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Warum fragten sie mich nicht?

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12.07.2002
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Warum fragten sie mich nicht?

Warum fragten sie mich nicht? (überarbeitet 26.09.02)

Was sich in diesem Kriminalfall in den letzten zehn Tagen getan hatte, war schon fast filmreif. Ein ganzes Team bemühte sich Tag und Nacht, den Täter, oder die Täterin, zu finden. Ergebnislos bis heute. Immerhin schafften sie es, den Kreis der Verdächtigen auf drei Personen einzugrenzen. Alle Gedanken und Bemühungen drehten sich seit diesem Moment, bildlich gesprochen, im Kreise. Stellte man ihnen genügend Geld, Zeit und technisches Gerät zur Verfügung, würden sie es schaffen. Bestimmt. Vielleicht nicht, jemanden des Mordes zu überführen, aber immerhin jemanden zu verurteilen.

Dabei hätten sie doch nur mich fragen müssen!

Ich war schließlich hautnah dabei. Ich weiß wovon ich rede! Und das Ganze wäre so einfach gewesen. Sie hatten mich ja schon knapp zwei Tage nach der Tat gefunden, versteckt im Wald, unter jenem Gebüsch, das mich fast perfekt verbarg. Allerdings wäre ich damals noch nicht in der Lage gewesen, auszusagen. Sie fragten, taktvollerweise, auch nicht. Die Polizisten legten mir sorgfältig ein schützendes Tuch und brachten mich zum Revier. Meine Identität war schnell festgestellt, man kannte mich in den Reihen der Kriminalisten. Über mein Alter lagen ihnen keine exakten Fakten vor, aber die Spezialisten waren in der Lage, es auf fast ein Jahr genau zu schätzen. Im Labor untersuchten sie mich auf Herz und Nieren, wie man so schön sagt – und trotzdem fanden sie nichts, was ihnen bei der Suche konkret weitergeholfen hätte.

Warum fragten sie nicht, wo ich doch wirklich alles, bis ins Detail, wusste?

Ich spürte genau, wie sie mich aus dem sorgfältig gewählten Versteck holte, mich mit dem weichen Tuch liebevoll abrieb – und ich sah deutlich, wie ihre Hände dabei zitterten. Ja, sie war sehr nervös. Ihre eleganten, gepflegten Hände mit dem dezenten Perlmutt-Nagellack waren schweißnass. Die sonst so hübschen Augen waren durch Tränen verschleiert, aber ihre Lippen waren fest entschlossen zusammengepresst. Irgendwie tat sie mir in diesem Moment leid. Der Wille zum Mord war da, die Überzeugung, dass es richtig sei, ihn umzubringen, auch. Aber der Körper wollte noch nicht. Sie war noch in sich zerrissen, das war in Ihrem Gesicht deutlich ablesbar. Vor allem aus meiner Perspektive (aus der Sicht von schräg unten waren ihre Lippen trotzig vergrößert und gleichzeitig wirkten sie noch schmäler und blutleerer). Ich fühlte, wie es sie beruhigte, mich mit dem weichen Tuch abzureiben. Es schien, als ob sie physische und psychische Kraft aus mir schöpfte. Ihr Körper bekam Spannung, die Hände fühlten sich nun geschmeidig und warm an. Aber die letzten Zweifel waren noch nicht verschwunden.

Gut, sie wollte ihn nicht nur umbringen – sie musste es geradezu tun. Alles, was sich in den letzten Wochen abspielte, zielte auf diese glasklare Entscheidung hin. Es gab kein Zurück mehr.

Aber war die Pistole das richtige Instrument, um ihn ins Jenseits zu befördern? Wäre Vergiften nicht eine elegantere, harmlosere Methode gewesen? Immerhin hatte er, trotz der sich ständig vertiefenden Kluft zwischen ihnen, immer noch Vertrauen in sie. Und sie kochte ihm täglich drei Mahlzeiten. Er würde das Gift ohne Argwohn von ihr entgegennehmen. Alles ginge kurz und schmerzlos. Bei geschickter Wahl des Giftes vielleicht sogar so, dass die Polizei einen Mord nicht einmal zweifelsfrei nachweisen könnte. Dann würde es ein bedauerlicher Unfall sein.

Aber wollte sie das?

Nein, Ihr Stolz sagte ihr, dass sie seinen Tod nicht nur aktiv, sondern auch für ihn offensichtlich herbeiführen müsse. Es sollte eine Bestrafung sein, für alles, was er ihr in letzter Zeit angetan hatte. Er musste zur Kenntnis nehmen, dass er den Bogen überspannt hatte, dass sie sich so nicht behandeln ließe. Nicht von ihm.

Ihn mit eigenen Händen erwürgen, ganz nach der alttestamentarischen Methode „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, das käme ihrer Wunschvorstellung am nächsten. Aber diese Lösung war nicht durchführbar. Immerhin war er fast um einen Kopf größer als sie und hatte einen durchtrainierten Körper. Und sie war Realistin.

Aus diesem Grunde wählte sie mich.

Dann ging alles sehr schnell: Sie trat ins Wohnzimmer und gab den tödlichen Schuss ab. Kurz, präzise und unspektakulär.

Warum können Kriminalisten nicht einfach eine Pistole ins Kreuzverhör nehmen? Gut, ich hätte nicht antworten können. Aber ich hätte zumindest mit dem Abzugshahn auf ihre Fragen bejahend nicken können. Ein Schwenken des Laufs hätte man eindeutig als Nein interpretiert, da bin ich mir sicher. Und ein „weiß ich nicht“ hätte es in meinem Fall nicht gegeben. Ich bin mir meiner Sache absolut sicher.

 

komische geschichte. eigentlich lustige idee, aber man kann ja gar nicht mit einer pistole reden, das gibt dem ganzen etwas sinnloses. besser wäre: warum können kriminalisten denn nicht einfach mit einer pistole reden?
sonst ganz nett, ciao, jule

 

Guten Abend Ernst,

die Idee gefällt mir - aber du hast sie einfach zu plump umgesetzt.

Spätestens "als sie auf das Revier gebracht wurde", weiß man Bescheid, und das ist schade, verdammt schade. Vorher glaubt man (ich zumindest) nämlich wirklich, dass es sich um das Opfer handelt.

Das die Pistole Probleme damit hat, nicht befragt zu werden, sehe ich dagegen nicht als sonderbar oder unlogisch an. "Sie" weiß es vielleicht nicht besser, also geht das schon in Ordnung. Gefällt mir, auf der einen Seite hat "sie" so klare, strukturierte Gedanken, auf der anderen Seite geht ihr das Bewusstsein über die Unmöglichkeit mit Menschen zu kommunizieren ab.

Könnte eine großartige Story werden - wenn du sie noch verfeinerst. Hab grade nach einem "DAFÜR"-Smilie gesucht, bin aber leider net fündig geworden. Also gibt`s den klassischen: :)

Grüße!
Liz

PS: tlw. haben sich Wortwiederholungen eingeschlichen, nimm sie raus (iss kein befehl ...) :D

 

Hallo Ernst, ich habe Dir einmal geschrieben, daß ich ein schlechter Kritiker bin. Du hast mich aber irgendwie ermuntert, trotzdem zu kritisieren.

Okay!!!

"HAST DU EINE SCHREIBBLOCKADE?"

Wenn ich es mit den letzten 3 Kilometern vergleiche, war es eine 6.

War es eine Geschichte aus der Not heraus geboren?

Übrigens gegen Schreibblockaden hilft: Nicht schreiben, bzw. sich zwingen nicht schreiben zu wollen, nicht nach lösungen für stories zu suchen.

Probleme ruhen lassen. Nennt sich (Inkubation)

Ernst,Jule hat recht. Eine Pistole kann nicht reden, hat nichts beseeltes und dann wird es schwierig!!!
Jeder Mensch sieht dieses Objekt wie einen Stein, als leblosen Gegenstand, auch wenn er Unheil anrichtet.

Du kannst bei mir übrigens aufgrund meiner Kritik sicher sein, daß ich nicht nach der Devise meines Protagonisten aus "Alarm in Lüdenscheid" handele.

Sorry, Ernst

ganz ganz ganz ganz ganz liebe Grüsse Archetyp

 

Lieber Ernst !

Also, es gibt eine Geschichte da spricht jemand mit einem nicht existierenden Hasen, in einem Märchen sprechen ein denkender Zinnsoldat und eine fühlende Puppenfee herzzerreissende Dialoge. Wieviele utopische Geschichten gibt es in denen alle möglichen Roboter und zusammengebastelte Blechteile ganze Weltsysteme retten.

Ich denke es muss alles möglich sein in der Phantasie, warum nicht das Wissen und die Beseeltheit einer Pistole beschreiben die über keine Form der Kommunikation verfügt, ausgenommen man würde ihr die richtige Frage stellen?

Ich fand den Einfall recht witzig. Und ... die Story war von passender Kürze. Also ist doch alles ok, hm? Lieben Gruß an dich - schnee.eule

 

ein herzliches hallo an alle meine kritiker, zunächst vielen dank für eure mühe. ja, die story ist aus einem blitzgedanken heraus entstanden und wurde ebenso blitzschnell niedergeschrieben. ich denke, sie est es wert, nochmals überarbeitet zu werden. ich fahre jetzt in urlaub, nehme mein notebook unter den arm und werde daran rumfeilen!

@ gérard: deine geanken helfen weiter. ich werde ausbauen. danke

@ schnee.eule: auch dir vielen dank. also an kürze wird die story zwangsweise etwas verlieren, bei der überarbeitung. aber ich verspreche dir, sie nicht alzuweit aufzublasen

@ archetyp: genau das hat mich gereizt: die pistole kann zwar nicht reden, hätte aber viel zu sagen. ich muß mir nur noch einmal durch den kopf gehen lassen, wie ich es umsetze. also eine schreibblockade ist es nicht - eher ein spontaner einfall, genauso spontan niedergeschrieben. vielen dank!

@ liz: danke für die aufmunterung. ich wollte eigentlich den leser in die irre führen (TÄTER - nicht opfer, wie du schreibst) und ihm die auflösung erst möglichst spät liefern. mal sehen, wie ich es schaffe in der überarbeitung

@ anfängerin: auch dir vielen dank für deine hinweise. meine meinung dazu - siehe oben.

herzliche grüße an euch alle. melde mich ab in den urlaub! ernst

 

hallo ernst, ich habe es mal eben ganz schnell durchgelesen, da sind zwar noch einige dinge, die mir nicht gefallen, habe jetzt aber nicht ausreichend zeit. Allerdings, das wichtigste ist: "Ich glaube so geht es, jetzt dreht sich mir nicht mehr der Magen um, wirklich". Ist nicht einfach aus der sicht einer Pistole zu schreiben. Hab dir ja erzählt, dass der leser irgendwie noch glauben muss, dass dass objekt etwas beseeltes ist. Dann sprach, glaube ich schnee.eule davon, dass ein zinnsoldat in einer story auch beseelt gemacht worden ist. Okay, zinnsoldat hat ja auch wieder was menschliches. Ist nicht einfach mit ner pistole. Stelle dir vor ich liesse ein Radiergummi sprechen, dass in einenm Schreibwarengeschäft in einer Schublade hindümpelt, und gekauft werden will.(haha über diesen vergleich werde ich auch noch mal nachdenken)

bis dann stefan

 

Lieber Ernst,

die Überarbeitung hat der Geschichte gut getan - sie erscheint mir jetzt viel eleganter. :)

Denkt eigentlich in den Absätzen mit dem Gift die Pistole oder die Frau? Ich nehme an die Pistole, die über das Seelenleben der Dame bestens Bescheid weiß - das hat was komplizenhaftes.

Sollte es so sein, würde ich diesen Satz ändern, da sonst verwirrend:

Aber war die Pistole das richtige Instrument, um ihn ins Jenseits zu befördern?

Aber war ich das richtige Instrument ...
_____

Aber ich hätte zumindest mit dem Abzugshahn auf ihre Fragen bejahend nicken können.

Das klingt zu ironisch und passt nicht nicht zur Geschichte.
_____

Aber wie gesagt - ich finde die Story jetzt richtig gut!

Beste Grüße
Liz

 

Servus Ernst Clemens !

Ich fand ja deine Geschichte ursprünglich bereits gut, weil sie locker und leicht geschrieben war.

Nun hast du einen Absatz beigefügt der mich ehrlich gesagt nicht so glücklich macht, der dir aber fast abverlangt wurde. Nämlich das Personifizieren der Waffe durch das Erklären wie sie ja oder nein sagen könnte etc. Das erscheint mir fast zwanghaft konstruiert. Aber wie gesagt, ich hatte dies an der Urfassung auch nicht bemängelt, hatte da keinerlei Erklärungsbedarf und somit kehrt sich die Kritik da um.

Die restliche Bearbeitung hat dem Ganzen aber gut getan und auch die neue Absatzbildung erscheint mir beim Lesen angenehm.

Einen lieben Gruß an dich - schnee.eule

 

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