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- 12.04.2007
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Walden 1209 a. u. c. und der Rosengarten der Ildico
Staubwedeln in der Wormatia
glatten Boden, ist ein Strauch hier? Gestrauchelt bin ich hier;
denn jeder trägt den leid’gen Stein zum Anstoß in sich selbst.«
Am Basgenstein
„Atta unsar -
þu in himinam -
weihnai namo þein …“,
schreien dort zwei, die den schmalen Pass versperren und uns den Spaß verderben.
Welch schönes und zugleich frommes Bild gäbe es im ersten Morgenrot, wenn in der Kluft unter überhängenden Gipfeln des Wasigensteines allein ein friedfertiges Pärchen kniete, um die Hände zum Gebet zu falten – eben da, wo aus dem frisch begrünten Boden steile Wände sich gen Himmel recken, über und über geziert und geschmückt durch Rosengewächse. Hübsch und vollständig verkleideter, stolzer schroffer Fels, wie der Hermelin allein dem Fürsten angemessen wäre.
Wäre dieser hier doch zumindest so klug als dreifach gedroschen Stroh!
„Wat tun die da?“, brüllt Gundiok.
Wie zur Entschuldigung flüstert er: „Die kenns’e doch!“
Die Hände des Mannes da vorne ruhen ineinandergefaltet auf dem Knie des am Körper angewinkelten Beins, während die Jungfer mit dem auffällig hohen Schädel auf beiden Beinen kniet, die aneinander gefalteten Hände an der Brust trägt und den Kopf bei geschlossenem Auge beugt, derweil sein Auge über uns drei hier wacht – ein Bild, wie ich es vom Ort meiner Herkunft her zu kennen meine: Es findet sich in der Basilika zur Ulpia Traïana, wo unter einem Rosenportal der Victor Placidus und die jungfräuliche Mutter auf Knien das Kind anbeten. Doch selbst wenn das Wappen mit Rose und Lilie auf dem an der Felswand lehnenden Schild des Kriegers die Idylle verstärken will, das übrige Waffenarsenal widerspräche aller Friedfertigkeit – wie schon die von dem Krieger zu Rast und Wehr bestimmte Stelle, kann doch von hier aus die Ebene weit eingesehen werden, während allzu steile Hänge dem Paar den Rücken freihalten.
„Die beten zu ihrem neuen Gott …“, antworte ich dem Kinde und meine ergänzen zu müssen, „dem Gott der Römer.“
Das mächtig durstige Schwert steckt aufrecht vor dem Paar gleich einem römischen Galgen im Leib der Mutter Erde. Daneben und vor der von Gundiok heillos begehrten Jungfer liegen Pfeil und Bogen zum Kampf bereit, dem aufmerkenden Beobachter und Kritiker ein real gewordener Spannungsbogen, dem schlichten Fachmann aber ein Kompositbogen der Hunnen. Da liegt sie, die modernste und trefflichste Waffe der Zeit, gepaart mit Miming, dem mörderischsten grauen Stahl aus Mimirs Werkstatt, nur noch der Waffe des Drachentöters zu vergleichen, wieder und wieder geschmolzen und zerspant, gewürzt mit manch geheimer Zutat aus fernen Ländern und dummen, plappernden Gänsen zum Fraß vorgeworfen, so oft, bis Wieland, der meisterlichste und somit der Erste unter den Schmieden, sich endlich des Wunderwerkes zufrieden gab.
Neben diesem Gott findet kein Idol, geschweige denn Pfahlgötze einen Platz!
Also wandelt Idylle sich zur dornigen Angelegenheit unter Strauchdieben und Mördern, dass der jugendliche Herzog poltert: „Wie – beten zu ’nem neu’n Jott und wär’n doch eher Hunnen denn Römer?“
Dann lacht Gundiok zwanghaft: „Wat’n Quatsch!“, schlägt mit der flachen Hand gegen den Schädel und spricht abgehackt: „Wills’e uns veräppeln? - Die beten doch’et Schwää’t an, dat unsre Leut j’rad hinjemetzelt hätt. – Ich seh’et doch – und du siehs’et doch auch!“, ist wütend und hilflos zugleich, stampft auf in seinem jähen Zorn wie ein Berserker und doch hilfloses Kind.
Verärgere mich nicht, mein junger, unerfahrener Freund und Fürst, denn wie sollte gerade der es nicht sehen, der es immer schon geahnt hat, dass etwas mit dem Bild zur Ulpia Traïana nicht stimmen kann – erhebt sich doch dort hoch über der frommen Szene der Palast des großen Herodes, den nicht nur die neue Religion so gerne kleinredet.
Doch Himmel! Was redet der Schildknabe des Gundiok sich in seiner Klosterweisheit in die Hölle? „Man ehrt’s wohl“, rezitiert das Plappermaul, „so wie wir zu Lorsch, wo man sich’s neben einer Wodanseiche gefallen lässt, weil wir nicht wissen, ob ihm kein Zauber innewohne, so wie der frömmste Christ ein Götzenbild noch immer nicht leicht zerschlägt, weil sich ein letzter Rest der alten Furcht noch leise in ihm regt.“
Gütiger Himmel!, was treibt den Klosterschüler, unter Kindern den Klugscheißer hervorzukehren! Und fügt jugendlichen Übermutes noch an: „Wenn er es glotzen sieht“, was nicht nur den Fürst zur Weißglut bringt.
Vor zwei Tagen sind wir von Worms ausgezogen die Rheinebene hinauf gegen den Wasgenwald, dem Pärchen, das am Tage zuvor – wie ein Fährmann berichtete - südlich der Residenz den Rhein überquert hatte, Zoll abzuverlangen aus dem Schatz, den es auf drei Lasttieren in Kiste und Kasten, Schrein und Truhe mit sich führt.
Elf Namen von den besten und tapfersten Ripuariern links des Rheines wären neben meinem zu nennen, die ihrem jungen Fürsten auf seinem ersten Heerzug in blinder Treue folgten als gälte es Trophäen von Platzhirsch und Keiler, nicht aber um Ruhm und Ehre und der Wormatia Wohlstand und Freiheit zu sichern, vor allem aber die Schatzkammern zu füllen.
Wie sollte bei einer solchen Überzahl der Jagdausflug misslingen?
Nachrichten aus aller Welt
Von zwei Spannen. Diesseits der Erde nach zwei Spannen drunter.
Ich will auf halbem Weg mich niederlassen! Wer heut sein Haupt noch
auf der Schulter trägt, hängt es schon morgen zitternd auf den Leib.«
Was berichtete der Fährmann zwischen den Welten des uralten Borbetomagus und der modernen Civitas Vangionum südlich der Wormatia?
Ein seltsames Paar sei es, das sich von der Barbarei in die Zivilisation übersetzen ließ, mit sieben Pferden, von denen drei unter ihrer Last arg gedrückt würden. Die Reittiere aber seien gepanzert wie zur Schlacht.
„Können nur Hunnen sein“, mutmaßte der Mann, „was vor allem Pferd und Waffe verraten und erst recht der Schmuck der jungen Frau mit der hohen Stirn. - Man kennt ja selbst in unsern Kreisen die Mode der Steppen aus dem fernen Osten, vor allem aber die Mentalität der Leute vom Balkan! Schmuck, erbettelt, geklaut und zusammengetragen aus allen sechs Himmelsrichtungen. Die Spange der Greutungen hält den schlichten Mantel aus Rattenfell, griechische Kämme bändigen den roten Schopf und um den Hals spielt die Kette römischer Münzen um die Wette mit dem Gold des Nordens und einem Kruzifix der neuesten Modetorheit und Gottheit aus Persien.“
Dem Manne lief die Zunge über!
Die zwei hätten behauptet, auf dem Heimweg zu sein – das Schmuckstück nach Burgund - halt nur noch ein Katzensprung - und der Milchbart zum Basgenland, was aber nicht stimmen könne, hätte der Mann doch gleichzeitig behauptet, Thüringer zu sein, dass selbst der schlichteste Fährmann stutzen müsste: „Wie solls gehn, weiß doch jedes Kind und selbst ich einfacher Tropf, dass Thüringen und Basgenland an entgegengesetzten Enden der Welt liegen!“
So schloss der Fährmann.
Er sei halt kein kleiner Dummkopf, bemerkte ich noch, entlohnte den Mann mit einer alten römischen Kupfermünze mehr als reichlich und entließ ihn – schließlich wurden durch seine Auskunft Nachrichten des letzten Jahres ergänzt.
Ein Jahr mag es her sein, da ging die Nachricht um die Welt, dass die Lieblingsfrau des Azzilo gestorben sei. Ausgerechnet Erka!, die ausgleichende und mäßigende Kraft im Zentrum der hunnischen Macht, dem nicht zu bezwingenden Väterchen der östlichen Völker eine nächste Niederlage, nachdem die westliche Welt unter Anstiftung der beiden Rom Tributzahlungen eingestellt und der Maurizensus allzu früh aufgegeben wurde, die italische Krankheit aber vor Mediolanum die Heereskraft der hunnischen Haufen merklich schwächte und zum Rückzug in die Steppe zwang.
Die Trauer muss unermesslich groß gewesen sein, dass drei Monde nach der ersten Nachricht die Kunde auch zu uns drang, der Wittib werbe um die Hand einer jungen Geisel vom Rhein. Doch da war mir nur ein Name bekannt, Gunhilde - wie Du, mein Fürst, Enkelkind des Gibika und der Grimhilde, durch die das Haus Burgund am Rhein begründet und gesichert wurde. Aber nicht Du solltest zur Sicherung der Grenzen und Verträge mit den Hunnen bürgen, wie es rechtens gewesen wäre, sondern Deine arme Cousine.
Du weißt, dass ich selbst bis zum Tage von Catalaunum Geisel der Hunnen war, für Bündnistreue zu bürgen und Grenzen der Niederlande zu sichern.
Daher kenne ich Deine Cousine besser als Du, mein Fürst! Heftig wallte schon in dem kleinen Hildchen das Blut der Großmutter Grimhilde, um Leichtsinn und Übermut des väterlichen Drachentöters noch zu verstärken, wenn es mit den Burschen am Hofe raufte und sich schlug, aber zugleich das mütterliche Erbe pflegte, wenn sie hernach wie Gudrun den Ausgleich suchte, um mit Gegnern Frieden zu finden. Diese Magd aber wäre kein Schäfchen für einen Patriarchen, mag er auch noch so wild und stark über sie herfallen. Der sollte nicht nur um seinen Schwanz Sorge tragen! Zudem galt sie dem fürchterlichsten Heerführer des Azzilo versprochen, der freilich keine Geisel und aus durchaus freien Stücken am Hofe der Hunnen weilte, haben sich doch seine Tervinger niemals unterm hunnischen Joch gebeugt.
Da hat der Fährmann richtig gehört: Tervinger haben Basken und Iberer von der lateinischen Disziplin wie vom vandalischen Chaos befreit. Valðari aber, Nachkomme des Richters und Christenschlächters Alaviv, der als erster gotische Völker über die Donau führte, Valðari ist für sein Leben gezeichnet auf den Mauriazensischen Feldern bei Catalaunum, als Brüder aufeinander einschlugen und der Balthe von der Hand seines amalischen Vetters gefällt wurde.
Zog es mich nicht mehr in pannonische Weiten an Donau und Theiß, so drängte es und zog mich umso heftiger in die Enge des Rheintales. Mein Freund Valðari aber hat seitdem eine Aufgabe, die es zu erfüllen gilt: die Ehre der Familie zu heilen und seine Braut heimzuholen. Erinnere Dich zunächst der Nachricht, dass Azzilo in der Hochzeitsnacht umgekommen sei – ein denkwürdig ruhmreiches Ende, weniger dem Helden angemessen als einem Pornografen - und dann vor anderthalb Monden die Kunde vom gewaltsamen Tode des Patrizius Aëtius, der mit dem Blut Deiner Väter den belgischen Acker düngte. Hunne wie Römer – jeder für sich des Menschen Geißel und hochgebornes Pack, gegen die sich Geiseln dieser Welt mit Recht erheben.
Wohl dem gebührt Anerkennung, der von Geißel und Fessel befreit!
Als wir gestern endlich das Paar erkennen konnten, da fand ich meine Vermutung zum Bericht des Fährmannes bestätigt. Da habe ich Euch alle gewarnt, mein Prinz, denn die hunnische Frau, in die Du Dich beim ersten Anblick so heillos verliebt hast, ist Deine Cousine – und der mit ihr zieht ihr Verlobter, der balthische Valðari. Bis vor wenigen Augenblicken war ich der einzige Freund der beiden hierzulande, kenn ich sie doch von Kindesbeinen an vom Hof der Hunnen im Alföld, wo wir eine Ausbildung genossen, wie es nur noch an den hohen Schulen der Stadt des Konstantin, dem östlichen Rom möglich wäre, oder hinter festen Klostermauern.
Auch wäre ich nicht bereit die Hand zu erheben, wider den Freund und Blutsbruder oder Deine Cousine. Die Frau zu erobern schmink Dir ab, bevor Dir der Etzel Schicksal droht! Doch wollt’ ich gern verhandeln mit den beiden um Zoll und Wegegeld.
Troia oder Gat
worden sind, auf dem Gebiete der unermesslichen Welt? […]
Eine Gemeinschaft mithin gilt es, die dem ganzen
Menschengeschlecht angehört; die die Wilden der Südsee noch,
wenn sie sie kennten, zu beschützen herbeiströmen würden; eine
Gemeinschaft, deren Dasein keine deutsche Brust überleben,
und die nur mit Blut, vor dem die Sonne verdunkelt, zu Grabe
gebracht werden soll.«
Und also sollt’ es geschehen!
Die Jagdgesellschaft setzte ab zur Rast und allein ich setzte ohne Waffe und im Jagdkleid schärfer denn zuvor dem Treck nach.
Rasch hatte ich die beiden eingeholt, denn als sie erkannten, dass nicht Hunnen ihrer Spur folgten, wurden sie ruhig, trieben die Tiere nicht mehr an und wählten den einfachen Schritt.
Nicht zu beschreiben, wie die zwei sich freuten, mich nach drei und mehr Jahren wohlbehalten wiederzusehen! Gleichwohl wusste ich ihre Freude einzutrüben und riet vorweg, den nahen Wasigenstein als Raststelle zu nutzen und kam dann erst mit der Forderung nach Zoll und Wegegeld.
Nun wurde ich überrascht, dass beide darauf eingingen! Man wolle eh dem Hause Burgund den Wert der Tributzahlungen an die Hunnen aus der eigenen Beute erstatten, verzinst um alles, was an Schätzen auf seinem, Valðaris Schild Platz finde, um so den entstandenen Schaden der vergangenen Generation auszugleichen.
Endlich löste sich auch meine Spannung ob dieses Vorschlages, der all meine Vorstellungen weit übertraf - und während sie meinem Rat folgend in Richtung Wasigenstein zogen, ritt ich erleichtert zurück zu meinen Leuten –
um in den Konflikt meines Lebens zu geraten!
Gundiok will nicht allein mehr Zoll, sondern alles: den Schatz und zur Krönung der Beute die Frau! Ich aber konnte nur warnen, hieß die Männer mir einfach mal zuzuhören: „Hört mich an, Leute, was der Kanzler zu Worms Euch als Freund rät und möget Ihr mich hernach einen Hagedorn nennen! –
Bis gestern war ich der einzige an den Ufern des Rheins, der wusste, wer die beiden da vorne sind. Aber Ihr werdet sie schneller, wenn auch nur allzu kurz kennenlernen, als Euch lieb sein kann, wenn wir uns nicht bescheiden und auf dieses wahrlich großzügige Angebot einlassen. –
Wie dem auch sei: Bald werden ihre Namen unter allen Ripuarieren genannt werden, so oder anders, und solltet Ihr Euch wider das Angebot entscheiden, glaubt es mir, da werden nach ältestem Recht Kinder und Halbwüchsige aufbrechen, ihre Väter und Brüder zu rächen und man wird von ihnen singen – weniger von Euch, die Ihr nur ihren Weg zum Ruhm mehren werdet.
Vielfachen Tod können wir nur verhindern, indem wir auf Beute verzichten und den Kampf vermeiden, indem wir das großzügige Angebot der beiden annehmen!“
Nun schmoren zehn von uns im eigenen Saft. Sofern einer noch kann, jammernd und verstümmelt neben Extremitäten, die nicht die eigenen sind. Herrenlose Köpfe schreien stumm zur Begleitung des Paternoster und starren mit vor Schreck glotzenden Augen blind und verständnislos ins Leere.
Schau’n Sie da nicht hin! Ihnen würde nur übel. Denen da war und ist nicht mehr zu helfen. Helfen Sie besser dem wieder auf, der vor Ihren Augen in Not gerät und treiben Sie dem Kind blinden Gehorsam aus!
Kopflos finden sich zehn Helden blinden Gehorsams auf dem Weg zu Vodan. Aber die einzige Valküre, die wir hier erkennen, holt die Helden nicht, sondern bereitet sie gleich einer hunnischen Hexe und skythischen Amazone mit dem Pfeil auf immer aufs Valhöll vor. Dabei zielt sie weniger auf den Krieger als aufs Pferd, dass Ritter zu laufen lernen unterm Trauergesang der verendenden und sich ein letztes Mal aufbäumenden Kreatur. Wer aber doch der Kluft zu nahe kommt, wird Fraß des Miming -
wie nun mein Schwestersohn, dem vorlaut klugscheißenden Schildknaben des Gundiok, der sich dem wütenden Befehl unseres Herrn, selbst noch ein halbes Kind, nicht entziehen kann. Auch ihm wird nur das Pferd unterm Arsch weggeschossen, doch wozu hätt’ man Füße? Wider all meine Warnung rennt er an gegen den Pass, blindwütig geduckt hinterm Schild, sich sicher wähnend, bis der erste Streich des grauen Stahls den Schild trifft, spaltet und zugleich den halben Unterarm abreißt, dass binnen eines entsetztlichen Wimpernschlages der zweite Streich dem Übermütigen gleich einem Blitz Helm und Schädel im Donnerwetter spaltet. Wielands Werk lässt den, der es zu nutzen und zu führen weiß, nicht im Stich und wäre es gegen Stein und Erz. Beides wüsste dieser Stahl zu sprengen wie sonst nur noch das lange Messer des Drachentöters durch jeden Panzer dringt.
Was tustu uns allen an!
Alles hätt’ ich ertragen –
Die Gefolgschaft verweigert, -
Wär im Getriebe
Sand geblieben.
Alles hab ich ertragen –
Außer diesem einen Schmerz,
Da die Sense der Schwester
Blüte pflückte! Kein Wergeld
Der Welt mag den Verlust ersetzen.
Ich gestehe, mein Fürst, schon allein wegen der Freundschaft wäre ich bereit, die Treue der Mannschaft zu brechen. Aber nun, mein junger Freund, begeb ich mich in sichere und umso tödlichere Gefahr – trotz angebotenen Wergelds!, dass ich den Balmung gürte neben dem Sax und den schmucklosen Spangenhelm festzurre. Schild und mit der Franziska zur Linken ergreif ich mit der Rechten den starken Ger. Mein Ross bleibe beim Fürsten. Es liegen genug Tiere für rheinische Sauerbraten in der Fläche, dass die Wormatia der süßen Pferdeoper überdrüssig würde, wenn es aus allen Öffnungen des Körpers süßsauer hervor sich quälte. Zudem stürzte der Preis des Fleisches auf Markt und Börse ein.
Rätselhafter hätte keine Sphinx dem fahrenden Manne kommen können! Mit jedem noch so kleinen Schritt wird der Gang unterm Morgengrauen schwerer. Was graust mich vor diesem Kampf – und ich gelte gemeinhin für wenig zögerlich!
Fordern werd ich ihn zum Einzelkampf. Wenigstens sollen Fürst und Braut das Gemetzel überstehen.
Warum nur waren ausgerechnet dem Manne der Traïana nicht die alten Bilder eines Homer oder Samuel eingefallen? Sind wir um so viel geringer oder dümmer als die alten Helden, dass sich nicht einer für alle opfern würde? Oder zeigt der batavische Fischer und der sugambrische Bauer weniger Geschick im Kampf als der Schafhirt aus dem fernen, wüsten Bergland Iudaia?
Der Kopf will nicht, doch es hämmert: „Wat mut, dat mut!“, immer wieder, wenn die Beine nicht wollen., denn so schwer die Beine, so schleppend der Gang. Der Wurfspeer wird Gehilfe, dessen Adel in der falschen Betonung zur Gehhilfe liegt.
In Hörweite ruf ich die beiden an mit Versen, welche der Schüler und Nachfolger des Wulfila uns im Alföld setzte: „Da trat aus dem Lager der Philister ein Vorkämpfer namens Goliat …“ – und ich fürchte, wer hier dieser Goliat wäre.
Valðari, mein Freund, der Krieger versteht, erhebt sich, auf dass er sich mit Miming gürte und den Spangenhelm festzurre. Mit der Linken nimmt er den Schild mit Lilie und Rose auf, kommt mir geradezu gelassen entgegen –
nicht aber ihm meine geliebte Franziska, die im Fluge dem Freund wenig freundlich entgegenwirbelt, aber am Rande des Schildes abprallt, um vor des Helden Fuß ins Gras zu beißen. Erfolgreicher als die Axt ist der Speer: der durchbohrt den Schild und ich hör zum ersten und letzten Mal einen Aufschrei meines Freundes – Schmerz oder Wut, ich werde es nie erfahren, denn nun rast er auf mich zu und es schlägt Donars Hammer ein, dass die Erde bebt. Die Himmel stürzen auf mich nieder, schwarz wird mir vor Augen! Der Schlag mit der breiten Klinge befördert mich von der trostlosen Gnitaheide ins Alte Testament hinter alle Dornenbüsche und lohenden Schutzwälle, dass ich fürchten muss, die Häupter aller Medusen kämen über mich und ritte doch nur mit Brynhildr durch den Wind auf kargem Eiland durchs kalte Thule ins fürstlich bereitete Bett zu Worms.
Doch was werde ich sehen, wenn ich wieder erwache - das Haupt des Blutsbruders ruht geschützt und gewärmt im Schoße der Braut. Ihre Lippen summen oder brummen vor sich hin, die schläfrigen Augen wach zu halten. Dass einer überm andern wache in heilloser Welt, hätte ich mir selbst gewünscht im Ehebündnis mit Gudrun, das lange zerbrach, bevor Brynhildr in unser Leben trat.
Was soll’s, verschimmelt Brot von gestern, um das die Börsen noch wettern!
Nun stößt Hildchen den Helden an und beide erheben sich. Alle sollten wir gezeichnet sein und verbunden durch Hildchens Hand. Valðari müsste ein Arm fehlen und meinem Fürsten, der sich nicht zurückhalten konnte, ein Bein und mir – geradezu wie zur Strafe - nur ein paar Zähne und ein Auge. Aber die Regie ist es unzufrieden, wedelt mit den Armen: „Amateure, allesamt, ist das hier Segeberg oder Elspe? Nein! Hier ist Worms, nicht Elspe. Hier reitet kein Winnetou, mögen die Verhältnisse auch seinerzeit gewesen sein wie zu Apachenzeiten. Nicht mal den Köpenick würdet ihr Laiendarsteller hinkriegen! Was aber soll man von einem WalÞari halten, der nicht mal das tie-äitsch hinkriegt. Schuster bleib bei deinem Leisten, lieber Willi, mein sehr geehrter Hauptmann, zieh’n Sie in Frieden nach Lützelburg, und Sie, mein lieber Halef Omar geh’n am besten auf den Hadsch. Da hat wohl mancher von Ihnen zu viel Kölsch genommen. –
Nie werden Wilhelm Voigt und Karl May sich zum Staubwischen in Worms treffen!“
Sie aber wissen nun immerhin, warum kein ripuarischer Fürst Island entdecken wird, weder die Braut zu fangen oder den Kabeljau zu fischen nach verlangen …