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Wärme

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25.06.2011
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Wärme

Wärme

Seit Stunden nun liegt das kleine Mädchen regungslos vor Lennart. Im blauen Zwielicht des Raumes verschwimmen ihre Konturen immer mehr. Seine Augen tränen und schmerzen. Er kann sich an diesen Anblick einfach nicht gewöhnen.
Seine Tochter ist jetzt vier Jahre alt und jeden gottverdammten Tag seit ihrer Geburt durchläuft sie dieses wahnsinnige Schulungsprogramm. Und jeden gottverdammten Tag sitzt er an ihrem Bett. Lennart reibt sich die Augen und sieht auf seine Uhr. Lange wird es nicht mehr dauern, bis Phiola erwacht.
Er schaut sie wieder an. Ihre groß aufgerissenen Augen starren zur Decke. Sie liegt dort in einem transparenten Folienanzug, der durchzogen ist von unzähligen Nanoleiterbahnen. Die Temperatur in dem Anzug ist auf 12 Grad heruntergeregelt. Sie trägt nur ein dünnes Höschen. In Höhe ihrer Augen hat die Kapuze des Anzuges einen Sehschlitz. Lennart erhebt sich, nimmt seufzend die Pipettenflasche aus dem Versorgungsschacht und träufelt vorsichtig das thermotrophe Gel in ihre weißgrauen Augen. Dieser Teil der Manipulation hatte erhebliche finanzielle Aufwendungen bedeutet, doch seine Frau hatte darauf bestanden. Phiola sollte bestmögliche Voraussetzungen für das spätere Leben mitbekommen.
„Ja, Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder“, Lennart schüttelt den Kopf.. Gerne hätte er Phiolas Hand genommen, doch jeder zu starke Impuls von außen könnte die Schulungsphase unterbrechen und sie wäre umsonst.
„Eigentlich ist Phiola ein hübsches Mädchen.“ Lennart stellt sich vor, wie sie wohl mit frechen Zöpfen aussähe. „Kleine Mädchen sollten doch lange Haare haben und keinen kahl geschorenen Kopf!“
Wieder reibt sich Lennart die schmerzenden Augen, als sich plötzlich ein eiskaltes Händchen auf seine Stirn legt.
„Hast du wieder Kopfschmerzen Lennart?“ Er zuckt zusammen. Phiola hat sich aufgerichtet und schaut ihn ausdruckslos an. „Du solltest die Filterlinsen einsetzen. Deine Kopfschmerzen begründen sich in den dreiphasigen Lichtwellen, die...“
„Ist schon gut Kleines. Ich weiß, dass deine Ausbildung zum Lichtingenieur abgeschlossen ist. Die Linsen werde ich morgen bestimmt einsetzten. Wie geht es dir? Frierst du?“ „Ich bin es gewohnt, dass meine Haut an die optimale Übertragungstempe...“ „Okay, okay! Ich hole jetzt deine Sachen und dann gehen wir. Wir haben gleich noch den Termin bei...“
„Du, Papa?“
Lennart erstarrt. Phiola hat ihn noch nie Papa zu ihm gesagt! Flüsternd zieht sie ihn mit der noch immer zu kalten Hand zu sich, „Magst du was für mich tun?“
Noch nie hatte sie ihn um etwas gebeten.
„Ja...ja...klar..., aber was kann ich für dich tun?“
Erzählst du mir eine Geschichte?
Noch nie hatte er ihr eine Geschichte erzählt.
„Ja...sicher, aber...“
„Bitte!“
Lennarts Hände verwringen sich. Traurig sagt er:“ Ich weiß aber keine Geschichte ... und ... du kennst sie ja auch alle ... da war vor zwei Jahren im Schulungsmodul 3 „Alle Märchen der Welt“... Was soll ich dir nur erzählen?“
Phiola lächelt ihn an. Noch nie hat sie ihn so angelächelt.
„Na zum Beispiel eine Geschichte von dem blauen Wal der einmal fliegen wollte...“
Lennart starrt verblüfft auf seine Tochter - diese Geschichte kennt er überhaupt nicht. Sie lächelt noch immer. Dann geht ein Ruck durch ihn und er holte eine Decke aus dem Schrank, hüllt sie sorgsam darin ein und wiegt sie vorsichtig in seinen Armen.
„Also, Phiola! Da war einmal ein kleiner blauer Wal und der wollte so gerne fliegen...“

 

Hallo Robby,

und zunächst einmal ein herzliches Willkommen auf kg.de und in der SF-Kaderschmiede ;)

Deine erste Geschichte hier ist ein in meinen Augen sehr guter Einstand. Die Story berührt, sie ist frei von Ballast und weitgehend sauber geschrieben. Etwas schwierig finde ich lediglich, dass es keine Begründung für die Wendung zu geben scheint, jedenfalls sehe ich keine. Warum möchte Phiola plötzlich eine Geschichte erzählt bekommen, obwohl das noch nie vorher der Fall war?

Ansonsten habe ich nichts zu meckern. Hier noch einige sprachliche Verbesserungsvorschläge:

dieses wahnsinnige Schulungsprogramm
Das Adjektiv ist zu wertend. Der Leser versteht das auch ohne das Adjektiv, und er möchte nicht mit der Nase auf diese Aussage Deiner Geschichte gestoßen werden, sondern sie selbst erkennen.

Ihre groß aufgerissenen Augen
weit aufgerissenen

starren zur Decke. Sie liegt dort
Bezugsfehler, sie liegt ja nicht an der Decke ;) Schreib "da" statt "dort", denn "daliegen" funktioniert ohne Bezug.

Frierst du?“ „Ich bin es gewohnt
Nach jeder Stimme beginne eine neue Zeile.

Flüsternd zieht sie ihn mit der noch immer zu kalten Hand zu sich, „Magst du was für mich tun?“
Das Verb, das die wörtliche Rede anzeigt, steht hier ungünstig, außerdem halte ich es für wahrscheinlicher, dass sie ihren Vater zuerst zu sich zieht, und dann flüstert:

Sie zieht ihn mit der immer noch kalten Hand zu sich heran und flüstert: ...

Noch nie hatte sie ihn um etwas gebeten.
Falsche Zeitform, richtig ist hier Perfekt, nicht Plusquamperfekt: hatte -> hat
Zwei Zeilen drunter dasselbe nochmal.

Erzählst du mir eine Geschichte?
Anführungszeichen fehlen.

Lennart starrt verblüfft auf seine Tochter - diese Geschichte kennt er überhaupt nicht. Sie lächelt noch immer. Dann geht ein Ruck durch ihn und er holte eine Decke aus dem Schrank

Ich bin über das "auf" gestolpert, weil mir das "hinab" fehlt. Aber sie liegt ja gar nicht, er schaut also gar nicht auf sie hinab. Ich würde "anstarren" verwenden.

holte -> holt

Fazit: Sehr ordentlicher Einstand. Weiter so!

 

Hallo Uwe!

GENAU! GENAU SO hab ich mir´s vorgestellt, als ich mir endlich ein Herz nahm, um ein erstes Geschichtchen auf Kg.de einzustellen - Hinweise und Hilfestellungen zu bekommen, auch nach 10 maligem Lesen Überlesene dicke Böcke aufgezeigt zu bekommen (natürlich kann Phiola nicht an der Decke kleben :O) usw... Das Plusquamperfekt wird dabei leider wohl immer meine Schwäche bleiben. Doch ich bin gewillt zu lernen! Also - alle Anmerkungen sind verstanden und werden beherzigt. Vielen Dank dafür und natürlich auch für die nette Aufnahme auf kg.de.
Eine kleine Frage hab´ ich aber doch noch (wenn das erlaubt ist...?): Warum sollte ich Lennart nicht einen wertenden, seinen persönlichen Gedanken geben, um seine eigene Haltung in dieser Situation klarzustellen? ("...dieses wahnsinnige Schulungsprogram...") Wird dem Leser aus dem vorherigen Text klar, das Lennart etwas mitmacht, was er im Grunde verachtet?
Das war´s schon. Ich freue mich jetzt schon auf Deinen Hinweis.

Sonnige Grüße aus Bielefeld sendet

Robert

 

Das Wörtchen 'wahnsinnig' stehen zu lassen oder nicht, ist sicher Geschmackssache.
Ich ahnte, dass die Geschichte darauf hinausläuft, dass diese, äh, Bildungseinrichtung gewisse Macken haben könnte. Deshalb habe ich mich schon an dieser Stelle an dem Wort gestoßen. Weil es die Aussage des ganzen Textes etwas vorwegnimmt. Und selbst wenn es ein Gedanke der Hauptfigur ist, klingt doch die Stimme des Autors durch. Deshalb würde ich es weglassen. Überleg mal, ob es ein Verlust wäre.
Oder warte mal ab was die anderen sagen.
Wie gesagt, das kann man so oder so machen. Im Gegensatz zum Plusquamperfekt - da sind die Regeln eindeutig ;)

 

Hi Robby!

Die Geschichte hat ein kleines Problem, untertrieben gesagt: Du nimmst ihr den Sinn.
Der innere Konflikt des Vaters wird zwar gut rübergebracht, aber dann, aus heiterem Himmel, löst er sich quasi von selbst auf.
Wenn das Schulungsprogramm seiner Tochter die Kindheit raubt und eine normale Vater-Tochter-Beziehung unmöglich macht, dann besteht sein Problem ja gerade darin, dass er ihr eben keine Gutenachtgeschichten vorlesen kann.
Und wenn er das jetzt doch kann, ohne dass dazwischen irgendetwas passiert wäre, dann braucht die Geschichte im Grunde gar nicht erst erzählt zu werden. Was sollte der Leser schon daraus mitnehmen, wenn Anfang und Ende, aber kein Mittelteil existiert?

Versuche einfach mal, den Konflikt weiterzuspinnen: Was könnte den Vater dazu bringen, die Regeln zu brechen? Wie könnte sich die Situation zuspitzen? Vielleicht Nebenwirkungen des Programms? Jemand versucht, ihm die Tochter wegzunehmen, weil sie außergewöhnlich begabt ist? Er entführt sie und wird von Polizei und Ehefrau gejagt?
Der Möglichkeiten sind da viele. Es erwartet keiner besondere Originalität, weil bei diesem Thema alles schon mal dagewesen ist. Hauptsache, du bringst die Story gut rüber.
Aber ein paar Seiten wirst du wohl dazwischenquetschen müssen, wenn es wirklich gut werden soll.

„Ja, Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder“, Lennart schüttelt den Kopf.. Gerne

Punkt vor Anführungsstriche, Komma weg. Ein Punkt weg vor gerne.

Die meisten Fehler betreffen die Zeichensetzung und lesen sich wie Flüchtigkeitsfehler. Das macht beim Lesen natürlich keinen guten Eindruck. ;)

Bis dann, Megabjörnie

 

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