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Wahrscheinlich für immer
Miranda lächelte, doch es war ein trauriges Lächeln. Als sie dann verhalten zu schluchzen begann, drehte sich Brian zu ihr um.
"Ich will das doch auch nicht!", flüsterte er heiser. "Verdammt, ich will das nicht!", brüllte er schliesslich aus vollem Hals.
Miranda nickte. "Ich weiss."
Er legte seinen Arm um ihre Schulter und zog sie näher zu sich heran. Die beiden schwiegen. Betrachteten das idyllische Bild, das sich ihnen bot. Das Tal war pünktlich zum Frühling erwacht und zeigte sich in kräftigen Farben. Das Grün der Wiesen wurde vom feinen Gelb und Weiss einzelner Blütenpflanzen geziert. Glänzende Insekten schwirrten eifrig umher und hoch oben am Himmel kreiste ein majestätischer Adler. Der stolze weisse Kopf war weithin sichtbar und erinnerte an das Wahrzeichen der USA. Dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Das Land, welches Brian raubte. Das Land, das sie beide trennte.
Wahrscheinlich für immer.
Bei diesem Anblick traten Miranda erneut Tränen in die Augen.
"Alles, was ich will, ist ein bescheidenes Leben mit dir! Warum darf ich das nicht? Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten sollte es doch möglich sein! Weshalb lassen sie uns nicht leben? Weshalb müssen sie unsere Leben zerstören? Ich kann nicht sein ohne dich! Bitte, bleibe hier!"
Brian streichelte unbeholfen über ihren Kopf und versuchte, sie zu trösten.
"Ich werde zurückkommen!", sagte er hoffnungsvoll. "Und dann werden wir heiraten. Ich baue dir ein Haus und wir werden viele Kinder haben."
Es klang falsch, so unglaublich falsch. Miranda wusste, dass Brian vermutlich nicht zurückkehren würde. Beim Gedanken daran, welchen Gefahren ihr Auserwählter bald gegenüberstehen würde, wurde ihr übel. Sie konnte es nicht ausstehen, wenn er so leichtfertig sprach.
"Du gehst nicht auf eine kleine Wanderung!", erinnerte sie ihn bebend. "Du ziehst in den Krieg!" Diese Worte schrie sie fast. Sie stand ruckartig auf, rannte ein paar Meter, warf sich dann auf den Boden. Ein lautes Kreischen bahnte sich seinen Weg durch ihren Mund. Sie schrie. Schrill und laut. Schrecklich anzuhören.
"Ich kann dich nicht ziehen lassen", murmelte sie, eigentlich mehr zu sich selber gewandt. "Ich werde dich nicht ziehen lassen!", wiederholte sie lauter.
Brian zuckte zusammen. Doch er schwieg. Ihm fiel einfach nichts Sinnvolles ein, was er hätte sagen können. Er wollte sie nicht noch einmal aufregen. Konnte es nicht ertragen, sie weinen zu sehen. Auch er hätte sich am liebsten hinter seinen Tränen versteckt. Nur für Miranda beherrschte er sich. Es ging ihr ohnehin schon schlimm genug, er musste ihr den Abschied so einfach wie nur irgend möglich machen! Aber es war schwer, so verteufelt schwer!
"Und ich kann nichts ändern!", heulte Miranda auf. "Du lässt mich hier allein, ganz allein! Was soll ich denn machen ohne dich? Ich kann doch kein Leben führen, wenn ich nicht weiss, wie?s dir geht! Vielleicht bist du in einer Woche tot!"
Brian schauderte. Bilder liefen vor seinen inneren Augen. Zerstümmelte Leichen, im Boden versickerndes Blut, stöhnende Verletzte, und dazwischen er, mit einer Waffe in der Hand.
Ich kann das nicht, schoss es ihm durch den Kopf. Ich bin doch kein Mörder!
"Sie dürfen das nicht tun!", jammerte Miranda. "Das dürfen sie einfach nicht! Sie können doch nicht einfach machen, wozu sie Lust haben! Sie dürfen dich nicht zwingen!" Ihre Stimme verebbte. "Es ist so ungerecht!", weinte sie.
"Ich weiss", antwortete Brian leise und er schloss die weinende Miranda in seine Arme.
Er hatte Angst, so schreckliche Angst! Fürchtete, was ihm bevorstand und fürchtete noch mehr, was Miranda bevorstand.
"Du darfst nicht leiden!", flüsterte er.
Miranda sah auf.
Wenn sie wüsste, wie sehr er sich fürchtete! Wenn er bloss daran dachte, was ihn erwartete, begann er schon zu zittern. Er sollte so viel Leid erzeugen, gedankenlos morden. Ein Monster werden!
Wie konnte jemand so etwas von ihm verlangen? Alles was er wollte, war schliesslich seine Miranda. Er wollte mit ihr zusammen alt werden, ein friedliches Leben führen, nichts weiter. Aber selbst das war zu viel verlangt!
Brüsk stand Brian auf und zog auch Miranda sanft auf die Füsse.
"Komm", sagte er bitter. "Es ist Zeit."