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Vorstadtliteraten

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10.07.2004
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Vorstadtliteraten

von Keno tom Brooks
Wir waren eingeladen. Meine Frau und ich sollten zur Vorstellung des neuen Bandes kommen, in welchem auch eine meiner Geschichten erschien. Sie nannten das Neudeutsch: „Release-Festivität“.
Die Einladung kam per E-Mail und wir waren an dem fraglichen Abend pünktlich ¼ vor acht da. Ein Hörsaal der Universität, in dem die Stühle auf den flachen Stufen – Höhepunkt der Extravaganz- verkehrt herum standen, so dass man mit dem Stuhlrücken leicht zum Erdmittelpunkt hingeneigt, nach oben sehen musste, dorthin, wo sonst der Hiwi die Dias weiterdreht.
Der Blick war durch ein Geländer behindert und ich saß natürlich genau so (Murphy´s Law), das das Gesicht des dort Sitzenden von der obersten Stange des Geländers in zwei unvorteilhafte Hälften zerschnitten wurde. Der Mann saß mit schwarzem Pulli, grauem Jacket und grauem Schal um den Hals hinter einem Tisch, verborgen von Computer und Bildschirm, eine Flasche Bier neben sich und ein Mikrophon in der Hand. Aus den großen Boxen neben dem Computer kam in einer -für einen Wiener Ballsaal ausgelegten- Lautstärke Musik.
Oder etwas, das man bei größter künstlerischer Nachsicht im weitesten Falle dafür halten konnte.

Er sang deutlich verinnerlicht irgendetwas unverständliches in sein Mikrophon hinein. Einige deutsche Wortfetzen waren zu verstehen, ergaben aber keinen Sinnzusammenhang. Obwohl das vielleicht gewollt war, den schließlich war dies eine künstlerische Veranstaltung. Da fällt im Zweifelsfalle alles, was man nicht versteht, unter den weiten Begriff Kunst. Das Kunst vom Können kommt und nicht vom Wollen (dann hieße es Wulst) war noch nicht bis in diese Hallen vorgedrungen.
Ich schaute auf meine Uhr und stellte fest, das jetzt, um 20:00 Uhr die Festivität beginnen sollte.
Der Akteur sang selbstvergessend probend vor sich hin und wir waren immer noch die einzigen und somit das vollständige Publikum.

Einige andere hatten sich am Eingang versammelt, kannten sich wohl, tranken Bier aus Flaschen und rauchten. Zwei setzten sich -Extravaganza Tabula rasa- nicht auf die mit künstlerischem Effet verkehrtherum aufgestellten Stühle, sondern auf den Fußboden. Mit dem Rücken an die Wand gelehnt wurde so der Verachtung für das Establishment der verkehrten Stühle nachhaltig Ausdruck verliehen.
Einige Gäste trudelten gegen viertel nach acht ein. Ehepaare mit Kindern, die lustig tobend das Geländer an der „Bühne“ in Beschlag nahmen und ein junges Mädchen, das den Eindruck erweckte, Wissend die Last der Welt zu tragen. Tief blickte sie in die neue Ausgabe des Literaturmagazins und nickte immer wieder sich selbst in unendlicher Weisheit bestätigend zu.
Eine Frau kam schnellen Schrittes zielsicher durch die Eingangstür, drängte sich schroff durch die dort versammelten und ging zielstrebig, den Kopf hoch erhoben an den Stuhlreihen vorbei nach hinten.
Sie hatte eine undefinierbare Tiger/Blumen/Hype-Hose mit weitem Schlag und das passende Bolero-Jäckchen an, dessen Schöße nach hinten wegflogen und an Lehrer Hempels Frackschöße erinnerte. Der Haarschnitt wie Simone de Beauvoir in den 60igern, dazu die große Designer – Brille mit dickem schwarz-intellektuellem Rand, das ganze wie aus dem „Mode für Literaten“-Katalog.
Sie stürzte auf einen Typen am Ende des Raumes zu, der mit gekreuzten Beinen zufrieden mit sich und der Welt auf einem Tisch saß und Pizza aus einer Pappschachtel aß. Ein dürrer hagerer Typ, mit einem ausgedünnten Kinderbärtchen von der Unterlippe zum Kinn, der ihm wohl das revolutionäre Aussehen von Frank Zappa geben sollte....oder war das Che Guevara der diesen Song „...fick mich auf dem Sofa“ geschrieben hat ?
Die Frau ging die Stufen vehementen Schrittes hinunter und fing bereits in der Mitte des Saales an, den Pizzaesser wüst zu beschimpfen. Das ganze sollte wohl so etwas von durchsetzungsfähiger Managerin haben oder zumindest emanzipierter Geschäftsfrau, schien aber eher auf jemanden zu deuten, der zu oft billige Seifenopern im Bügelfernsehen sah.
Der dürre Pizzaesser ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, war er doch bereits mehrfach durch den Untergang der zivilisierten Welt gegangen und hatte überlebt. Er bot der immer noch wüst Schimpfenden ein Stück Pizza an, zuckte mit den Achseln, als diese -heftig gestikulierend- abwinkte und schob sich das letzte Stück genüsslich zu dem bereits im Mund verschwundenen.

Dann stand er auf, nuschelte etwas wie:“...schpäder ..och..eden...“ und ging mit Pizzadeckel zum Ausgang, um sich ein Bier zu holen. Dort hatten sich inzwischen etwa 10 Vorstadtliteraten in Einheitstracht grau/schwarz eingefunden, blätterten in der neuen Ausgabe der Literaturzeitschrift, die sie offensichtlich alle mitgestaltet hatten und fühlten sich keinesfalls veranlasst, ihre verkehrten Plätze einzunehmen oder den Abend beginnen zu lassen. Es war inzwischen 20:30 Uhr und ich hatte die Schnauze langsam voll. War die „Musik“ zwischendrin abgestellt worden und einer angenehmen Ruhe gewichen, lief sie jetzt bereits wieder, wenn auch leiser so doch nicht gewöhnlicher. Sie nannten das „Klanginstallation“, was nur zu größerer Verwirrung beitrug. „Installationen“ waren nicht zu sehen und von „Klang“ keine Spur.

Die Musik hatte nur einen Vorteil: sie machte mich aggressiv.

Ich rutschte unruhig auf meinem Stuhl hin und her, versuchte mich mit einem Bier abzulenken und den unfreiwilligen Akteuren dieser Muppets-Show noch etwas zuzuschauen.
Ein dicker Hüne von fast zwei Metern lief, ständig eine Cola-Dose in der Hand, vom Eingang zum Pult mit dem Computer und zurück. Er hatte offensichtlich nichts zu tun, war dabei aber sehr geschäftig. Sein blaues T-Shirt mit dem Aufdruck: „Caribbean“ war neben dem weißen haarigen Fettbauch, der darunter hervordrückte, der einzige Lichtblick im schwarz-grauen Designerdschungel. Die Augen waren tiefliegend, von dicken blauen Ringen umgeben und der gesamte Leidensdruck seiner nicht mehr ganz jungen Jahre umgab ihn wie die Aura einen Heiligen.

Viertel vor 9.

In der verkehrten Welt saßen außer uns noch 3 Personen im Dauerfeuer der Boxen, der Rest hatte sich am Eingang vernebelt.

Ich stand auf, half meiner Frau in den Mantel und wir gingen in der Kneipe um die Ecke bei Frankie in Ruhe noch ein Bier auf die Veröffentlichung trinken.

 

viertel
Extravaganz-
Leerstelle nach Extravaganz
das das Gesicht
dass das Gesicht
Gesicht des dort Sitzenden von der obersten Stange des Geländers in zwei unvorteilhafte Hälften zerschnitten wurde
verborgen von Computer und Bildschirm

wie kann er dann erkennen, dass das gesicht geteilt wird?
Obwohl das vielleicht gewollt war, den
denn
und stellte fest, das
dass
wir waren immer noch die einzigen und somit das vollständige Publikum.
und wenn die stange teilt, warum setzte er sich dann nicht woanders hin?
verkehrtherum
verkehrt herum
den Eindruck erweckte, Wissend die Last der Welt zu tragen
wissend klein
Designer - Brille
Designerbrille
Ein dürrer hagerer Typ
dürrerKOMMA
Hi keno tom Brooks,
tut mir Leid, mit deiner Geschichte kann ich nichts anfangen. Am Anfang fand ichs noch ganz unterhaltsam, aber das Ende erscheint mir so, als ob du mittendrin die Lust verloren und einfach abgebrochen hättest.

 

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