glücklich verlieben und musst dich nicht mehr mit mir rumschlagen. Ich liebe dich. Ich werde es immer tun. Für immer, Maxi, für immer und ewig. Wir sehen uns auf der anderen Seite. Machs Gut, werde glücklich, glücklicher, als ich es war. Ich liebe dich.“
Und mit einem letzten Schluchzen legt sie auf, tötet sie unser Gespräch auf grausame Weise, beendet mit einem einzigen Satz alles.
Ich fühle, wie etwas in mir zerbricht. Ich hatte gewusst, dass sie es vielleicht irgendwann tuen könnte, sie hatte schon oft genug von Selbstmord gesprochen, aber ich hatte immer gedacht, ich könnte sie davon abhalten. Langsam lasse ich den Hörer sinken, versuche zu erfassen, was ich gerade gehört habe, versuche die Bedeutung ihrer Worte zu verarbeiten.
Dann, ganz plötzlich schreit etwas in mir auf, lässt mich aufspringen, lässt mich den Weg nach draußen finden, den Weg zu Sophies Haus, um sie davon abzuhalten, sich das Leben zu nehmen, um sie davon abzuhalten, es auf so grausame Weise zu beenden.
Ich renne, wie besinnungslos durch den dunklen Wald, stolpere, falle hin, stehe aber sofort wieder auf, weiter, weiter. Ich weiß, dass ich es schaffen kann, dass ich rechtzeitig da sein kann, bloß glaube ich nicht mehr daran. Das Schicksal hat mich gelehrt, dass etwas noch so sicher scheinen kann, es geht vermutlich doch schief, endet in einer Katastrophe.
Als ich an ihrem Haus ankomme, sehe ich, dass nur noch in ihrem Fenster Licht brennt, ihre Eltern sind offenbar nicht zu Hause. Plötzlich geht das Licht aus und Panik erfasst mich, als wäre das Licht ein Vorzeichen auf ein bald erlöschendes Lebenslicht gewesen, der Vorbote zur Katastrophe.
Schnell renne ich zum Haus, zur Terrassentür. Ich weiß, dass sie offen ist, sie ist immer offen.
Ich ziehe daran, stemme mich mit aller Kraft dagegen, doch dieses eine Mal ist sie verschlossen, will mich davon abhalten, die Liebe meines Lebens zu retten.
Das Schicksal will mich wieder in die Knie zwingen. Doch diesmal nicht. Diesmal werde ich nicht zulassen, dass es wie üblich mein Leben zerstört, dass es mir die Person nehmen will, die mir etwas bedeutet, die mir alles bedeutet.
Entschlossen werfe ich mich gegen die Tür, sie gibt nach, aber nur ein bisschen. Ich werfe mich erneut dagegen, ihr schmerzerfüllt klingendes Krachen von splitterndem Holz ist Musik in meinen Ohren. Schließlich schaffe ich es und trete sie mit Wucht aus den Angeln.
Hektisch renne ich durchs Wohnzimmer, das Mondlicht scheint durch die Fenster hinein, lang gezogene Schatten an den Wänden, mein eigener schnell hindurch eilend mitten drin.
In nie dagewesener Geschwindigkeit stürme ich die steile Treppe hoch, zur letzten Tür des Flurs, zu Sophies Zimmer. Ich stoße die Tür auf, finde mich in einem dunklen Raum wieder, ein Dachzimmer, mit hoher Decke, beinahe doppelte Zimmerhöhe, ein Zimmer, das ich schon oft gesehen habe, das ich sehr gern habe, ein Zimmer voller Erinnerungen - ein leeres Zimmer.
Sophie ist nicht da. Völlig verwirrt, ängstlich, wo sie ist und was sie vorhat, sehe ich mich um.
Da höre ich über mir ein Knirschen, wie von einem Holzbalken, der sich ein wenig biegt, aber auch wie von einer Schnur, an der man fest zieht. Oder ein Seil. Ein Seil!
Schreckerfüllt sehe ich nach oben, es ist dunkel ich kann kaum etwas erkennen, nur schemenhafte Umrisse, und Schatten, die sich bewegen.
Einer der Schatten, ist dunkler als die anderen, er bewegt sich immerzu hin und her, als würde er pendeln. Ein Aufschrei entfährt mir.
„Sophie!“ brülle ich. Sie hängt von der Zimmerdecke, hat sich selbst an einem Seil erhängt, baumelt wie leblos hin und her.
Hektisch und ungeschickt, zerre ich einen Stuhl heran, springe darauf und bin jetzt auf Höhe ihres Oberkörpers. Verzweifelt ergreife ich ihre Füße, versuche sie zu stützen, nach oben zu drücken, aber sie ist zu schwer. Außerdem ist dieses Unterfangen völlig sinnlos. Ich spüre, wie Sophie zuckt, sie strampelt, als wollte sie sich wehren, aber ich mache trotzdem weiter, strecke mich, soweit ich kann und ergreife das Seil, an dem sie hängt. In meinen Taschen finde ich ein Messer, das Messer, das ich immer bei mir trage, weil ich mich damit ritze, ein silbernes Rasiermesser.
Wie verrückt säbele ich an dem Seil herum, hektisch, mehrmals rutsche ich ab, aber schließlich gibt es ein lautes Geräusch, wie von einer Peitsche, das Seil reißt und Sophie fällt schlaff, wie eine Puppe zu Boden.
Ich stürze neben sie, hebe ihren Oberkörper an, stütze ihren Kopf. „Sophie,“ flüstere ich. Eine Träne rinnt über meine Wange, tropft auf ihr Gesicht. Ihre Augen starren blicklos zur Decke. „Wieso nur? Wieso musstest du das nur tun?“
Ein Schluchzen lässt meinen Körper erschüttern. Jetzt weine ich hemmungslos, drücke ihren leblosen Körper an mich, kann nicht verstehen, was die Welt mir angetan hat, was sie ihr angetan hat, kann den Verlust nicht begreifen, zu groß ist der Schmerz.
Ich fasse nach ihrer Hand, halte sie in meiner. Dann presse ich meine Lippen auf sie, einen letzten Kuss.
Doch plötzlich spüre ich Druck an meiner Hand, spüre ich, wie sich Sophies Hand um meine schließt, sie festhält.
Ich sehe hoch zu ihrem Gesicht, sie öffnet ihre Augen, sieht mich an.
Ein leichtes, wenn auch trauriges Lächeln umspielt ihre Mundwinkel.
Ich lache, auch wenn es eher nach einem Schluchzen klingt.
Dann drücke ich sie an mich, umarme sie, halte sie fest, als dürfte ich sie nie mehr loslassen.
Und sie flüstert mir die Antwort ins Ohr. „Darum. Darum liebe ich dich.“

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo JackArthurRose

Ich habe eben noch die Kommentare zu deinem Text "Ich sehe sie an" gelesen. Das meiste davon trifft hier auch zu.

Auf ein paar Details will ich mal eingehen, um das die allgemeine Kritik mit Beispielen zu untermauern:
Der Anfang. Der erste Satz hat oft eine ganz besondere Wirkung. Oft entscheidet der erste Satz/Absatz schon, ob die Geschichte gefällt, oder nicht. Dein Anfang wirkt wirr, insbesondere bei den Perspektiven.

„Ich muss dir was sagen.“ <Perspektivwechsel> Es ist mitten in der Nacht und Sophie hat mich angerufen.
Bei einem Perspektivwechsel sollte ein Zeilenumbruch den Leser darauf hinweisen. Wenn Du aber nur einen Zeilenumbruch reinmachst, steht das "Ich muss Dir was Sagen" so lose im Raum - auch doof.
Vielleich das Ganze umdrehen. Also:
Es ist mitten in der Nacht und Sophie hat mich angerufen.
„Ich muss dir was sagen.“, sagte sie.
Als sie mir das sagt, bin ich von ihrem Tonfall zunächst verwirrt, dann zunehmend besorgt, schließlich beängstigt.

dazu kommt, dass Du "inkosequent" bist. Zwei Beispiele:
„Ich muss dir was sagen.“
dann kommt viel Text, und als Sie etwas sagt kommt:
„Liebst du mich?“
Sie sagt also gar nix, sondern fragt etwas.

Damit könnte man noch leben, aber dann:

Das letzte Mal, als sie mir „etwas sagen“ wollte, hatte sie mir erzählt, dass sie seit geraumer Zeit Heroin nimmt und davon abhängig ist.
....
Als sie mich damals angerufen hatte, war die Wirkung des LSD´s seit ein paar Stunden abgeklungen.
Ich kenn mich da nicht aus, aber meiner Meinung nach ist LSD nicht Heroin. Passt aus Lesersicht nicht zusammen. Auch wenn Du ja sagst, dass sie verschiedene Drogen probiert hatte, aber Du beziehst dich bei beiden Aussagen auf "den Anruf" - daher sollte es die gleiche Droge sein.

Der Oberkitsch ist dann natürlich:

Mädchen, die kein Borderline haben, die nicht völlig vernarbt sind, keine Magersucht haben…
Das ist einfach "too much". Nimm Dir ein Problem. Heroin. Ok. Oder Borderline, oder Magersucht, aber nicht alles auf einmal! Da wünscht man dem Mädel ja völlig das Ende des Leidens. Und es macht die Geschichte oberflächlich.
Ich habe den Eindruck, junge Mädchen haben auch ohne diese Krankheiten das Bedürfnis über Selbstmord nachzudenken und leiden manchmal/oft an geringem Selbstwertgefühl. Ist also aus meiner Sicht schon ein Problem der Jugend, da sind die anderen Probleme dann Symptom, nicht Ursache.

Dann habe ich noch Probleme mit dem Erhängen:
Zum einen scheint sie in einem Einfamilienhaus zu wohnen. Da ist die Deckenhöhe oft bei 2,50m, Kinderzimmer sind oft oben und die Decken haben Regips-Decken. Ja, es ist möglich, aber meistens ist da nix, wo man ein Seil anbinden kann. Aber gut, ja, es gibt auch Häuser, wo man weiter ins Dach hochkommt. ok - der Punkt ist nicht sooo schlimm.
Schlimmer aber ist:

Plötzlich geht das Licht aus ...
Das wirkt so unglaubwürdig. Macht jemand, der sich gerade ein Seil geknüppert hat, bevor er auf den Stuhl steigt und seinen Kopf durchzwängt noch das Licht aus? Stromsparen?
Ach ja, dazu kommt noch:
dass nur noch in ihrem Fenster Licht brennt, ihre Eltern sind offenbar nicht zu Hause
Im zweiten Satz steht "es ist mitten in der Nacht" - nur weil die Eltern dann kein Licht an haben, daraus zu schließen, dass sie "offenbar nicht zu Hause" sind, finde ich etwas gewagt. Aber klar - Eltern stören in einer Teene-Love-Story, also müssen sie "weg sein". ;)

Ich kann's nicht lassen :), einen hab ich noch:

Und sie flüstert mir die Antwort ins Ohr. „Darum. Darum liebe ich dich.“
Was war denn die Frage? :D
Ich sehe ein, Du wolltest hier den Ansatz eines Happy-Ends reinbringen, in gewisser Weise passt das zum Rest :)

mhm - klingt jetzt alles nicht so super. Aber Deine Intension ist doch lobenswert!

Also: Ein herzliches Willkommen hier bei den Wortkriegern!
bitte dran denken: Meine Aussagen sollen helfen, bessere Texte zu schreiben und haben nicht das Ziel dich runter zu machen!

Ich hoffe Du hast Spaß hier.

viele Grüße
pantoholli

 

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