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Wahre Freunde halten zusammen!
Wahre Freunde halten zusammen!
Ich blickte in seine Augen und konnte erkennen, dass dieser Abend anderes sein würde als alles, was wir die letzten zwei Jahre gemeinsam durchgestanden hatten. Nicht nur an seinen Augen konnte ich dies erkennen, auch an seiner Körpersprache und wie er mit mir sprach. Langsam begann ich, mich wieder zurückzulehnen und wartete darauf, was er mir zu sagen hatte. Erst bekam Daniel keine richtigen Worte hervor. Eine einzelne Träne lief über seine Wange. Ich beugte mich vor, um sie wegzuküssen, aber er legte mir seine Hand vor den Mund und drückte mich sanft in den Stuhl zurück. Ich schaute ihn an: “Was hatte das nun wieder zu bedeuten?“ Endlich schaffte er es, einen vernünftigen Satz heraus zu bekommen: “Puschelöhrchen, das was ich dir jetzt sagen werde, wird unser Leben entscheidend verändern! Ich wollte es dir schon vor zwei Wochen sagen, aber...“ - „ Aber was?“ - „Ich habe es bis jetzt einfach nicht über mein Herz gebracht, Liebling...“ - „Ja, was?“ Ein leichtes Zittern lag in meiner Stimme.
„Liebling, Puschelöhrchen, es ist aus mit uns!“ Ich fiel in meinen Stuhl zusammen und brachte erst mal kein Wort heraus. Irgendwie hatte ich es die ganze Zeit geahnt, aber dass es wirklich passieren könnte, ist mir nie in den Sinn gekommen. Was hatte er da gerade gesagt? Es ist aus. Diese Worte hallten immer wieder in meinem Kopf. Langsam blickte ich auf. Ich sah ihn ganz verschwommen durch meine Tränen hindurch. Auch ihm waren ein paar vereinzelte Tränen über die Wange gelaufen. Ich musste es ihm einfach sagen, sonst war es zu spät. Jetzt oder nie. Vielleicht würde das unsere Beziehung noch retten. Ich wollte ihn einfach nicht verlieren. „Daniel“, sagte ich ganz leise und mit zittriger Stimme, „ich muss dir auch etwas sagen. „Ich bin schwanger!!!“ Er blickte mir in die Augen, zum ersten Mal an diesem Abend. - „Schwanger!“ schrie ich ihn an. Dann sackte ich auf dem Stuhl zusammen und begann laut zu heulen. Die anderen Leute im Restaurant guckten uns schon ganz seltsam. Da durchfuhr es mich wie ein Blitz. Ich sprang auf, packte meine Sachen zusammen und rannte davon. Kein Wort wollte ich mehr von ihm hören. Ich ließ ihn einfach mit diesem Wissen zurück. Ich rannte die Strasse entlang in Richtung zuhause. Es regnete und die Regentropfen, vermischt mit Tränen rannen über mein Gesicht. Als ich in meiner Wohnung war, fiel ich angezogen auf mein Bett und wollte davon nichts mehr wissen. Am nächsten Morgen tat mir alles weh, denn ich lag total verdreht auf dem Bett. Langsam stand ich auf und schlich ins Bad. Da kam mir wieder alles in den Sinn was gestern passiert ist. Er hatte tatsächlich Schluss gemacht. Ich konnte es immer noch nicht fassen. Was sollte ich jetzt machen??? Schwanger und ohne irgendeine Hilfe. Mir kamen schon wieder die Tränen, aber in Blick auf die Uhr trocknete sie aus. Ich war viel zu spät dran. Schon 8:20 Uhr und mein Schulbus kam schon in 20 Minuten. Toll, wie sollte ich das jetzt wieder schaffen. Schnell begann ich das Kleid, dass ich gestern anhatte und noch immer trug, auszuziehen, meine Zähne zu putzen und mich einigermaßen zu waschen. Als ich in den Spiegel blickte bekam ich einen Schreck. Ich sah furchtbar aus. Meine Augen waren ganz geschwollen und rot. Was sollte ich jetzt machen. Meine Zeit war sowieso so knapp und jetzt musste ich mich auch noch schminken. Ich bekam schon wieder einen Heulkrampf und sank auf dem Badstuhl zusammen. Aber ich riss mich zusammen, holte mein Make up aus dem Schrank, übermalte die Spuren der letzten Nacht und zog mich an. Einen besonders weiten Wollpulli, denn ein bisschen was von meinem Bauch konnte man schon sehen. Danach rannte ich in die Küche, nahm mir Obst aus der Schale, schnappte mir meine Schultasche und rannte aus dem Haus.
Ihr werdet euch vielleicht wundern, dass ich noch in die Schule gehe, aber schon eine eigene Wohnung habe. Vielleicht sollte ich erst mal etwas über mein Leben erzählen, bevor ich mit meiner Geschichte fortfahre: Ich heiße Judith Simons, bin siebzehn und gehe in die elfte Klasse aufs Gymnasium in Nürnberg. Meine Mutter ist vor cirka 3 1/2 Jahren an Lungenkrebs gestorben. Von diesem Zeitpunkt an ist alles nur noch schief gelaufen in meiner Familie. Mein Vater hat den Tod meiner Mutter nicht verkraftet und griff zur Flasche. In seinem Alkoholrausch begann er mich immer zu schlagen. Erst hatte ich versucht mich zu wehren, habe dann aber gemerkt, dass dadurch alles nur noch schlimmer wurde. Darum war ich so oft wie nur möglich weg von zu Hause wie es nur ging. Ich hatte immer weniger Freunde, mit denen ich darüber hätte reden können und hinzu kam, dass ich in der Schule immer schlechter wurde. In der 9. Klasse lernte ich dann Daniel kennen. Mit ihm war das irgendwie alles anders, ich konnte ihm alles erzählen, ohne mir dabei blöd vorzukommen. Wir wurden schließlich auch ein Paar. Er war es dann auch, der mich zum Sozialamt schickte, damit die mir helfen konnten. Dort gaben sie mich ans Jugendamt weiter, wo mir dann wirklich geholfen wurde, von meinem Vater wegzukommen. So kam ich in eine Jugendwohnung mit nur einem Mitbewohner. Dass es ein Junge war machte mir nur wenig aus, auch wenn Daniel manchmal ein wenig eifersüchtig war. Rene, so heißt mein Mitbewohner, ist mein bester Freund geworden. So ziemlich die einzige Person mit der ich, außer mit Daniel, noch über meine Probleme reden konnte. Er wusste sogar schon ein Tag vorher, das ich schwanger war und sagte, er würde mich in jedem Fall unterstützen. War also ein bisschen gelogen, was ich vorhin sagte, als ich meinte, ich hätte absolut keine Hilfe. Bloß leider war Rene letzte Nacht nicht da, weil er bei seiner Freundin übernachtet hatte.
Darum sah ich ihn erst wieder an der Bushaltestelle. Ich grüßte ihn etwas seltsam und ganz außer Atem von dem Lauf. Er runzelte nur die Stirn und schaute mich an und meinte: „Irgendetwas stimmt heut morgen nicht mit dir, sonst begrüßt du mich immer ganz anders und nicht nur mit einem knappen Hallo!“ Ich blickte ihn an, aber irgendwie auch an ihm vorbei. „Ach, ich habe nur verschlafen, nichts weiter“, und unterdrückte meine Tränen. „Nein, nein, das habe ich nicht gemeint, etwas anderes, du bist heut irgendwie komisch und dass liegt sicher nicht daran, das du verschlafen hast!“ „Du hast ja mal wieder so verdammt Recht. Nichts ist okay, rein gar nichts!“ Und jetzt konnte ich mir meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich fiel Rene um den Hals und hätte ihn am liebsten nicht mehr losgelassen, wenn der Busfahrer nicht gehupt hätte, weil er endlich losfahren wollte. Der Bus stand nämlich schon eine ganze Weile an der Bushaltestelle und wartete nur darauf, dass wir endlich einsteigen würden. Im Bus erzählte ich ihm unter Schluchzen alles. Irgendwie tat es gut mit jemandem darüber zu reden. Langsam hörte ich auch zu weinen auf. Rene wischte mit seiner Hand eine letzte Träne aus meinem Gesicht und sagte, dass er und seine Freundin mich in jedem Fall unterstützen würden. Ich dankte ihm herzlich, blickte ins Fenster, wo ich mein Spiegelbild sah. Oh, ich sah einfach grässlich aus. Meine ganze Wimpertusche war verwischt. Schnell nahm ich ein Taschentuch aus meinem Rucksack und wischte es weg. Endlich waren wir an der Schule angelangt, mir kam die Fahrt ewig lang vor. Ich stieg aus, blickte über den Schulhof zum Haupteingang und fragte mich, wie ich das wohl alles überstehen könnte? Da nahm mich Rene kurz in den Arm, lächelte mich an und sagte: „Hey, Kopf hoch! Du schaffst das schon. Vergiss nicht, ich bin ja auch noch da und kann dir helfen!!“ Er ließ mich los und ging ein paar Schritte Richtung Schulgebäude, dann drehte er sich noch mal um: „Ich weiß, dass du es schaffen wirst. Also, bis dann in der Pause!“ Und weg war er. Ich blickte in den Himmel und wusste, auf wahre Freunde kann man sich verlassen.