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Von einer Sekunde zur anderen

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17.08.2014
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Von einer Sekunde zur anderen

„Mama, ich bin gut zuhause angekommen“, sagte ich, als ich meine Mutter vom Münchner Flughafen aus anrief. „Wann kommst du uns denn morgen besuchen? Ich hab dich schon so vermisst, meine Kleine“, daraufhin meine Mutter. „Zum Mittagessen bin ich zuhause und mach euch alle neidisch. Hab Hunderte von Bildern gemacht.“ Hinter mir lag ein zweiwöchiger Sprachkurs in Barcelona. Nicht, dass ich nur meine Liebe für diese Stadt entdeckt hatte, vielleicht hatte mir auch Erik ziemlich den Kopf verdreht. Während meines Aufenthalts war ich Erik, einem dänischen Schulleiter näher gekommen. Mein Kopf ermahnte mich ständig, dass der um fünfzehn Jahre ältere Mann für mich nicht der Richtige ist und doch kreisten meine Gedanken immer wieder um die erfüllten Stunden, die ich mit ihm verbrachte. In einer E-Mail an meine Familie hatte ich ihn bereits erwähnt. Den Braten hatten Sie bestimmt schon gerochen. Ich konnte mich zuhause auf etwas gefasst machen.
Am nächsten Tag bei meinen Eltern angekommen wurde ich überschwänglich empfangen, als ob ich drei Monate weg gewesen wäre. „Und, wie viele Spanier-Herzen hast du gebrochen?“, gleich mein Bruder, der noch immer dank mir auf ein kostengünstiges Urlaubsdomizil in Spanien hoffte. „Ich glaube, mir hat es eher Dänemark angetan.“ Nach einer Kurzzusammenfassung der Begegnung mit Erik wurde ich mit Fragen gelöchert. „Meinst du nicht, dass er zu alt ist? Dänemark ist aber auch nicht der nächste Weg? Kannst du dir nicht einfach einen Mann aus der Nähe suchen? Muss es immer kompliziert sein? Wie ist denn das Wetter in Dänemark so? Man kann doch auch bestimmt im Norden wunderbar Urlaub machen“, ging es wild durcheinander. Während ich meiner Familie Rede und Antwort gestanden hatte, kam mir ein Gedanke. Warum sollte ich denn meine letzte Urlaubswoche nicht dafür nutzen und zu Erik fliegen. Die Koffer waren ja sozusagen noch gepackt und ich musste nur kurz Kleidung waschen. Gesagt, getan. Ich überraschte Erik mit meiner Idee, der sich unglaublich auf das schnelle Wiedersehen freute. Der Flug war schnell gebucht. Nur noch zwei Tage bis zum Abflug.
Am nächsten Morgen gingen meine Mutter und ich unserem gemeinsamen Ritual nach. Bügeln. Sie in der Küche auf dem Esstisch und ich im Wohnzimmer auf dem Bügelbrett. So kam man sich nicht in die Quere, konnte sich aber wunderbar unterhalten und sich von der lästigen Hausarbeit ablenken. „Du siehst so glücklich aus wie schon lange nicht mehr, meine Kleine.“ „Das bin ich auch, Mama. Und ich bin so aufgeregt wegen Übermorgen. Ich kann es nicht glauben, dass ich Erik so schnell wiedersehe.“ „Du versprichst mir aber hoch und heilig, dass du auch brav wieder in den Flieger nach Deutschland steigst. Mir würde es das Herz brechen, wenn du von hier weggehst.“ „Keine Sorge, Mama, ich komme wieder. Kann dich doch nicht mit dem alten Herren hier alleine lassen.“ Mit dem alten Herren war mein Vater gemeint, der das Herz am rechten Fleck hatte, jedoch auch als kleiner Griesgram oft durch unser Haus polterte. „Unter den Umständen kann ich dich fliegen lassen“, lachte meine Mutter. Still bügelten wir weiter vor uns hin, bis plötzlich meine Mutter die Augen aufriss und sich an den Kopf fasste. „Sara, mein Kopf, es tut so weh“, sagte meine Mutter in einem ganz schrillen Tonfall, den ich nicht von ihr kannte. Ich spürte, dass es ernst war. „Mama, wir fahren dich sofort zum Arzt.“ Ich rief nach meinem Bruder, wartete die Reaktion nicht ab und spurtete ein Stockwerk tiefer, wo er seine Wohnung hatte. „Bitte hol deine Autoschlüssel. Mama muss ganz dringend zum Arzt.“ Ich rannte die Treppen nach oben. Sie hatte sich im Wohnzimmer auf die Couch gelegt und dort lag sie nun und hielt sich noch den Kopf. „Mama, geht’s dir gut? Brauchst du Wasser?“. Schnell füllte ich ein Glas Leitungswasser und stellte es auf den Tisch neben sie. Oh mein Gott, das hatte ich nicht bemerkt. Sie war nicht mehr bei Bewusstsein. „Mama, Mamaaaa!“ Alles schütteln und schreien half nicht. Mein Bruder kam um die Ecke und nach einer Schrecksekunde versuchte er, sie aufzurichten und sie wachzurütteln. Sie atmete nur noch flach. Ich stolperte zum Telefon, wählte den Notruf und nahm nur noch wahr, wie ich mit beherrschter Stimme verlangte: „Bitte kommen Sie schnell. Meine Mama hatte starke Schmerzen und ist nicht mehr ansprechbar. Sie atmet fast nicht mehr.“ Was danach geschah, dauerte Stunden und Sekunden zugleich. Nach dem Eintreffen des Notarztes und einer kurzen Untersuchung alamierte dieser sofort einen Rettungshubschrauber. Unser Wohnzimmer war in kürzester Zeit voll mit Rettungssanitätern, Gerätschaften und Infusionen. Anhand einer Feuerwehrleiter, die Feuerwehr musste irgendjemand angerufen haben, wurde meine Mutter in den Hubschrauber verfrachtet und weggeflogen. Alles drehte sich in meinem Kopf. Klar denken war nicht mehr möglich. Ich konnte weder weinen noch schreien. Mein Bruder, zitternd am ganzen Körper, erkundigte sich beim Notarzt, was mit unserer Mutter passiert ist. „Hirnblutung –ihre Mutter hatte sehr viel Glück, dass Sie vor Ort waren und so schnell reagiert haben. Es steht sehr ernst um sie.“ Nach diesen harten Worten erwachte ich kurz und wiederholte laut immer und immer wieder mein Gedankenkarussell: „Das kann nicht sein. Nein, das kann nicht sein. Wir haben doch gerade noch geredet und gelacht. Das ist doch alles nicht möglich.“ Weiteren Erklärungen und tröstenden Worten des Arztes konnte ich nicht mehr folgen. Tränen flossen mir über das Gesicht und alle Fröhlichkeit der letzten Tage wich von einer Sekunde zur anderen.

 

Hallo Sara,

die Geschichte hat leider keinen Zusammenhang, mit dem Barcelona-Trip und dann Mann kennengelernt und Dänemark, aber dann die plötzliche Erkrankung der Mutter? Wo ist da der rote Faden?
Vermutlich ist dies der Grund, warum Morphin einen autobiographischen Hintergrund vermutet. Wenn dem so ist, dann will ich nix über Zusammenhang gesagt haben, dann gehört der Text aber auch nicht auf eine Literaturseite. Denn auch die eigene Biographie muss man literarisch irgendwie bearbeiten, um das einem breiterem Publikum zugänglich zu machen.
Also die Hirnblutung und der Barcelona Trip müssen unbedingt in einem sinnigen Zusammenhang zueinander stehen, ansonsten klappt das für mich von vorne bis hinten nicht.
Es ist auch vom Stil her so alles berichtend, erinnert mich auch an diese Reportagen in Frauenzeitschriften, so von wegen über Schicksalsschläge. Also mich berührt das in den wenigsten Fällen, weil man erstens versucht diese vollkommene Welt zu kreieren, um diese dann im nächsten Moment zu zerstören und die Moral ist: Das Glück ist unbeständig, oder wie wenig Kontrolle man über sein eigenes Schicksal hat, es kann immer was passieren. Also ich wüsste nie, was mir diese Art von Geschichten oder Berichte geben sollen. Dann sitzt man da immer und denkt sich: oh, das ist der armen Frau passiert. Jetzt muss ich auch vor Vergewaltigern in der Toskana aufpassen, oder oh, mein Mann könnte über die Jahre gewaltätig werden, wenn er seinen Job bei Opel verliert, oh, meine Mutter könnte auch an Alzheimer leiden und wie gehe ich jetzt damit um. Ja, ich weiß, dass damit Betroffenen eine Stimme gegeben wird und bla.
Aber hier so diese Geschichte, also die lässt mich schon ratlos zurück.

Okay, es ist dein erster Beitrag, ich denke mir, wenn du dich länger mit Kurzgeschichten befasst, dann bringst du auch Besseres zustande.

 

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