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Von wegen: „Stilles Örtchen“!
6:20h, ich sitze, viel zu müde um wach zu werden, auf meinem Klo und entleere nichtsahnend meine volle Blase, als mich meine Badewanne zum wiederholten Male besoffen anrülpst. Mir wird sofort kotzübel als die alkoholgetränkte Fahne mir um die Nase weht. Während ich, schwer bemüht mich nicht übergeben zu müssen, im Begriff war konzentriert meine Morgentoilette erfolgreich zu Ende zu bringen, fingen Badewanne, Kacheln, Waschbecken, Fliesen und Kloschüssel an, lallend zu kichern, um dann gemeinsam Schunkellieder zu grölen. Angenervt verdrehe ich die Augen. Währenddessen versucht mein Riechorgan den Aroma Bergfrühling zu erschnuppern. Irgendwo hier müsste er ja eigentlich sein, aber nicht einmal ein Hauch davon lässt sich erahnen.
Ich hardere während Selbstzweifel und Vorwürfe mich zerfressen. Wie konnte das alles nur passieren?!
Es fing so harmlos an. Eigentlich war es vielmehr ein ganz normaler so wie gleichermaßen natürlicher Vorgang, eine alltägliche Lappalie gewissermaßen. Doch diese Ausmaße ließen sich nicht einmal mit meiner Phantasie annähernd vermuten.
Es begann damit, dass meine Gäste mit einer boshaften Kontinuität über den muffeligen Klärwerkgestank in meinem Badezimmer offen und lauthals rummoserten und mit fiesen Bemerkungen meine Porzellanabteilung schwer diskriminierten. Nachdem meine Kloschüssel in tiefe Depressionen verfiel, war für mich der Entschluss gefallen, zu agieren. Konnte ich doch nur schwerlich zu lassen, dass fremde Menschen mein Bad mobbten. Unterlassene Hilfeleistung wäre das.
Eine, schon durch den Fernsehapparat, gut riechende Werbung, überzeugte mich, sogleich los zu ziehen, um den „General Bergfrühling“ für meine Mission zu gewinnen. Mit nur ein paar läppischen €uros ließ dieser sich bestechen und überzeugen und wirkte fortan mit hoher Intensität und steigender Regelmäßigkeit, dank Kraftalkohol, in meinem Badezimmer. Disziplin und Ordnung kehrten schnell ein
Ich war zufrieden, meine Gäste sprachlos erstaunt.
Wir hatten die Schlacht gewonnen, dachte ich zuversichtlich, vielleicht auch nur zu naiv, glänzte ich bis dato doch nicht mit kriegerischen Strategien und Erfahrungen.
Ich hätte stutzig werden sollen, als ich im Laufe der Zeit vermehrt über leere General-Flaschen im Badezimmer stolpern musste. Aber weder die Werbung noch die Verkäufer machten mich auf mögliche Gefahren und Überdosierung aufmerksam, des Weiteren waren nicht einmal vom Hersteller Warnhinweise diesbezüglich auf den General-Flaschen selbst zu finden. Gedankenlose, skrupellose Geldgeier!
Mein Badezimmer, ein Opfer der sozialen Marktwirtschaft.
Zu spät wollte ich wahr haben, was längst schon bittere Realität war. Mein Badezimmer sowie sämtliche Keramikinsassen haben ein erhebliches Alkoholproblem und ich sitze nun mittendrin und fühle mich ein stückweit mitverantwortlich und daraus resultierend beschleicht mich ein düsteres Schuldgefühl. Ob ich mein Bad bei den anonymen Alkoholikern anmelden sollte? Nein, nein, diese Blöße kann ich mir einfach nicht geben, nicht einmal meinem Badezimmer zu liebe. Ich würde weder dem gesellschaftlichen Druck mit ihren kritischen Fragen standhalten noch über vorwurfsvolle, fette Headlines hinwegsehen können. Bleibt also lediglich eine Alternative: der kalte Entzug. Ich werde mir Urlaub nehmen müssen, um mich voll und ganz meinem Bad widmen zu können, ist so ein kalter Entzug zweifelsohne eine anstrengende Angelegenheit, die Zeit, Mühe, Geduld und Nerven kostet.
Mittlerweile grölt die Keramik-Bande Alkohohlselig: „Es gibt kein Bier auf Hawaii...“ Was und wie viel muss man sich als arbeitende Steuerzahlerin um 6:35h eigentlich gefallen lassen? Um deutliche Grenzen zu setzen und um meine Autorität zu beweisen brülle ich in den Singsang meines Badezimmers: „Aufgehört und zugepasst, ihr Porzellan-Banausen, ab sofort ist Schluss mit lustig. Von nun an kaufe ich euch kein Putzmittel mit Kraftalkohol mehr. Ab heute wird wieder mit Essig geputzt. Damit das ein für alle mal klar ist.“
Stille.
Betretenes Schweigen, die Badewanne scharrt verlegen mit Blick auf den Boden gerichtet eines ihrer Vorderfüsse. Die Toilette ergreift zuerst das Wort. War ja nicht anders zu erwarten.
Toilette: „Tanja, ey, nun, nun bleib mal locker. Wir machen doch nur ein bisschen Party. Ehrlich, später räumen wir auch gründlich auf.“
Ego: „Nur ein bisschen Party. Ich lach’ mich kaputt. Ha, ha. Jeden Morgen macht ihr mittlerweile „nur ein bisschen Party“, wie du es nennst. Und nachmittags, wenn ich nach Hause komme, ist dir beispielsweise doch immer noch so übel, dass Du nicht einmal Deinen Klodeckel auf bekommst, ohne würgen oder gar brechen zu müssen, von deinen Kollegen hier im Raume mal ganz abgesehen. Nein, nein, ich bin überzeugt, dass ihr ein kräftiges Alkoholproblem habt und ich werde nicht zulassen, dass ihr euch in euer sicheres Unglück stürzt. Es bleibt dabei, fortan lasse ich nur noch Essig an euch wirken.“
Toilette: „Essig... brrrr... da schüttelt’s mich ja jetzt schon. Nein, im ernst Tanja, wir haben kein Alkoholproblem, wir hatten kein Alkoholproblem und wir werden auch zukünftig kein Alkoholproblem haben. Hey, wir könnten jederzeit damit aufhören, ehrlich. Ein bisschen feiern aber wird doch wohl noch erlaubt sein!“
Ego: „Ein bisschen feiern, ja, ein bisschen, wohlgemerkt. Aber ihr seid grenzenlos, zudem liegen hier überall leere Generalflaschen verstreut herum. Nein, nein, so geht es nicht mehr weiter, ich hätte schon viel früher einschreiten sollen. Nee, nee, es bleibt dabei: Nie wieder Alkohol. Punkt. Aus. Ende.“
Toilette: „Hey, sei kein Spielverderber. Gestern Nacht kam ganz spontan Meister Propper zu Besuch, du weißt schon, der beste Freund vom General, und dieser General befahl feste zu feiern. Du weißt, was passiert, wenn man sich den Befehlen eines Generals widersetzt?! Desertieren wäre die einzige Chance, aber du hast uns ja damals fest in den Boden verankert oder gar zementiert. Wir sind allem und jedem hilflos ausgeliefert. Selbst unsere Träume hast du hier einzementiert. Hast du gewusst, dass die Badewanne, in der du dich so oft entspannst, ihren Lebensabend eigentlich auf Jamaica verbringen wollte?! Aus der Traum. Und nun willst du ihr noch ihre letzte Lebensfreude nehmen. Na Danke!“
Ego: „Meinst du nicht, dass du da ein kleinwenig dramatisierst?“
Toilette: „Entschuldige mal, dieser Raum ist der kleinste im ganzen Haus, ich bin Tag und Nacht auf engstem Raume mit diesen Sanitär-Kreaturen eingesperrt, ich weiß wovon ich rede! Bei einer derartigen Enge bekommt man zwangsläufig mehr mit von jedem einzelnen als einen persönlich lieb ist. Selbst Legebatterienhühner haben mehr Platz als wir. Zudem, wie sagt ihr Menschen noch; ein bisschen Spaß muss sein!“
„Genau!“ Schallt es einhellig und zustimmend durch mein Badezimmer.
Toilette: „Und überhaupt, weißt du eigentlich wie es mir geht? Hast du dich auch nur mal eine Minute in mich hineinversetzt?!“ Ich musste bei dieser Vorstellung kichern.
Toilette: „Hör’ auf zu kichern, ich mein das ernst, außerdem warst du es, die hier ernst zur Sache gehen wollte, also verhalte dich auch dementsprechend und ziehe meine Äußerungen nicht ins lächerliche, das verbitte ich mir!“
Ego: „Entschuldige bitte, W.C.!“
Toilette: „Hast du auch nur eine leise Vorstellung von dem, was ich tagtäglich über mich ergehen lassen muss? Glaubst du vielleicht ernsthaft ich steh auf diese Natursektspiele und dergleichen? Weißt du wie motivierend es ist, wenn man frühmorgens aus seinem Schlaf gerissen wird, weil du ohne Vorwarnung mein Klodeckel hochreißt, deinen nackerten Arsch wie selbstverständlich auf meine Brille setzt und mir in die Schüssel pisst, pupst und scheißt? Weißt du wie schön es ist ständig deine Fotze und dein Arschloch sehen zu dürfen? Und da kommst du daher und beschwerst dich, weil wir mal gute Laune haben?!“
Ego: „Ich, nun ja, ich, ich, äh, nun, ich dachte, das wäre dein Job, deine Bestimmung, die dich ausfüllt. Außerdem, äh, ist das nicht schwer unter der Gürtellinie was du da äußerst?“ Stammelte ich fragend unsicher und schwer verlegen daher.
Toilette: „Ich, äh, ich dachte, äh.“ Äffte mich die Toilette nach „Hör’ mal zu, Tanja, hör’ auf zu denken, das einzige was mich hier ausfüllt sind deine Körperausscheidungen mit gelegentlichen Menstruationsblutungen – brrrr, mich schüttelt’s jetzt schon, wenn ich nur daran denke. In ein paar Tagen ist es leider wieder soweit, seufz – ganz zu schweigen von den Körperausscheidungen deiner Gäste. Sicherlich kann ich nur aus meiner eigenen Sicht schildern, und die befindet sich ausnahmslos unterhalb der Gürtellinie, falls es dir bis dato entgangen sein sollte. Und unterhalb der Gürtellinie befinden sich nun einmal die Geschlechtsteile.
Im übrigen, erinnerst du dich, als dieser dicke, fette Kerl zu Besuch war? Hast du dich eigentlich nicht gefragt, was der immer so oft und so lange im Bad gemacht hat? Ich wette, du hast dir nicht eine Sekunde lang Gedanken gemacht was der da im Bad getrieben hat! Richtig?“
Ego: „Ähh, also...“
Toilette: „Richtig! Nicht nur, dass dieser Fresssack Durchfall bis nach Meppen hatte - im übrigen warte ich bis heute noch darauf, dass du auch mal meine Kloschüssel von innen putzt und reinigst, kleben noch viele Überreste seiner Darmentleerungen in mir – nein, dieses fette Arschloch hat mich mehrmals vergewaltigt und auch noch dabei in mir abgespritzt! Wo warst du da? Hast du mir vielleicht geholfen? Nein, aber der General, der war da, der war zur Stelle, der lässt mich vergessen, der hilft mir und hört mir zu.“
Ego: „Warum hast du nie früher etwas gesagt?“
Toilette: „Wann denn, wie denn? Putzt du dir die Zähne, hörst du nichts, weil deine elektrische Zahnbürste so laut ist; badest du, dann hast du so laut deine Musik an, so laut haben wir vorhin im übrigen nicht einmal annähernd gesungen, dass man sein eigenes Wort nicht mehr verstehen kann; sitzt du auf mir, dann liest du Zeitung und schenkst mir keinerlei Beachtung. Wir alle hier, wir alle sind dir doch gar nicht wichtig. Dir ist nur wichtig, dass wir klaglos funktionieren und einen blitze blanken Eindruck bei deinen Gäste hinterlassen. Also tu bitte nicht so, als wenn dich unsere Probleme interessieren würden, klaro?!“
Ego: „Ähm, äh, ich muss los zur Arbeit sonst komme ich zu spät.“
Toilette: „Sicher, jetzt wo es brenzlig wird musst du zur Arbeit!“
Ich indes schließe schleunigst die Badezimmertüre um diese Unterhaltung zu beenden, allerdings komme ich nicht umhin mir noch mit anhören zu müssen, wie sich sämtliche „Badezimmer-Insassen“ über mich mokieren. Ich muss gestehen, ich bin erschüttert. Mir war gar nicht klar, dass mein Klo ganze Sätze bilden kann. Ganz im Gegenteil, diese Runde ging rhetorisch gesehen an mein Klo, es hat mich im ganzen Bad bloßgestellt. Bevor ich aber mein Gesicht und das zwischen den Beinen verloren gebe, bewahre ich Haltung und stelle schnell einen Karton General-Bergfrühling ins Bad, wohlwissend, dass das Saufgelage fortgeführt werden wird und damit die Aktion Filmriss erfolgsversprechend greifen kann. Danach ergänze ich den Einkaufszettel und füge „Binden und General besorgen“ hinzu.
6:55h. Ich fahre zur Arbeit mit der traurigen Gewissheit, dass ausgerechnet mein Klo ein Sprung in der Schüssel hat.