Warten
Warten. Warten ist eine eigene kleine Welt.
Eine Zwischenwelt, kontrolliert von einer berechnenden Vernunft. Sie allein vermag die Ungeduld immer wieder einzufangen, um sie zu zähmen und im Gewand der Gelassenheit kleine Kunststückchen vorführen zu lassen. Eine Manege inmitten der Unendlichkeit der Gedanken. Manchmal geht es so turbulent zu, dass aufgewirbelte Sägespäne die Sicht versperren.
Dann muss man die Augen schliessen und langsam zählen.
In sich selbst ruhend kann man Minuten zu Men-schenleben wachsen lassen - außerordentlich einschläfernden Menschenleben zwar-... Achtzehn mal sechzig Sekunden macht 1080 Sekunden, weniger zwanzig zum Ausrechnen: 1060, 1059, 1058...Felix schmunzelt. So gesehen vergeht die Zeit ziemlich schnell; etwa jede Sekunde ein Mal. Für einen Augenblick muss er an den Sportplatz seiner alten Schule denken, mit der rotrunden Tartangbahn, federnd verletzungshemmend, an der Start- und Ziellinie der obligatorisch streng dreinblickende Turnvater mit Halbglatze.
Er hält die Stoppuhr wie ein Zepter in der Hand, digital, zählt auch die Tausendstelsekunden.
Felix kann sich nicht losreißen, möchte einen Blick werfen auf das faszinierende Messinstrument, das un-bestechlich in seiner Arbeit fortschreitet.
Zu spät: Er stolpert übers Ziel hinaus, der Sportplatz wird zu einem bedeutungslosen Gedankensalat zerrissen..-
Ein schöner Herbstmorgen. Die Sonne steht tief und flutet die Welt mit Unwirklichkeit. Felix mag dieses Gefühl von Hilflosigkeit wenn er die Augen fest zusammenkneifen muss, um sehen zu können.
Er blinzelt Richtung Himmel und eine Haarsträhne findet den Weg in sein Gesicht, um ihm den Kontakt zur Außenwelt vollends zu verschliessen. Jetzt ist er ganz allein auf dem Bahnsteig. Bist du so verloren, Felix?