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Warmduscher

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23.09.2002
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Warmduscher

Normalerweise dusche ich morgens nur drei bis fünf Minuten, um nicht zu spät ins Büro zu kommen, im Sommer ab und zu sogar kalt. Heute muss ich nicht zur Arbeit – ich habe alle Zeit der Welt. So stehe ich jetzt schon seit einer dreiviertel Stunde im warmen Regen der Dusche. Dieser Quadratmeter Keramikwanne in der Ecke des Badezimmers mit der billigen Duschwand an den anderen beiden Seiten ist heute mein Königreich.
Während die dampfenden Wassertropfen an mir abperlen wie schlechte Nachrichten aus dem fernen Ausland, schweift mein Blick über die verflieste Wand. Von den Eckfugen aus hat sich, von Rebeccas wachsamen Augen bisher wohl unbemerkt, ein kleiner Schimmelfleck ausgebreitet. Irgendwo in der Abstellkammer, hinter Stahlwolle und Insektenspray, müsste noch eine Flasche Schimmel-Ex stehen. Obwohl, eigentlich ist mir das jetzt ziemlich egal.

Nach einigen Minuten – oder waren es Stunden? – öffne ich die Schiebetür um, begleitet von einer Wolke aus Wasserdampf, aus der Dusche zu steigen. Neben der Toilettschüssel steht noch eine angebrochene Flasche Weisswein. Längst von der feuchtwarmen Luft im Badezimmer aufgewärmt, aber egal. Im Kühlschrank hätte sie das gleiche Schicksal erfahren. Mit der Flasche in der Hand zurück in die Dusche – Hoppla, vorsicht! Der kalte, geflieste Boden ist durch das Kondenswasser extrem rutschig. Mit der freien Hand gerade noch einen Sturz verhindert, steige ich wieder in die Dusche. Zwei Drittel aller tödlichen Unfälle passieren in den eigenen vier Wänden. Wenn ich jetzt ausgerutscht und mit dem Hinterkopf auf einer Kante gelandet wäre... ein bitteres Lachen entkommt meiner Kehle und wird von den glatten Wänden fast zustimmend zurückgeworfen.
Der Wein schmeckt scheußlich, noch vor ein paar Tagen hätte ich ihn, ohne darüber nachzudenken, weggekippt. Heute ist mir die bleierne Schwere willkommen, die mich überkommt, nachdem ich die halbe Flasche in wenigen Schlucken geleert habe.
Die Duschwanne bietet genug Platz, um sich mit angewinkelten Beinen hinzusetzen. Auch wenn der Wein durch das warme Wasser, das mir so über das Gesicht rinnt, verwässert wird, ist diese Position dem Stehen eindeutig vorzuziehen. Ich kann mich sogar in die Ecke (die mit dem Schimmelfleck) lehnen und den Kopf nach vorne fallen lassen. Keinen Muskel muss ich so bewegen, kann ruhig die Augen schließen und mich auf die Wassertropfen konzentrieren, die ich auf meine Haut fallen spüre.

Ich erwache, die leere Weinflasche immer noch in der Hand, unbestimmte Zeit später. Unverändert warm prasselt das Wasser aus der Dusche auf mich nieder. Durchlauferhitzer – einer der vielen Vorteile dieser kleinen Wohnung. Ich bin nicht auf das begrenzte Warmwasser eines 150-Liter-Boilers angewiesen. Der Gastank nahe des Hauses wurde erst vor kurzem für den bevorstehenden Winter gefüllt – damit bekomme ich noch verdammt viel warmes Wasser.
Früher, als ich ab und zu noch mit Rebecca zusammen geduscht habe, liebten wir uns, im heissen Regen stehend, und hörten Oldies mit dem Badezimmerradio auf dem Fensterbrett. Das rosafarbene Radio jetzt einzuschalten hätte keinen Sinn...

Im Gitter des Abflusses haben sich meine Haare und Stücke meiner Kopfhaut gesammelt – wenn Rebecca das noch sehen könnte, wo sie sich doch immer vor Haaren im Abfluss geekelt hat...

Durch das beschlagene Fenster dringt ein matter Rest Tageslicht. Man müsste schon die Deckenlampe anschalten, gäbe es noch Strom. Doch seit dem großen Blitz ist alles tot: Strom, Telefon (auch das Mobiltelefonnetz), Radio, Fernsehen – wenn ich es mir recht überlege, eigentlich ist die Dusche das einzige, was noch funktioniert.

 

Die Wortwahl (Stil) hat mir gut gefallen, das Ende kommt etwas plötzlich, wobei ich mich natürlich beim lesen die ganze Zeit gefragt habe, warum diese Geschichte gerade in SciFi steckt. Vielleicht solltest du diesen Punkt noch etwas herausarbeiten.

Wie lange schreibst du schon? Liest sich recht professionell.

Frank

 

Sehr guter Stil, bedächtig, ohne überflüssige Schnörkel.

Allerdings:

Man müsste schon die Deckenlampe anschalten, gäbe es noch Strom.
Ich als Technik-Null (abgesehen vom Netz ;)) kenne mich zwar nicht so aus, aber benötigt ein Durchlauferhitzer nicht auch Strom?

 

@webmaster
nein, webmaster, GAS.

ick wees ditte, ick bin ein börliner!
(solche durchlauferhitzer gibt es in unserer geliebten hauptstadt zu hauf!)

gruss,
nikto

 

Ach so, GAS. Ich Depp. :D

 

Hi Slingshot!

Herzlich Willkommen auf kg.de!

Deine Geschichte fand ich auch sehr gut zu lesen, fragte mich jedoch auch die ganze Zeit, ob Du Dich verklickt hast beim Posten. Aber am Ende weiß man ja dann, daß sie schon im richtigen Forum ist.
Allerdings hättest Du am Ende auch noch weiterschreiben können, seine Erinnerungen ausführen. Aber vielleicht wolltest Du ja gerade das nicht, es sollte sich dann wohl mehr im Kopf abspielen. Dazu fehlen mir aber ein paar Details, sonst denke ich mir ja die Geschichte ganz alleine - ein bisschen mehr solltest Du schon dazu beitragen, finde ich.

Mirko (Webmaster) hat übrigens Recht: Auch ein Durchlauferhitzer braucht Strom. Vielleicht hat er sich aber irgendwann ein Notstromaggregat gekauft, für den Computer zum Beispiel, das er nun sparsam einsetzen kann? Irgendwoher muß der Strom kommen, sonst kann er sich nicht duschen und die ganze Geschichte fließt durch den Abfluß... hehe.

War aber trotzdem interessant zu lesen!

Alles liebe
Susi

 
Zuletzt bearbeitet:

gaszufuhr braucht strom???
das ist mir sehr neu!

mein durchlauferhitzer braucht nur gas!!!
ich erhalte warmes wasser ohne strom. *brüst*
(kennt ihr nicht diese alten dinger in altbauwohnungen??? ich meine nicht diese neuen an den hypermodernen heizungen dran!)

also: ein berlin-besuch lohnt sich. :)

gruss,
nikto

ps: ok, der autor kommt laut profil aus münchen...da kenne ich mich nicht so aus. aber er darf mich ruhig als zeuge benutzen. soll ich ein photo ins netz stellen? :))

 

Und womit zündet Deine Therme??? Womit mißt sie die Grad (des heißen Wassers)? Was treibt die Pumpe an?

 

ebenfalls mit gas. wie ein normaler gasherd (diese alten). das wasser kommt aus der leitung. (wird das gepumpt?) eine gradzahl wird an diesen dingern nicht gemessen. das macht die hand. :)

glaub mir!

nikto

 

warum lachst du?
so kann man in berlin noch wohnen!
das ist hier noch standard in alten nur ost-sanierten wohnungen.

nikto

ps: das angebot mit dem photo bleibt bestehen. :)

 

Du bist ein glücklicher Mensch, der es noch nie nicht geschafft hat, seine Stromrechnung zu zahlen...;)

 

naja, im dunkeln lesen ist schlecht, waschbrett ist zu mühselig, eis wird nicht mehr ins haus geliefert (leider) und der computer ist im osten nicht mehr an gas angeschlossen.
da kann ich der stromrechnung doch nicht entgehen...
:)

gruss,
nikto

 

Ich störe eure fruchtbare Diskussion über Wasserheizen nur höchst ungern (wirklich!), aber ich wollte noch mal ein Wort zur Geschichte sagen...

Die fand ich nämlich auch ziemlich gelungen. Du hast hier eine recht melancholische Stimmung geschaffen durch knappe Beschreibungen und richtige Wortwahl.
Das Ende finde ich keinesfalls zu knapp, sondern gerade richtig. Die relativ alltägliche Anfangssituation (er pennt halt unter der Dusch ein) wird so durch den letzten Satz richtig schön ins Absurde geführt. Ich mag Geschichten, die den Leser langsam in eine Situation führen und dann im letzten Satz komplett ihre Richtung ändern.
Kompliment. Ach ja, willkommen heiße ich dich natürlich auch noch mal.

PS: Ich erhitze mein Wasser mittels einer starken Lupe und Sonnenstrahlen ;)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo zusammen!

Erstmal danke für die grosse Resonanz! :)

Zu den Kritikpunkten: Ich muss zugeben, dass ich anfangs auch gezögert habe, die Geschichte als SF zu posten. Die grosse (wahrscheinlich nukleare?) Katastrophe gab fuer mich dann den Ausschlag, sie doch als SF einzuordnen. Der "grosse Blitz" ist vielleicht etwas wenig, aber besser hab ichs nicht hingekriegt.

@Häferl:

sonst denke ich mir ja die Geschichte ganz alleine - ein bisschen mehr solltest Du schon dazu beitragen, finde ich.

Zugegeben, die Geschichte ist sehr kurz. Ich hoffe, in Zukunft etwas längere Texte hinzukriegen...

-----
Zur Technik: Ich studiere in Muenchen, hab aber
verheimlicht, dass ich eigentlich Österreicher bin :p
Zumindest dort (in den Bergen) reicht der Höhenunterschied, um auch ohne Pumpen genügend Wasserdruck zu haben. Wie´s im Flachland aussieht weiss ich nicht.

Durchlauferhitzer gibt es elektrische und gasbetriebene. Die gasbetriebene Variante kenne ich aus der Wohnung eines Bekannten in Wien - ein Blechkasten, in dem ständig eine kleine Gasflamme brennt. Wenn man den Wasserhahn aufdreht, fliesst kaltes Wasser durch eine Heizschleife über der Flamme, gleichzeitig wird die Flamme hochgeregelt. Elektrik konnte ich auf Anhieb keine entdecken. Deshalb die Vermutung, dass der Durchlauferhitzer auch bei einem Stromausfall funktioniert.

Die Idee zu der Geschichte kam mir, als ich ausnahmsweise mal warm geduscht habe, und mir dabei vorgestellt habe, der letzte Mensch auf Erden zu sein...

@Shent: Lange schreibe ich noch nicht (2. fertiggestellte Kurzgeschichte), professionell leider auch nicht. Freut mich, dass die Geschichte trotzdem gut angekommen ist! :)

mfg

Bernhard

 

Sag mal, in wie naher Zukunft spielt Deine Story eigentlich, da krieg ich ja richtig Angst...

Wenn ich bedenke, daß bei uns hier in Wien diese ominösen 5-l-Durchlauferhitzer, die vielleicht wirklich ohne Strom funktionierten - alle anderen brauchen jedenfalls Strom -, bereits seit fast zwanzig Jahren verboten sind, und selbst in der ehemaligen DDR vermutlich bald überall Neueres eingebaut sein wird, dann muß ja dieser Blitz schon praktisch vor der Haustür stehen... :susp: :D

Willst Du sie in fernerer Zukunft spielen lassen, würde ich auf alle Fälle eine Therme nehmen (damit kann der arme Kerl auch heizen) und ihm zu seinem PC ein Notstromaggregat schenken (stell Dir vor, Du schreibst gerade ein Posting und der Strom fällt aus...). Dann ist die Vorstellung, daß so ein Ereignis noch länger von uns entfernt ist, wesentlich leichter und Dein Protagonist hat es gleich viel angenehmer... ;)

Aber Du kannst ihn auch weiter unter einem schwachen Rinnsal duschen lassen, mit lauwarmem Wasser und im Winter friert er, weil er sich nicht rechtzeitig ein modernes Gerät besorgt hat...

Außerdem würde ich an seiner Stelle schauen, ob ich in einer freigewordenen Wohnung eine Badewanne finde - aber das ist dann eine andere Geschichte...:D

 
Zuletzt bearbeitet:

Ich verstehe die Kritik hier nicht. Warum soll die Geschichte zu kurz sein? Sie ist doch wie aus dem Lehrbuch: Ein Beginn ohne große Erklärungen, eine Hauptperson, eine konkrete Situation wird beschrieben, ein offenes Ende.
Das ist klassisch. Natürlich muss nicht jede Kurzgeschichte so aufgebaut sein, aber zumindest in der Schule hätte es dafür ein glatte Eins gegeben (wenn man in der Schule Kurzgeschichten schreiben würde und sie nicht nur interpretieren müsste).

 

Mit wem sprichst Du? Also, solltest Du mich meinen, würde ich Dir empfehlen, Dir nicht einen Punkt, den Du als negativ empfindest, aus den Kritiken zu klauben und daran festzubeißen.
Ich sagte sehr wohl, daß mir Deine Geschichte gefallen hat, daß sie gut zu lesen ist.
Wenn jemand schreibt, er fände es besser, dies oder das mehr zu erklären, noch etwas dazuzufügen etc., dann ist das persönliche Meinung und lediglich ein Vorschlag, die Geschichte noch zu verbessern. Damit ist nicht gesagt, daß Du es nicht auch so lassen kannst.
Außerdem kannst Du es als zusätzliches Plus werten, wenn sich jemand Stunden nach dem Lesen noch immer Gedanken über Deine Geschichte macht. :)

Laß Dich nicht so verwirren...;)

Alles liebe
Susi

 

Hallo!

Geschrieben von lerato
Ich verstehe die Kritik hier nicht. (...)

Geschrieben von Häferl
(...) Ich sagte sehr wohl, daß mir Deine Geschichte gefallen hat, daß sie gut zu lesen ist. (...)

Verwechselt nicht einer von euch beiden etwas? Wenn es hier um meine Geschichte (Warmduscher) geht - Ich bin zufrieden damit, kann aber auch die Gedanken von Häferl nachvollziehen:

Geschrieben von Häferl Sag mal, in wie naher Zukunft spielt Deine Story eigentlich, da krieg ich ja richtig Angst...

Wenn ich bedenke, daß bei uns hier in Wien diese ominösen 5-l-Durchlauferhitzer, die vielleicht wirklich ohne Strom funktionierten - alle anderen brauchen jedenfalls Strom -, bereits seit fast zwanzig Jahren verboten sind(...)


Noch vor einer Woche hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ein Durchlauferhitzer so viel Gesprächsstoff hergeben würde :)
In einer Jugendherberge in Griechenland durfte ich einen elektrischen Durchlauferhitzer erleben, der inklusive Steckdose in der Duschkabine montiert war. Das Teil hat so marode ausgesehen, dass man sich damit bestimmt in den Tod duschen konnte :D

Also gehe ich einfach davon aus, dass es irgendwo auf der Welt noch (oder in der Zukunft wieder) gasbetriebene Durchlauferhitzer gibt. Wenn nicht, spielt die Geschichte halt in einem Paralleluniversum - dann brauchen wir uns auch keine Sorgen über das bevorstehende Ende zu machen ;)
Und Du hast recht Häferl, anstelle des Protagonisten hätte ich mir auch eine Badewanne gesucht :) - Aber wie Du schon gesagt hast:

das ist dann eine andere Geschichte...

mfg

Bernhard

 

Hi Slingshot!

Hehe, sorry. Der Text (leratos Posting) hat mich wohl ein bisschen durcheinandergebracht.:D Dann bin ich ja erleichtert, daß das nicht Deine Antwort war...:rolleyes:

Deine Story könnte noch unheimlich an Wert gewinnen, wenn Du sie ins Griechische übersetzt und auf eine griechische SF-Seite gibst...:lol:

Alles liebe
Susi

 

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