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Warum gerade jetzt?

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05.12.2015
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Warum gerade jetzt?

Er war am Tag zuvor aufgenommen worden: männlich, 25 Jahre alt. Er hatte sich selbst vorgestellt, da ihn seit einigen Tagen immer seltener der Gedanke losließ, seiner Mutter etwas antun zu müssen. Das war schlimm für ihn. Das seine Mutter hatte sich schlimm ihm gegenüber verhalten: Sie hatte ihm bis Freitag verschwiegen, dass der bisher geglaubte gar nicht sein biologischer Vater war. Wer war denn sein Vater? Warum hatte er ihn nie kennengelernt? Warum musste seine Mutter ihm gerade jetzt so weh tun, er hatte sich doch immer gut ihr gegenüber verhalten. Wie konnte er selbst Vater sein, irgendwann einmal, wenn er die Richtige gefunden hat, wenn er gar nicht weiß, wie sich ein richtiger Vater anfühlt?

"Zwanghaft erscheinende Gedanken, der eigenen Mutter etwas anzutun; affektiv gedrückt und Ich-Störungen in Form von Depersonalisation und Derealisation", waren einige der Begriffe, die der Stationsarzt im Aufnahmebefund notierte. Ja, verdammt, die Welt kam ihm verändert vor! Wie sollte sie denn auch anders erscheinen, wenn sich gerade erst das Wissen um seine Existenz, seine Entstehung verändert hatte? Wie sollte er denn mit den Kräften tief in sich drinnen zurechtkommen, die ihn von seiner Mutter abstießen und gleichzeitig zu ihr hinzogen. Hilflos, allein, schutzlos, alleingelassen, hinters Licht geführt – so fühlte er sich. Angst, den Verstand zu verlieren. Angst, an dieser Erkrankung nun auf immer zu leiden: Die ersten beiden Male hatte er noch als Ausrutscher gesehen, vielleicht durch die Drogen, auf die er einfach nicht verzichten konnte, aber jetzt: das dritte Mal? Er zweifelte, dass es immer noch ein Ausrutscher sein konnte. Hatte er es übertrieben? Warum hatte er es nicht bei Marihuana belassen können? Warum synthetische Drogen? Warum hat er es nicht geschafft, das Leben zu leben, das er sich so sehr wünschte? Er hatte doch seine Ausbildung zum Hotelfachmann erfolgreich abgeschlossen. Wahllosigkeit, Unbeständigkeit zogen sich in vielen Bereichen durch sein Leben.

Das Gespräch mit dem Stationsarzt war okay, er interessiert sich für ihn, stellt viele Fragen. Irgendwas stimmt ja wirklich nicht mit ihm. Warum hat er auf einmal Angst vor seinem Schatten? Wird er verfolgt? Vor ein paar Monaten, in der Klinik in Bonn, sagten sie, dass er keine Medikamente mehr brauche, weil die Diagnose nicht stimme. Aber warum hatte er dann jetzt wieder diese ganzen verdrehten Gedanken? Die er nicht verstehen konnte? Die ihn so unter Druck setzten? Die in seinem Gehirn klebten wie Kaugummi an einer Schuhsohle? Warum fühlt sich seine Welt wieder so unwirklich an? Warum schaut sie er sich wie in einem Film, wie auf einer Leinwand im Kino? Er nahm Haldol und Tavor, das kannte er von den anderen Aufenthalten, das half manchmal gegen die Gedanken.

Warum hat Sarah heute keine Zeit? Jetzt, wo er sie braucht? Warum bekommt der Arzt ausgerechnet jetzt einen Telefonanruf? Warum steigt die Anspannung bei dem jungen Typen auf der Leinwand da immer weiter? Warum meint er, dass er seine Mutter nur retten kann, indem er sich selbst opfert? Warum ist dem Typen nicht bewusst, dass es eine andere Lösung gibt?

Warum kommt da gerade jetzt der Zug?

 

Bevor ich jetzt an der eigentlichen Geschichte herummeckere, muss ich sagen, dass sie sehr sauber geschrieben ist. Beim ersten Lesen sind mir keine herausragenden Fehler aufgefallen.

Aber dann fällst du durch unsanft auf die Nase, denn:

In meinen Augen hätte der Text Potenzial, wenn er weniger tell wäre. Im Grunde machst du nichts anderes, als uns von einem Mann berichten, der einen Ödipusskomplex hat.

Da kommt nicht wirklich Spannung bei rum, weil du uns nur davon erzählst, anstatt uns in gewisse Situationen reinzuwerfen.

"Er hat dies und das empfunden, jenes Medikament musste er nehmen, dies hat der Doktor aufgeschrieben" ... wie du dir sicher denken kannst, ist eine Aneinanderreihung von Fakten keine gut erzählte Geschichte. Für mich ist das eine Szenenskizze für ein entstehendes Werk. Meinst du nicht auch, dass es spannender für den Leser wäre, wenn er die Gespräche mit ihm dem Arzt lesen könnte? Das ein in medias res-einstieg bei seiner Unterhaltung mit der Mutter sinnvoller wäre? Das gäbe der Geschichte wesentlich mehr Dynamik, denke ich.

 

Hey clindoeil,

Ich sehe das ganz ähnlich wie NWZed, wie wäre es statt mit dem ganzen erzählen zb. mit einer Szene wo er diese Gedanken in die Tat umsetzt und dann abgeholt wird?

Was mir auch nicht gefallen hat, waren die Namen der Pillen? Ich schätze aus dem Kontext heraus, dass das die Namen sind. Du könntest vielleicht eher Pillen sagen, oder sie beschreiben? Ich weiß nicht, die Namen stoßen mir auf, ist aber vielleicht nur meine Meinung. Man kommt ja auch so darauf was gemeint ist.

Liebe Grüße
Lexi

 

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