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Wärme-Therapie im Misthaufen
Unsere Geschichte spielte sich in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts in einem kleinen nordböhmischen Dorf ab. Hauptdarsteller war der Plzaczek Wenzel, den jeder nur als „Pinsel Wenzel“ kannte. „Pinsel“ war dabei sein Spitzname aber auch Hausname. Der Wenzel galt bei den Dorf-Mitbewohnern als fleißiger Handwerker. Als Maurer war er auf dem Bau tagtäglich den Unbilden des Wetters ausgesetzt. So litt er, wie so manch anderer seines Berufstandes auch, des öfteren unter rheumatischem Erkrankungen oder unter Ischiasschmerzen. Mal zwickte es hier und gleich danach zwackte es wieder dort! Dabei hatte Wenzel doch gerade einmal die ersten vier Jahrzehnte seines Lebens hinter sich.
Um diese oft quälenden und auch lästigen Schmerzen ein für allemal zu kurieren, wollte er eine altbekannte Methode aus der Volksheilkunde anwenden. Diese galt als ein probates aber auch wirksames Mittel. Gemeint ist das eingraben in einen Misthaufen, dessen Wärme dabei auf den ganzen Körper wohltuend einwirkt. Schwache Gemüter sollten bei solch einer Therapie jedoch nicht so sehr an das viele Kleingetier denken, das in einem solchen Misthaufen zuhause ist und zwangshalber mit dem Patienten auf Tuchfühlung geht, sondern mehr an die heilsame Wärme
Ein alter Spruch lautet: „Kleinvieh macht auch Mist!“ Und da der Pinsel Wenzel nebenbei auch Halter von drei Schweinen, einer Ziege und allerlei Kleintieren war, konnte er sich auch stolzer Besitzer eines Misthaufens nennen. Dieser leistete ihm nicht nur im Herbst gute Dienste, wenn er damit seinen Garten und die zwei kleinen Felder, die er besaß, düngte. Diesmal sollte er auch als Jungbrunnen wertvolle Dienste leisten. Dummerweise befand sich der Misthaufen in der äußersten Ecke seines Gärtleins – gerade an der Stelle, wo der Weg vom Dorf in die Felder hinausführt. So bestand die Gefahr, dass eventuell vorbeigehende Dorfbewohner ihn bei seinem Vorhaben beobachten konnten. Doch eigentlich war es dem Pinsel Wenzel egal, ob dies jemand sah oder nicht. Seine Schmerzen waren zur Zeit so unerträglich, dass er an dies gar nicht dachte.
Als Assistent diente dem Wenzel sein Schwager Franz, der zugleich auch sein Arbeitskollege war. Dieser grub zuerst in der Mitte des recht ansehnlichen Misthaufens ein Loch aus. In dieses stieg dann Wenzel – nur mit einer langen Unterhose bekleidet – hinein. Franz füllte dann die Zwischenräume wieder mit Mist auf, so dass er fest darin steckte und nur noch sein Kopf heraus schaute. So eingebaut in den dampfenden und auch stinkenden Mist, harrten die beiden nun aus. Franz saß wartend etwa 2 Meter vom Misthaufen entfernt auf einer Schubkarre und rauchte eine Zigarette nach der anderen. Er hoffte damit den aufdringlichen Geruch für seine empfindsame Nase etwas abschwächen zu können.
Dem Pinsel Wenzel wurde es unterdessen in seinem freiwillig gewähltem Gefängnis immer wärmer. Es wirkte wie eine Dampfkammer, so dass es ihm den Schweiß aus allen Poren trieb. Um seinen Kopf schwirrten eine Unmenge von Fliegen. Er konnte sich aber dieser lästigen Quälgeister nicht erwehren, da ja seine Arme auch im Mist eingegraben waren. So musste Franz ab und zu von seinem Platz aufstehen und mit seinem großen Taschentuch wedelnd die lästigen Fliegen verjagen. Er tat dies jedoch nicht ohne Schadenfreude und nützte jede Gelegenheit aus, seinen Schwager zu ärgern.
Es dauerte auch nicht lange und der erste Dorfbewohner kam vorbei. Dieser staunte nicht schlecht aufgrund des seltsamen Bildes, das sich ihm bot. Auf die Frage, was die beiden dort wohl zu schaffen hätten, antwortete ihm der Franz: „Der Pinsel Wenzel will sich nur etwas einparfümieren!“ Es dauerte nicht lange und die nächsten kamen vorbei. Obwohl auf diesem Weg ansonsten kaum einmal jemand ging, herrschte jetzt plötzlich ein ungewöhnlich hohes Personenaufkommen. Es hatte sich im Dorf wohl in Windeseile herumgesprochen, was es da oben beim Pinsel im Garten so seltsames zu sehen gab. Jeder wollte zumindest einen Blick auf das obskure Geschehen werfen oder gar einen Kommentar abgeben!.
Jetzt wurde es den beiden zu dumm. Sie wollten nur noch solange warten, bis die Luft rein war. Als kein Dorfbewohner mehr zu sehen war, beendeten sie die Kurbehandlung. Franz grub seinen Schwager in Windeseile aus. Doch es war für Wenzel gar nicht so einfach, aus dem engen Loch heraus zu kommen. Zuerst glitt er aus und rutschte wieder ins Loch zurück und beim zweiten Versuch machte sein Gesicht eine höchst unerfreuliche Bekanntschaft mit dem Mist.
Als er endlich draußen war verschwand er sofort hinter dem Holzschuppen, wo er sich mit einem Eimer Wasser vom gröbsten Dreck befreite. In der Zwischenzeit hatte die Ehefrau vom Wenzel einen Holzbottich mit warmen Wasser gefüllt in der er dann ein reinigendes Bad nahm. Hier konnte er sich zwar vom sichtbaren Schmutz befreien, das unverfängliche Aroma jedoch haftete ihm noch eine ganze Zeitlang an. Von diesem Zeitpunkt an gab es im Dorf allerdings keinen „Pinsel Wenzel“ mehr. Aus ihm wurde ein „Duftpinsel“. Dieser Spottname blieb ihm sein ganzes Leben lang. Ob jedoch die Wärme-Therapie im Misthaufen seinem Leiden half, ist nicht bekannt. Wahrscheinlich ist ihm auch dieses geblieben.