Mitglied
- Beitritt
- 04.11.2002
- Beiträge
- 61
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 9
Von PC Käufen und anderen längeren Aufenthalten im Elektrohandel
Eines Tages ging mein Computer kaputt. Trotz mehrerer Wiederbelebungsversuche meinerseits blieb das ermunternde Piepen beim Einschalten aus, es tat sich nichts mehr. Da das Teil schon ziemlich veraltet war (o.k., das war es ja schon beim Kauf) entschied ich mich dafür, mir einen neuen PC zuzulegen. Weil ich ja nicht blöd sein wollte, fuhr ich zu dieser roten Elektrohandelskette, welche ja mit unglaublich günstigen, kaum zu glaubenden, unmöglich zu unterbietenden, Ultraniedrigpreisen wirbt.
Beim Eintreten in das übergroße Geschäft bemerkte ich direkt in der Nähe des Eingangs ein kleines Zelt umgeben von Werbeaufstellern und Sonderangeboten. Vor dem Zelt saßen drei Männer sowie ein kleiner Junge auf Campinghockern. Eine heiße Suppe schlürfend diskutierten sie angeregt.
„Diese Kaffeemaschine ist nicht gut genug Herbert.“
„Nun, es war die preisgünstigste.“
„Ist mir bewusst. Vielleicht sollten wir eine teurere nehmen. Diese Suppe ist viel zu wässrig.“
„Das können wir nicht tun.“
Nun meldete sich auch der Dritte zu Wort.
„Herbert hat recht. Wir halten uns an unsere Abmachung. Wir nehmen immer nur das billigste Produkt und stellen es nach Gebrauch wieder zurück.“
In diesem Moment trat ich zu ihnen und begrüßte die Gruppe freundlich. Der Junge rückte schüchtern näher an den Mann neben sich.
Es stellte sich heraus, dass es sich bei den vier Personen um echt nette Leute handelte. Ich setzte mich eine Weile zu ihnen.
Der älteste von ihnen, ein etwa 50 jähriger Mann mit grauem Haar fing an seine Geschichte zu erzählen, wie er vor sechs Wochen hergekommen war, um für seine Frau eine neue Kaffeemaschine zu kaufen. Nach mehreren Stunden sinnlosem Rumstehens bei den Kaffeemaschinen, hatte er bereits alle Preise und Informationen gekannt, die es zu jeder einzelnen Maschine gab, nur einen Mitarbeiter hatte er noch nicht getroffen. Auch ein extrem hilfloser Blick hatte da nichts gebracht, es hatte ihm keiner helfen wollen. Doch Herbert, so hieß der Mann, hatte nicht aufgegeben und war am nächsten Tag wiedergekommen. Und am übernächsten, und am überübernächsten... ohne jeglichen Erfolg. So hatte er irgendwann ein Zelt aufgeschlagen und begonnen zu warten. Nur wenige Tage später war Detlef im Markt erschienen.
Damit begann einer der anderen zu erzählen. Er sei hergekommen, um einen defekten MP3 Player reparieren zu lassen, den er nur wenige Tage zuvor hier käuflich erworben hatte. Man hatte ihm gesagt, dass das Gerät eingeschickt werde und die Reparatur etwa zwei Wochen in Anspruch nehmen würde. Als Detlef nach zweieinhalb Wochen jedoch noch immer nichts von seinem MP3 Player gehört hatte, hatte er bei einer Servicehotline der Elektrohandelskette angerufen, bei der ihm eine Stimme vom Band versichert hatte, das Gerät sei noch ‚in Bearbeitung’. So ging das mehrere Tage. Irgendwann hatte Detlef dann die Geduld verloren und war zurück ins Geschäft gekommen. Tja und dort sei er nun seit dem Tag und warte auf seinen Player.
Zuletzt berichtete noch der dritte Mann mit Namen Rolf, wie er mit seinem Sohn Tobi vor nur vier Tagen sein Lager hier aufgeschlagen hatte, nachdem er vergeblich versucht hatte für seinen Jungen hier eine Stereoanlage umzutauschen.
Nun, das nenne ich Durchhaltevermögen. Ich antwortete ihnen, dass ich nicht glaubte, dass es so schwer sei, hier auf einen Mitarbeiter zu treffen, der einem behilflich sei. Die vier lächelten verständnisvoll, wie die Leute in diesen anonymen Hilfsgruppen es zu tun pflegen. Ich verabschiedete mich von den netten Leuten und marschierte entschlossen auf einen Mitarbeiter zu, der sich, als ich auf ihn zuging, hinter einem Fernseher duckte und mit einem Mal unglaublich beschäftigt wirkte. Ich sprach ihn also an.
„Guten Tag, ich möchte einen Computer kaufen.“
„Oh, schön, haben Sie sich schon für einen bestimmten entschieden?“
„Naja, ich sage mal, ich habe zwei von ihnen in meiner engeren Auswahl.“
„Sehr schön, dann brauchen Sie also nur noch jemanden, der Ihnen die beiden Geräte genauer beschreibt, was?“
„Ja, das wäre ganz toll, würden Sie mich da vielleicht beraten?
„Tut mir leid, aber ich bin hier Fachberatung für TV Geräte, für die Computerabteilung bin ich nicht zuständig.“
Nun gut, das verstand ich natürlich und so zog ich also munter weiter in die PC Abteilung, in der sich eine Menge potentieller Kunden und auch ganze zwei Angestellte tummelten. Ich stellte mich also in deren Nähe und fragte in die Runde, ob mich jemand beim PC Kauf beraten könne. Worauf sie allerdings rasch zu den Toastern flüchteten.
Nach drei Stunden des Wartens taten mir die Füße weh und ich bekam ziemlichen Hunger. Also begab ich mich wieder zu den Männern am Zelt. Sie nahmen mich liebevoll auf und zeigten Verständnis für meine Situation.
Wie lange das jetzt her ist? Ich weiß es nicht mehr. Inzwischen mussten wir ein weiteres Zelt aufstellen, da das alte mit den vier Kabinen zu klein geworden ist.
Detlef hat derweilen einen unglaublichen Erfolg erzielt. Als er gestern bei einer der Service Hotlines angerufen hat, war tatsächlich eine echte Person am Telefon. Sie teilte ihm freundlich mit, dass sich das Gerät leider noch ‚in Bearbeitung’ befände.
Und warum bist du hier?