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Warten auf 'Warten auf Godot'

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12.07.2002
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Warten auf 'Warten auf Godot'

„Zu früh. Wie immer“, grummelte ich, als wir durch die Eingangstüre gingen. Die Luft, die uns aus dem Vorraum entgegenschlug, war angenehm warm, aber sie roch abgestanden.

„Man weiß ja nie, wann und wo man einen Parkplatz bekommt.“ Der gereizte Unterton in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

„Wir hätten mit dem Fahrrad herkommen können, dann hätten wir keinen Parkplatz gebraucht“, giftete ich zurück. Mir war klar, dass sie sich bei dieser kühlen Witterung niemals aufs Fahrrad gesetzt hätte.

„Es gäbe auch die öffentlichen Verkehrsmittel, aber die sind Dir nicht fein genug“.

Sie konnte es nicht lassen. Einfach ignorieren, sagte ich mir, und ging in Richtung Garderobe. Den Mantel zog ich mir im Gehen aus und schob den Schal in den rechten Ärmel. Weit und breit noch keine Garderobefrau zu sehen. Die Vorhänge an den Annahmestellen sprachen eine deutliche Sprache: ‚geschlossen’. Ich legte meinen Mantel trotzdem auf den Tresen und half meiner besseren Hälfte aus ihrem Kamelhaarumhang. Da lagen sie nun, die beiden Kleidungsstücke, einträchtig beieinander auf der abgewetzten Oberfläche des Tresens. Ihr eleganter Mantel mit seidenem Innenfutter und mein dunkleres, schon etwas abgetragenes, Exemplar. So als ob sie nichts von der Spannung in unserer Beziehung spüren würden.

„Ich muss noch für kleine Mädchen.“ Ohne weiteren Kommentar ließ sie mich stehen und verschwand in Richtung Toiletten.

Die erste Garderobefrau schlurfte heran. Im vorbeigehen drückte sie ihre Zigarette im Abfalleimer aus, obwohl Plakate im ganzen Haus das Rauchverbot an jeder passenden und unpassenden Stelle verkündeten. Gelangweilt schob sie den schweren Samtvorhang zur Seite. Ein Vorgeschmack auf das richtigen Theater, wenn sich der Vorhang öffnet. Ihren massigen Körper zwängte sie in eine blaue Dienstjacke. Die Knöpfe rissen fast aus den Knopflöchern. Ohne Eile hing sie unsere beiden Mäntel an die vordersten Haken und schob mir die Plastikschildchen mit den Garderobenummern über den Tresen. „Macht vier Euro“, murmelt sie, ohne mich anzuschauen. Mit der Zunge pulte sie die Reste ihres Abendessens aus den Zähnen, als sie darauf wartete, bis ich das Geld auf den Tresen zählte. Ein Extratrinkgeld bekam sie von mir nicht, denn Unfreundlichkeit sollte man nicht belohnen, fand ich.

Die Technik schaltete einen zusätzlichen Deckenfluter ein, der die Stuckaturen über uns in effektvolles Licht tauchte . Als ob sie auf dieses Zeichen gewartet hätten, stiegen jetzt die anderen Garderobefrauen aus den Katakomben des Theaters empor und öffneten die Vorhänge über ihren Theken. Alle in den gleichen blauen Dienstkitteln. Alle im Alter jenseits von 50 und in der Gewichtsklasse über 60.

Meine Frau war noch nicht am Ende des Ganges, wo es zu den Toiletten geht, auszumachen. Also warten. Eigenartig: normalerweise dauert es nur lange, wenn sich in den Pausen eine Schlange vor der Türe mit der Aufschrift ‚Damen’ gebildet hat. Ich lehnte mich an eine Säule zwischen den Garderobenischen und beobachtete die ersten Zuschauer, die frierend den Vorraum betraten. An die üble Luft hier drin hatte ich mich schon gewöhnt, aber die Neueintretenden rümpften sichtlich die Nase.

Ein Pärchen steuerte zielstrebig auf die Garderobe links von mir zu. Er mit ausladenden, sie mit kleinen Schritten. Ich zählte mit: Sie brauchte drei Schritte, um den gleichen Weg zurückzulegen, für den er nur einen benötigte. Ein ungleiches Paar!

„Zu früh! Wie immer“, hörte ich ihn brummeln und musste leise vor mich hin grinsen. Er legte zuerst eine große Plastiktüte von ALDI auf den Garderobentisch. Ich wartete gespannt auf die Reaktion der Dame.

„Oh Schatz, ich warte so gerne. Das hebt die Spannung vor dem eigentlichen Theater. Ich bin immer ganz kribbelig!“ Sie sah ihn mit einem feuchten Dackelblick von unten an. Er nahm ihr den Mantel ab und legte den seinen dazu auf den Tresen. Ohne Mantel war klar, warum es kleine Schritte sein mussten: Der Rock war lang und eng. Dafür das Oberteil um so kürzer. Jedenfalls oben - schulterfrei. Sie massierte fröstelnd ihre Oberarme. Dann tauschte sie ihre Stiefel gegen elegante, rote Schuhe, mit hohen Absätzen, die sie aus der Plastiktüte gefischt hatte. Ein kesser Kontrast zum schwarzen Kleid. Auch sie machte sich auf den Weg zur Toilette. Ihr Gang wirkte mit den Abendschuhen leichter und beschwingter, obwohl die Schritte nicht länger wurden.

Meine Frau war noch immer nicht in Sicht.

Der junge Mann lehnte sich in lässiger Haltung ebenfalls an die Wand. Mit einem Fuß stützte er sich dagegen ab. Die Arme hielt er vor der Brust verschränkt. Das dadurch leicht angehobene Revers der Anzugsjacke drückte die dunkelrote Fliege an seinem Hemdkragen schief. Er machte keinerlei Anstalten, das zu korrigieren. So wie ich verlegte er sich auf das Beobachten der weiteren Theaterbesucher, die jetzt zahlreicher durch die Eingangstüre strömten. Offensichtlich hatte es angefangen zu regnen. Einzelne Männer schüttelten mit Vehemenz die nassen Schirme aus, ohne darauf zu achten, dass alles auf den frisch gebohnerten Theaterfußboden tropfte. Ob sie das zu Hause auch so gemacht hätten? Ihre Ehefrauen, die hier keinerlei Zeichen von Entrüstung zeigten, hätten daheim sicher anders reagiert!

Die Garderobefrauen erwachten langsam aus ihrer Lethargie. Das erste Läuten der Theaterglocke schien sie zum Leben zu erwecken. Aber ein freundliches Lächeln konnte auch die Glocke nicht auf ihre Gesichter zaubern. Ich bedaure es weiterhin nicht, kein Trinkgeld gegeben zu haben.

Immer noch keine Spur von meiner Frau. Auch von der jungen Dame im engen Schwarzen war nichts zu sehen. Der Mann blinzelte mir kumpelhaft zu und zuckte mit den Schultern. Das bedeutete so viel wie ‚dann warten wir halt weiter, da kann man nichts machen!’

Stimmt. Da konnte man nichts machen. Aber warum dauerte es so lange? Ich wurde langsam unruhig, trat von einem Fuß auf den anderen. Um Zeit zu gewinnen warf ich einen Kontrollblick in den Wandspiegel, der gegenüber angebracht war. Sitzt die Krawatte korrekt? Alles passte – nur meine Frau fehlte immer noch.

Die Theaterglocke schellte zum zweiten Mal.

Eine etwas fülligere Frau rempelte mich aus Versehen an. Sie entschuldigte sich umständlich dafür, hatte dabei aber offensichtlich nicht bemerkt, dass sie mir mit einem ihrer spitzen Absätze auf den Fuß getreten war. Es schmerzte höllisch. Meine Reaktion im schmerzverzerrten Gesicht missdeutete sie. Sie Wiederholte, wie unangenehm es ihr sei, mich angestoßen zu haben. Als ob das etwas gegen den Schmerz helfen würde! Dabei war am Zwinkern in ihren Augen deutlich abzulesen, dass es ihr keinesfalls unangenehm war. Im Gegenteil. Sie war ohne Begleitung da – und ich auch, musste sie vermuten. Was rechnete sie sich aus?

Ich sah am Ende des Korridors die nackten Schultern über roten Schuhen auftauchen. Ihr Galan löste sich von der Wand und ging ihr entgegen.

Verdammt, wo blieb meine Frau? Meine Hände wurden feucht. Gleich schrillte die Glocke zum dritten und letzten Mal. Der Geräuschpegel im Vorraum hatte sich fast auf Null gesenkt. Alle Besucher hatten ihre Plätze im Theatersaal eingenommen. Auch die Füllige ging hinein, nachdem sie mir noch einen schmachtenden Blick zugeworfen hatte. Einige Türen wurden schon geräuschlos geschlossen.

Da, endlich tauchte sie auf.

„Hast Du vielleicht auf mich gewartet? Ich habe noch jemanden getroffen“, sagte sie mit einem unschuldsvollen Lächeln auf dem Gesicht. Meinen Ärger im Gesicht ignorierte sie gekonnt. Dann nahmen auch wir unsere Plätze in der Mitte der siebten Reihe ein. Die anderen Zuschauer in der Reihe lächelten uns mit zusammengebissenen Zähnen zu, als sie alle aufstehen mussten, um uns durch zu lassen. Kaum saßen wir auf den harten Klappstühlen des kleinen Theaters, ging der Vorhang auf und das Saallicht wurde langsam zurückgefahren. Riesige Spots tauchten die Bühne in gelbliches Licht, das in den Augen schmerzte. Zwei Landstreicher, Estragon und Wladimir, standen sich dort bewegungs- und wortlos gegenüber.

Sie warteten auf Godot.

 

Ja, da ist ein Warten auf Godot. Da ist Handlung im Verharren während der abfließenden Zeit zwischen dem Betreten des Theaters und dem Beginn der Vorstellung.
Da ist die Spiegelung der Beziehung mit dem schalen Schein möglicher Alternativen, da ist die eingefrorene Kulisse des Lebens in den Garderobenfrauen, da ist Verharren, Langeweile, Hoffnung.
Warten, das etwas passiert.
Nichts passiert.
Traurig, hoffnungslos, nicht lösbar.

So empfand ich Deine konzentrierte Geschichte, die lediglich durch einige Sätze, die besser ablaufen könnten getrübt wurde.

Ich hatte Freude beim Lesen, stand in Deinen Bildern, wurde bewegt.
Gelungen.

Viele Grüße, Svenson.

 

Hallo Ernst Clemens

Eine kleine Darbietung als Vorspann zu Becketts Theateraufführung, die Du darlegst. Es ist still, nahezu berichtend, beinah hätte ich mir eine heitere Zwischeneinlage gewünscht. Als passend ausbaubar bot sich dazu die füllige Frau auf spitzen Absätzen an. Ein brüskeres echauffieren von ihm, das an ihren Reizen abprallt, er sich in seinem Anliegen verheddert, sodass ihm letztlich nur eine Entschuldigung geblieben wäre. Doch nein, es hätte sich krass abgehoben, hatte er die Garderobieren, nicht in ihrer Mimik, aber zumindest in ihrer Alters- vs. Gewichtsklasse noch charmant reserviert taxiert:

Alle im Alter jenseits von 50 und in der Gewichtsklasse über 60.

Es folgte ganz klar nicht den klassischen Regeln einer Kurzgeschichte, nichts das über an sich allgemein bekannten Momentaufnahmen hinausgeht. Dennoch war es mir in dem Zeitpunkt stimmig, als Estragon und Wladimir ins Bild kamen. Eine andere Darbietung wäre ein Affront gegen "En attendant Godot", Becketts Stück, gewesen.

So habe ich es gern, wenn auch ohne grossen Nachhall gelesen.

Einen kleinen Kratzer am Lack anzubringen komme ich dennoch nicht umhin. Der Titel, er wirkt auf mich nicht ganz gelungen. Auch nimmt es der klitzekleinen Pointe ihren Effekt. Dies natürlich nur, insofern der Leser die beiden Namen kennt, doch wer tut dies nicht.

Schöne Grüsse

Anakreon

 

Hey Ernst,

Du hast es aber mit dem Theater :). Aber ich finde das ja sehr hübsch. Ehrlich, ich mochte die kleine Pointengeschichte und gebe Anakreon Recht, wenn er sagt, der Titel verrät zu viel. Auf der anderen Seite, weiß man so die ganze Zeit, was die Geschichte von einem will und worauf sie hinausläuft und es kann sich keiner beschweren ... Weiß gar nicht, wie ich mich entschieden hätte. Vielleicht haben ja noch andere 'ne Meinung oder Deine steht ohnehin schon fest.
Also, ich fand die kleine Episode wirklich nett und habe mich in ihr wohlgefühlt. Ist natürlich keine Geschichte, die Ohh und Ahh hervorruft, will sie sicher auch nicht, aber was sie macht, macht sie gut, finde ich.

Klein, aber fein. Fröhliche Feiertage und wer weiß, vielleicht treffen wir uns ja im Theater. Ich steh an der Säule vor der linken Garderobe :).

Beste Grüße, Fliege

 
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Hallo Svenson,

danke für Deinen Beitrag. Du hast es geschafft, Inhalt, Ausdruck und Stil meiner Geschichte in wenige Sätze zu fassen - und das genau richtig! Genau das wollte ich damit sagen/ausdrücken.

Von welchen Sätzen meinst Du, dass sie 'beser laufen' könnten?

Herzliche Grüße
Ernst

Hallo Anakreon, Du auch Schweizer ...

danke auch Dir für Deine Kritik. Wir scheinen eins gemeinsam zu haben: eine einfache, unaufgerägte Erzählweise. Nicht jede Geschichte (auch nicht jede Kurzgeschichte) muss auf Biegen oder Brechen durch eine hammerhafte Pointe gekrönt werden. Die kleinen Details sind es oft wert, beobachtet und beachtet zu werden.

Zum Titel: siehe meinen nächsten Beitrag.

Herzliche Grüße
Ernst

 

Hallo Fliege,
ich war jetzt über Jahre in diesem Forum nicht mehr unterwegs - meine letzte Geschichte hatte ich vor über drei Jahren hier eingestellt. Umso mehr freue ich mich, Dich immer noch als aktive Moderatorin hier zu finden!

In diesem Sinne recht herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Ja, Du hast recht, ich mag Theater. Allerdings nicht immer die wahnsinnig modernen und oft überdrehten Inszenierungen.

zum Titel: Ursprünglich war es nur 'Warten auf Godot'. Nachdem das aber ein Titel ist, der fest mit dem Theaterstück 'verbunden' ist, habe ich ihn geändert. Damit gibt es auch keine möglichen Probleme rechtlicher Art.

Schade, dass momentan die Temperaturen so hoch sind. Wahrscheinlich wirst Du im Theater keinen Mantel an der Garderobe abgeben müssen. Wie finde ich Dich dann?

Herzliche Grüße
Ernst

 

Hallo Ernst Clemens,

zu Deiner Frage muss ich weiter ausholen, da es sich nicht um Rechtschreibung und Ausdruck handelt, sondern um den Film in Deiner Geschichte.
Geschichten lese ich wie Bilder. Wenn ich drin stehe, empfinde ich die Geschichte als gelungen, wenn ich mitfühlen kann, ist sie ausgezeichnet.
Deine Geschichte ist herausragend und genau deshalb fallen mir Kleinigkeiten auf.

Folgende Passagen haben mich gebremst.

Weit und breit noch keine Garderobefrau zu sehen. Die Vorhänge an den Annahmestellen sprachen eine deutliche Sprache: ‚geschlossen’.

Ihr eleganter Mantel mit seidenem Innenfutter und mein dunkleres, schon etwas abgetragenes, Exemplar. So als ob sie nichts von der Spannung in unserer Beziehung spüren würden.

Ein Extratrinkgeld bekam sie von mir nicht, denn Unfreundlichkeit sollte man nicht belohnen, fand ich.

Ohne Mantel war klar, warum es kleine Schritte sein mussten: Der Rock war lang und eng. Dafür das Oberteil um so kürzer. Jedenfalls oben - schulterfrei.

Ich sah am Ende des Korridors die nackten Schultern über roten Schuhen auftauchen. Ihr Galan löste sich von der Wand und ging ihr entgegen.

Viele Grüße, Svenson.

 

Guten Abend Svenson,

danke für Deine ausführlichen Beispiele. Hier meine Meinung dazu, bzw. meine Fragen:

Weit und breit noch keine Garderobefrau zu sehen. Die Vorhänge an den Annahmestellen sprachen eine deutliche Sprache: ‚geschlossen’.
- hier stört sicher die Verdoppelung von 'sprachen' und 'sprache'.
Mein neuer Vorschlag: Die Vorhänge an den Annahmestellen signalisierten deutlich 'geschlossen'.

Ihr eleganter Mantel mit seidenem Innenfutter und mein dunkleres, schon etwas abgetragenes, Exemplar. So als ob sie nichts von der Spannung in unserer Beziehung spüren würden.
- wie würdest Du es besser sagen?

Ein Extratrinkgeld bekam sie von mir nicht, denn Unfreundlichkeit sollte man nicht belohnen, fand ich.
- sorry, auch hier fällt mir nichts besseres ein. Wahrscheinlich habe ich 'Tomaten auf den Augen'!

Ohne Mantel war klar, warum es kleine Schritte sein mussten: Der Rock war lang und eng. Dafür das Oberteil um so kürzer. Jedenfalls oben - schulterfrei.
- wird es für Dich klarer/runder, wenn ich schreibe: 'Ohne Mantel WURDE klar....'

Ich sah am Ende des Korridors die nackten Schultern über roten Schuhen auftauchen. Ihr Galan löste sich von der Wand und ging ihr entgegen.
- ich denke, dass es der zweite Satz ist, der Dich stört. Richtig? Den möchte ich aber genau so lassen, denn der junge Mann klebte ja vor langer Weile fast an der Wand.

Herzliche Grüße und einen guten Rutsch
Ernst

 

Hallo Ernst,

Danke für Deine Fragen. Meine Vorschläge habe ich nur im einzelnen Satz, nicht aber im Kontext mit den anderen Sätzen geprüft. Hier liegt die Gefahr des Verschlimmbesserns.

Weit und breit noch keine Garderobefrau zu sehen. Die Vorhänge an den Annahmestellen sprachen eine deutliche Sprache: ‚geschlossen’.

Vorschlag
Weit und breit war keine Garderobenfrau zu sehen. Die geschlossenen Vorhänge an den Annahmestellen wirkten abweisend.

Ihr eleganter Mantel mit seidenem Innenfutter und mein dunkleres, schon etwas abgetragenes, Exemplar. So als ob sie nichts von der Spannung in unserer Beziehung spüren würden.

Vorschlag
Ihr eleganter Mantel mit seinem seidenen Innenfutter lag neben meinem dunkleren, schon etwas abgetragenen Exemplar. Beide schienen zusammen zu gehören.

Ein Extratrinkgeld bekam sie von mir nicht, denn Unfreundlichkeit sollte man nicht belohnen, fand ich.

Vorschlag
Das „fand ich“ sollte raus. Du erklärst in der Beschreibung den Erklärenden. Das entfremdet Deine Figur.

Ohne Mantel war klar, warum es kleine Schritte sein mussten: Der Rock war lang und eng. Dafür das Oberteil um so kürzer. Jedenfalls oben - schulterfrei.

Vorschlag
Ohne Mantel wurde klar, warum es kleine Schritte sein mussten. Der Rock war eng und lang, dafür das Oberteil im Bereich ihrer Schultern um so kürzer. (?)

Ich sah am Ende des Korridors die nackten Schultern über roten Schuhen auftauchen. Ihr Galan löste sich von der Wand und ging ihr entgegen.

Vorschlag
Ich sah am Ende des Korridors die Frau mit den nackten Schultern über roten Schuhen auftauchen. Ihr Galan löste sich von der Wand und ging ihr entgegen.

Dir viele Grüße und einen frohen Jahreswechsel.

 

Grüß Dich Svenson,

Danke für Deine Fragen. Meine Vorschläge habe ich nur im einzelnen Satz, nicht aber im Kontext mit den anderen Sätzen geprüft. Hier liegt die Gefahr des Verschlimmbesserns.

ja, genau das ist passiert. Einige Deiner Vorschläge stellen zwar eine echte sprachliche Verbesserung dar (vielen Dank dafür!), andere aber sind aus dem Kontext gerissen und liegen völlig falsch.

Herzliche Grüße
Ernst

 

Hallo Ernst,

schön, ma’ widda wat von Dich zu lesen, wie man hier im schönsten Ruhrlatein sagt. Und gleich eine Geschichte mit doppeltem Boden, wenn der Icherzähler im Theater bis zum letzten Augenblick, da die Vorstellung beginnt, aus seine Frau wartet, um ein anderes Paar sehen zu können, wie's auf Godot wartet - mutmaßlich auf Gott - in allen Schreibweisen germanistischer Zunge God/(G)ot(t) – wie jenes unbekannte, höhere Wesen, welches wir nach den Worten Dr. Murkes alle verehren. Galt bei Kafka noch der Kampf des Einzelnen gegen den Rest der Welt, so treten Becketts Figuren auf der Stelle – fast wie der Icherzähler, der dann freilich doch eine Art Erhöhung erlangt, als zumindest ein Teil des Publikums für das Paar aufstehen muss, dass es seinen (vorgesehenen) Platz (fast bin ich geneigt zu sagen: im Leben) erreichen kann. Gleichwohl wären ein paar Schnitzer auszumerzen:

Hier will wohl der Punkt enfliehn …

„Es gäbe auch die öffentlichen Verkehrsmittel, aber die sind Dir nicht fein genug“.
- hier ein Komma - oder tanzt es nur mal eben aus der Reihe?
Das bedeutete so viel wie ‚dann warten wir …
Hier wäre nun der Infinitivsatz mit einem Komma zu beenden
Um Zeit zu gewinnen[,] warf ich einen Kontrollblick in den Wandspiegel
Hier will mir nun der Anschein einer zuschnappenden Fälle-Falle oder doch eher Flüchtigkeit vorzuliegen:
Ein Vorgeschmack auf das richtige[…] Theater

Garderobe[n]frau/en
rufen – ob einzeln oder als Gruppe – nach dem verbindenden –n zur Zusammensetzung. Auch bei den
Garderobe[n]nischen,
selbst wenn’s seltsam aussieht mit dem doppel-n.

Flüchtig vorbeigehend vermein ich, dass

Im [V]orbeigehen …
besser substantiviert würde.

Abschließend noch eine einfache Gleichung hierzu

… an jeder passenden und unpassenden Stelle verkündeten.

Sind da nicht dann alle Stellen abgedeckt und damit das gedoppelte Attribut entbehrlich, das passend + unpassend = alles)?
… an jeder […] Stelle verkündeten.

Gern gelsesn vom

Friedel,
der noch'n gutes neues Jahr wünscht, bevor's wieder rum ist!

 

Hallo Ernst,

so ist es. Schön beobachtet. Mit Vergnügen gelesen. Für mich war es aber eher ein Warten auf Loriot als auf Godot. Oder die Steigerung: Loriot, Beckett, Böll, Murke, Godot, Ehegattin? Oder wie auch immer?
Herzlichst
Wilhelm Berliner

 

Grüß Dich Friedel,
ja, es gibt noch Urgesteine hier im Forum. Das freut mich!

Du gehst in Deiner Interpretation meines kleinen Textes viel weiter, als ich. Aber Deine Folgerungen sind durchaus schlüssig und interessant. Danke Dir dafür.

Vielen Dank auch für die Rechtschreib-Hinweise. Ich werde sie im Originaltext verarbeiten.

Bis bald mal wieder!
Ernst

 

Hallo Wilhelm Berliner,

herzlichen Dank für Deine Einschätzung. Die von Dir genannte Steigerung hat durchaus etwas für sich, wenn es um das Thema 'warten' geht!

Ich wünsch Dir ein schönes Wochenende!

Ernst

 

Lieber Ernst,

ich bin leider nicht eher dazu gekommen, deine launige Geschichte zu lesen.
Irgendwie habe ich sie gern gelesen, obwohl ich viel viel mehr erwartet habe.
Ganz im Gegensatz zu meinen Vorkritikern finde ich den Titel schon deswegen nicht schlecht, weil er MICH aufs Glatteis geführt hat.
Ich hatte mir graue Tristesse, nervige Sinnlosigkeit, nervliche Herausforderungen in Sachen Samuel Beckett ausgerechnet und war ganz baff, wie wenig davon in Erfüllung ging.

Deine fast schon gemütliche Geschichte über ein sinnloses Warten durchmischt du geschickt mit Dingen, die passend in einem Theater passieren können. Dadurch wirkt locker.
Viel Tiefensinnigkeit habe ich in deiner Geschichte nicht entdeckt, aber das werfe ich dir nicht vor, das ist nur meine Wertung.

Nachfolgend ein paar Dinge, die du ändern musst bzw. könntest:

Im vorbeigehen drückte sie
ich würde "Vorbeigehen" schreiben.

auf das richtigen Theater,
richtige
„Macht vier Euro“, murmelt sie,
müsste es nicht die Vergangenheitsform sein und "murmelte" sie heißen? Ich finde das wirkt stimmiger.
effektvolles Licht tauchte . Als
bitte den Punkt an das e heranziehen.

die anderen Garderobefrauen
Mir sind das zu viele Gardobenfrauen, wie wärs an dieser Stelle mal mit einer Garderobiere?
Gewichtsklasse über 60.
ungenau. 60 Kilo, Pfund? Ich würde es auch anders beschreiben. Du willst doch mitteilen, dass sie alle etwas dicklich sind. Wie wäre es mit Schwergewichtsklasse. Dann aber ohne die 60.

Ich bedaure es weiterhin nicht, kein Trinkgeld gegeben zu haben.
Ich würde alles in die Vergangenheit setzen. Ich bedauerte es weiterhin, ihr kein Trinkgeld gegeben zu haben. Klingt doch besser, nicht wahr?
so viel wie ‚dann warten wir halt weiter, da kann
auch, wenns dir korinthenkackerisch vorkommt, bitte das Komma sitzt falsch.

Ich wurde langsam unruhig, trat von einem Fuß auf den anderen.
Das ist eine sehr abgedroschene Formulierung. Gut, ich sehe ein, dass du in deiner Geschichte jetzt nicht Überraschendes schreiben wolltest, es soll ja ein wenig die Sinnentleerung wirken, die entsteht, wenn man blöderweise auf jemanden warten und warten muss. Aber wie wäre es damit: "Ich wurde langsam unruhig, lief fünf Schritte nach links, dann umgekehrt nach rechts.

Um Zeit zu gewinnen warf ich
oh nein, dein Protagonist will doch gerade Zeit verlieren. Um die Wartezeit besser erdulden zu können, warf ich.... Zu meiner Ablenkung warf ich....Um die Zeit totzuschlagen, warf ich (aber Zeit totschlagen ist auch so abgelatschter Ausdruck).

Eine etwas fülligere Frau rempelte mich aus Versehen an.
aus Versehen würde ich ersatzlos streichen, weil du im Nachfolgenden ja deutlichst erklärst, was es mit dem Rempeln auf sich hatte. Du nimmst ja sonst schon alles für den Leser vorneweg.

Sie Wiederholte,
wiederholte

schmachtenden Blick
wie sieht denn eine Frau aus, die einen schmachtenden Blick hat? DAS würde ich da hinschreiben. Aber mit schmachtend kann ich nicht viel anfangen.
Sie könnte den Protagonisten von oben bis zu den Schuhspitzen mustern und könnte sich jetzt taxiert fühlen. Dann könnte sie missglückt freundlich Lächeln.

Auf jeden Fall habe ich gern mal wieder was von dir gelesen, lieber Ernst.

Lieben Gruß und fröhliches Wochenende

lakita

 

Hallo Elvira,

diesmal liegt es an mir, mich zu entschuldigen, denn ich habe Deine Hinweise sehr wohl zur Kenntnis genommen, mir aber vorgenommen, die Geschichte später zu korrigieren, da ich im Moment an einem völlig anderen (längeren) Projekt arbeite.

Du hast praktisch in allen Punkten recht - meist sind es Flüchtigkeitsfehler, die ich natürlich sofort ausbessere.

Ich danke Dir für die Hinweise und wünsche Dir noch einen schönen Sonntag

Ernst

 

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