Warum der Minirock?
Es gibt Momente, da möchte sich ein Mann am liebsten an einen beliebigen anderen Ort begeben. Ein solcher Moment ist der, in dem die Lebensgefährtin sich über ihre Kleidung aufregt. Doch es gibt eine unterschätzte Gelegenheit, bei der man sich viel eher aus dem Staub machen sollte: wenn sich eine Frau über die Kleidung einer anderen aufregt!
Ich und meine Süße waren bei Freunden eingeladen. Bei ihren Freunden. Also bei flüchtigen Bekannten von ihr. Der Abend versprach demnach nicht besonders lustig zu werden, aber was macht man nicht alles für seine Freundin.
Ich saß (bereits vollständig bekleidet, versteht sich) auf dem Bett und las in der Zeitung. Ein Schemen, in dem ich meine Süße erkennen konnte, huschte währenddessen in Unterwäsche im Zimmer herum.
„Ich habe nichts anzuziehen; ich habe einfach nichts anzuziehen“, drang ihre Stimme gelegentlich leise an mein Ohr.
„Schmusebärchen?“ fragte sie nach einigen Stunden, und hielt zwei Röcke in die Höhe. „Was denkst du? Soll ich lieber den langen oder den kurzen Rock anziehen?“
Hier beging ich den ersten Fehler.
„Den Kurzen“, murmelte ich, während ich mich weiter mit meiner Lektüre beschäftigte.
„Warum soll ich nicht den Langen anziehen?“
„Dann trag’ doch den.“ Fehler Nummer zwei.
„Vielleicht sollte ich mit dem Elektriker eine Affäre anfangen?“
„Besser nicht, der riecht so komisch“, erwiderte ich. Sie hatte wohl gedacht, ich höre ihr nicht zu, aber dieses Spielchen kenne ich einfach zu gut!
„Dich kümmert es einfach nicht wie ich herumlaufe!“ Damit hatte sie zweifellos recht, zumindest wenn es darum ging, welches ihrer überteuerten Kleidungsstücke sie denn tragen sollte.
„Das ist doch nicht wahr“, sagte ich allerdings und legte die Zeitung weg, um mir mehr Bewegungsfreiheit für den zu erwartenden Ringkampf zu verschaffen. „Zieh doch den kurzen Rock zusammen mit der blauen Bluse an.“
Sie drehte sich zum Schrank um und betrachtete das schwarze Stück Soff in ihrer Hand nachdenklich. „Hm, ich denke, ich ziehe den langen Rock an!“
Wenige Tage später, hatte sie endgültig den langen Rock, flache Schuhe, eine grüne Bluse und passendes Make-up gewählt, so dass wir uns endlich auf den Weg machen konnten.
Bei unseren Gastgebern angekommen, wurden wir begrüßt, es wurden Cocktails in den seltsamsten Farben gereicht, einige aufgespießte Würstchen machten die Runde und inhaltslose Gespräche wurden geführt. Wie man sich denken kann, langweilte ich mich fast zu Tode! Und dennoch unterlief mir der dritte Fehlgriff, zunächst jedoch ohne mein Wissen.
Der Abend war der Nacht gewichen, die Nachtigall ließ ihr Lied nach einigen Zugaben ausklingen und wir machten uns mit vorschriftsmäßigen 50 km/h auf den Heimweg.
„Und, wie fandest du sie?“
„Ja, ja, ganz nett“, log ich, während ich feststellte, dass der Jetta vor uns nicht über mehr als zwei Gänge verfügen konnte.
„Ja, das war dir auch deutlich anzusehen“, sprach meine Süße mit einem säuerlichen Tonfall.
„Hä?“ gab ich von mir, durch den plötzlichen Stimmungswandel irritiert.
„Du hast ihr die ganze Zeit auf die Knie gestarrt!“ war die noch säuerliche Antwort.
„Das habe ich nicht!“ Hatte ich? Ich wusste es nicht mehr.
„Oh doch, das hast du!“ Jetzt zeterte die Frau neben mir endgültig los. „Du hattest doch nur noch Augen für diese Schlampe im Minirock!“
Der Umstand, dass wir angekommen waren, gab ihr an dieser Stelle die Gelegenheit, die Autotür zuwerfen zu können.
Immer noch völlig verwirrt öffnete ich die Haustür. „Das ist doch nicht wahr! Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, ob sie einen kurzen Rock getragen hat!“
„Pah!“ stieß sie hervor und stürmte in unsere Wohnung. Ich erwog bereits den Partnerschaftsnotdienst anzurufen, um ein Diamantencollier oder ein Haus in Südfrankreich zu bestellen, doch eines kann man über meine Süße nicht sagen, nämlich das sie lange nachtragend ist.
Seufzend ließ sie sich aufs Sofa fallen und bedeutete mir, mich neben sie zu setzen. Kaum das ich mich niederließ, lehnte sie ihren Kopf an meine Schulter.
„Gefalle ich dir denn nicht mehr?“
Ah, so eine Unterhaltung sollte das werden! „Natürlich gefällst du mir“, sagte ich und streichelte ihre Wange. „Ich versichere dir, dass ich nicht absichtlich auf die Knie dieser Person gesehen habe.“
„Echt?“
„Echt!“ bestätigte ich noch einmal, nahm sie in die Arme und küsste sie. Damit dachte ich, dass die Sache erledigt wäre. Fehler vier!
Wir lagen bereits im Bett und ich dachte im Halbschlaf über meine nächste Geschichte nach, als sie plötzlich das Licht wieder einschaltete.
„Schatzi? Warum schauen Männer allem nach, das einen kurzen Rock trägt?“
Och nee! Warum ich?
„Du kannst mir ruhig die Wahrheit sagen! Ich werde nicht böse! Du bist ja schließlich nur ein Mann und kannst nichts dafür!“
„Oh, vielen Dank“, gab ich zurück. NUR ein Mann, wenn ich das schon höre... „Aber wenn es dir soviel bedeutet, dann werde ich Erkundigungen einziehen.“
Gesagt, getan! Am nächsten Nachmittag beschloss ich, dem Mysterium Minirock auf den Grund zu gehen. Dazu begab ich mich in die Fußgängerzone, da ich dort auf einige Exemplare dieser textilen Spezies treffen würde. Und tatsächlich dauerte es nicht lange und ich wurde fündig!
Eine junge Dame flanierte über das Pflaster und trug eines der besagten Kleidungsstücke. Und tatsächlich, da war ein Herr, der ihr nachsah. Schnell trat ich an ihn heran.
„Entschuldigung, eine Frage! Warum haben sie der Dame dort nachgesehen?“
„Das habe ich nicht!“ sagte er und entfernte sich schnellen Schritts.
Verärgert blieb ich stehen. Natürlich hatte er ihr nachgeschaut, ich habe es schließlich gesehen! So ein falscher Hund!
Doch ich gab nicht auf! Noch einige Male befragte ich Männer, welche sich nach kurzen Röcken umgedreht hatten. Doch immer erhielt ich die gleiche Antwort! Das konnte doch nicht sein! Natürlich hatten sie hingesehen! Ich hätte es vor Gericht beschwören können!
Nach einigen Dutzend Befragten war es mir schließlich zu bunt!
Dort die übliche Kombination: Minirock, Mann, umdrehen, hinschauen. Der würde mir nicht entkommen!
Ich packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn kräftig. „Warum hast du das gemacht?“ brüllte ich ihn an. „Und wenn du jetzt sagst, dass du es nicht getan hast dann setzt es Schläge!“
Der Feigling rettete sich, indem er in Ohnmacht fiel. Einige kräftige Passanten zerrten mich von dem Bewusstlosen fort, den ich immer noch schüttelte und anbrüllte.
Der folgende Aufenthalt in der Untersuchungshaft war zwar interessant, jedoch nicht besonders aufschlussreich. Ich kam in der Sache einfach nicht weiter!
Einige Wochen später waren ich und meine Süße wieder bei Bekannten eingeladen. Und wieder huldigte sie dem Ich-hab’-nichts-anzuziehen-Ritual.
„Schatzi? Soll ich den langen oder lieber den kurzen Rock anziehen?“
Endlich! Nach den bangen Wochen voller Ungewissheit kannte ich die Lösung! Ich sprang vom Bett auf, tanzte, jubelte und machte Luftsprünge! Meine Süße betrachtete das Geschehen mit wachsendem Unverständnis. Als ich sie packte und auf das Bett warf, quiekte sie erschrocken auf.
„Ich weiß es, endlich weiß ich es!“ jauchzte ich immer wieder, während ich sie mit Küssen eindeckte.
„Was weißt du?“ lautete die verwirrte Frage.
„Warum Männer Frauen in kurzen Röcken nachsehen!“ gab ich freudig von mir. „Natürlich, weil man dann ihre Beine sehen kann!“
Manche Fragen sind so einfach zu beantworten, wenn man nur mal vernünftig darüber nachdenkt!