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Warten

Beitritt
10.11.2015
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Warten

Es dauerte, bis sie die Tür schließen konnte. Sie stand dort oben in der Kälte, bis ihre Zehen taub waren und ihre Augen tränten, doch sie schloss die Tür nicht, vorerst nicht, stand nur davor und wartete. Sie wartete und dachte an all die Momente, die zu diesem Punkt geführt hatten. Der Moment, an dem sie ihren Sohn nach Hause gebracht hatten, mit dreckigen Hosen und dem Gestank von Urin und Erbrochenem an seiner Jacke. Polizisten waren das gewesen. Oder der Moment, an dem sie ihren Mann dabei beobachtet hatte, wie er ihre Nachbarin leidenschaftlich küsste. Der Moment, an dem ihre Tochter aus dem Haus ging und nie wieder kam. Nichts hatte sie getan. Sie hatte ihren Sohn in die Badewanne gelegt, ihrem Mann ein Abendessen gekocht und ihrer Tochter nachgeweint.
Nichts hatte sie getan. Sie hatte nur gewartet. Gewartet auf etwas, das vielleicht nie eintreffen würde, und von dem sie nicht einmal wusste, was es war. Gewartet hatte sie, als der Krebs kam, gewartet hatte sie auch noch, als ihr Chef ihr sagte, sie werde nicht mehr gebraucht. Doch dann war sie da, da, wo sie niemals hin wollte. Sie wartete nicht mehr, sie drehte sich um und rannte aufs Dach.
Dort stand sie nun, in der Kälte, die sie schon lange nicht mehr spürte, hoffte auf ein Licht im Treppenhaus oder ein Trampeln auf den Stufen, doch da kam nichts. Sie wandte sich ab und die Tür fiel ins Schloss.

 

Hallo SearchForSanctuary,

herzlich willkommen bei den Wortkriegern. Deine sehr kurze Geschichte behandelt vermutlich ein Thema, das hier oft von jungen Autoren gewählt wird - der Sinn und die Beendigung des Lebens. Jedenfalls lese ich dies in die Geschichte hinein, aber vielleicht meinst Du ja etwas ganz anderes.

Insofern bleibt mir die Geschichte in ihrer Kürze unklar und undeulich. Aus einer*Aufzählung von*Ereignissen entsteht noch kein Charakter, Deine Prot bleibt daher farblos und undeutlich. Man kann erfahren, dass sie verheiratet ist und zwei Kinder hat, die wohl schon älter sind. Und sonst? Muss sie die negativen Erfahrungen - Krankheit/Kündigung/Verschwinden der Tochter usw. ganz alleine verarbeiten? Und wenn ja, weshalb?

Die Büchse mit den Kommas scheint bei Dir auch verstopft zu sein. Ich würde da noch einige Kommata setzen, dann ist die Geschichte vielleicht auch etwas flüssiger zu lesen.

Herzliche Grüße

Jobär

 

Hallo Jobär,

erstmal vielen Dank für die Rückmeldung.
Meine Geschichte war eher als Kurzprosa gedacht und war daher sehr szenisch ausgelegt. Trotzdem ist mir klar, dass es sich dennoch um eine sehr kurze Geschichte handelt.
Ich habe meine Protagonistin bewusst farblos gelassen, da ich mit meiner Geschichte weniger die Geschichte einer bestimmten Person erzählen wollte sondern eher Raum für Interpretation und Identifikation schaffen wollte. (Ob mir das gelungen ist oder nicht ist eine andere Frage.)
Auf Ihre Frage ob diese negativen Erfahrungen alleine verarbeitet werden müssen , würde ich wohl sagen, dass die Protagonistin überhaupt keine Hilfe will. Wie im Text oftmals wiederholt wartet sie nur auf Besserung, sie will/kann weder selbst aktiv werden, noch würde sie Hilfe annehmen oder auch nur registrieren.
Bei den Kommas muss ich mir wohl selbst eingestehen, dass ich nicht wirklich gut mit ihnen umgehen kann. Vorschläge wären äußerst willkommen.
Erneut vielen Dank für die schnelle Rückmeldung.

Herzliche Grüße

SearchForSanctuary

 

Hallo SearchForSanctuary,

deinen Text korrigier ich dir mal kommamäßig schnell, das geht fast schneller als ihn ins KC (unser Korrekturcenter) zu schicken, er ist ja recht kurz. Aber bitte korrigier ihn über den Bearbeiten-Button unten rechts.
Ansonsten:
Der Text ist echt kurz. Und er schafft es da leider nicht, das Warten der Protagonistin und ihre inneren Konflikte zu verdeutlichen. Jobär hat dir da schon eine Menge Hinweise gegeben.
Ich halte es für keine gute Idee, die Protagonistin extra farblos zu belassen. Man denkt, das müsste man tun, um ein gesellschaftliches Problem aufzuzeigen, damit quasi jeder sich damit identifiziert. Das Problem ist nur, gerade weil sich angesichts der Farblosigkeit jeder x-belieibige identifizieren könnte, kommt das Problem auch nicht an die eigene Wurschtpelle. So würd ich das jedenfalls sehen.
Ich wünsch dir hier bei uns noch viel Spaß und ein ganz herzliches Willkommen nachträglich.
Viele Grüße von Novak


Es dauerte KOMMA bis sie die Tür schließen konnte. Sie stand dort oben in der Kälte KOMMA bis ihre Zehen taub waren und ihre Augen tränten, doch sie schloss die Tür nicht, vorerst nicht, stand nur davor und wartete. Sie wartete und dachte an all die Momente, die zu diesem Punkt geführt hatten. Der Moment, an dem sie ihren Sohn nach Hause gebracht hatten, mit dreckigen Hosen und dem Gestank von Urin und Erbrochenem an seiner Jacke. Polizisten waren das gewesen. Oder der Moment KOMMA an dem sie ihren Mann dabei beobachtet hatte, wie er ihre Nachbarin leidenschaftlich küsste. Der Moment KOMMA an dem ihre Tochter aus dem Haus ging und nie wieder kam. (Hier soll sich das "sie" auf die Hauptfigur beziehen. So wie dues konstruiert hast, bezieht es sich aber auf die Tochter. Das irritiert einen Moment.) Nichts hatte sie getan. Sie hatte ihren Sohn in die Badewanne gelegt, ihrem Mann ein Abendessen gekocht und ihrer Tochter nachgeweint.
Nichts hatte sie getan. Sie hatte nur gewartet. Gewartet auf etwas, das vielleicht nie eintreffen würde KOMMA und von dem sie nicht einmal wusste KOMMA was es war. Gewartet hatte sie KOMMA als der Krebs kam, gewartet hatte sie auch noch KOMMA als ihr Chef ihr sagte KOMMA sie werde nicht mehr gebraucht. Doch dann war sie da, da KOMMA wo sie niemals hin wollte. Sie wartete nicht mehr, sie drehte sich um und rannte aufs Dach.
Dort stand sie nun, in der Kälte KOMMA die sie schon lange nicht mehr spürte, hoffte auf ein Licht im Treppenhaus oder ein Trampeln auf den Stufen, doch da kam nichts. Sie wandte sich ab und die Tür fiel ins Schloss.

 

Hallo Novak,
vielen Dank auch für Ihre Rückmeldung und die Verbesserung der Kommas, ich denke ich habe alle Fehler behoben. Ihren Kommentar zu dem "sie" konnte ich leider nicht ganz nachvollziehen, würde mich aber über eine ausführlichere Erklärung freuen.
Viele Grüße

SearchForSanctuary

 

Hallo SearchForSanctuary,

ich mag Kurzprosa, das vorweg. Daher habe ich Deine Szene mit Interesse gelesen. Allerdings ist so ein kurzer Text natürlich auch leicht zu überschauen und kleine Fehler oder Ungereimtheiten fallen eher auf als bei längeren Geschichten. Darüber hinaus hast Du, wie bereits jobär schrieb, ein Thema gewählt, das, auch wenn es viele Schreiber beschäftigt, quasi totgeschrieben ist. Dennoch, Deine Aufzählungen schaffen es bei mir zumindest die trostlose Stimmung der Protagonistin im Ansatz zu transportieren. Dass die Figur weder Namen noch Gesicht erhält, stört mich nicht. Was mich allerdings stört, sind fehlende Beschreibungen.

Es dauerte (Komma) bis sie die Tür schließen konnte. (Das liest sich, als hätte sie die Tür jetzt bereits geschlossen.) Sie stand dort oben in der Kälte (Komma) bis ihre Zehen taub waren und ihre Augen tränten, doch sie schloss die Tür nicht, (Hier wäre ein Punkt besser, finde ich. Außerdem verwendest Du das Personalpronomen sehr häufig in dem kurzen Text - eine Folge davon keinen Namen zu verwenden. Aber hier könntest Du es leicht vermeiden: Ihre Zehen wurden taub von der Kälte und ihre Augen tränten. - Dann kommt wieder die Tür, die sie jetzt nicht schließt, nachdem es vorher lange gedauert hatte, bis sie sie schließen konnte.) vorerst nicht, stand nur davor und wartete. Sie wartete und dachte an all die Momente, die zu diesem Punkt (der Punkt liest sich nicht schön, genau wie die Momente. Du findest bestimmt noch eine bessere Formulierung dafür) geführt hatten. Der Moment, an dem sie ihren Sohn nach Hause gebracht hatten, mit dreckigen Hosen und dem Gestank von Urin und Erbrochenem an seiner Jacke. Polizisten waren das gewesen. (Der Sohn erhält im Vergleich zu viel Raum und doch bleibt die Szene sehr undeutlich. Hier zeigt sich für mich auch, dass Moment als Terminus eher ungeeignet ist, da die Szene sicher länger als einen Moment gedauert hat.) Oder der Moment (Komma) an (in) dem sie ihren Mann dabei beobachtet hatte, wie er ihre Nachbarin leidenschaftlich küsste. Der Moment(Komma) an (in) dem ihre Tochter aus dem Haus ging und nie wieder kam. Nichts hatte sie getan. (Das was nachfolgt, ist nicht nichts. Sie hat vielleicht nicht protestiert, hat auch nichts bewirkt, aber sie hat etwas getan.) Sie hatte ihren Sohn in die Badewanne gelegt, ihrem Mann ein Abendessen gekocht und ihrer Tochter nachgeweint.
Nichts hatte sie getan. (Kochen, weinen und den Sohn in die Badewanne packen sind Handlungen) Sie hatte nur gewartet. Gewartet auf etwas, das vielleicht nie eintreffen würde und von dem sie nicht einmal wusste(Komma) was es war. Gewartet hatte sie (Komma)als der Krebs kam, gewartet hatte sie auch noch (Komma) als ihr Chef ihr sagte (Komma) sie werde nicht mehr gebraucht. Doch dann (eher jetzt?) war sie da, da (hier bin ich selbst unsicher, vielleicht noch ein Komma) wo sie niemals hin wollte. Sie wartete nicht mehr, sie drehte sich um (Hier werden Ort und Zeitpunkt völlig unklar.) und rannte aufs Dach.
Dort stand sie nun, in der Kälte (Komma) die sie schon lange nicht mehr spürte, hoffte auf ein Licht im Treppenhaus oder ein Trampeln auf den Stufen, doch da kam nichts. Sie wandte sich ab und die Tür fiel ins Schloss. (Dann hätte sie die ganze Zeit die Tür aktiv aufgehalten. Oben steht jedoch mehrfach, dass sie sie hätte schließen müssen.)

Mit den Korrekturen hättest Du ein brauchbares Gerüst, um der Geschichte Leben zu verleihen. Was Du noch nicht hättest, wäre eine Geschichte. Mit den tauben Zehen zu Beginn warst Du auf dem richtigen Weg, ich würde es weiter in dieser Richtung versuchen.

LG
Sabine

p.s.: Entschuldige bitte das Vollzitat, ich war zu bequem, um für jede Anmerkung ein Zitat einzufügen.

Edit sagt: Da war jemand schneller. :Pfeif:

 

Hallo Sabine,
vielen Dank für Ihre Rückmeldung. Viele Ihrer Vorschläge leuchten mir durchaus ein und ich werde versuchen diese bei meiner nächsten Geschichte umzusetzen. Bei ein oder zweien bin ich nicht ganz Ihrer Meinung aber das muss ja auch nicht sein.
Nicht desto trotz nochmal danke für Ihre konstruktive Kritik.
LG
SearchForSanctuary

 

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