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Von grünen und weissen Farben
Die Peiniger
Ich stehe vor der weiss gestrichenen Tür und frage mich, ob es ein grosser Tag oder einfach ein schrecklicher Tag sein wird. Zögerlich betätige ich die Türklingel. Ein Summen ertönt und ich zwänge mich ängstlich durch die geöffnete Tür.
Mit grossen Schritten erreiche ich den ersten Stock. Mit aufgesetzter Lässigkeit begebe ich mich nun in die Höhle des Löwen. Die umher huschenden Assistentinnen grüssen freundlich, ich werfe einen netten Blick zurück. Nein diese Höhle ist nicht dunkel, sie ist ganz hell. „Bitte folgen Sie mir und setzen sie Sie sich dort hin.“, sagt eine der in weiss gekleideten Damen. Während ich in den Raum eintrete, erblicke ich sie, die Instrumente. Auch wenn unter einem grünen Tuch versteckt, besteht kein Zweifel: Meine Peiniger warten. Mein Herz schlägt höher. „Richtig scharf das Zeug?“, sage ich gelassen zu der Assistentin. „Ja natürlich, nur für Sie.“, sagt sie mit verschmitztem Lächeln. Schwitze ich etwa schon? Bildet sich da etwa eine irrationale Angst heran? Zittrig setze ich mich in den Sessel. Vor mir auf dem Tablett liegt sie, die „Penetrantin“. Zugegen sind ebenfalls ihre Giftladungen und das in reichlicher Form.
Der Arzt betritt das Zimmer. „Na, wie geht es Ihnen?“ „Ganz gut, danke.“ „Habe Sie ihre Prüfungen gut bestanden?“ „Meinen Sie die, die ich bereits zwei Monate vorher hatte?“ „Äh, ja genau die.“ „Ja die waren gut gegangen.“ Während wir weiterreden legt er ein grünes Tuch mit Öffnung für das Gesicht über mich, zieht eine grüne Mütze und Mundschutz an. Jetzt sieht er wie ein gemeiner Kobold aus, begierig den ersten Stich zu setzen. „Jetzt kann‘s losgehen.“ Ich meine eine Schadenfreude in seinen Augen zu erkennen. Ich habe für Musik gesorgt. Meine Hand umklammert den MP3 Player verzweifelt. Nicht schon wieder, ächze ich innerlich. Der Arzt setzt die „Penetrantin“ an. Ein stechender Schmerz zuckt durch mein Gebiss. Da dringt was ein. Trotz meinem flehenden Blick lässt der Arzt nicht ab. Neue Ladung neues Glück; die Ladung wird ausgetauscht. „Spüren Sie noch was?“, fragt der Mann mit lächelnden Augen. „Nein nicht mehr…“ „Wunderbar dann kann‘s ja weitergehen!“ „Aufgeht‘s“, pflichte ich ihm mit wenig Begeisterung bei. Da kommt er schon mit dem nächsten Instrument, ein klitzekleines Skalpell. „Na, sind Sie bereit für das hier?“ Wortlos lasse ich es geschehen.
Meine nassen Hände drücken hilflos auf dem Player rum. Warum kommt keine Musik? Wo ist meine Erlösung? Dann kommt der Bohrer ran. Meine Beine verkrampfen sich, die Hände verschränken sich. Die Dame zerrt ruppig an meinem wimmernden Kiefer. Dann höre ich das Geräusch wie ein Raspeln, verdammt mein Knochen! Kein Loch in meinen Knochen! Endlich Musik, dieser miese Player wollte mich einfach im Stich lassen! Doch es ist ein schwacher Trost. Der Borer übertönt die beschwichtigende Musik mit höhnischem Knirschen. Die Assistentin saugt mit dem kleinen Schlauch in meinem Mund immer wieder ein Stück von mir weg. Dann kommen die Fäden. Ich spüre nichts, male es mir aber aus.
Und schliesslich; die Musik verklingt, der Arzt lässt ab. Der Tag ist gerettet. Ich frage mich noch einmal, ob es ein grosser Tag war oder eher ein schrecklicher. Klar steht jedenfalls: er ist überstanden.