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Serie Wörterfasching

Seniors
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17.09.2002
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Wörterfasching

Unter der Tafel stand eine große, rote Kiste – die Wörterkiste der Klasse 2a. Alle Wörter, die die Schüler schon lesen konnten, waren darin verstaut. Da lag Haus auf Kopf, Kante neben Topf und Rad, und Maus unter Tante. Bad, Mund, Laus, und, Runde, Hund, Wunde, Baum und Schopf stapelten sich in einer Ecke. Zopf schlängelte sich durch die vielen Wörter hindurch – kurz in der Kiste herrschte ein rechtes Durcheinander.
Meistens wisperten und flüsterten die Wörter miteinander und erzählten sich spannende Geschichten. In einer Wörterkiste ist es nämlich dunkel und langweilig, wenn der Deckel geschlossen ist. Und wenn es langweilig ist, dann ist es am Besten, man vertreibt sich die Zeit mit einer hübschen Geschichte – das wussten alle Wörter.
Heute aber war es mucksmäuschenstill. Die Wörter hockten regungslos auf dem Boden und lauschten. In der Klasse war ein Gekicher und Geschrei, ein Gepolter und Getanze zu hören, dass es eine wahre Freude war. Die Kinder quietschten vor Vergnügen. Sie schienen unheimlich viel Spaß zu haben.
Die Wörter schauten sich fragend an. Was war da bloß los? Nach einigem Hin und Her erhielt Kopf den Auftrag, einmal nachzusehen, woher das Getöse kam. Mund, Hund, Tante, Kante und Schopf stemmten sich mit all ihren Kräften gegen den Kistendeckel und öffneten ihn einen Spalt breit, so dass Kopf vorsichtig hinausschauen konnte.
“Wow!“, rief Kopf und zog den Kopf wieder ein.
„Was ist los? Erzähle!“, bestürmten ihn die übrigen Wörter.
„Die Kinder feiern“, antwortete Kopf. „ Sie sehen alle ganz anders aus, als sonst. Sie haben witzige Hüte auf und tragen bunte Kleider. Ein Junge hat eine Pistole in der Hand und ein Mädchen trägt eine goldene Krone im Haar. Und alles ist voller Lampions und Luftschlangen.“
„Ha!“, rief Haus. „Ich weiß, was da los ist. Heute ist Rosenmontag! Unsere Klasse feiert Fasching.“ Haus war ein richtig altes Haus, es hatte schon viel von der Welt gesehen und wusste Bescheid. Haus erklärte seinen Wörterkollegen, dass die Kinder sich für das Faschingsfest verkleidet hatten. Nora sah nun nicht mehr wie Nora aus, sondern wie ein kleiner Clown. Und Jonas hatte sich – schwuppdiwupp – in einen Cowboy verwandelt.
„Luftschlangen!“, seufzte Mund sehnsüchtig.
„Musik und Tanz!“, murmelte Tante andächtig.
„Und richtig feiern und lachen und Spaß haben und ...“, rief das kleine und.
„Verkleiden, das wäre toll“, fügte Schopf hinzu.
„Verkleiden? Warum nicht!“ Laus sprang vor Begeisterung auf Maus.
„Verkleiden? Wie soll das denn gehen? Wörter können sich doch nicht verkleiden! Wir haben doch gar keine Kostüme.“ Haus schüttelte den Kopf.
Laus aber ließ sich nicht beirren und fuhr fort: „Nein, Kostüme haben wir nicht, aber wir könnten doch tauschen.“ Und seine Augen blitzten verschmitzt.
„Tauschen? – Was sollen wir denn tauschen?“, fragte Wunde.
„Unsere Köpfe! Unsere Köpfe!“, rief Rad, schraubte sich den seinen ab und hielt ihn Wunde hin. Wunde überlegte einen winzigen Moment und dann reichte es seinen Kopf dem kopflosen Rad und setzte den neuen Kopf auf.
Zufrieden drehte es sich im Kreis. Der neue Kopf stand ihm prima. Aus Wunde war Runde geworden, das klang gemütlich und fühlte sich gut an.
Rad aber war nicht so glücklich. Mit Wundes Kopf war es zu einem Wad geworden und das wollte ihm überhaupt nicht gefallen.
„Dein Kopf passt nicht zu mir!“, maulte es.
Zum Glück suchte Baum einen anderen Kopf und war bereit mit Wad zu tauschen. Zufrieden lief Rad, das kein Wad sein wollte als Bad herum – Sauberkeit liebte es sowieso.
Baum aber wurde zu einem wahnsinnig wunderbaren Waum und das gefiel ihm sehr, es hatte immer schon einen ausgefallenen Geschmack gehabt.
Als Mund den Kopf von Schopf aufsetzte, klatschten die Wörter Beifall. Mund war ein wichtiges Wort geworden, denn Schund gibt es überall. Über das neue Haupt von Schopf lachten alle. Mopf, so was gab es doch gar nicht! Schopf aber trug das Gelächter mit Fassung – wusste er doch, dass Mopf das Geräusch war, das entstand, wenn man sich einen halben Pfirsich in den Mund schob und dann versuchte „Mops“ zu sagen.
Nun ging ein emsiges Treiben unter den Wörtern los. Alle schraubten ihre Köpfe ab und reichten sie hierhin und dorthin. Die seltsamsten und interessantesten neuen Gesellen entstanden, bekannte, und solche von denen man noch nie gehört hatte.
Kante und Tante tauschten die Köpfe und fühlten sich wie neugeboren. Leider bemerkte niemand den Tausch.
Nachdem die Wörter sich eine Weile damit vergnügt hatten, verschiedene Köpfe auszuprobieren, machte Kopf, der gerade ein Hopf war, weil er mit Haus gewechselt hatte, den Vorschlag, doch einmal die Pos zu tauschen. Kichernd probierten die Wörter den Vorschlag aus. Exotische neue Worte entstanden, ab und zu aber tauchte auch ein vertrauter alter Freund auf.
Soviel Spaß hatten die Wörter schon lange nicht mehr miteinander gehabt.

 

Hallo al-dente,

hat mir wieder sehr gut gefallen deine Faschings-Geschichte. Bei dir dreht sich alles immer um Wörter und Buchstaben. Ich glaube hier ist bald mal ein Buch fällig. Hast du es noch in keinem Verlag angeboten? Ich glaube für Kinder im Vorschulalter oder in den ersten Klassen könnten die Stories wirklich eine Hilfe sein. Sie wirken sehr anschaulich und manches versteht man besser, wenn man es sich bildlich vorstellen kann. Und es den Kids nahebringen, ich glaube das kannst du.
Obwohl bei dieser Geschichte habe ich doch eine kleine Anmerkung. Ich finde die hast ein paar Wörter zu viel ins Spiel gebracht. Ich weiß nicht, ob es für kleinere Kinder nicht ein bisschen verwirrend wirkt. Vielleicht auch der Absatz der mit den Worten beginnt:

Baum aber wurde zu einem wahnsinnig wunderbaren Waum .....
Da hier Fantasiewörter zusammengestellt werden, könnte es doch zu Unverständnis kommen.

Hier noch ein keiner Fehler:

Nach einigem Hin und Herr erhielt Kopf den Auftrag, ...
Hin und Her

Ansonsten wieder eine sehr fantasievolle Geschichte. Habe sie gern gelesen.

Viele Grüße
bambu

 

Hallo al-dente!

Eine 'kindgerechte' Geschichte, weil in der Phantasie der Lesenden schnell der Wunsch auftaucht, die Wörter sollten mal was anderes tauschen, als ihre Köpfe.

Bei den Pos kam ich erst mal ins stocken, lag aber daran, dass mir der Punkt hinter Position (abgekürzt Pos.) fehlte und ich mich fragte, weshalb du plötzlich in deiner Sprache so abhebst.

Und der Schluß - ich finde ihn doch sehr dick aufgetragen - den Vorschlag für langweilige Regentage und ich weiss nicht, ob das überhaupt erforderlich ist.

Und dann gibts ja auch noch die Möglichkeit, andere Glieder zu tauschen, so dass aus der Wand irgendwann ein richtiger Zorn wird - oder so.

Den Anfang mit der Beschreibung des Kinderfaschings fand ich am schönsten.

Liebe Grüsse

Jo

 

Hallo al-dente!

Klasse :) ich bin mittendrin mal durcheinander gekommen, wer was mit wem tauscht, vor allem, weil es einen Kopf gibt, aber die Köpfe getauscht werdern... vileicht fällt Dir für den ersten Buchstaben ein anderes Wort ein? Oder du änderst den Kopf ab ... :schiel:
Den letzten Absatz würde ich allerdings (wie Jo) weglassen - so etwas bin ich ja von Dir garnicht gewohnt. ;) Nein, im Ernst: durch Deine Geschichte werden die Kinder von alleine angeregt, soetwas mal auszuprobieren, rumzuexperimentieren - da brauchen sie keinen eigenen Absatz dafür.

liebe Grüße
Anne

 

Hallo Ihr Drei,

danke fürs Lesen. Wie schön, dass Euch die Geschichte so einigermaßen gefallen hat.

@bambu
"Hin und Her" habe ich geändert - peinlich! Vielen Dank.
Zu den Fantasiewörtern wie Waum und Mopf: Mir schwebte vor, dass man dies Spiel im Unterricht vielleicht so spielen könnte, dass sowohl Fantasieworte, als auch echte Worte gefunden werden und ein Fantasiewort würde ich dann als "richtig" gelten lassen, wenn der Schüler eine Erklärung dafür abgeben könnte (so, wie ich Mopf erklärt habe) ...

@maus und Jobär
Den letzten Absatz habe ich herausgenommen. Ihr habt Recht, so doof sind Kinder tatsächlich nicht.

@Jobär
Warum schreibst Du "kindgerecht" in Anführungszeichen? Empfindest Du meinen Text als gewollt kindlich? Meine Zielgruppe sind Kinder der zweiten und dritten Klasse, also solche, die schon alleine lesen, aber noch nicht alle total geübt sind. Das ist auch der Grund, weshalb ich glaube, dass es als Spiel erstmal ausreicht die Wörterköpfe und die Wörterpos zu tauschen. Aus Wand Zorn zu machen (was ich im Augenblick auf die Schnelle noch gar nicht ganz übersehe) ist zwar auch ein tolles Spiel, aber ich glaube, das hebe ich mir für eine andere Geschichte auf ... :D

Über Anmerkungen von Grundschulpädagogen, ob diese Geschichte für die von mir angestrebte Altersklasse geeignet ist, freue ich mich natürlich sehr. :D

@maus
Schade, dass Dich die Sache mit dem Kopf ein wenig verwirrt hat - mir gefiel es gerade - Ich denke noch darüber nach, okay?

Liebe Grüße
al-dente

 

Hallo al-dente!

Den Kopf finde ich so ganz in Ordnung: Denn der Kopf steckt ja seinen Kopf aus der Kiste und ich denke, die Kinder stellen sich die Wörter eh nicht abstrakt vor, so dass es für sie völlig klar sein dürfte, dass auch Wörter einen Kopf und einen Po haben.
Das kindgerecht steht in Anführungszeichen, weil ich dieses Wort als Schlagwort eingesetzt habe. Die Geschichte ist für Kinder (2./3. Klasse) gut zu hören zum Beispiel als Einleitung für das Po-Spiel - dann würde ich aber vielleicht mit dem Satz

doch einmal die Pos zu tauschen.
aufhören und die Kinder fragen: Wie sähe das denn aus?
Oder auch als Aufgabe für einen Phantasieaufsatz - zum Beispiel aus den vorgegebenen Wörtern zehn neue Wörter mit vertauschten Pos zu bilden - fünf die es gibt (sollten dann im Unterricht vorgekommen sein) und fünf Phantasieworte - mit der Erklärung, was sie bedeuten sollen.

Also ich finde deine Geschichte sehr schön als Einstieg z.B. für einen grauen Vormittag, wie wir sie momentan haben. Es ist eine Geschichte für Kinder - aber sie wendet sich erst einmal an die Erwachsenen und gibt ihnen Ideen an die Hand, was man so machen kann - und durch den Fasching gibt es ja auch gleich eine jahreszeitliche Verknüpfung.

Liebe Grüsse

Jo

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Jobär,

ach so, jetzt verstehe ich ...
Ja, so war die Geschichte gedacht, als Einstieg für ein Spiel mit Wörtern.

Lieben Gruß
al-dente

 

Hi al-dente!

Ich kann nur sagen: Begeisternd! :shy:
Ich glaube gar nicht, dass ich dich mal beneidet habe, weil du schon veröffentlichst. Dabei habe ich mir noch gar nicht das Recht verdient, dich zu beneiden! :D
Das ist einmal eine Kindergeschichte, die beides ist: Unterhaltsam und pädagogisch zugleich. Und weißt du was: Ich habe mich richtig in die Zeit zurückversetzt gefühlt, als ich noch als kleiner Junge begierig jedes neue Wort in mich aufgesogen habe *nostalgischeseufzerausstoß*.

Allerdings: Wenn ich von jedem Wort eine konkrete Vorstellung haben soll, dann wäre die Wunde ein klein wenig unappetitlich, findest du nicht? Ich meine, sind ja Kinder, die das lesen sollen ... :hmm:

Ansonsten wüsste ich nicht, was ich an der Geschichte zu meckern haben sollte. Und das ist bei mir schon äußerst selten, wie ja allgemein bekannt ist. :D

Viel Erfolg auf deiner Laufbahn! :thumbsup:

Ciao, Megabjörnie

 

Hallo Megabjörnie,

ich freue mich, dass ich Dich in Deine allererste Schulzeit zurückversetzen konnte! :)

Danke für das Lob.

Ach, das Wort "Wunde" finde ich, ehrlich gesagt, gar nicht so furchtbar unappetitlich - meine Söhne bezeichneten in ihrer Kinderzeit jeden kleinen Kratzer dramatisch als Wunde ...

Lieben Gruß
al-dente

 

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