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Vor der Brücke

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21.08.2003
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Vor der Brücke

Sie trafen sich beide kurz vor der Brücke. Auf die Brücke selbst wollten sie nicht, denn dort hatten sie sich zum ersten Mal gesehen. Es schien ihnen kein geeigneter Ort für ein Gespräch zu sein.
Der Regen prasselte auf ihren beinahe farblosen Regenschirm. Sie wollte nicht nass werden. Ohnehin würde das hier schnell gehen, nur ein paar Worte, mehr nicht. Es bedeutete ihr nichts, schon lange nicht mehr. Manche würden sie in dieser Situation als Sadist betiteln, doch das war sie nicht. Eher Egoist. Menschlich. Sie konnte sich schließlich nicht zu etwas zwingen lassen, es entsprach ihrem Willen einfach nicht. So würde es für beide Beteiligten zur Qual werden. Ihre Gedanken galten dem Vorteil beider Seiten.
Auch die andere hatte einen Schirm, doch blieb er geschlossen. Sie wollte die Kälte auf ihrem Körper spüren. Das Innere nach außen kehren. Wie gern würde sie dieses Gespräch vermeiden, aber es würde irgendwann über ihr zusammenbrechen. Jetzt war sie wenigstens vorbereitet, auf beinahe alles. Weinen konnte sie nicht. Später würde sie es tun, allein. Der Zustand, in dem sie die nächsten Tage, Wochen, wer wusste schon wie lang verbringen würde. Aber sie wollte nicht nocheinmal etwas wie heute erleben. Nie mehr.
Die beiden Protagonisten unterschieden sich. Mit Farben beschrieben war die eine für die andere von dunklem schwarz und für sich selbst von hellem gelb. Wenn sie diese Begegnung hinter sich hatte. Die andere hielt sich für grau und wurde als weiß angesehen. Eine neutrale Farbe, eine ungerechte Farbe.
Leise begann die eine zu sprechen. Sie sei nicht schuld. Es war die Gesellschaft, ihr Stacheldrahtzaun. Ihre verkorksten Moralvorstellungen. Beide hatten keine Schuld. Das war es, was sie sagte. Doch sie meinte schlicht und einfach, dass sie sie nicht mehr sehen wollte, nichts mehr für sie empfinden würde. Zu sehr hatte sie geklammert. Ihr war es zuwider geworden, irgendwann. Aber einst hatte sie sie geliebt, deshalb konnte sie ihr die Wahrheit nicht sagen. Die Lüge würde sie nie erfahren. Es war besser so.
Die andere sagte, dass es okay war. Mehr nicht. Aber sie spürte, dass sie vor Schmerz sterben würde. Es wucherte in ihr und betäubte sie. Wie sehr hatte sie sie geliebt, wie sehr tat sie es immer noch. Und wie lang würde sie es nicht überwinden können. Sie verfluchte die Gesellschaft, die sie zerstört hatte. Die immer alles zerstörte, wie sie meinte. Doch sprach sie es nicht aus. Was würde es auch nützen.
Sie gaben sich die Hand. Unnötige, grausame Höflichkeit. Sie drehten sich um und gingen in verschiedene Richtung davon, eine der beiden in Richtung Brücke. Was sie dort tat und was sie dort nicht tat, ist nicht Gegenstand dieser Erzählung.
Lügen, verschleiert in schillernde, dunkle Farben. Die tödlichsten Richter.
Am Ende hatte nur die andere schuldvoll geweint.

 

guten morgen Iphigenie,
du hast versucht, einen psychologisch äusserst komplizierten vorgang in eine knappe form zu pressen. dichte sätze.

am besten gefällt mir der ansatz, gefühle mit farben zu beschreiben. die idee ist sehr gut - aber mit der umsetzung komme ich nicht klar. warum ist zum beispiel weiss eine ungerechte farbe? nur weil sie neutral ist?

die klare abgrenzung der beiden protagonistinnen ist dir ein anliegen - eine schwarz-weiss-malerei. dies gelingt dir ganz gut, nur am anfang bist du unklar:

Es schien ihnen kein geeigneter Ort für ein Gespräch zu sein.
- im ersten satz sprichst du noch von beiden damen, im zweiten aber schon von der "egoistischen".

a propos "egoismus" - warum muss der automatisch menschlich sein? ich kenne ausgesprochen "unmenschliche" egoisten!

in bezug auf die rechtschreibung scheint mir einiges im argen zu liegen - aber da ich mich selbst nicht genau damit auskenne, überlasse ich diesen punkt gerne anderen.

liebe grüße
ernst

 

hoppla - im obigen zitat hat sich ein fehler eingeschlichen. der zweite satz fehlt:


Der Regen prasselte auf ihren beinahe farblosen Regenschirm.

sorry.
ernst

 

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