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Walpurgisnacht
Am schönsten ist das Gleichgewicht
Kurz bevors zusammenbricht …
Einst war Walpurga ein reiches Land.
Es war so reich, dass selbst der Lump keine Not litt und Frau und Kind durch Handel mit Seinesgleichen ernähren konnte – wenn auch mit Müh und Not. Als aber eines Tages allerorten ein anderer Königsweg beschritten wurde, nahm - zunächst schleichend, doch dann immer mächtiger - die Armut im Lande zu, dass die armen Leute von Walpurga in Ortschaften wie Not und Elend zu hausen kamen. Mit der Armut wuchs der Lumpenhandel.
Dem Hause des Lumpen ging es so gut wie noch nie und bald musste der Lump einen Mann einstellen, weil das Geschäft nicht mehr allein zu bewältigen war. Wo vier Mäuler satt werden, sagte sich der Lump, bleibt allemal genug für den fünften Mund! Mit der Wohlfahrt wuchs der Lumpenhandel, dass der Lump noch zwei, drei oder gar noch mehr Leute einstellen musste. Allen ging es besser denn zuvor und jeder nährte seine Leute redlich.
Wie es dem Lumpen nun wohl erging, zog es ihn mit Frau und Kind in die Nähe der Metropole Waldburg.
Der Wettbewerb aber beobachtete die Entwicklung des Lumpenhandels mit Sorge, denn den Konkurrenten des Lumpen gingen die Leute aus: Wer wollte noch freiwillig für ein Taschengeld beim Competer arbeiten und Frau und Kind für ein noch Geringeres zur Valeri schicken, wenn allein ein Drittel des Gesindes den doppelt so großen Teil der Leute am kacken halten konnte! Was würde geschehen, wenn jeder tun könnte, was er nicht lassen kann?, fragte der Wettbewerb besorgt. Wo käme man denn hin, wenn jeder gleichermaßen wohin käme? Schnell verödeten Not und Elend. Rasch wandelte Gesinde sich in Gesindel. Die Welt verwahrloste. Die Ordnung ginge dahin, wohin jeder eines Tages kommt.
Also begaben sich die Valeri und der Competer zur Walburga Brunichildis und berichteten von ihren Sorgen. Die Königin der Pfuisik begriff das Problem zunächst gar nicht und fragte erstaunt
„Aber liebste Valeri und ehrenwerter Competer, sind’s die Leut denn nicht zufrieden, wenn doch grundsätzlich allen gleichermaßen gilt,
dass der Competer den Teufel an die Wand malte mit dem aufgeregten Ausruf: „Aber Majestät: Anarchie herrscht!“, da wollte die Monarchin die gespannte Atmosphäre mit dem ihr eigenen Humor lösen und zugleich ihre grundsätzliche Überlegenheit beweisen, dass sie fragte: „Weiß man denn den Namen des Anarchen?“
Die Valeri aber ging auf die Psyche der Herrin ein und nannte den Namen des Lumpen, dass es der Walburga schlagartig den Witz verschlug. Wenn keiner weiß, was die Mehrheit der Bevölkerung so treibe, weil die keiner ordentlichen und geregelten Arbeit nachgehen muss, wird jeder ein kleiner König. Wenn es der Valeri und dem Competer gut geht, so geht’s Walpurga gut. Da braucht es keines Anarchen und Lumpen!, und es berieten die drei, was zu tun sei.
Am nächsten Abend ist im Hause des Lumpen ein Geschäftsessen anberaumt. Es ist üppig, es wird viel getrunken und die drei geladenen Geschäftsfreunde kommen einigermaßen voran in ihren Verhandlungen mit dem Lumpen. Plötzlich, es ist schon sehr spät und nur die vier Freunde schlafen noch nicht, da verlangt einer, dass der Lump ihm das gesamte Vermögen überschreibe.
Der Lump fürchtet Paraphasie. „Machen wir Schluss für heute“, rät er seinen Freunden, „wir haben gut verhandelt, viel gegessen und vielleicht zu viel getrunken“, doch ein anderer bestätigt den Ernst der Lage: „Mag sein, lieber Freund, aber es wäre besser, wenn Du tätest, was Dir abverlangt wird. Wir können auch Frau und Kind zum Pfande nehmen“, und setzt dem Lumpen zur Bekräftigung eine Pistole auf die Brust. Natürlich obsiegt die Sorge um die Familie des Lumpen und in aller Stille werden die mitgebrachten und vorformulierten Papiere ausgefüllt und vom Lumpen und den ehrenwerten Gesellschaftern paraphiert.
Mehr könne man nun nicht mehr machen, täuscht sich der Lump und irrt sich, dass es doch nicht schlimmer kommen könnte. Während der dritte Mann sich um die Papiere kümmert, kümmern die beiden andern sich behutsam um den Lumpen, nehmen ihn in die Mitte und gehen gemeinsam in den Keller des Hauses. Alle Türen werden hinter ihnen geschlossen, dass niemand gestört werde. Dort im Keller gebieten sie ihm, eine Flasche Rizinusöles zu leeren, sich zu entblößen, um ihn dann mit sichtlichem Vergnügen blutig zu schlagen, bis er wimmernd zu Boden stürzt. Obwohl sein Jammern gleich wie Musik in den Ohren der Schläger klingen muss und sie zu größerem Eifer anstachelt, wird der Mund mit Isolierband zugeklebt.
Inzwischen ist der dritte Mann mit dem Aktenkoffer hinzugekommen und bringt die Warnung, den Mann nicht totzuschlagen, er werde noch gebraucht!, und einen Leinensack mit, in den der Lump gepackt wird. Der Sack wird beim Halse zugebunden und dann zu einer Wanne gezerrt und geschleift und hineingehoben. Die drei Geschäftsleute waschen ihre Hände, ordnen die Halsgebinde und verlassen das Haus des Lumpen.
Das Öl wird seine volle Macht entfalten, das Werk vollenden!
Die Familie weiß anderntags nicht, wo der Lump ist. Das Gesellschaftszimmer wie nichts verrät seinen Aufenthalt. Noch bevor die Polizei eintreffen kann, werden Bildreporter anklopfen. Die Presse habe einen anonymen Hinweis bekommen: man werde sehen und erkennen, was für ein Pack der Lump wirklich sei.
Es stinkt bestialisch im Keller. Wie dem nackten Manne im eigenen Kot und eigenem Wasser das Band vom Munde gezogen wird, schreit er derart, dass es bis Not und Elend zu hören sein wird. Als der Lump aus der Wanne steigt wird er tausendfach abfotografiert. Nur einer will schreiben, „als wäre er stundenlang gefesselt in einem Ameisenhaufen gelegen“, was so bald nicht veröffentlicht wird.
„Sehet!“, lautet die alttestamentarische Schlagzeile einer geilen Journaille schon am Abend nach dem gelungenen Geschäftsessen, „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Recht ist dem Lumpen geschehn!“, und die Dichter reimten fröhlich unds Pack amüsiert sich dazu
Ist bereits als Arsch geboren.
Ein reiches Land wird Walpurga einst.