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Nach wahren Begebenheiten.
Von Fliegen und Ärzten
Die kleine Fliege suchte ein Quartier für die Nacht. Sie war einsam und ihr war kalt und so flog sie summend eine ganze Weile, bis sie ihn entdeckte. Herbert lag schnarchend in sein Federbett gekuschelt und träumte.
„Das ist es!“ sagte sich die Fliege, flog einen Freudenlooping und näherte sich Herbert.
„Er ist warm, riecht interessant und wenn ich bei ihm schlafe, bin ich nicht alleine!“ dachte sie und kroch in sein Ohr.
Herbert schreckte aus dem Schlaf. Etwas pochte in seinem Kopf. So etwas hatte er noch nie gespürt.
Voller Panik schossen ihm wilde Gedanken durch den Kopf. Er musste eine Art Anfall haben, schließlich war er nicht mehr der Jüngste. Sein Herz hatte schnell zu schlagen begonnen und so kam er darauf, dass er möglicherweise einen Herzanfall hatte.
Herbert eilte zum Telefon, wählte den Notruf und bestellte einen Rettungswagen. Die Sanitäter kontrollierten seine Vitalfunktionen, konnten bis auf einen etwas höheren Puls aber nichts feststellen. Trotz eindringlicher Proteste Herberts fuhren sie los, ohne ihn mitzunehmen. Das sei kein Notfall, meinten sie. Die Notaufnahme hätte Wichtigeres zu tun.
Also wandte sich Herbert am nächsten Tag an seinen Hausarzt, denn das Pochen im Ohr hatte seit der Nacht nicht aufgehört und er glaubte nun an eine Art unentdeckten Schlaganfall.
Der Hausarzt schickte ihn zum Neurologen. In drei Monaten habe dieser einen Termin für Herbert.
So lange konnte er nicht warten! Auf dem Heimweg lief er an einem Schild vorbei: „Heiler Hubert“ stand darauf. „Ich helfe ihnen in jeder Lebenslage, 1000 zufriedene Patienten können nicht irren.“
Vertrauensvoll betrat Herbert die Praxis. „Sie sehen ja furchtbar aus!“ rief Heiler Hubert. „Gut, dass sie zu mir gekommen sind! Ich kann ihnen helfen!“. Noch bevor Herbert erklären konnte, warum er überhaupt Hilfe brauchte, hatte ihn der Heiler auf eine Pritsche gelegt und auf ihm herum gedrückt. Danach hielt er seine Hände über verschiedene Körperteile und nickte wissend mit dem Kopf.
„Ihr Problem ist ihr ganzer Körper. Sie sollten sich die Präparate auf der Liste, die ich ihnen gleich gebe besorgen und sie dann regelmäßig einnehmen. Das ist nicht ganz billig, vielleicht 200 Euro im Monat, aber es ist nur zu ihrem Besten!“ Er reichte ihm ein Blatt Papier mit mehreren Stichpunkten. „Sie können sie auch direkt bei mir erstehen.“ Fügte er lächelnd hinzu.
Herbert hatte große Augen bekommen. Er war nicht der Reichste, aber dieser Heiler schien Ahnung zu haben und Herbert war zudem auch sehr verzweifelt. Er kaufte Präparate für 100 Euro und wollte die Praxis gerade verlassen, als Heiler Hubert ihn aufhielt.
„Moment, Moment!“ sagte er. „Sie haben die Rechnung für die Kinesiologie und das Handauflegen von vorhin noch nicht bezahlt. Das macht dann 230 Euro.“
Herbert schluckte. Er konnte sich die Rechnung eigentlich gar nicht leisten, aber der Heiler musste in seinen Augen für seine Arbeit bezahlt werden. Also reichte er ihm erneut seine Geldkarte.
In den nächsten Wochen probierte Herbert die verschiedenen Produkte des Heilers aus. Wenn er mit einem neuen Präparat begann, bildete er sich ein, das Pochen würde etwas leiser werden. Aber nur bis zum Abend, wenn alles still war. Dann wurde es am Schlimmsten.
Nachts, wenn Herbert schlief, verließ die kleine Fliege manchmal ihr Versteck und suchte sich etwas zum Essen. Es gefiel ihr bei Herbert aber so gut, dass sie immer wieder in sein Ohr zurück kehrte.
Schließlich war der Tag des Neurologen-Termins gekommen. Dieser machte alle möglichen Tests mit Herbert, untersuchte seinen Kopf von innen und von außen. Er testete seine Nerven, fand aber nichts. „Ohne Befund“ schrieb er in seinen Bericht.
„Haben sie schon einmal daran gedacht, dass ihre Beschwerden eine psychische Ursache haben könnten?“ fragte er.
„Nun ja.“ antwortete Herbert. „Ich wüsste nicht, warum ich so etwas haben sollte. Ich habe keine anderen Probleme und mein Leben verlief bisher äußerst ruhig.“
„Ich werde sie trotzdem für ein paar Wochen in eine Klinik für psychische Angelegenheiten überweisen. Wenn wir keine andere Ursache finden können, muss es psychisch sein.“
Und so zog Herbert einige Tage später in ein psychiatrisches Krankenhaus. Man gab ihm leichte Medikamente, welche zwar sein Pochen nicht beseitigten, aber es wurde ihm egal. Er war den ganzen Tag müde und das Pochen machte ihm nichts mehr aus.
Eines Tages wagte sich die kleine Fliege am Tage aus Herberts Ohr, denn sie hatte großen Hunger. Herbert stand gerade vor dem Spiegel, um sich zu rasieren, als er sie sah.
„Du! Du warst das also die ganze Zeit!“ rief er halb erstaunt und halb erfreut. Die kleine Fliege erschrak und suchte das Weite.
„Schwester! Schwester!“ rief Herbert. Die Schwester kam herbei geeilt und glaubte an einen Notfall.
„Eine Fliege! Eine Fliege hat mich krank gemacht!“
„Alles in Ordnung! Es wird alles wieder gut!“ antwortete die Schwester und ging, um stärkere Medikamente zu holen.