Warten auf die Nacht
Was sind meine Tage? Meine Tage sind Warten auf die Nacht.
Ich trage schwarze Hosen auf schwarzen Schuhen, und der Pullover mit dem hohen Rollkragen ist ebenfalls schwarz und – –
Zur Sache, ihr Lieben!
Lasst mich traurig lächeln über eure Fröhlichkeit, die ich leider eure optimistische Psychose nennen muss. Ich weiss es besser! Nein, nein, Freunde, auch wenn ihr das nicht gerne hören mögt: das Leben ist nicht schön. Man kann es nicht sinnvoll verbringen. Da gibt es kein Glück zu finden. Und die letzte mir verbliebene Leidenschaft ist es, euch eben das in die tauben Ohren zu brüllen: dass es kein Glück auf Erden gibt; dass Leben Qual ist. Damit vertreibe ich mir am Tage die Zeit. Tagsüber seht ihr mich in der Fußgängerzone unseres Städtchens auf und ab gehen, und in den Händen halte ich ein Schild, auf dem ich euch stumm die einzige Wahrheit entgegen schreie; auf dem Schild steht schwarz auf grau geschrieben: Leben ist Qual.
Hört, kennt ihr denn diese Schmerzen nicht? Ist euch denn nicht jede Lebenssekunde ein dunkel-dumpfer Bassdonner, der teuflisch in den Schädel hineindröhnt und jede Minute zu einer sechzigfach segmentierten Marter macht? Ihr kennt diese Schmerzen! Aber ihr übertönt sie, dämpft sie, tanzt und lärmt so laut, dass man den Bass nur als ein fernes Grollen spürt. Ich hasse euch dafür, dass ihr das könnt; dass ich euch hasse ist ja ganz natürlich, ist ein simpel berechenbarer Mechanismus. Ach, es ist ein elender Hass. Ich ertrage all diese hasserfüllten Tage immer schlechter. Immer, immer schlechter...
Still aber jetzt! Am Ende jedes dieser Tage kommt ja die Nacht, die kühle Trösterin! Und in diesem Augenblick liegt sie ja wieder balsamisch lindernd und ätherisch erfrischend auf mir. Das Schild mit dem stummen Schrei, dass Leben Qual sei, steht in der Ecke; ich aber stehe auf Büchern erhöht am Dachfenster und blicke in die blinkend starre Sternenflut. Was gibt es da mehr zu sagen? Still jetzt.
– die Nacht ist in jeder Hinsicht ein Außerhalb, ein Abseits und Jenseits, eine Nische und ein schwarzer, isolierter Raum, in den hinein der Bassdonner des sekündlich hämmernden Lebensschmerzes nicht dringt. In der Nacht lebt man nicht eigentlich. Man ist still erstarrt und... –
Still aber jetzt, endgültig!