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Wächter der Stadt

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28.07.2015
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Wächter der Stadt

Es ist Nacht. Ich gehe die einsame Hauptstraße entlang.
Niemand außer mir und ihnen ist zu dieser späten Stunde noch unterwegs.
Sie bewegen sich in der Dunkelheit an Orten, die das Licht des Mondes nicht erhellen kann.
Langsam gleiten ihre schattenhaften Formen aus den Verstecken, immer näher an die Fenster und Türen, hinter denen ihre schlafenden und ahnungslosen Opfer warten.
Ich weiß, dass du an einem dieser Fenster stehst und mich beobachtest. Du kannst sie nicht sehen.
Mit deinen Augen verfolgst du meinen Weg jede Nacht, seitdem du mich zum erstenmal entdeckt hast.
Bisher hast du es nicht gewagt, dein Haus zu verlassen und mir zu folgen, und ich hoffe, dass du niemals den Mut dazu finden wirst.
Ich trete zwischen die lauernden Schatten, und ihre Aufmerksamkeit fällt auf mich, die Beute in den Häusern augenblicklich vergessend.
Mit bedächtigen Schritten gehe ich die Straße hinab, die Schatten dicht hinter mir.
Wir verlassen die Stadt und betreten den finsteren Wald, in welchem du mich von deinem Fenster aus nicht mehr erblicken kannst.
Ich führe die Schatten auf eine tief im Unterholz verborgene Lichtung, die vom Mond in silbernen Glanz gehüllt ist.
Sie verstecken sich an ihrem Rand zwischen den Bäumen, um das reinigende Mondlicht zu vermeiden.

So verbringen wir diese Nacht wie schon unendlich viele zuvor, ich regungslos, im Schein des Mondes, sie in der Dunkelheit, ihre Blicke auf mir ruhend, unfähig mich zu erreichen.
Die ersten Sonnenstrahlen tauchen den Wald in sanftes Gold, und die Schatten ziehen sich zurück.
Während des Tages müssen sie an kalten und verfluchten Orten Zuflucht suchen, die weder Sonnen- noch Mondlicht je erreichen. Doch ich weiß, dass sie nächste Nacht wiederkommen werden, an den Häusern der Menschen lauernd.
Ich werde mit ihnen zurückkehren und sie auf die kleine Lichtung im Wald führen, so wie ich es schon immer getan habe, und auch du wirst wieder an deinem Fenster sitzen und mein Erscheinen erwarten, so wie du es jede Nacht tust.
Ich gehe die leere Hauptstraße entlang. Schattenhafte Formen gleiten langsam aus ihren Verstecken, immer näher an Türen und Fenster.
Ich trete zwischen sie, und ihre Aufmerksamkeit fällt auf mich, die wehrlose Beute in den Häusern augenblicklich vergessend.
Ich schreite durch das Stadttor, als ich höre, wie sich eine Tür hinter mir öffnet.
Du hast endlich den Mut gefunden, mir zu folgen.
Ich drehe mich nicht um zu dir sondern setzte meinen Weg fort.
Noch bemerken sie dich nicht, all ihre Augen sind auf mich gerichtet.
Am Eingang des Waldes zögerst du kurz, und in mir glimmt die Hoffnung, du würdest dein Vorhaben aufgeben und in die Sicherheit deines Hauses zurückkehren, doch du bist entschlossen und folgst mir in die tiefe Dunkelheit zwischen den Bäumen.
Ich kann dich ächzen und stöhnen hören, als knorrige Äste und Dornen deine Haut zerkratzen.

Ich bleibe in der Mitte der Lichtung stehen und drehe mich zu dir um.
Meine Augen sind voller Trauer, während deine vor Bewunderung und Faszination erstrahlen.
Du machst ein paar Schritte in meine Richtung, den Arm ausgestreckt, um mich zu berühren, als der Bann bricht.
Die Augen der Schatten richten sich auf dich, sie hören deinen Herzschlag und spüren das Leben, das so vital in deinem jungen Körper pulsiert.
Es ist vorüber bevor du erkennen könntest, in welche Gefahr dich deine Verwegenheit gebracht hat.
Ihre Klauen packen dich und reißen dich aus dem Mondlicht in die Dunkelheit des Waldes.
Das Licht verbrennt sie, aber Hunger und Zorn sind größer als der Schmerz, und dir bleibt nicht einmal Zeit, einen Schrei auszustoßen, ehe sie dich verschlingen.
Du erwachst in der dir so vertrauten Stadt und spürst meine Hand an deiner Wange.
Ich flüstere etwas in dein Ohr und hauche einen Kuss auf deine Lippen, bevor ich beginne, mich im Mondlicht aufzulösen.
Du siehst die Schatten aus ihren Verstecken gleiten und weißt, dass es nun deine Aufgabe ist, die Stadt Nacht für Nacht zu beschützen.
Du hoffst, dass niemand an seinem Fenster sitzt und dich auf deinem Weg die leere Straße entlang beobachtet.

 

Hallo Young Rio!

Du wünscht dir produktiven Austausch mit anderen Autoren? Dann ist es schade, dass du auf mehrere Kommentare zu deinem anderen Text noch nicht geantwortet, und du selbst noch keinen Kommentar zu einem Text eines anderen Autors verfasst hast.

So, zu diesem Text:

Puh, da haben wir ein "ich", schattenhafte Wesen, ein "du", die Schatten folgen dem "ich" - ich denke, die Geschichte, die sich hinter dieser Idee versteckt, könnte sehr spannend sein.
Deinen Text finde ich leider aber nicht spannend (noch nicht? Ich hoffe, du überarbeitest ihn.), auch Horror finde ich nicht. Du beschreibst alles ziemlich vage, nichts wird greifbar, weder der Protagonist, noch irgendeine Gefahr, nicht das "du". Den Schatten gestehe ich eine schwammige Beschreibung durchaus zu - das könnte Spannung erzeugen, aber dazu bräuchte man eben einen Protagonisten, der klar herausgearbeitet ist (das könnte das "ich" oder auch das "du" sein) und der es schafft, die Bedrohung, die Gefahr zum Leser zu übertragen. Dazu wäre es gut, wenn du den Protagonisten Emotionen zugestehst, und zwar unter dem Motto: show, don't tell. Also zeige, wie die Protagonisten sich verhalten (wenn sie z.B. emotional berührt sind). Nur Emotionen zu benennen ("Meine Augen sind voller Trauer, während deine vor Bewunderung und Faszination erstrahlen") reicht nicht, das löst beim Leser nichts aus.

Die Perspektive finde ich auch schwierig: "Du siehst die Schatten aus ihren Verstecken gleiten und weißt, dass es nun deine Aufgabe ist, die Stadt Nacht für Nacht zu beschützen." => Das "ich" erzählt, was das "du" weiß? (Und woher weiß das "du" das überhaupt?)
=> Ich rate dir, da etwas zurückzuschrauben. Warum nicht die ganz normale erste-Person-Perspektive und dem "du" einen Namen, eine Persönlichkeit geben? Oder gleich in der dritten Person schreiben?

Grüße,
Chris

 

Hallo, YoungRio,

zuerst einmal ein kleiner Tipp: Wenn du auf Kommentare und Kritiken antwortest, weiß man, dass man hier nicht irgendwas in die Leere schreibt, was der Autor dann gar nicht liest. Wenn ich weiß, dass du dir meine Meinung zu Herzen nimmst, bekomme ich gleich viel mehr Lust, meine Zeit in eine Kritik für dich umzuwandeln :) Vielleicht kannst du aber auch einfach nicht so oft online kommen und hast deswegen noch niemandem geantwortet. In diesem Fall würde ich das oben Gesagte wieder zurücknehmen.

So, jetzt zu deiner Geschichte. Das Grundgerüst gefällt mir sehr gut und im Gegensatz zu meinen Vorrednern finde ich schwammige Beschreibungen manchmal sogar echt interessant, ich mag es, wenn einiges der Phantasie des Lesers überlassen wird - allerdings ist es sehr schwer, den Punkt zu finden, wo man wenig, aber doch genug Informationen gibt. In deinem Fall wären mMn noch mehr Details für den Leser wichtig.
Zu den Wesen: Klar würde ich gern wissen, woher sie kommen, was genau sie sind, was sie so gefährlich macht ect ect, aber hier sind sie da, sie sind eine Gefahr und Punkt. Mehr erfährt man nicht. Das kannst du so machen, dann musst du uns aber durch die Protagonisten mehr Information geben.
Zum Wächter bzw dem Ich: Hier stimme ich Chris Stone zu. Dein Charakter braucht mehr Tiefe, er muss greifbarer sein. Er hat etwas Geheimnisvolles, immerhin ist er ein ominöser (selbst erklärter?) Wächter seiner Stadt, aber er ist eine Person mit Gedanken und Gefühlen. Durch was ist er verpflichtet, die Stadt vor den Schatten zu beschützen? Was fürchtet er, werden sie den Bewohnern antun, wenn er sie nicht ablenkt? Was genau an ihm zieht die Schatten so in Bann, dass sie alle anderen vergessen? Ist er wirklich nur traurig, dass das Du ihm folgt? Ist er nicht auch vielleicht ein wenig erleichtert, diese ungeheure Bürde endlich loszusein? Ich denke, du verstehst, was ich meine. Da ist sehr viel Potential mMn.
Zum Du: Schwierig. Mir ist die Perspektive nicht so ganz klar. Offenbar ist ja der Wächter der Erzähler, aber gleichzeitig ist er scheinbar auch allwissend, denn er beschreibt Aktionen und Reaktionen des Du, die er eigentlich gar nicht mitbekommen kann. Entweder beschränkst du es auf das, was der Wächter mitbekommt oder du beschreibst aus zwei, klar abgegrenzten Perspektiven - dem Ich und dem Du. Und außerdem, woher weiß das Du am Ende, das es nun selbst der Wächter ist? Offenbar kann ein Wächter nur erlöst werden, wenn jemand seine Stelle einnimmt (der vorher auch sterben muss?). Schön und gut, dass das Ich das weiß. Aber wieso weiß das Du das auf einmal auf magische Art und Weise? Und wie kann es das so locker aufnehmen? Hat es nicht tausend Fragen, Sorgen, Angst vor den Schatten, ist es nicht gerade gestorben? Also mir würde da der Kopf schwirren.

Eine Kleinigkeit zum Ausdruck noch:

Während des Tages müssen sie an kalten und verfluchten Orten Zuflucht suchen, die weder Sonnen- noch Mondlicht je erreichen.

Wenn sie während des Tages Zuflucht suchen, frage ich mich, woher das Mondlicht kommen soll :D Während der Nacht verstecken sie sich ja offensichtlich nicht.

Ich hoffe, meine Kommentar kam nicht zu harsch rüber, so ist es nämlich keinesfalls gemeint. Wie gesagt, ich finde das Grundgerüst deiner Story sehr interessant und würde mich auch über eine überarbeitete, längere Version freuen. Alles, was ich hier gesagt habe, sind Tipps, die natürlich nicht in Stein gemeißelt sind.

LG Krizzle

 

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