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Wahrer Erfolg

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29.11.2009
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Wahrer Erfolg

I
Julius Nottebaum grübelte. Er war einfach kein Genie wie Bach oder Beethoven, obwohl er seit seiner frühen Kindheit mit klassischer Musik zu tun gehabt hatte. Sein Vater war Leiter vom Orchester des Stadttheaters gewesen und hatte ihn als Kind zur musikalischen Grundausbildung geschickt. Im Anschluss daran hatte er das Klavierspielen von der Pike auf gelernt. Aber er war kein Klaviervirtuose geworden, wie es sein Vater gern gesehen hätte. Auch dazu hatte es ihm an Talent gefehlt, wie auch schon dem Vater selbst. Der hatte deshalb den großen Traum gehabt, dass seinem Sohn eine solche Karriere vergönnt sein möge. Der Vater hatte getrunken, weil er selbst nicht der begnadete Musiker gewesen war, wie er es sich gewünscht hätte. Zu allem Überfluss hatte er seinen Sohn mit derselben Depression infiziert, denn auch dieser weinte Zeit seines Lebens darum, weder ein großer Pianist, noch ein großer Komponist zu sein.
Nein, er war allenfalls dazu in der Lage, Chöre oder ein kleineres Orchester zu leiten und Schülern die Grundzüge des Klavierspiels beizubringen. Dies erforderte zwar durchaus schon weit mehr Musikalität, als achtzig Prozent der Menschheit vorweisen konnten, aber er gehörte leider nicht zu den vielleicht tausend lebenden Musikern der Welt, die ein Ausnahmetalent auf diesem Gebiet besaßen.
Nun hatte er wieder einmal über dieses leidige Thema nachgedacht und war – wie jedes Mal, wenn er solchen Gedanken nachhing – ausgesprochen traurig geworden und den Tränen nahe. Zum Glück fiel ihm jedoch wieder ein, warum er auf den Dachboden gestiegen war und im musikalischen Nachlass seines Vaters herumkramte. Er hatte sich an die Schallplattensammlung seines alten Herrn erinnert. Sie enthielt eine Sammlung der neun Sinfonien Beethovens in einer Aufnahme des Londoner Sinfonieorchesters von 1958. Diese Aufnahme hatte er gesucht. Er wollte sich die Sinfonien des großen Meisters in dieser Fassung, die er schon im Hause seines Vaters oft und gern gehört hatte und die er sehr liebte, gern einmal wieder anhören.
Da! Dort stand die Beethoven- Edition, die er gesucht hatte. Nun musste er nur noch den alten Plattenspieler nebst Boxen reaktivieren, den er ebenfalls von seinem Vater geerbt hatte, und schon konnte es losgehen.
Er packte Schallplatten und Plattenspieler in einen Wäschekorb, den er mitgebracht hatte, und stieg damit vom Dachboden herab in das obere Stockwerk seines Wohnhauses, in dem sich auch das Wohnzimmer befand. …

II
Nachdem Julius den Plattenspieler angeschlossen hatte, legte er zunächst die Schicksalssinfonie auf, die eines seiner liebsten Stücke überhaupt war. Dann setzte er sich in den Sessel und legte die Beine hoch, um die Klänge der Sinfonie zu genießen.
Kaum aber hatte die Nadel die Schallplatte berührt und die ersten Töne waren zu hören, da traute Julius seinen Ohren nicht. An Stelle der fünften Sinfonie Beethovens erklang nun eine völlig andere Sinfonie. Er kannte sie nicht, obwohl er ein großer Kenner und Liebhaber jeglicher klassischer Musik war und bereits alle Stücke der großen Komponisten in irgendeiner Form gehört hatte.
Nein! Die Töne dieser Sinfonie, die noch dazu klanggewaltig und perfekt daherkam, hatte er zuvor noch nicht vernommen. Sie konnte deshalb eigentlich gar nicht existieren. Er hörte die vier Sätze bis zum Ende und schüttelte dann den Kopf. Hatte er tatsächlich eine völlig neue Sinfonie gehört?
Er beschloss, die Schallplatte noch einmal zu anzuhören. Wieder vernahm er die neue Musik, die er noch nicht kannte. Als er den dritten Satz zum zweiten Mal hörte, kam ihm die Idee, die ihn von nun an nicht mehr losließ. Wie wäre es, wenn er die Sinfonie aufschrieb und sie seinem Professor von der Musikhochschule als seine eigene vorlegte? Aber was geschah, wenn diesem die Sinfonie und der wahre Komponist bekannt waren? Aber nein! Diese Musik war völlig neu, das wusste er genau. Niemand außer ihm kannte sie bisher. Er würde als Genie in die Geschichte eingehen. Bei diesem Gedanken lief ihm ein Schauer über den Rücken. –
Er holte Papier und Stift herbei und spielte das Stück zum dritten Mal, während er begann, die Noten aufzuschreiben. Nachdem er die Sinfonie in einigen Tagen noch zigmal gehört hatte, konnte er alle Noten vom Anfang bis zum Ende notieren. Als er damit fertig war und die Platte zur Sicherheit noch einmal abspielen wollte, war jedoch darauf wieder die Schicksalssinfonie Beethovens zu hören, die sich auch vorher dort befunden hatte.
Da kam Julius eine weitere Idee. Wie, wenn auf allen Schallplatten mit den Sinfonien Beethovens ganz andere Stücke zu hören waren? Er legte die „Eroica“ auf. Tatsächlich! Auf der entsprechenden Platte befand sich an ihrer Stelle eine andere Sinfonie, die Julius ebenfalls noch nicht kannte. Er spielte sie sich so häufig vor, dass er auch ihre Noten bis zum Ende aufschreiben konnte. Dann hörte er die übrigen sieben Schallplatten, und siehe da, auf jeder befand sich eine neue Sinfonie, die er noch nie vernommen hatte. Einige Wochen lang notierte er die Noten der Stücke, die sich von ihrer Genialität her mit den schönsten klassischen Kompositionen der Welt messen konnten. Am Ende aber befanden sich auf allen Schallplatten wieder die neun Sinfonien Beethovens, wie es auch auf den Plattencovern angegeben war.
Julius war überglücklich. Sein Name wäre bis in alle Ewigkeit mit dieser wunderbaren Musik verbunden, und er hätte künftig seinen Platz im Olymp der größten Komponisten der Welt inne. …

III
Julius stieg ins Auto und fuhr zu seinem ehemaligen Musikprofessor. Dieser hatte noch immer großen Einfluss, obwohl er schon seit Jahren emeritiert war. Er bat Hannes Jessen, so hieß der Professor, sich doch einmal seine Kompositionen anzuschauen, die er in den letzten Jahren kreiert habe. Dabei handelte es sich natürlich um die neun Sinfonien, die auf den Schallplatten seines Vaters anstatt der großen Sinfonien Beethovens zu hören gewesen waren.
Jessen schaute sich die Noten an, die Julius mitgebracht hatte, und war anschließend völlig außer sich. Dass er solches noch erleben durfte! Einer seiner ehemaligen Studenten, und zwar einer, der ihm zunächst gar nicht als hochbegabt aufgefallen war, hatte neun geniale Sinfonien komponiert. Phantastisch!
Der Professor sandte Kopien der Noten an die gegenwärtig Großen der Musik in aller Welt, und sie riefen deren Begeisterung hervor. Wenige Monate später spielten alle großen Sinfonieorchester die Sinfonien von Julius Nottebaum. Julius wurde weltbekannt und mit Musikpreisen überhäuft. Natürlich warf seine Musik auch viel Geld für ihn ab, und er konnte künftig am Leben des Jet- Sets teilhaben. Es war ihm allerdings wesentlich wichtiger, Aufmerksamkeit und Verehrung bei den Menschen zu erregen, als viel Geld zu haben. Endlich schrieb sogar ein namhafter Journalist ein Buch über Julius‘ Leben, und dieses wurde verfilmt. Julius befand sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere. …

IV
Julius sonnte sich noch einige Zeit in seinem Erfolg, bis er schließlich daran dachte, noch weitere klassische Musik zu schreiben. Sein Weltruhm sollte nachhaltig sein. Er fragte sich deshalb, ob sich dann, wenn er die neun Sinfonien Beethovens auf den Platten seines Vaters erneut auflegte, darauf wieder neue Musikstücke befinden würden. Dann musste er deren Noten wieder nur noch aufschreiben. Also versuchte er, was er sich überlegt hatte. Aber auf diesen Schallplatten waren nun nur noch die Sinfonien des Meisters zu hören, sonst nichts.
Vielleicht waren jedoch auf den anderen Schallplatten aus dem Nachlass seines Vaters neue Musikstücke verborgen, die er dann unter seinem Namen veröffentlichen konnte. Er musste es einfach versuchen. Selbst Musik von der Qualität zu komponieren, wie sie die alten Meister geschrieben hatten, war ihm einfach nicht gegeben.
So stieg er wieder auf den Dachboden seines Hauses hinauf und durchsuchte die Plattensammlung seines Vaters. Er wählte Aufnahmen des Kammerorchesters Stuttgart aus dem Jahr 1962 von den sechs Brandenburgischen Konzerten aus. Diese nahm er mit in sein Wohnzimmer hinab. Dort legte er zunächst das Konzert Nummer 6 auf, das er sehr liebte. Tatsächlich! Kaum hatte die Nadel des Plattenspielers der Schallplatte die ersten Töne entlockt, da merkte Julius, dass es sich um ein ganz neues Stück handelte, das er da hörte. –
Sein Herz hüpfte vor Freude. Er hörte das neue Stück so oft, bis er alle seine Noten aufgeschrieben hatte. Kaum hatte er jedoch seine Niederschrift beendet, da befand sich wieder Bachs Konzert auf der Platte. Julius spielte in den nächsten Monaten immer wieder die Schallplatten ab, auf denen die weiteren fünf Brandenburgischen Konzerte aufgenommen waren. Es war genauso, wie bei den Sinfonien Beethovens. Statt der Musik, die auf dem jeweiligen Cover angegeben war, erklang ein ganz anderes, völlig neues Stück, das Julius noch nie gehört hatte. Erst als die Noten der Stücke aufgeschrieben waren, befand sich auf den Schallplatten wieder Bachs Musik, die die ganze Welt kannte. …

V
Die Fachwelt war begeistert. Die neuen Stücke, die Julius wieder unter seinem Namen veröffentlicht hatte, wurden hochgelobt und überall gespielt. Julius wurde von der Presse als Jahrhundertgenie gefeiert. Zeitungen und Fernsehsender rissen sich um Interviews mit ihm, und sein Bild war dort und an zigtausend verschiedenen Stellen im Internet zu sehen. Was für ein Erfolg!
Julius schwamm auf der Woge seines Triumphes mit und genoss das öffentliche Lob in großen Zügen. Er war in dieser Zeit der glücklichste Mensch der Erde, und er konnte diesen Erfolg wahrscheinlich immer wieder haben. Sein Vater hatte ihm noch Hunderte anderer Klassik- Schallplatten hinterlassen. Er hatte bisher zwar nur noch wenige weitere von ihnen gehört, aber auch diese bargen zunächst völlig neue Musik, die er nur noch niederschreiben musste. Sein Erfolg würde also immer neue Nahrung bekommen. Es war wunderbar! –

Als Julius eines Tages auf dem Gehweg unterwegs nach Hause war, bemerkte er zwei etwa zehn Jahre alte Jungen, die wenige Meter vor ihm her gingen. Er schnappte ihre Unterhaltung auf:
„Nein, ich werde meiner Mutter nicht das Bild als meins vorzeigen, für das du die Eins in Kunst bekommen hast. Auch wenn ich dann nicht meine Vier vorzeigen müsste und von ihr getadelt würde. Mir wäre nicht gut dabei. Ich habe einmal für ein Referat, das zum großen Teil mein Vater geschrieben hatte, eine Eins bekommen. Damit habe ich mich auch nicht wohl gefühlt. Mein Opa hat mir dazu gesagt, dass man nur dann, wenn man etwas wirklich selbst gemacht hat, stolz darauf sein kann. Mit einer Leistung, die man nicht dem eigenen Kopf oder den eigenen Händen verdankt, wird man nicht glücklich, selbst wenn man dafür sehr gelobt wird. Man verdient nämlich den Ruhm dafür nicht.“ –
Zwei Tage später fand man den großen zeitgenössischen Komponisten Julius Nottebaum tot an seinem Schreibtisch. Er hatte sich mit dem Revolver, den er von seinem Vater geerbt hatte, in den Kopf geschossen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Hanno Berg,

deine Geschichte gefällt mir. Sie hat den kleinen Hauch Fantasy, den ich beim Lesen so mag. :thumbsup:

Aber es gibt m.E. noch einiges, was man am Text verbessern könnte. So überzeugen mich derzeit der Anfang und das Ende noch nicht.

Du hast das Stichwort Spannung gewählt, das ist der Text auch – allerdings erst nach dem relativ holprigen Start.

Julius Nottebaum grübelte. Er war einfach kein Genie wie Bach oder Beethoven, obwohl er seit seiner frühen Kindheit mit klassischer Musik zu tun gehabt hatte. Sein Vater war Leiter vom Orchester des Stadttheaters gewesen und hatte ihn als Kind zur musikalischen Grundausbildung geschickt. Im Anschluss daran hatte er das Klavierspielen von der Pike auf gelernt. Aber er war kein Klaviervirtuose geworden, wie es sein Vater gern gesehen hätte. Auch dazu hatte es ihm an Talent gefehlt, wie auch schon dem Vater selbst. Der hatte deshalb den großen Traum gehabt, dass seinem Sohn eine solche Karriere vergönnt sein möge. Der Vater hatte getrunken, weil er selbst nicht der begnadete Musiker gewesen war, wie er es sich gewünscht hätte. Zu allem Überfluss hatte er seinen Sohn mit derselben Depression infiziert, denn auch dieser weinte Zeit seines Lebens darum, weder ein großer Pianist, noch ein großer Komponist zu sein.
Das geht relativ lasch los, außerdem vermengst du Beschreibungen über den Prota mit denen über seinen Vater, die ich mal fett markiert habe.

Ich würde am Anfang nur über den Prota sprechen, die Sache mit dem Vater dann peu à peu einbauen, wenn er später die Schallplatten gefunden hat.
Hier zwischen:

und im musikalischen Nachlass seines Vaters herumkramte. :deal: Er hatte sich an die Schallplattensammlung seines alten Herrn erinnert.

Er war einfach kein Genie wie Bach oder Beethoven, obwohl er seit seiner frühen Kindheit mit klassischer Musik zu tun gehabt hatte.
Hm … Das ist zunächst viel zu ungenau. Da fehlt noch was.
Ich habe auch schon seit frühester Kindheit mit Büchern, sprich Literatur zu tun, bin trotzdem kein Literatur-Nobelpreisträger. :Pfeif:

Er war einfach kein Genie
Aber er war kein Klaviervirtuose
er gehörte leider nicht zu den vielleicht tausend lebenden Musikern der Welt, die ein Ausnahmetalent auf diesem Gebiet besaßen.
Ausufernd, wiederholend

Beethoven- Edition
Kein Leerzeichen (hast du öfter)

bemerkte er zwei etwa zehn Jahre alte Jungen, die wenige Meter vor ihm her gingen. Er schnappte ihre Unterhaltung auf:
„Nein, ich werde meiner Mutter nicht das Bild als meins vorzeigen, für das du die Eins in Kunst bekommen hast. Auch wenn ich dann nicht meine Vier vorzeigen müsste und von ihr getadelt würde. Mir wäre nicht gut dabei. Ich habe einmal für ein Referat, das zum großen Teil mein Vater geschrieben hatte, eine Eins bekommen. Damit habe ich mich auch nicht wohl gefühlt. Mein Opa hat mir dazu gesagt, dass man nur dann, wenn man etwas wirklich selbst gemacht hat, stolz darauf sein kann. Mit einer Leistung, die man nicht dem eigenen Kopf oder den eigenen Händen verdankt, wird man nicht glücklich, selbst wenn man dafür sehr gelobt wird. Man verdient nämlich den Ruhm dafür nicht.“ –
Sorry, aber so spricht kein Zehnjähriger. Nein.

Hier solltest du nochmal gründlich überarbeiten. Vielleicht den ganzen Dialog streichen und einen anderen Grund aussuchen, warum er sich am Ende erschießt.

Mir hätte es am besten gefallen, er wäre ertappt worden. Vielleicht beim zweiten Mal, da es die „neuen“ Stücke schon vorher gab oder so.

Oder: Neugierige Reporter (denn er ist ja ein Held des Jet-Sets) haben ihm dabei beobachtet/belauscht, wie er die Bach-Platten hört und trauen ihren Augen und Ohren nicht.
Oder er verplappert sich.
Oder irgendetwas war mit seinem Vater (der hat vielleicht auch versucht, die Stücke für sich in Anspruch zu nehmen) und er gesteht.

Alles nur meine persönliche Meinung. Nimm dir das davon, was du brauchst. :)
Viel Spaß noch und schönen Abend.

Liebe Grüße,
GoMusic

 
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Ich hab jetzt mal in dein Profil reingeschaut, Hanno, und der Beitragsliste dort entnommen, dass du offenbar einer derjenigen bist, denen Kommentare zu ihren Geschichten prinzipiell am Arsch vorbeigehen. Was für mich zwar kein Grund wäre, deine Texte nicht zu lesen, allerdings auch keine besondere Motivation, auch nur irgendwas dazu zu sagen.
Warum ich’s jetzt trotzdem tu?
Vorwiegend deshalb, weil aus meinen Anmerkungen zu deinem Stil der eine oder andere Schreibanfänger, der sich auf unsere Seite verirrt, möglicherweise einen kleinen Nutzen ziehen kann.

1718 : 37 = 46,3

Was das heißen soll, Hanno?
Nun ja, nichts anderes, als dass dein Text zu mehr als 2% aus ein und demselben Wort besteht, was angesichts der immensen Größe des deutschen Wortschatzes bei mir nicht gerade den Eindruck erweckt, als würdest du leidenschaftlich um jedes Wort ringen ...
Beim Herumstöbern in deinem Oeuvre hab ich bezeichnenderweise auch das gefunden:

Woltochinon schrieb:
Diese Aneinanderreihung von „hatte“ ist unschön:

„Er hatte“
„Sie hatte“
„Es hatte“
„Am Ende ihres Urlaubs hatte“

Vielleicht kannst du da nachbessern.


Genau dieses (Hilfs-)Verb „hatte“ ist es, das auch in deinem aktuellen Text in einer derartigen Häufung auftritt, dass es mir beinahe schon wie eine persönliche Mission von dir erscheint. Umso mehr, weil du es nicht nur bei unumgänglichen PQP-Konstruktionen verwendest, sondern dir solche PQP-Konstruktionen auch noch ohne Not schaffst. Sei es jetzt in unglücklich formulierten (und teilweise absolut entbehrlichen) Relativsätzen:

Dort stand die Beethoven- Edition, die er gesucht hatte. [Jessas, zwei Zeilen weiter oben steht eh schon: Diese Aufnahme hatte er gesucht.]
Er packte Schallplatten und Plattenspieler in einen Wäschekorb, den er mitgebracht hatte,
Jessen schaute sich die Noten an, die Julius mitgebracht hatte,
mit dem Revolver, den er von seinem Vater geerbt hatte,

usw.


oder in Satzkonstruktionen, wo du dir unnötigerweise eine Vorzeitigkeit kreierst:

Nachdem Julius den Plattenspieler angeschlossen hatte, legte er
Kaum aber hatte die Nadel die Schallplatte berührt und die ersten Töne waren zu hören, da traute
Kaum hatte die Nadel des Plattenspielers der Schallplatte die ersten Töne entlockt, da merkte Julius

usw.


So könnte ich jetzt einen Großteil deiner „hatte“ hinterfragen und zu jedem zweiten könnte ich dir vermutlich ohne groß nachzudenken eine weit weniger sperrige Lösung aus dem Handgelenk schütteln.
(… mit dem Revolver seines Vaters
Jessen schaute sich Julius‘ Noten an…
Julius schloss den Plattenspieler an und legte …
Sobald die Nadel des Plattenspielers der Schallplatte die ersten Töne entlockte, merkte Julius…

usw.)

Was ich sagen will, Hanno: Der Text schreit förmlich danach, dass du ihn dir ein paarmal selber laut vorliest. Spätestens dann nämlich würden dir diese unattraktiven Wortwiederholungen auffallen. Und im besten Fall würde dir auch auffallen, wie vollkommen lebensfern und entsprechend unglaubwürdig die Worte klingen, die du einem Zehnjährigen(!) in den Mund legst.

Zum Inhalt kann ich dir nichts sagen, weil ich an Geschichten, denen es so augenscheinlich an sprachlicher Raffinesse fehlt, sehr schnell das Interesse verliere.


offshore

 
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Hallo Hanno,
ich finde die Grundidee Deines Textes nicht uninteressant. Es gab vor einigen Jahren den Fall eines Pianisten, der behauptete, mit großen Komponisten in Kontakt zu stehen und durch übersinnliche Verbindungen von ihnen musikalische Ideen zu empfangen. Ich habe die Sache nicht weiter verfolgt, wahrscheinlich war er ein geschickter Spinner. Aber trotzdem so interessant, dass er es in die Medien schaffte. Im Vergleich zum Sujet ist mir aber dann der Tonfall zu stereotyp, zu normal. Da passiert ja, wenn man die Transzendenz der Story ernst nimmt, was Besonderes. Und das kommt in den vielen gleichen Formulierungen nicht zum Tragen. Er schreibt zum Beispiel penetrant Noten ab. Da gibt es viele andere Umschreibungen, die das plastischer machen könnten.
Zum Inhalt ein Einwand: Man wurde in der progressiv ausgerichteten abendländischen Kunst kaum gefeiert, wenn man nur epigonal gearbeitet hat. In der Musik ist es heute relativ uninteressant, Sonatenhauptsätze im Stil Mozarts oder Beethovens zu schreiben. Palestrinasatz und Bachchoral gehören zur Tonsatzausbildung angehender Musiker. Das ist aber Stilübung für das Handwerk und wird nicht öffentlich aufgeführt. Gut, Du schreibst nichts über den Stil der Kompositionen. Die müssten wohl dann avantgardistisch klingen, was wenigstens erwähnt werden sollte. In der Malerei gibt es den bekannten Fall des Wolfgang Beltracchi, der absolut stilecht alles hinbekommt. Ist aber eben auch nur nachgemacht.
Den Schluss finde ich unglaubwürdig, weil er sich nur aus einem komplizierten und sehr hypothetischen Kinderdialog ergibt.
Herzlich
rieger

 

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