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Warten

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06.04.2022
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Warten

Die abblätternde grüne Farbe zeigte die Abgeschiedenheit und Trostlosigkeit dieses Ortes besser als der übervolle – wahrscheinlich noch niemals geleerte – Mülleimer oder die Pflastersteine, die unter dem Waldboden in Vergessenheit ertranken. Die Luft roch etwas modrig; nach Eichenlaub. Wenn er angestrengt in die Stille lauschte hörte er dann und wann einen Ast brechen; etwas im Laub rascheln. Es war noch nicht kalt, aber es würde nicht mehr lange dauern bis er seinen Atem vor sich durch die Luft schweben sehen könnte.

Er schlug die Beine übereinander. Die morschen Bretter der grünen Parkbank protestierten heftig, hielten aber. Er sah auf zwei rostige Linien, die direkt durch den Wald führten. Man musste schon zweimal hinsehen, um zu erkennen, dass es Schienen waren. Er genoss die Ruhe, verteufelte aber das Warten. Er wollte nicht länger warten! Sein Gesicht verzog sich und die Lippen entblößten strahlend weiße Zähne. Der Wind trug ihm eine blonde Strähne vor die Augen, diese er geistesabwesend zurückstrich. Er war einmal der Meinung gewesen, dass Wälder sinnlos sein. Er hatte es nicht verstehen können, warum Menschen es mochten in der Wildnis umher zu gehen. Damals war er ein anderer gewesen. Aber alles hatte sich verändert. Alles!

Als er vor der grünen Lunge stand wusste er noch nicht, weshalb er hier war. Er hatte im Büro alles stehen und liegen lassen, hatte seiner Sekretärin keinen Grund genannt, weshalb er verschwand. Es war egal. Es gab Termine: 12Uhr30, Briefing mit den Mitarbeitern; 14Uhr55, Essen mit den neuen ausländischen Partnern. Es gab wichtige Termine: 9Uhr, die ORGAF National-Sache; 17Uhr20, Meeting mit den Großaktionären. Und es gab das Schicksal: Dagegen ist man machtlos.

Er fuhr los. Aus der Stadt kommend brauchte man knapp vierzig Minuten bis zur grünen Lunge. Ihm kam es so vor, als wäre er eingestiegen, hätte den Motor zum Leben erweckt, nur um ihn dann sofort wieder ersterben zu lassen. Als wenn er teleportiert worden wäre. Sein Kopf war leer. Es gab keine Termine. Keine wichtigen Termine; es gab nur das Schicksal!

Er ließ seine Fingernägel über den brüchigen grünen Film der Bank gleiten. Mit einem kurzen stechenden Schmerz schob sich ihm ein abgelöstes Stück Grün unter den Nagel des linken Zeigefingers. Er zog die Luft ein. Er hat Hoffnung gehabt. Die Hoffnung war da gewesen. Er hatte sie schon sehr lange. Die unbegründete Hoffnung auf neues Leben. Er zog das schmerzende Plättchen unter dem Nagel hervor und lies es auf seine Handfläche gleiten. Es war wie eine Parabel. Hoffnung war wie die grüne Farbe dieser Parkbank. Zuerst war sie glatt und allumfassend, aber dann bekam sie Risse; entblößte die nackte Wahrheit unter der Fassade. Irgendwann einmal würde einen die Hoffnung dann verletzten. So war es dann auch! Er nickte mit dem Kopf und sah in die Ferne.

Die Baumstämme waren die Säulen eines unglaublichen Ballsaals, dessen Decke der Himmel war. Nun war die Decke grau, bald würde es regnen. Ihm war es einerlei. Er fror noch nicht, aber dies verdankte er nur seinem Kurzmantel. Der grau melierte Nadelstreifenanzug darunter war kein Gegner für die aufkeimende Kälte. Wenn es regnen würde, dann hätte das Wetter sich wenigstens mit seinem Gemütszustand synchronisiert. Er lächelte ohne jedwede Freude. Nun konnte man nicht nur sein Blackberry mit dem internen Firmenserver synchronisieren, sondern auch das Wetter mit den Gefühlen... was würde als nächstes kommen? Er dachte damals, sie wäre die eine gewesen. Er hat gehofft. Hoffnung ist die blätternde Farbe auf einer vergessenen Bank mitten im Wald. Aber er hat es nicht gesehen. Er war blind gewesen. Hat er nicht so viel für sie gemacht? Hat er ihr nicht so vieles geben wollen? Er war damals nicht reich, aber er wollte ihr viel wertvolleres als Pandoraarmbänder oder Nerzmäntel schenken. Er wollte ihr seine Liebe und Zuneigung schenken. Er wollte ihr sein Herz schenken! Er wollte es nicht nur – unter seinem Fingernagel bildete sich ein Druck, die rosa Haut verfärbte sich bläulich – er hat es ihr geschenkt, hatte sich selbst aufgegeben. Für sie! War er so blind gewesen? Er schüttelte den Kopf. Es war keine Blindheit. Es war Liebe. Aber dieses Gefühl ist ebenso empfindlich wie grüne Farbe. Auch die Liebe bröckelt irgendwann, wenn man nicht ständig mit dem Pinsel die Linien nachzieht. Sie benutzten zwar oft seinen Pinsel, aber er zog keine neuen Linien. Keine neuen Lebenslinien auf weichen kleinen Kinderhänden. Keine blauen Augen, die genauso aussahen wie ihre. Keine große Nase, wie die seine. Keine Lebenslinien auf weichen kleinen Kinderhänden, die mit all ihrer zerbrechlichen Kraft einem den Daumen drücken, wenn man ihnen die Hand entgegenstreckt. Nun fiel der erste Tropfen auf den Kragen seines Mantels. Es war jedoch kein Regen. Er weinte. Wie lange schon hat er nicht mehr geweint? Er wusste es nicht. Nicht einmal als er es erfahren hatte, weinte er. Er konnte es nicht. Er hatte sich über die Jahre zu einem steinernen Ableger seiner selbst gemacht. Die wenigen Gefühle lagen in dem Herzen, welches sie in den Händen hielt. Was hatte sie nur damit gemacht? Wie sorglos war sie mit seinem Herzen umgegangen? Wusste sie nicht, dass ein Holzpflock, den man in ein Herz stößt Schmerzen bereitet? Erst dachte er, sie wüsste es wirklich nicht, aber das war der Rest Liebe, welcher aus ihm sprach. Nun wusste er es besser. Ihr war es bewusst, aber sie liebte ihn nicht und deshalb war es ihr egal. Zuneigung. Liebesbeteuerung. Alles Humbug! Die Liebe kann man nicht zeigen. Sie ist da oder nicht. Dies ist das Geheimnis. Wieso hatte er nur solange gebraucht, um dies zu begreifen? Er musste erst auf dieser Parkbank platz nehmen, damit es ihm bewusst wurde! Nun wartete er. Wartete.

Dies war früher nie seine Art gewesen. Alles musste sofort geschehen. Nicht gleich. Nicht später. Sofort! Hätten neue Lebenslinien dies verändert? Würde er es erfahren? Er war sich unsicher. Sein Herz hatte er schließlich zurückbekommen. Es war ein Wrack; hat nichtmal mehr Schrottwert; die Garantie war abgelaufen. Er hat es nicht regelmäßig in die Inspektion gebracht und deshalb war die Garantie verloschen; verloschen wie die Liebe zu ihr. Aber stimmte das? War die Liebe zu ihr vollends verloschen? So sehr er sich selbst dafür hasste, musste er sich diese Frage mit einem „Nein“ beantworten. Tief unten im eingedrückten rostigen Kamin, der seine Liebe mit Feuer nährte, glomm eine Glut mit ihrem Namen darauf. Was hatte sie ihm angetan? Was hat sie der Zukunft angetan? Es war abartig gewesen! Er konnte nur eines tun. Er musste sie schnellstmöglich vergessen. Er musste sich das zurückholen, was sie ihm genommen hat. Er brauchte ein unbeschwertes Herz. Ein klares Herz. Ein Herz, welches länger schlagen würde als seines. Seines war eine Ruine, aber selbst Ruinen blühen zu einem Hort der Phantasie und des Spaßes auf, wenn Kinder in ihnen spielen. Nun spürte er Wut. Seine Tränen liefen hinab. Sie war der Besitzer der Ruine und hat ein grauenhaftes „Betreten Verboten“-Schild in den Boden davor gerammt. Sie war zwar die Besitzerin, aber war nicht auch er Teilhaber von diesem Wunder gewesen? Hatte er nicht die große markante Nase dazu gesteuert? Konnte denn ein Y und ein X so wenig von Bedeutung sein? Wie konnte man nur diese Buchstaben zerstören? Sie waren Boten des Lebens. Er wollte ein neues Herz. Ein neues Herz, dem er sein verbrauchtes als Geschenk machen konnte. Es wollte eine Seele, die sich sogar über diesen leblosen kranken Muskel freuen konnte. Er brauchte Liebe. Er brauchte diese ewige und einzig wahre Liebe. Das war das wertvollste im Leben. Nicht seine goldenen Manschettenknöpfe; nicht seine nagelneue Uhr von Glashütte; nicht seine teure 3D-Heimkinoanlage von Harman/Kardon; nicht sein flaches Macbook Air; nicht seine schwarze S-Klasse, die am Waldrand auf einem Schotterparkplatz stand. Alles hätte er aufgegeben für die Liebe. Alles! Aber er konnte es nicht aufgeben.

Und selbst wenn: Liebe kann man nicht erkaufen; nicht erzwingen. Er konnte nicht davon ausgehen, dass wenn er alles andere aufgibt, das findet, was er wirklich braucht. Er schniefte. Rotz verfing sich an seiner Oberlippe. Er bemerkte es nicht einmal. Er war ein armer Mann, der nichts hat außer seinen Reichtum und einem misshandelten Herzen. Wie sollte er jemals das Vertrauen fassen können? Wie sollte er jemals wieder hoffen können, dass es eine Frau gäbe, die ihn lieben würde? Er war verzweifelt.

Er blickte hinüber in das Gebüsch und sah eine Rehmutter mit ihrem Kitz. Er sah die beiden lange an; sie blickten mit ihren Knopfaugen zurück. Sie konnten sich ihrer Liebe zueinander sicher sein. Aber er? Hatte er es überhaupt versucht, nachdem sie ihn….

Er lachte schallend! Tränen flogen um ihn herum. Die Rehe verschwanden im Nichts des Waldes. Kurze Zaungäste! Besucher eines kosmischen Theaters – eines Dramas, wie es nur die Götter schreiben konnten. Er war der tragische Held. Er war so verletzt gewesen. Sie wusste wie sie es schaffen konnte. Sie kannte seine Träume. Sie kannte seine Gedanken. Ihr gehörte sein Herz. Sie hatte ihn verletzt, so grausam und unerwartet wie es nur hätte sein können. Darauf war sie dann verschwunden. Gegangen! Aus seinem Leben getreten! Was sie ihm vor die Füsse geworfen hatte, war der Rest, der von ihm noch übrig geblieben war. Sein Herz – voller Maden des Selbstzweifels; voller Fliegeneier der Schuld; die Ratten der Trauer nagten an ihm. Was war er damals noch gewesen, außer ein steinernes Ich mit einem verfaulenden Herzen? Er wartete weinend; saß auf der Bank und weinte still und einsam vor sich hin. Sie hatte ihn verlassen. Sie! Ihn! Sie war das Monster, er das Opfer. Wie konnte sie ihn nur glauben machen, dass er das Monster wäre?

Liebe?! Er nickte und zog die Nase hoch. Hoffnung?!

Auch die Hoffnung war es. Diese dreckige grüne Farbe, welche über der blanken Gewissheit lag. Als sie es ihm gesagt hatte, was war mit ihm passiert? Er wollte sagen, dass etwas in ihm zerbrochen war. Er wollte sich vergewissern, dass er noch etwas anderes spüren konnte, als Liebe. Er wollte etwas anderes spüren, als unerwiderte Liebe.

Hass. Trauer. Mordlust! Dies hätte er spüren sollen. Er fühlte: Nichts!

Entsetzen, Scham, Ohnmacht? Nichts! Er war nur leer.

Ein Stein. Ein träumender Stein. Mehr war er nicht gewesen. Was tut ein träumender Stein, der von einem Hügel seinem verderben entgegen rollt?

Er rollt! Und dies hatte er getan. Er war gerollt. Hatte sich in die Arbeit vergraben, hatte mehr Geld gemacht, als jemals zuvor. Hatte er gedacht, Geld könnte dieses Loch stopfen? Nicht wirklich!

Die Arbeit sollte ihn ablenken! Tat sie das? Nicht wirklich!

Was war dann passiert? Warum war er hierher gekommen?

Er sah zum grauen Himmel hinauf. Es gab keine Antwort auf diese Frage. Er saß auf einer Parkbank mitten im Wald und wartete. Bestand sein Leben nicht aus warten? Er stand nie still, aber hatte er nicht dennoch gewartet? Konnte es sein, dass er Liebe mit Gewohnheit verwechselt hatte? Seine Trauer war dann nur der Schmerz über den Verlust des Bekannten. Hatte er dann überhaupt jemals geliebt? Ihm dämmerte es. Er hatte sie beschenkt. Ihr Komplimente gemacht. Ihr ein Zuhause gegeben. Ihr Sicherheit geboten. Das einzige Geschenk, dass sie ihm hätte machen können…. Sie hatte dieses Geschenk zerstört; ihm die einzige Möglichkeit wahre Liebe zu erfahren genommen. Dafür musste er sie hassen. Er war wütend, aber hassen konnte er sie nicht. Nicht einmal nach dem, was sie ihm angetan hatte; ihm und seiner Zukunft.

Er war verwirrt. Hörte er etwa das Pfeifen eines Zuges? Es konnte nicht sein. Er konzentrierte sich wieder auf seine Vergangenheit. Er hatte viel Geld gemacht. Er hatte nach Liebe gesucht, aber es kam ihm nur so vor. Er hatte die Liebe nicht sehen können. Genauso gut, hätte er versuchen können, einen Diamanten auf einem Planeten aus Glas zu finden. Er sah nur durch die Liebe hindurch. Alles sah gleich aus. Das einzige, was er bisher als Liebe wahrnehmen konnte, war ein Scherbe, an der er sich geschnitten hatte. Das Blut färbte diese wertlose Scherbe rot und machte sie zu etwas besonderem. Aber Glas ist keine Liebe. Dies verstand er nun. Liebe war nicht da, um sich an ihr zu schneiden. Sie war da um zu schaffen. Er wusste es im tiefsten Herzen schon immer. Er wusste in seinen Träumen, dass er nur einen geschliffenen Glasbrillanten trug, wobei er sich wünschte einen Diamanten zu tragen. Sogar seine Träume hatten ihn also hintergangen! Hatte er überhaupt jemals die Wahrheit erfahren? War sein Leben so trist? Er war sich dessen sicher, also wartete er. Es schien das einzig richtige zu sein. Viel gab es nicht. Nichts wofür es sich lohnte aufzustehen und weiter zu machen. Tränen liefen an seinen Wangen hinab, flossen zum Kinn, sammelten sich dort und tropften auf den Kragen hinab. Er konnte die Liebe nicht erkennen. Was war eigentlich los mit ihm? Konnte es sein, dass er einer Frau vor den Kopf gestoßen hatte, die ihn wirklich liebte? Sie musste sich ähnlich fühlen, wie er nun. Er hatte immer an die große Liebe geglaubt. Aber auch Startrek-Fans glauben an das Raumschiff Enterprise. Sollte es ihnen jedoch tatsächlich begegnen, würden sie ebenso schreiende wegrennen, wie er vor der Liebe. Nun fühlte er sich nicht nur wütend und traurig, sonder auch noch schmutzig. So viele Gefühle. Sein steinerner Körper wurde langsam von grauen Gefühlen erfüllt. Grau wie der wolkengeschwängerte Himmel über ihm. Sein Herz trug er mit sich. Er hätte es auch im Wagen offen liegen lassen können. Keiner hätte dieses Herz geklaut. Dies war Gewissheit. Gewissheit ist unbehandeltes Holz; viel kräftiger als eingepinselte Latten, die eine Sitzfläche formen. Er stand von der Bank auf und setzte sich auf einen umgefallenen Baumstamm, der etwas rechts neben dem kurzen gepflasterten Weg lag, dieser sich danach im platten Waldboden verlief. Nun hatte er die Hoffnung verlassen. Er hatte die Parkbank im Wald verlassen. Er hatte es geschafft die Gewissheit zu finden. Zwar schmerzte sein Gesäß, aber er würde sich nicht an bröckelnder grüner Farbe verletzten. Er würde nicht bluten. Dies war ihm mit einem Mal sehr wichtig geworden. Er betrachtete seinen Finger und drückte auf den Nagel. Ein Schmerz durchzuckte ihn, aber er genoss es dennoch. Der Druck wurde unerträglich, dann platzte der Schmerz in schillernden Kreisen vor seiner Netzhaut und Blut sickerte unter seinem Fingernagel hervor. Er schwor sich, dass es das letzte Mal war, dass er blutete. Er musste schniefen. Das beste war, dass er sich alleine zum bluten gebracht hat. Sie schien keine Macht mehr über ihn zu haben.

Es zischte. Dampf umfing ihn und er sah erschrocken auf. Ein Zug hatte sich lautlos genähert. Ein altes schwarzes Dampfross, welches noch gefährlich schnauben konnte und dessen Herz ebenfalls einen rostigen Kamin beherbergte. Er stand auf. Die Tür des vordersten Wagons klappte auf und eine kurze Trittleiter entrollte sich. Unschlüssig stand er dort. Es war ein surrealer Anblick. Dieser Zug stand mitten im Wald. Warum hatte er sich eigentlich nicht darüber gewundert, dass hier auch Schienen lagen? Weshalb saß er auf einer Parkbank und wartete? Er hatte auf den Zug gewartet. Dies war gewiss. Er ging ein paar Schritte auf den Zug zu, dann blieb er stehen und sah zur Parkbank hinüber. Er setzte sich darauf. Er hatte eine Hoffnung. Eine abstruse verrückte Hoffnung. Er fuhr mit den Fingern über die blätternde grüne Farbe. Sein linker Zeigefinger zog einen bräunlichen Streifen hinter sich her. Er verletzte sich nicht. Die Hoffnung blätterte nicht ab. Jetzt öffneten sich alle Pforten und er schluchzte und heulte. Die Tränen liefen aus seinen Augen. Seine Seele ertrank in gesalzener Freude. Er hatte gewartet. Nun hatte er so lange gewartet! Endlich. Er stöhnte auf, versuchte sich zu fangen, aber es gelang ihm nicht. Er war ein schluchzender Haufen Mann, der in der grünen Lunge auf der Hoffnung saß und sich freute. Er trug seine Ruine von Herz mit sich. Er hatte all seinen Besitz hinter sich gelassen. Hatte Stein lebendig gemacht und mit Gefühlen gefüllt. Nun würde er aufstehen und in diesen Zug steigen. Er schniefte in seine Hand und wischte diese an dem Mantel ab. Er legte den Mantel ab und breitete ihn über der Lehne der Parkbank aus. Diesen würde er nun nicht mehr benötigen. Das Dampfross schnaubte. Es wollte galoppieren. Wohin? Er wusste es nicht. Wie es überhaupt möglich war? Er sah zu beiden Seiten nichts als Bäume. Er ging zur Tür des Wagons. Wärme schwappte von dort hinaus in die modrige Waldluft. Der graue Tag wurde erleuchtet von dem süßlichen Schein gedämpften Lichts. Er nahm die zwei Stufen und stand im Wagon. Die Sitzplätze waren so angeordnet, dass sich vier Menschen zusammen um einen schmalen Tisch mit abgerundeten Ecken setzen konnten. Die Sitze waren mit rotem Lederimitat bespannt. Kupferne Nagelköpfe glänzten an den Seiten der Sitze. Der Wagon war leer. Hoffnung! Er ging weiter. Ging zwischen den leeren Sitzreihen hindurch. Er steuerte die Tür zum nächsten Abteil an. Hoffnung! Er öffnete die schwere Tür und sah am ersten Tisch einen kleinen Jungen sitzen. Er hatte blaue Augen und eine große Nase. Er hatte keine weichen Kleinkinderhände, sondern stumpfe Kinderhände. Stumpf waren sie vom ausgelassenen Spielen im Sand und dem Klettern auf Bäumen. Die Lebenslinie auf diesen Kinderhänden war lang. Er nahm sein Herz und ging auf den Jungen zu. Dieser hatte bisher aus dem Fenster geblickt – die Rehmutter mit ihrem Kitz war wieder aufgetaucht- – sah ihn aber nun lächelnd an.

»Papa!«, sagte der Junge freudig und sprang von dem Sitz auf, lief auf ihn zu und umarmte seine Beine. Er bückte sich hinab streichelte das Haar des Jungen und nahm ihn dann hoch. Er drückte ihn und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Wie konnte dies nur sein? Wieso nannte ihn dieser Junge „Papa“ und weshalb wusste er, dass es stimmte? Es waren ihre blauen Augen und seine große Nase. Er setzte seinen Sohn ab und ließ sich auf einen Sitz falle. Die Tränen des Glücks wollten nicht versiegen. Es war unbegreiflich. Die Hoffnung hatte ihn nicht enttäuscht, hatte ihn kein weiteres Mal geschnitten.

»Papa, was hast du mit deinem Finger gemacht?«

Er sah auf seinen blutenden Zeigefinger.

»Das ist nichts. Das ist Vergangenheit.«

»Soll ich pusten?«, fragte der Junge leicht traurig.

Der Junge nahm behutsam seinen Zeigefinger in die stumpfen Kinderhände. Er lachte. Immer noch wollten seine Augen sich nicht beruhigen. Er sah alles durch einem Schleier. Er wollte nicht aufhören zu weinen, denn man konnte nie wissen, ob dies ein magischer Schleier war; ein Schleier, der zeigte, wie die Welt hätte sein sollen.

»Ja! Bitte pusten.«

Der Junge pustete und sein warmer Atem brannte unter dem Fingernagel.

»Besser?«, fragte der Junge schüchtern.

»Viel besser«, entgegnete er und der Stolz, der sich in dem Gesicht des Jungen widerspiegelte, sprach Bände. Er legte sein Herz auf den Tisch und betrachtete es. Es war nun keine Ruine mehr. Zwischen den grauen Mauerresten blühten nun wilde Blumen. Farbe kehrte zurück in eine graue Welt.

»Toll«, meinte sein Sohn.

»Darf ich damit spielen?«

Hätte er vor einer Minute sein Herz aus der Hand gegeben? Hätte er sein Herz irgendeinem anderen Menschen anvertraut? Nicht für alles Schöne in der Welt!

»Aber sicher«, entgegnete er und gab dem Jungen mit den blauen Augen – ihren blauen Augen – und der großen Nase – seiner großen Nase – die aufblühende Ruine, die auf dem Tisch stand.

»Juhu«, griente sein Sohn.

Er rannte zu einem anderen Tisch, als sich die Abteilungstür erneut öffnete.

»Mama!«, rief sein Sohn.

Er sah auf und erblickte etwas, dass er niemals mehr zu Erblicken gehofft hatte. Sie war ein Diamant in einer Welt aus Glas. Diese Frau hielt in den Händen, was er sich immer gewünscht hatte. Er sah zu seinem Sohn. Ich habe schon, was ich mir immer gewünscht habe. Aber dies ist das einzige Geschenk, bei dem man sich freut, wenn man es doppelt hat. In den Armen dieser Frau ruhte ein Baby mit kurzen blonden Haaren. Seinen blonden Haaren! Die letzte Träne lief einsam seine rechte Wange hinab. Die Zeit der Tränen war vorbei. Nun strahlte er über beide Ohren. Mit ungelenken Schritten kam er auf sie zu. Das Baby sah ihn und lachte. Es lachte so, wie es nur Babys können, wenn sie ihre Eltern sehen. Er bemerkte die grünblauen Augen dieser Frau. Er sah die grünblauen Augen des Babys. Ihre grünblauen Augen. Seine blonden Haare. Sein Sohn kicherte und murmelte etwas vor sich hin, als er mit der Ruine spielte. Schade, dachte er. Bald wird es keine Ruine mehr sein. Bald wird es wohl ein Puppenhaus sein. Er sah auf seine kleine Tochter.

»Darf ich sie nehmen?«, vorsichtig stolperten diese Worte aus seinem Mund.

Seine Frau schmunzelte.

»Du bist doch der Papa.«

Sie gab ihm seine Tochter, welche er sorgsam wie eine zerbrechliche Urne, mit der Asche aller guten Menschen dieser Erde darin, auf seinen Armen hielt. Es waren nicht die blauen Augen von dieser Frau, die nichts anderes war, als eine durch Blut gefärbte Scherbe. Es waren seine blauen Augen! Sein Sohn hatte die Wimpern von seiner Mutter. Lange feminine Wimpern, die nur deshalb nicht auffielen, weil die große Nase alle Aufmerksamkeit auf sich zog. Für ihn waren seine beiden Kinder die unglaublich schönsten Geschöpfe auf diesem Planeten. Er drehte sich zu diesem lebenden Diamanten um. Gleich danach kam diese Frau. Die Mutter seiner Kinder. Er hatte gewartet. Hatte auf einer Parkbank im Wald gewartet. Vor ihm lagen rostige Schienen im Laub versteckt. Wo fuhr dieser Zug hin? Seine Tochter umfasste seinen Daumen mit ihrer rechten Hand. Weiche kleine Kinderhände mit einer geschwungenen Lebenslinie. Er sah wie das Herz aufblühte. Seine Frau sah es. Sie sah ihn liebevoll an. Er wusste, dass er diese Frau schon einmal gesehen hatte. Sie war es also!

»Wow!«, rief sein Sohn aus und war ganz fasziniert von der Verwandlung seines Herzens. Seine Tochter kicherte und strampelte mit ihren kleinen Füßchen. Er hielt sie etwas anders, damit sie nicht hinunterfallen konnte. Dies waren unbeschwerte klare Herzen. Die Herzen von Kindern. Sie brauchten noch nicht warten, denn sie wussten, dass sie geliebt werden. Die wahre Liebe ihrer Eltern war ihnen gewiss. Dies machte ihn stolz. Seine Tochter nahm noch einmal seinen Daumen und kicherte ihn an, dann zischte der Zug und setzte sich langsam in Bewegung.

 

Hallo @Rob F ,
vielen Dank dafür, dass Du Dir Zeit für meine Geschichte und dieses Feedback genommen hast.

Bei den Satzbeginnen hast Du vollkommen recht. Als ich die Geschichte gerade nochmal überflogen habe ist es mir auch aufgefallen. Fast jeder Satz startet mit "Er" :bonk: Keine Ahnung, weshalb mir das nicht aufgefallen ist.

Das mit den "..." ist ein guter Hinweis. Danke!

Zur Geschichte selbst und Deinem Vorschlag, Szenen aus der Vergangenheit einfließen zu lassen: Es war beabsichtigt, dass der Protagonist alleine und isoliert seinen Gedanken nachhängt. Eine Szene mit weiteren Personen finde ich da kontraproduktiv.

Vermutlich kann ich aber bei einigen Passagen den Rotstift ansetzen und kürzen, um die Essenz besser einzufangen.

Viele Grüße

Nils

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @nodioris,
herzlich willkommen bei den Wortkriegern. Ich habe gesehen, dass du auch schon einen zweiten Text eingestellt hast, darum wäre mein Rat, den ersten Text erstmal so zu bearbeiten, dass du @Rob F s Vorschläge und auch gleich meine, die den Text in deinem Sinne verbessern, einzuarbeiten. Dazu kannst du unterhalb des Textes auf den Link "bearbeiten" klicken. Grundsätzlich ist es bei den meisten Forumsmitgliedern gern gesehen, wenn sich die Autoren mit ihren Texten beschäftigen und sie zu verbessern versuchen, statt ein Text nach dem anderen zu posten. Zudem wirst du mehr Kommentare erhalten, wenn du selbst andere Texte kommentierst. Der Lerneffekt ist meiner Meinung nach dann auch am größten, also wenn du sowohl eigene Texte schreibst und dich mit den Kommentaren dazu auseinandersetzt als auch andere Texte kommentierst und dich damit auseinandersetzt, warum ein fremder Text für dich auf welche Weise (nicht) funktioniert.
Aber nun zu deinem Text:

Die abblätternde grüne Farbe zeigte die Abgeschiedenheit und Trostlosigkeit dieses Ortes besser als der übervolle – wahrscheinlich noch niemals geleerte – Mülleimer oder die Pflastersteine, die unter dem Waldboden in Vergessenheit ertranken. Die Luft roch etwas modrig; nach Eichenlaub. Wenn er angestrengt in die Stille lauschte [Komma] hörte er dann und wann einen Ast brechen; etwas im Laub rascheln. Es war noch nicht kalt, aber es würde nicht mehr lange dauern [Komma] bis er seinen Atem vor sich durch die Luft schweben sehen könnte.
Ich mag es als Leserin relativ schnell verortet zu sein. "Dieses Ortes" ist aber so gar keine Verortung, weil ich keine Ahnung habe, wo ich mich befinde und wozu die grüne, abblätternde Farbe gehört. Dann ist der erste Satz insgesamt sehr lang und verschachtelt. Zudem frage ich mich, warum die Farbe die Abgeschiedenheit und Trostlosigkeit besser zeigt als ein voller Mülleimer oder Pflastersteine, die in Vergessenheit ertrinken. Der Waldboden sagt mir nun immerhin, dass ich im Wald bin, aber was hat es mit dieser Farbe auf sich? Ich finde die Semikolons auch zu hart an den verwendetetn Stellen und würde zu Komma tendieren. Mir ist der Absatz insgesamt zu wenig fokussiert.

Er schlug die Beine übereinander. Die morschen Bretter der grünen Parkbank protestierten heftig, hielten aber. Er sah auf zwei rostige Linien, die direkt durch den Wald führten. Man musste schon zweimal hinsehen, um zu erkennen, dass es Schienen waren. Er genoss die Ruhe, verteufelte aber das Warten. Er wollte nicht länger warten! Sein Gesicht verzog sich und die Lippen entblößten strahlend weiße Zähne. Der Wind trug ihm eine blonde Strähne vor die Augen, diese er geistesabwesend zurückstrich. Er war einmal der Meinung gewesen, dass Wälder sinnlos sei[e]n. Er hatte es nicht verstehen können, warum Menschen es mochten in der Wildnis umher zu gehen. Damals war er ein anderer gewesen. Aber alles hatte sich verändert. Alles!
Ah, ok, die abblätternde Farbe ist von einer grünen Parkbank. Also eine grüne Parkbank im Herbstwald mit Schienen, die schon zugewachsen sind. Ok. Das ist auf jeden Fall ein besonderes Setting in meinen Augen, das verdiente etwas mehr Erklärung, denn es scheint nicht so, dass das Setting irgendwie relevant für die Geschichte ist, aber gut, ich schau mal weiter. Dann wechselt wieder der Fokus und der Erzähler berichtet über die Figur. Er will nicht warten, verzieht das Gesicht, entblößt Zähne, der Wind trägt ihm eine blonde Strähne vor die Augen (ich denke nicht, dass tragen hier eine wirklich geeignete Wortwahl ist). Er war mal einer Meinung gewesen, er ist jetzt anderer Meinung. Dinge ändern sich - ja, eine sogenannte Binsenweisheit.
umher zu gehen = umherzugehen
Mein Eindruck von zu wenig Fokus verfestigt sich.

Als er vor der grünen Lunge stand [Komma] wusste er noch nicht, weshalb er hier war. Er hatte im Büro alles stehen und liegen lassen, hatte seiner Sekretärin keinen Grund genannt, weshalb er verschwand. Es war egal. Es gab Termine: 12Uhr30, Briefing mit den Mitarbeitern; 14Uhr55, Essen mit den neuen ausländischen Partnern. Es gab wichtige Termine: 9Uhr, die ORGAF National-Sache; 17Uhr20, Meeting mit den Großaktionären. Und es gab das Schicksal: Dagegen ist man machtlos.
Soll die grüne Lunge eine Metapher für Wald sein? Ich finde es seltsam, dass er nicht weiß, warum er in den Wald gefahren ist. Was hat das Schicksal damit zu tun? Was für eine Art Geschichte ist das? Ich bin komplett verwirrt, es gibt nichts, wo ich wirklich andocken könnte als Leser. Viele Informationen, die einfach durch Sätze zusammengepackt werden, wo sich mir aber nicht erschließt, warum sie in dieser Reihenfolge zusammengepackt werden. Du machst auch einige Kommafehler, da könntest du auch noch mal durchschauen. Ich hab da jetzt nicht so drauf geachtet, aber ein paar sind mir ins Auge gesprungen.
12Uhr30 ist definitiv nicht richtig, das sieht mehr als seltsam aus. Vielleicht 12:30 Uhr? Auch das Leerzeichen dazwischen nicht vergessen.
Er fuhr los. Aus der Stadt kommend brauchte man knapp vierzig Minuten bis zur grünen Lunge. Ihm kam es so vor, als wäre er eingestiegen, hätte den Motor zum Leben erweckt, nur um ihn dann sofort wieder ersterben zu lassen. Als wenn er teleportiert worden wäre. Sein Kopf war leer. Es gab keine Termine. Keine wichtigen Termine; es gab nur das Schicksal!
Er war doch eben schon im Wald. Wieso fährt er denn jetzt hier noch mal los. Ich verstehe schon, dass das eine PQP ist und hier Präteritum, aber mir geht es um die Information. Dieser ganze Absatz fügt noch mehr Informationen (nur wenige neue) dem Text hinzu, macht ihn noch chaotischer. Die beiden folgenden Absätze hab ich auch noch gelesen, aber das Chaos wird nicht geordneter, ganz im Gegenteil. Der Text ist ziemlich redundant und wenig fokussiert. Danach hab ich den Text dann nur noch überflogen und mir scheint, dass es eigentlich keinen Plot gibt. Der Prot sitzt im Wald und reflektiert - liest du selbst denn gerne solche Texte? Also in denen nichts passiert, außer dass die Figur über irgendetwas nachsinnt? Ich habe dann mitbekommen, dass irgendwann eine Dampflok im Wald stoppt, da dachte ich, vielleicht entwickelt sich jetzt doch noch ein Plot, aber ich hatte keine Lust mich durch den ganzen Text zu wühlen, um es herauszufinden. Und ich hoffe, du empfindest meine Ehrlichkeit nicht als kränkend, sondern als Hinweis _einer_ Leserin. Wie gesagt, ist mir der Text zu unfokussiert, ich weiß nicht, was der Erzähler erzählen will, um was es geht, worauf er hinauswill.
Hoffe, du kannst mit dem Kommentar etwas anfangen, auch wenn er jetzt nicht sonderlich positiv ist. Demotivieren will ich dich natürlich nicht. Darum: Bleib dran!

Viele Grüße
Katta

Edit: Konstruktiv: Werde dir klar, was genau du erzählen willst. Wenn dir das klar ist, dann fokussiere den Text darauf. Hilfreich wäre vielleicht auch, wenn du dich noch mit Plots und Story Structure befasst.

 

Hallo @Katta ,

danke für die vielen Hinweise und das Vorgehen hier auf dem Forum.

Viele Deiner Punkte werde ich umsetzen. Es sind grundsätzliche Fehler - mag auch daran liegen, dass die Geschichte bereits über zehn Jahre alt ist. Besonders Komma und Schachtelsätze sind Dinge, die ich überarbeiten werde.

Ich bin komplett verwirrt, es gibt nichts, wo ich wirklich andocken könnte als Leser.

Dies macht für mich als Leser den Reiz einer Geschichte aus. Wenn alles klar ist und ich mir keine Fragen zu stellen brauche, dann habe ich keinen Grund die Kurzgeschichte weiterzulesen. Meiner Meinung nach leben gute Kurzgeschichten davon, dass sie sich erst am Ende richtig erschließen. Interpretationsspielraum ist mir ebenfalls wichtig. Jeder Leser soll seine eigenen Schlüsse daraus ziehen.

Der Prot sitzt im Wald und reflektiert - liest du selbst denn gerne solche Texte? Also in denen nichts passiert, außer dass die Figur über irgendetwas nachsinnt?

Also ich schreibe keine Geschichten, die ich nicht selbst lesen würde.

Konstruktiv: Werde dir klar, was genau du erzählen willst. Wenn dir das klar ist, dann fokussiere den Text darauf. Hilfreich wäre vielleicht auch, wenn du dich noch mit Plots und Story Structure befasst.

Fokus brauche ich in journalistischen Texten - das ist übrigens mein Job. Als Autor habe ich die Freiheit, Geschichten um Elemente zu erweitern, die mir wichtig sind. Wenn ich mich nur auf den reinen Plot konzentriere, dann fehlt mir die künstlerische Freiheit. Diesen konstruktiven Tipp werde ich also nicht beherzigen. Ich gebe dir aber recht, dass einiges in dieser Kurzgeschichte redundant ist. Solche Passagen werde ich mir ansehen und überarbeiten.

Nochmals vielen Dank für deine Kritik.

Viele Grüße

Nils

 

Hallo @nodioris,
es freut mich, dass du mir geantwortet hast.

Fokus brauche ich in journalistischen Texten - das ist übrigens mein Job. Als Autor habe ich die Freiheit, Geschichten um Elemente zu erweitern, die mir wichtig sind. Wenn ich mich nur auf den reinen Plot konzentriere, dann fehlt mir die künstlerische Freiheit. Diesen konstruktiven Tipp werde ich also nicht beherzigen.
Absolut richtig, dir aus den Kommentaren das herauszusuchen, was dich und deinen Text weiter bringt. Ich hatte die konstruktiven Tipps an einen Anfänger gerichtet, der du nun ja offenbar nicht bist.
Ich, als Leserin, brauche auch einen Fokus in literarischen (nicht nur journalistischen) Texten, man könnte es auch roten Faden nennen oder Thema oder Prämisse. Ich verstehe nicht, wieso dir der Fokus die Freiheit nimmt, in der Geschichte auf Elemente einzugehen, die dir wichtig sind. Ganz im Gegenteil, denke ich, sorgt doch der Fokus dafür, dass diese Elemente eben entsprechend präsentiert und damit sichtbar werden und nicht in der Beliebigkeit der Masse von Elementen verschwinden. Auch bedeutet meine Aussage, sich einmal mit Plot und Story Structure zu befassen, nicht, sich auf den reinen Plot zu konzentrieren. Ich weiß, ehrlich gesagt, nicht einmal genau, was das bedeuten soll. Wie würde man sich denn auf einen reinen Plot konzentrieren?

Es sind grundsätzliche Fehler - mag auch daran liegen, dass die Geschichte bereits über zehn Jahre alt ist. Besonders Komma und Schachtelsätze sind Dinge, die ich überarbeiten werde.
Naja, dass du die Geschichte vor 10 Jahren geschrieben hast, ist ja nun kein Grund für Fehler oder sollte es zumindest nicht sein. Du hast sie _jetzt_ veröffentlicht, also sollte sie deinen jetzigen Schreibstand wiederspiegeln. Wenn sie das deiner Meinung nach nicht tut, dann solltest du sie vor dem Einstellen entsprechend überarbeiten. (M)eine Meinung. So erwarte ich von jemandem, der schreibt, er sei Journalist, dass er die deutsche Grammatik beherrscht und sie ihm so wichtig ist, dass er Fehler entsprechend verbessert bzw vor dem Einstellen Korrektur liest.

Ich bin komplett verwirrt, es gibt nichts, wo ich wirklich andocken könnte als Leser.
Dies macht für mich als Leser den Reiz einer Geschichte aus. Wenn alles klar ist und ich mir keine Fragen zu stellen brauche, dann habe ich keinen Grund die Kurzgeschichte weiterzulesen. Meiner Meinung nach leben gute Kurzgeschichten davon, dass sie sich erst am Ende richtig erschließen. Interpretationsspielraum ist mir ebenfalls wichtig. Jeder Leser soll seine eigenen Schlüsse daraus ziehen.
Ich war nicht sehr präzise in meiner Aussage, wollte auch nicht zu tief einsteigen, denn man weiß einfach nicht wer da gegenüber sitzt. Auch dafür wären Kommentare von dir unter anderen Texten hilfreich. Drum lass es mich noch einmal versuchen, denn das was du schreibst, lese ich auch gerne. Also ja, es muss nicht alles auserzählt sein und ja, Interpretationsspielräume sind wichtig.
Also hier der zweite Versuch: Der Text liest sich wie ein Tagebucheintrag in der dritten Person und ich habe ihn mittlerweile auch komplett gelesen. Der Erzähler wird an keiner Stelle konkret, der Prota dreht sich immer und immer wieder um seine eigene Achse, schafft es nie, sich aus seiner egozentrischen Perspektive zu befreien und reiht Metapher an Metapher, um wieder und wieder einen Zustand zu beschreiben, den ich schon längst verstanden habe. Was mich verwirrt, ist also eher die Frage: Warum erzählt er mir das alles? Was will er mir sagen? Meine Antwort lautet: Er will mir nicht wirklich was erzählen, er hört sich einfach selbst gerne reden, und in einem Tagebuch ist das auch total okay, als Kurzgeschichte eher langweilig. Das Sprachregister ist gehoben, was den Prota in meiner Lesart noch unsympathischer macht. Unsympathische Protas sind eine Herausforderung an den Autor, da braucht es einen guten Grund, dass ich als Leser dem Text folge. Und den hat mir weder der Erzähler noch der Prota gegeben. Die Verwirrung bezog sich also darauf, dass ich nicht verstanden habe, was du, als Autor, mit diesem Text erreichen wolltest. Vielleicht ist es jetzt etwas klarer, was ich meinte.

Schöne Ostertage dir und
Viele Grüße
Katta

 

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