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Vorgelebt, nachgelebt
Seit Axel zu uns in die WG gezogen ist, quollen die Regale über von lauter teuren Markenprodukten. Es ist, als habe er ein bis zwei Werbeblöcke auf seinen USB-Stick gepackt und seiner Mutter als Einkaufsliste mitgegeben. Besonders an Getränken wurde nicht gespart, Coca Cola und Red Bull belegten die meisten freien Stellen des Kühlschranks. Ich hielt mich immer für immun gegen das öffentliche Anpreisen verschiedenster Artikel. Weil man doch nur Aufpreise für die Namen zahlt, doch nun wurde alles anders.
Wenn ich in der Küche stand, um mir eine meiner kostengünstigen Pizzas zu backen, hörte ich schon am Geräusch der Schritte, dass Axel sich näherte, tief schnaufend schob er seinen massigen Körper Stück für Stück weiter in Richtung Kühlschrank. Er war durstig, seine Bewegungen waren sehr steif, denn seit einer Operation der Wirbelsäule konnte er den Kopf nicht mehr zur Seite drehen, sodass er stets seine ganze Masse bewegen musste. So hob er auch während des Gehens die Füße nicht richtig an und schleifte mehr, als dass er schritt. Im Ganzen erinnerte er mich dann immer an ein Walross, das zur Bewegung ja auch den ganzen Körper benutzen muss. Ich meine dies aber auch nicht negativ, denn er war eigentlich ein ganz netter Kerl.
Er betrat also die Küche und öffnete den Frischhalteschrank. Keuchend griff er sich eine 1 1/2 Literflasche Coca-Cola und schraubte hektisch den Verschluss auf, dann begann er wie bei einem heiligen Ritual den schwarzen Saft in seinen Mund laufen zu lassen, bis dieser restlos gefüllt war, um dann den Inhalt dieses Zwischenspeichers mit einem großen und lauten Gluckern seine Speiseröhre hinablaufen zu lassen. Dies wiederholte er einige Male, um dann dem Kribbeln der Kohlensäure in seinem Rachen nachzugeben und begleitet von einem erleichterten Ausatmen abzusetzen und die Flasche zurück an ihren Platz zu stellen.
Ich stand indessen daneben und verfolgte wie hypnotisiert den Fluss der Cola in seinen Körper. Seine genießerische Art zu trinken animierte mich derart, das ich schon versucht war ihn zu fragen ob ich nicht auch mal einen Schluck bekommen könne Doch konnte ich mich gerade noch mal zurückhalten.
Seit dem jedenfalls fielen mir beim Einkaufen vermehrt die Flaschen mit diesem Erfrischungsgetränk ins Auge und es dauerte nicht lange, da landete schon eine davon in meinem Einkaufswagen. Er hatte mich gekriegt, die Werbung hat gewirkt. Es fehlte nur das entscheidende Erlebnis, das mir Axel lieferte, um alle Anpreisungen lebendig werden zu lassen um mich einzufangen. Ich fühlte mich irgendwie besiegt. Aber ich konnte nun ebenfalls das Trinken derart zelebrieren, dass jeder Schluck etwas besonderes war. Ich versuchte dabei, mich so gut es ging in Axel hineinzuversetzen, um das selbe Gefühl dabei zu erleben. Doch war ich mir nie wirklich sicher, ob es auch so war, wie er es empfand. Auf jeden Fall hatte er mich besiegt, er hatte aus mir, einem überzeugten Selterstrinker, einen Cola-Jünger gemacht. Und zwar ohne irgendwelche Überzeugungskraft, einfach nur durch Vorleben seiner genießerischen Art.
Beim Thema Trinken sind wir alle hier sehr sensibilisiert, weil der Großteil der Bewohner trockene Alkoholiker ist und jeder spezielle Alternativen dafür herausfinden muss. Doch nun schien es mir fast so, als sei Axel von der Erfrischungsgetränkindustrie hier eingeschleust worden, um substitutionsorientierte Produktplatzierung zu betreiben. Da sie halt denken, wenn die keinen Alkohol mehr trinken, brauchen sie ja irgendetwas um einen Ausgleich herzustellen. Wahrscheinlich war es jedoch nicht so, doch gefiel mir dieser verschwörerische Gedanke.
Wie alle Modeerscheinungen verflüchtigte sich auch dieser mit der Zeit. Mittlerweile bin ich wieder auf Selters umgestiegen, allein schon der Preise wegen. Nun gedenke ich amüsiert meiner Cola-Phase und wartete auf den nächsten Hype.