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Voodoo und andere Missverständnisse

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24.04.2003
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Voodoo und andere Missverständnisse

"Sie wissen ja, das ich am Montag nach London fliege und bei der Betriebsversammlung nicht anwesend sein kann", verrät er mir mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen, während sich seine Blase in das Pinkelbecken entleert. - "Stellen abzubauen ist niemals schön, aber der Konzern sitzt mir nunmal im Nacken, da kann ich nichts machen. Ich bin mir sicher, dass Sie den Leuten die Situation schon ganz verständlich und plausibel rüberbringen werden. Sie sind doch mein Mann, Rick!"
Paulsen betätigt die Spülung und lässt seinen eingezogenen Schwanz zurück im Armani Anzug verschwinden. Dann klopft er mir mit der ungewaschenen ´Revolverhand´ kumpelhaft auf die Schulter und verschwindet durch die Tür hinaus zurück in sein gigantisches Büro.
Noch hat er gut Lachen; kann kurzfristig dubiose Termine in England festmachen, um sich vor seiner Verantwortung zu drücken. Er muss den Mitarbeitern aus der Produktion, die zum großen Teil schon mehr als zehn Jahre für die Firma arbeiten, schließlich nächste Woche nicht zu verstehen geben, das sie aufgrund grober Fehlentscheidungen im Management ab Februar auf der Straße stehen.

"Rick, Sie stammen doch aus Jamaika, Sie müssen sich doch bestens mit Armut auskennen. Nächste Woche fliegen Sie zu den BAYER-Werken in Kappstadt."

"Rick, wenn Sie den Auftrag vermasseln, drehe ich Ihnen mit der Kneifzange persönlich Rasta Zöpfe auf den Schädel."

"Rick, ich habe Sie nicht in den Vorstand befördert, damit Sie Ihren Karibik Hintern platt sitzen. Sowas können Sie da machen, wo Sie herkommen."

"Rick, Ihre Familie soll doch stolz auf Sie sein, oder? Dann bemühen Sie sich bitte, damit Ihre Mama auch weiterhin mit der Gewissheit einschlafen kann, das es zumindest einer aus der Sippe zu etwas gebracht hat."

"Hey Rick! Im ´FOCUS´ steht was über Voodoo und so´n Zeugs. Damit kennen Sie sich doch bestens aus! Soll ich Ihnen den Artikel hier lassen?"

Von all den erniedrigen Sprüchen, die ich mir von diesem Dreckskerl gefallen lassen musste, ist mir letzterer am symphatischsten.
Eigentlich wollte ich mein von langer Hand geplantes Vorhaben erst nach der Betriebsversammlung in die Tat umsetzen, aber wie das Schicksal nunmal hin und wieder spielt, ist Paulsen, dieser Schweinehund von einem Bastard, heute früher von seinem Außen-Meeting zurückgekehrt. Wahrscheinlich ist er bloß schnell zu seiner Schlampe gefahren, die dann aber keine Lust mehr auf ihn hatte, weil selbst sie bemerkt hat, was für ein Schwein er ist.
Oh du gnädige Fügung, du meinst es gut mit mir an diesem wundervollen Tag. Was für ein angenehmer Zufall, das wir uns hier auf der Toilette getroffen haben.
Ich lasse das dunkle Haar behutsam in mein kleines Plastiktütchen fallen. Hier ist es besser aufgehoben, als auf seinem Jackett.
Anschließend ziehe ich mich in meine Pause zurück; es gibt eine Menge zu erledigen in der nächsten halben Stunde.

Es ist kurz nach halb drei als ich, ohne höflicherweise zuvor angeklopft zu haben, die Bürotür aufstoße und in sein entsetztes, fettes Gesicht blicke. Hastig klickt Paulsen die gerade geöffnete Internetseite weg, von deren Inhalt ich gar nichts ahnen möchte.
"Rick! Haben Sie noch alle Sinne beisammen? Was soll diese gottverdammte Scheiße? Was halten Sie da in der Hand?"
"Das bist du. Ein geistiges Abbild von dir. Dein kleines Ich sozusagen", antworte ich, vor Erregung bebend.
"Sind Sie jetzt total übergeschnappt? Ich wusste von Anfang an, dass Sie nur Ärger machen würden. Es kostet mich nicht mehr als fünf Minuten und Sie sind raus hier."
Oh ja, er hat Angst, wird fast panisch. Was er wohl jetzt denkt? Ob ich ihn absteche, oder gar den Kopf abreiße? Hmmm...was für ein verlockender Gedanke.
"Bitte, Rick. Ich habe keine Ahnung was in Sie gefahren ist, aber vergessen wir diese Situation hier doch ganz einfach und Sie gehen wieder, in Ordnung? Dann ist alles wie vorher, ich gebe mein Wort darauf."
Ha! Als wenn sein Wort tatsächlich etwas wert wäre. Er hat mein Messer in der anderen Hand entdeckt und wird immer nervöser.
"Weisst du", fange ich an zu sprechen, "der Artikel im ´FOCUS´ damals war ganz nett, aber eines wollt ihr Europäer einfach nicht lernen. Weisst du was es ist?"
"Hör zu Rick. Wir können doch über alles reden...", stammelt er.
"Ich verrate es dir. Voodoo Puppen werden nicht mit Nadeln bearbeitet. Ich habe keine Ahnung, wer mit diesem Schwachsinn angefangen hat, aber Messer eignen sich dafür viel vorzüglicher."
"Hey, es gibt keinen Grund..."
"Ich werde dich nicht lange quälen, obwohl ich es gerne täte, aber viel besser gefällt mir der Gedanke, dich einfach tot auf den Boden plumpsen zu sehen; du abstoßendes Arschloch!"
"Rick!"
Ich steche zu, zerfetze fast die ganze Puppe in meiner Wut.
Jetzt wirst du sterben.

...

"Hören Sie doch bitte Rick. Wir regeln das alles ganz zivilisiert."
Was? Er lebt noch?
"Los...fall um!", brülle ich.
"Rick, Sie sind doch nicht dumm. Es gibt keinen Grund, auszuflippen, bitte."

Ein Toupee! Oh Gott, doch wohl nicht etwa aus echtem Menschenhaar? Dann habe ich gerade jemand unschuldigen unter die Erde gebracht. Das darf doch alles nicht wahr sein. Ich bin ein Mörder.

"Rick, bitte Rick, Rick..." - Ich kann dieses Gewinsel nicht mehr hören. Irgendjemand anderes ist jetzt tot, was habe ich bloß getan?
Ich muss hier raus. Einfach nur nach hause. Es gibt keine Zeugen. Alleine kann er mich nicht kündigen. Die Anderen müssen ihr Okay geben; die Situation ist peinlich, aber überschaubar.
"Rick!", ruft Paulsen mir hinterher. Was habe ich nur getan? Ich hätte nicht so überstürzt handeln dürfen.
Die Autobahn ist voll, aber meine Gedanken schweifen bloß noch um das Geschehene. Wäre er doch nicht früher zurückgekommen. Vielleicht hätte ich sein Haar dann genauer unter die Lupe genommen, gemerkt, das es nicht sein eigenes ist.
Als ich von der A46 in Richtung Essen abbiege und mich auf der Hauptstraße einfädele, erkenne ich einen LKW auf der Gegenfahrbahn. Soll ich einfach nur das Steuer verreißen und mich selbst bestrafen? Was, wenn der Fahrer dann auch umkommt? Ein weiteres Leben, das ich auf dem Gewissen hätte.
Nein, ich steh das durch. Mein ganzes Leben lang bin ich hart gewesen, habe immer nur einstecken müssen; weshalb nicht auch jetzt?

Mit zitternden Händen schließe ich die Tür auf.
Sei ganz entspannt, lass dir nichts anmerken
"Schatz? Meine kleine süße Esmeralda, wo bist du?"
Klappt doch ganz gut.
Als ich ins Wohnzimmer komme, sehe ich sie starr auf dem Boden liegen.
Das Chatfenster hatte sie nicht mehr weggeklickt.

 

Hallo allerseits!

Ich denke mal, dass ich die Pointe verstanden habe.
Eine durchschnittliche Geschichte, die sich durch nichts besonderes auszeichnet. Routiniert gelöst die Aufgabe und handwerklich gekonnt, aber uninspiriert heruntergeschrieben.

Die Auflösung ist recht lustig, kann aber nicht über den Rest hinwegtrösten.

Ja, ich geb es zu, mir fehlt der Stil!

Dieser Titel hier war unangemessen, im Gegensatz zu den anderen, die fand ich cool.

Viele Grüße von hier!

 
Zuletzt bearbeitet:

hi cerb,

ich finde die idee total gut, auch der provokative, prägnante schriebstil ist cool und die geschichte liest sich flüssig.
leider muss ich hannibal recht geben: man hätte aus der idee mehr machen können. ich denke aber du hast dich nur auf das wichtigste konzentrieren wollen, ohne viel gelabber drum rum. oder?

außerdem finde ich den titel genial passend. :)

gruß

andi

 

Hi Cerberus!

Tatsächlich, diesmal hast du es dem Leser (einigermaßen) leicht gemacht. Lass mich mal zusammenfassen, mal sehen ob ich alles richtig verstanden habe:

Paulsen hatte ein Verhältnis mit Rick's Frau, es ist ihr Haar, das dort an seinem Jacket hängt. Das Fenster das Paulsen wegklickt, war ein Chatfenster, richtig?

Gut gefallen hat mir die plötzliche Wendung, als Paulsen nicht (wie erwartet) umkippt. Das hast du gut rübergebracht. Nur ein kleines Problem ergibt sich daraus: reicht ein Haar, um jemanden mit Voodoo zu töten? Schlieslich hatte die Puppe das Aussehen von Paulsen... Um Esmeralda zu töten, wäre eine Puppe nach ihrem Vorbild nötig, oder? Okay, ich bin kein Voodoo-Experte, aber so kenn ich das zumindest aus Filmen.

Dein Schreibstil ist diesmal flüssig, geradlinig und angenehm zu lesen. Du sparst diesmal ziemlich mit überladenen, abstrakten Vergleichen und Formulierungen, das hat mir gut gefallen.

Zur Story selbst: da muss ich mich den anderen anschließen, du hättest aus der (sehr guten) Idee mehr rausholen können. Das Thema Voodoo ist noch relativ unverbraucht, zumindest hier auf KG.de und hebt sich ab von den ganzen Werwölfen, Vampiren und geistig Gestörten. Schade, daß du alles so schnell zu Ende bringst. Womit wir wieder mal beim Thema wären: ich glaube, du hast meistens einen Geistesblitz, eine kleine Idee und versuchst dann, um diese herum eine Geschichte zu konstruieren. Oder wie in diesem Fall: alles läuft auf die Pointe hinaus. Die Pointe ist gut, ohne Frage, aber du hättest noch viel mehr in die Geschichte packen können. Ab dem Punkt, wo Rick nicht weiß, wen er denn da getötet hat, ist genug Spannung vorhanden, um das Ganze ein wenig in die Länge zu ziehen. Du hättest falsche Fährten legen können, hättest Rick noch ein wenig "quälen" und die Voodoo-Sache noch weiter ausbauen können.

Aber genug geschwafelt.

Ich würde sagen, für dich eine durchschnittliche Geschichte, auf ganz KG.de bezogen aber eine überdurchschnittliche. Ich bin angenehm überrascht, daß du es dem Leser diesmal nicht so schwer machst. Weiter so!

Viele Grüße
Mike

P.S. muss jetzt wirklich auch mal wieder jemand anderen kommentieren, sonst denken die Leute noch, wir hätten was miteinander *ggg*

 

Hallo Cerberus,

Im Gegensatz zu meinen Vorrednern gefällt mir die Kürze des Textes sehr gut. Du hast alle wesentliche Punkte gut rübergebracht und nicht unnötig aufgepeppt.
Mir will diese Konzentration auf das wesentliche meist nicht gelingen.

Pointen und Charaktäre sind gut herausgearbeitet, auch wenn mir der Name Rick für einen Jamaikaner seltsam vorkommt.

Ein paar Details:
...Tür heraus...
/Tür hinaus/

...meine Pause zurück...
Einmal haben Manager nicht festgelegte Pausen und wenn er sich schon zurückzeiht, dann vielleicht in sein Büro oder in eine Besenkammer/


...Ein geistiges Abbild von dir. Dein kleines Ich sozusagen...
/1 x genügt/

...ich gebe mein...
/ich gebe Dir/Ihnen mein/
Grüße
bernhard

 

Hi Cerberus,
gute Geschichte; keine Frage. Vielleicht hättest du den Umstand des Verhältnisses ein wenig mehr herausarbeiten können. So braucht es seine Zeit, bis man darauf kommt; wenn man es überhaupt tut. Das ist aber auch alles, was ich zu meckern habe. Die Länge ist OK, auch wenn die Tötungsszene für meinen Geschmack etwas ausführlicher hätte sein können. So, das war es aber wirklich...

Grüße...
morti

 

Bin momentan leider ein wenig in Eile, daher etwas auf die Schnelle:


@Hanniball

Wir haben ja bereits PeäMt. Werde mich bezüglich deines Vorschlags noch melden.

@ganje

Ich wollte den Text ursprünglich auch länger schreiben, dachte aber, das man die Idee ganz gut in aller Kürze verpacken kann. So kommt meiner Meinung nach auch die Pointe besser rüber.

@Mike

Du hast die Geschichte korrekt verstanden.
Ich würde sehr gerne einmal eine "richtige" Voodoo Story schreiben, leider fehlen mir hierzu die Grundkenntnisse. Was allerdings die Puppe angeht: Es ist möglich als Zutat nur ein einziges Haar zu verwenden, da bin ich mir eigentlich ganz sicher.
Jedenfalls scheint mein "nüchterner" Schreibstil ja ganz gut anzukommen :D
P.S. Sollen die Leute doch ruhig denken, Schatzi :D

@Bernhard

Danke fürs Lob und die rausgesuchten Stellen. Werde hier und da noch ein wenig nachbessern.

@morti

Auch dir Danke fürs Lob.
Allerdings handelt es sich ja nicht wirklich um eine Tötungsszene, da Ricks Chef ja überlebt. Insofern fand ich die Länge eigentlich ganz okay; wollte auch nicht zu dick auftragen.

So, euch allen Danke fürs kommentieren und bis dahin!

Viele Grüße

Cerberus

 

Geschrieben von Cerberus81


Was allerdings die Puppe angeht: Es ist möglich als Zutat nur ein einziges Haar zu verwenden, da bin ich mir eigentlich ganz sicher.
Jedenfalls scheint mein "nüchterner" Schreibstil ja ganz gut anzukommen :D
P.S. Sollen die Leute doch ruhig denken, Schatzi :D


Hi C.!

Mit der Puppe: ich meinte nicht das Haar, das war mir klar, daß das funktioniert. Ich meinte: müsste die Puppe nicht wie die Frau des Prots aussehen, um sie zu töten? Jo, dein "nüchterner" Schreibstil gefällt mir wesentlich besser!

Gut, du hast Recht, bekennen wir uns endlich :D

Gruß
Mike

 

hi!
mir hat die geschicht gut gefallen. nett, unterhaltsam, gute idee.
auch der kreis, der sich wieder schließt, hat mir gefallen.
einzig der schluß wirkte wie durch ein zeit-raster gepreßt. nach der büro-szene hätte ich den heimweg nur schnell geschildert. aber eine kleine vorspannphase zuhause wär nicht schlecht gewesen. vieleicht, daß er seine Frau im ganzen Haus sucht und sie schließlich vor dem comp findet... wäre noch runder gewesen...

ein paar anmerkungen noch:

Ein geistiges Abbild von dir.
den ausdruck finde ich nicht gelungen....
antworte ich vor Erregung bebend.
ich würde ein Komma setzen, vor vor...
ich ihn absteche, oder gar den Kopf abreiße?
semantisch steht da: oder ihn den Kopf abreiße.. oder der satz ist sehr verkürzt. du weißt, was ich meine, oder?

Ahnung was
Komma

viel vorzüglicher
viel vorzüglicher hab ich noch nie gehört. das ist irgendwie doppelt gesteigert.

aber meine Gedanken schweifen bloß noch um das Geschehene.
schweifen zum / kreisen um .... so wirkt es seltsam

LG,

Frauke

 

Hallo arc en ciel,

zunächst mal danke für die aufgeführten Verbesserungsvorschläge.
Die Schlussszene habe ich nicht zu sehr ausschweifen lassen, weil ich Angst hatte, das der Leser dann schon vor den beiden letzten Sätzen auf die Pointe kommen könnte.

Beste Grüße

Cerberus

 

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