- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 8
Wörterfasching
Unter der Tafel stand eine große, rote Kiste – die Wörterkiste der Klasse 2a. Alle Wörter, die die Schüler schon lesen konnten, waren darin verstaut. Da lag Haus auf Kopf, Kante neben Topf und Rad, und Maus unter Tante. Bad, Mund, Laus, und, Runde, Hund, Wunde, Baum und Schopf stapelten sich in einer Ecke. Zopf schlängelte sich durch die vielen Wörter hindurch – kurz in der Kiste herrschte ein rechtes Durcheinander.
Meistens wisperten und flüsterten die Wörter miteinander und erzählten sich spannende Geschichten. In einer Wörterkiste ist es nämlich dunkel und langweilig, wenn der Deckel geschlossen ist. Und wenn es langweilig ist, dann ist es am Besten, man vertreibt sich die Zeit mit einer hübschen Geschichte – das wussten alle Wörter.
Heute aber war es mucksmäuschenstill. Die Wörter hockten regungslos auf dem Boden und lauschten. In der Klasse war ein Gekicher und Geschrei, ein Gepolter und Getanze zu hören, dass es eine wahre Freude war. Die Kinder quietschten vor Vergnügen. Sie schienen unheimlich viel Spaß zu haben.
Die Wörter schauten sich fragend an. Was war da bloß los? Nach einigem Hin und Her erhielt Kopf den Auftrag, einmal nachzusehen, woher das Getöse kam. Mund, Hund, Tante, Kante und Schopf stemmten sich mit all ihren Kräften gegen den Kistendeckel und öffneten ihn einen Spalt breit, so dass Kopf vorsichtig hinausschauen konnte.
“Wow!“, rief Kopf und zog den Kopf wieder ein.
„Was ist los? Erzähle!“, bestürmten ihn die übrigen Wörter.
„Die Kinder feiern“, antwortete Kopf. „ Sie sehen alle ganz anders aus, als sonst. Sie haben witzige Hüte auf und tragen bunte Kleider. Ein Junge hat eine Pistole in der Hand und ein Mädchen trägt eine goldene Krone im Haar. Und alles ist voller Lampions und Luftschlangen.“
„Ha!“, rief Haus. „Ich weiß, was da los ist. Heute ist Rosenmontag! Unsere Klasse feiert Fasching.“ Haus war ein richtig altes Haus, es hatte schon viel von der Welt gesehen und wusste Bescheid. Haus erklärte seinen Wörterkollegen, dass die Kinder sich für das Faschingsfest verkleidet hatten. Nora sah nun nicht mehr wie Nora aus, sondern wie ein kleiner Clown. Und Jonas hatte sich – schwuppdiwupp – in einen Cowboy verwandelt.
„Luftschlangen!“, seufzte Mund sehnsüchtig.
„Musik und Tanz!“, murmelte Tante andächtig.
„Und richtig feiern und lachen und Spaß haben und ...“, rief das kleine und.
„Verkleiden, das wäre toll“, fügte Schopf hinzu.
„Verkleiden? Warum nicht!“ Laus sprang vor Begeisterung auf Maus.
„Verkleiden? Wie soll das denn gehen? Wörter können sich doch nicht verkleiden! Wir haben doch gar keine Kostüme.“ Haus schüttelte den Kopf.
Laus aber ließ sich nicht beirren und fuhr fort: „Nein, Kostüme haben wir nicht, aber wir könnten doch tauschen.“ Und seine Augen blitzten verschmitzt.
„Tauschen? – Was sollen wir denn tauschen?“, fragte Wunde.
„Unsere Köpfe! Unsere Köpfe!“, rief Rad, schraubte sich den seinen ab und hielt ihn Wunde hin. Wunde überlegte einen winzigen Moment und dann reichte es seinen Kopf dem kopflosen Rad und setzte den neuen Kopf auf.
Zufrieden drehte es sich im Kreis. Der neue Kopf stand ihm prima. Aus Wunde war Runde geworden, das klang gemütlich und fühlte sich gut an.
Rad aber war nicht so glücklich. Mit Wundes Kopf war es zu einem Wad geworden und das wollte ihm überhaupt nicht gefallen.
„Dein Kopf passt nicht zu mir!“, maulte es.
Zum Glück suchte Baum einen anderen Kopf und war bereit mit Wad zu tauschen. Zufrieden lief Rad, das kein Wad sein wollte als Bad herum – Sauberkeit liebte es sowieso.
Baum aber wurde zu einem wahnsinnig wunderbaren Waum und das gefiel ihm sehr, es hatte immer schon einen ausgefallenen Geschmack gehabt.
Als Mund den Kopf von Schopf aufsetzte, klatschten die Wörter Beifall. Mund war ein wichtiges Wort geworden, denn Schund gibt es überall. Über das neue Haupt von Schopf lachten alle. Mopf, so was gab es doch gar nicht! Schopf aber trug das Gelächter mit Fassung – wusste er doch, dass Mopf das Geräusch war, das entstand, wenn man sich einen halben Pfirsich in den Mund schob und dann versuchte „Mops“ zu sagen.
Nun ging ein emsiges Treiben unter den Wörtern los. Alle schraubten ihre Köpfe ab und reichten sie hierhin und dorthin. Die seltsamsten und interessantesten neuen Gesellen entstanden, bekannte, und solche von denen man noch nie gehört hatte.
Kante und Tante tauschten die Köpfe und fühlten sich wie neugeboren. Leider bemerkte niemand den Tausch.
Nachdem die Wörter sich eine Weile damit vergnügt hatten, verschiedene Köpfe auszuprobieren, machte Kopf, der gerade ein Hopf war, weil er mit Haus gewechselt hatte, den Vorschlag, doch einmal die Pos zu tauschen. Kichernd probierten die Wörter den Vorschlag aus. Exotische neue Worte entstanden, ab und zu aber tauchte auch ein vertrauter alter Freund auf.
Soviel Spaß hatten die Wörter schon lange nicht mehr miteinander gehabt.