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Vor einem Schaufenster
Es ist Samstag Nachmittag und ich fahre mit dem Bus in die Stadt, um meiner besten Freundin ein Geburtstagsgeschenk zu kaufen. Es ist eisig kalt, zum Glück habe ich meine Handschuhe und meinen Schal dabei. In der Stadt ist viel los und ich werde ein paar Mal angerempelt. Ich laufe in Richtung Innenstadt und bleibe dann vor einem Riesenschaufenster mit wunderschönen Kleidern stehen.
Die Kleider kosten alle ein halbes Vermögen, aber ich bleibe trotzdem öfters hier stehen, nur um sie anzuschauen und zu träumen. Ich träume immer das selbe: Ich in einem dieser wunderschönen Kleider, sitze im Frühling auf einer Wiese mit unzähligen Blumen und neben mir mein Mann. Ich weiß nicht, wie sein Gesicht aussieht, aber ich weiß, dass es der ist, von dem ich schon immer geträumt habe.
Vielleicht bin ich etwas verrückt, wenn ich mir solche Sachen ausdenke. Es liegt bestimmt daran, dass ich schon zu lange nicht mehr verliebt war. Ich sehne mich nach Geborgenheit und Romantik und all diesen Sachen, aber niemand ist da, der sie mit mir teilt. Eine kleine Träne bahnt sich ihren Weg über meine Wange.
Ich stehe bestimmt schon fünf Minuten vor diesem Schaufenster, still, starr und weinend. Da spricht mich ein Mann an. Er sieht ein bißchen aus wie Terence Hill, mit seinen großen blauen Augen. Nur dass er jünger ist und sein Lächeln sofort aus seinem Gesicht verschwindet, als er meine Tränen sieht. Ich wische sie schnell weg. „Entschuldigung. Ich wollte nur wissen, wieviel Uhr es ist?“, er schaut mich flüchtig an.
„Äh, so zwanzig nach drei“ , meine Stimme ist kratzig und leise.
„Ach, dann hab ich ja noch massig Zeit“, meint er erleichtert, „ich muss nämlich nachher noch zu einem Termin. Eine Wohnung besichtigen. Und da macht es wohl einen schlechten Eindruck, wenn ich zu spät komme. Das passiert mir leider öfters.“ Er lächelt entschuldigend und es macht ihn mir nur noch sympathischer. Ich weiß nicht, was ich sagen soll und ob ich überhaupt etwas sagen soll. Aber er geht bestimmt eh gleich weiter.
„Und was machst du hier? Äh, ich meine, was machen Sie hier?“ Er fragt, als ob er nicht sicher wäre, ob er es dürte. Es ist bestimmt nicht seine Art, so Mädels anzubaggern.
„Ich wollte ein Geschenk kaufen. Aber Sie müssen nicht „Sie“ sagen, ich werde gern geduzt.“
„Echt? Ich auch, ich bin ja auch erst 21. Ich studiere hier ab Mai – deshalb auch die Wohnung. Wohnst du auch hier? Oh, vielleicht sollte ich dich das gar nicht fragen, tut mir leid. Ich rede manchmal einfach zuviel und dann fühlen sich die Leute bedrängt.“ Er schaut verunsichert auf den Boden.
„Nein, nein, das ist schon in Ordnung. Du zwingst mich ja nicht zu einer Antwort.
Ich wohne in einem Vorort.“
Viele Menschen laufen vorbei. Es kommt mir vor, als wären er und ich auf einer Insel. Einer Insel in der Menschenmenge.
Ich fröstele.
„Ziemlich kalt, was?“
Oh, wie aufmerksam. Ich nicke. Er macht den Mund auf und zu, wahrscheinlich weiß er nicht, was er sagen soll. Wir sagen eine kurze Ewigkeit beide gar nichts.
„Ähm, wir könnten ja einen Kaffee trinken gehen. Ich meine, natürlich nur, wenn du Zeit hast...“ Mein Herz bleibt stehen. Wie kann ich nur so was fragen?! Ich wage fast nicht, ihn anzusehen, solche Angst habe ich, dass er Nein sagt.
Doch er strahlt über das ganze Gesicht: „Ja, sehr gerne! Weißt du was? Ich bin so froh, dass du gefragt hast, ich wollte nämlich das gleiche vorschlagen, aber ich hab mich nicht getraut.“ Wir lächeln uns an.
Es ist der schönste Tag seit langem.