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Von einer Frau, die auszog Leben zu retten

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23.06.2002
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Von einer Frau, die auszog Leben zu retten

Ich schloss die Augen und umschloss Ellens Nase mit meinen Lippen. Sie schmeckte ein wenig schal und Desinfektionsmittel stach mir in die Nase. Bei dem Versuch Luft in sie hinein zu pusten, war lediglich ein leicht fiependes Geräusch zu hören, ihr Brustkorb hob sich allerding kein bisschen.

"Du musst das Kinn mehr nach hinten drücken, damit der Mund ganz geschlossen ist", wies mich der Erstehilferlehrer an und ich tat wie mir geheißen. Ich versuchte es wieder und wieder, drückte mal hier am Kinn, mal dort am Mund und endlich hatte ich es geschafft. Der Brustkorb der Puppe hob und senkte sich gleichmäßig. Ich fühlte mich gut dabei, fast als hätte ich einen echten, nun wieder belebten Menschen, vor mir. Ich dachte darüber nach, ob die Puppe wohl einen Mann der Hormone schluckte oder eine Frau mit sehr kleinen Brüsten darstellen sollte. Da sie Ellen hieß, wohl eher eine Frau.
"Sie können dann jetzt mit der Beatmung aufhören, eigentlich reicht zweimal, dann sollte die Herzmassage einsetzten", die Stimme des jungen Mannes klang leicht entnervt und hastig begann ich mit der Herzmassage.

Zwei Stunden später war der Kurs beendet. Angefüllt mit der Gewissheit, Menschenleben retten zu können, stieg ich in die U-Bahn. Ich betrachtete die Menschen um mich herum. Aus rein anatomischen Zwecken zog ich sie gedanklich aus und betrachtete ihre Rippen. Fuhr mit den Fingern ihren Brustkorb entlang, um den richtigen Punkt zu finden, an dem man die Herzmassage ansetzen sollte. Sah mir ihre Münder und Nasen an und kam zu dem demoralisierenden Schluss, dass ich einige Menschen lieber retten wollte, als andere.

Zuhaus angekommen, beschlichen mich erste Zweifel. Würde ich im Ernstfall wirklich alles richtig machen? Würde ich mich in zwei Monaten noch an das heute gelernte erinnern? Mir wurde bewusst, dass ich Übung brauchte und das es da draußen Menschen gab, denen ich das Leben retten konnte.

Frohen Mutes zog ich mir erneut meine Jacke an und dachte sogar daran eine Schere mit zu nehmen. Nur für den Fall, dass ich einen verunglückten Motorradfahrer finden würde, der noch einen altmodischen Helm, mit nicht mehr zulässigem Verschluss trug. Da aber nun der 11.11. war und ich mich in Köln befand, würde ich auch anderen Menschen helfen können. Gleichzeitig konnte ich noch Rettungssanitäter, die an diesem Tag sicherlich unterbelegt waren, entlasten.

Die U-Bahn war brechend voll. Hexen, Clowns und Menschen mit angemalten Gesichtern standen dicht an dicht. Hin und wieder stieg mir der Geruch von Achselschweiß und Alkoholika jedweder Art in die Nase. Am Heumarkt stieg ich aus. Direkt in die Masse der feiernden, lachenden, singenden und grölenden Menschen.

In einer Straße, die ein wenig abseits des größten Getummels lag, wurde ich fündig. In ungefähr hundert Meter Entfernung lag ein Mann auf der Straße. Ich eilte zu ihm und kniete mich auf den kalten Asphalt.

"Hallo, hallo sind sie wach?" Er gab keinen Ton von sich. Vorsichtig und vorschriftsmäßig ruckelte ich an seiner Schulter herum. Immer noch kein Lebenszeichen. Meine Hände zitterten ein wenig, als ich seinen Kopf nach hinten kippte. Da Speichel aus seinem Mund floss und der Geruch von hochprozentigem Schnaps in der Luft hing, entschied ich mich für die Nase. Fast musste ich würgen, als ich die kleinen Härchen im Inneren der Löcher sah. Ich schaffte es, meinen Ekel hinunter zu würgen. Dieser Mann brauchte meine Hilfe. Ich drückte das Kinn weiter nach oben, achtete darauf, dass sein Mund geschlossen blieb und holte Luft. Im letzten Moment fiel mir ein, dass es noch weitere Methoden gab, um festzustellen ob jemand wirklich das Bewusstsein verloren hatte. Ich legte meinen Zeige- und Mittelfinger auf seinen kräftigen Brustkorb und rief kräftig auf und ab. Ich spürte, wie sich die Haut über die darunterliegenden Knochen bewegte. Der Mann gab ein Stöhnen von sich.
"Was zum Teufel.." nuschelte er, schlug meine Hand beiseite und brachte sich schwerfällig in eine sitzende Position.
"Gott bin ich froh. Geht es ihnen gut? Ich dachte sie hätten das Bewusstsein verloren" lächelnd sah ich den fast tot gewesenen Mann an.
"Was willst du denn von mir", lallte er. Den agressiven Klang seiner Stimme schob ich dem Schock zu.
"Lass mich gefälligst in Ruhe und kümmere dich um deinen eigenen Dreck."
Er versuchte aufzustehen. Obwohl ich ihm gerade das Leben retten wollte, schien er mir nicht direkt wohlgesonnen zu sein. Mit der Erkenntnis, dass man es als guter Mensch nicht immer leicht hatte, suchte ich das Weite.

Zwei Straßen weiter sah ich ein Mädchen auf der Straße liegen. Ein Junge beugte sich über sie und redete wild auf sie ein. Schnellen Schrittens war ich sofort zur Stelle.
"Ich kann erste Hilfe, lassen sie mich mal", entschlossen schob ich den verdutzten vierzehnjährigen zur Seite.
"Hallo, kannst du mich hören?" Keine Antwort. Kurzerhand beschloss ich, die Schulterschüttelmethode auszulassen und direkt zu wirkungsvolleren Methoden zu greifen. Beherzt kniff ich dem jungen Mädchen in die Brustwarzen. Mit einem leichten Schrei wachte sie auf und griff sich an die Brust. Für einen kleinen Moment war ich enttäuscht, wieder nicht wiederbeleben zu können.
"Mark wer ist die Tusse? Die hat mich angegrabscht, die soll verschwinden" schrie das verwirrte Mädel und sah fordernd zu ihrem Freund.
"Sie hat gesagt sie könnte helfen. Ich konnte doch nicht wissen, dass sie so drauf ist", entschuldigend hob er die Arme und schwankte leicht. Er sah mich an und ein Funken Interesse stahl sich in seinen Blick. Peinlich berührt sah ich weg.
"Mach das du hier weg kommst du Schlampe", schrie das Mädchen mich an, nachdem sie sich wieder halbwegs berappelt hatte. Kurz checkte ich noch einmal die Lage, befand, dass die Situation unter Kontrolle war und überließ die beiden ihrem Schicksal.

Langsam wurde ich deprimiert. Ich hatte gedacht, dass Leben retten mehr Spaß machen würde. Schlurfenden Schrittes ging ich über die Straße und hing meinen Gedanken nach. Ich sah das Auto nicht. Es gab einen Knall, etwas tat mir weh und ich lag auf der Straße. Mit der Sicherheit, dass das Leben gerecht ist und dass mich jemand wiederbeleben würde, sank ich in meinen Körper ein und mein Bewusstein trübte sich mehr und mehr.

 

Hallo drea,
nun ist deine Geschichte schon seit einiger Zeit publiziert - und niemand hat die fein gesponnene Ironie in deinem Text bemerkt. Schade!
Der subtile Sarkasmus läßt nicht die Lippen zum Schmunzeln entgleisen, sondern leitet diesen mehr in den Hinterkopf.
Gelungen finde ich die kleinen Stiche zwischen den Zeilen, dass es sehr wohl subjektive Unterschiede gibt, wen frau wohl retten möchte. Ich hätte dir ja so gerne Brad Pitt als Ohnmachtsopfer gegönnt (du hast natürlich - je nach persönlichem Geschmack, auch freie Wahl bei einem anderen Namen).
Ach ja -aber nur so gaaanz nebenbei - wirf doch noch einmal einen selbstkritischen Blick auf die Rechtschreibung. Da ist dir an manchen Stellen einfach die Tastatur haken geblieben.
Mit einem lieben Gruß und dir viel Erfolg bei Suche nach weiteren opfern wünschend...
Hannes

 

Hallo Hannes,

vielen Dank für deine Kritik, ich war schon ziemlich frustriert, so überhaupt keine Reaktion zu bekommen. Freut mich, dass die Geschichte dir gefallen hat und du so etwas wie Humor entdeckt hast. Werde mich noch mal auf die Suche nach Rechtschreibfehlern machen...
Viele Grüße, Andrea

 

Hallo drea,

ich wollte schon letzte Woche zu Deiner Geschichte schreiben, mein Computer hat sich aber geweigert sie zu speichern.
Ich finde Deine Geschichte ist unterhaltend, mit feinem, satirischen Hintersinn: Die Protagonistin drängt sich den lieben Mitmenschen auf, um zu helfen - doch die wollen gar keine Hilfe. Ich fand recht witzig, wie sie sich im Gedanken Opfer für ihre Hilfsbereitschaft sucht, eigentlich müßte sie ja hoffen, ihr Können nie anwenden zu müssen. Ist hier Wichtigkeitsbestreben durch Hilfbereitschaft maskiert? Und trotzdem - so jede Nase ist ihr (natürlich) auch wieder nicht recht...
Ist sie am Schluß, mit ihrem kindlichen Vertrauen Hilfe zu bekommen jetzt eigentlich der Realität eine Nasenlänge voraus, oder hinterher?
Du siehst, auch Deiner Geschichte gegenüber ist "das Leben" letztlich "gerecht".

Liebe Grüße,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo Woltochinon,

Danke für deine Kritik, Gerechtigkeit kann auch relativ sein. Wäre es jetzt gerecht, wenn ihr sofort jemand zu Hilfe eilt? Oder ist es gerecht, wenn sie noch ein wenig liegen bleibt? Ansichtssache.

Schönen Sonntag noch, Andrea

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Andrea

Der Vorteil deines Schreibstiles ist es, dass er unaufdringlich ist, du willst den Leser nicht mit der Kalauerkeule zum Lachen prügeln.

Aber die kg ist unrealistisch. Gerade mal einen Kurs gemacht und schon liegen die Sterbenden auf der Straße? Zum Schluss wird sie sogar selber überfahren?

Zudem fehlt mir der Sinn. Warum will sie auf einmal Leben retten - nur weil sie einen Kurs besucht hat? Das reicht mir nicht als Motivation, eine Figur braucht immer eine überzeugende Motivation. Zudem fehlt mir - erzähltechnisch - ein Bezug zwischen der Figur und ihrer Umwelt. Sie interagiert mit Personen, die sie nicht kennt, demzufolge haben diese Handlungen keine Konsequenzen.

Dass jemand Leben retten will, aber nur abwiesen wird und am Ende selbst unter die Räder kommt, mag eine Ironie des Schicksals sein, aber kein Fundament für einen Text - dort erwarte ich einen Sinn oder zumindest eine gewisse Moral.

Auch als Gesellschaftskritik (Satrire) ist das zu schwammig.

Einige formale Dinge:

Aus rein anatomischen Zwecken,
Kein Komma.
"Was willst du denn von mir" lallte er.
Wörtliche Rede geht so:
"Blablabla", sagte er.
"Blablabla!", schrie sie.

Einige Wortwiederholungen, die nach gewissen Stillehrern als unschön gelten.

Ich schloss die Augen und umschloss Ellens Nase
2 mal schloss.
Ich versuchte es wieder und wieder, drückte mal hier am Kinn, mal dort am Mund und endlich hatte ich es geschafft. Der Brustkorb der Puppe hob und senkte sich wieder.
Ich drückte mal hier am Kinn, mal dort am Mund und endlich hatte ich s geschafft - der Brustkorb der Puppe hob und senkte sich gleichmäßig.

Zum Schluss fällt mir dieser Satz ins Auge:

Sah mir ihre Münder und Nasen an und kam zu dem demoralisierenden Schluss, dass ich einige Menschen lieber retten wollte, als andere.
Das ist doch eine interessante Idee, die aber leider nicht mehr aufgegriffen wird. Sinnvoll (wenngleich auch wenig intelligent) wäre es, wenn sie einen alten Säufer nicht wiederbeleben will, deshalb ein Krankenwagen gerufen wird, welcher sie überfährt.

 

Hallo Quasimodo666,

Eine Bahnfahrt durch die Kölner Innenstadt am 11.11. hat mich zu dieser Geschichte inspiriert. Ich weiß nicht, ob du schon mal an Tagen die irgend etwas mit Karneval zu tun haben in Köln unterwegs warst, aber man sieht doch hin und wieder, in bestimmten Straßen etc.. Menschen die sich nach leicht übertriebenem Alkoholkonsum ein wenig auf der Straße "ausruhen". Sie sind nicht wirklich sterbend, sondern besoffen.

Tja, da ist mir dann der Gedanke gekommen, dass es doch amüsant wäre, eine Person dabei zu beobachten, wie sie schlafende Penner vor dem vermeintlichen Tod retten will...

Meine Protagonistin ist ein recht einsamer und naiver, träumerischer Mensch´. Sie macht einen Kurs, ist noch ganz voll von dem erlernten und denkt jetzt kann sie auch mal einen sinnvollen Beitrag an die Menschheit leisten, vielleicht erntet sie damit auch ein wenig Anerkennung....
Bei ihrem moralischen Ansinnen gerät sie dann an die falschen Leute, niemand will ihre Hilfe aber dennoch verliert sie den Glauben an die Menschheit nicht.

Vielleicht hätte ich den Charakter der Person noch mehr herausarbeiten können, um zu verdeutlichen warum die Protagonistin loszieht, ich denke ich weiß was du mit der fehlenden Motivation meinst..

Danke auch für die "formalen Dinge", werd mich gleich mal ans verbessern machen...

Gruß, Andrea

 

Aha, also autobiografische Züge ... ich fand ihr Bemühen auch sehr nett und mir tat sie ein wenig leid. Aber als Autor stehen einem die Personen immer nahe und man versteht, warum sie handeln, wenn einer dich nicht kennt, ist es schon schwieriger.

Obwohl ich dir jetzt nicht zu nahe treten wollte;)

 

Hallo drea,

Auch ich fand Dein Geschichtchen recht amüsant. Zwar wusste ich nach den ersten Sätzen worauf es hinauslaufen könnte. "könnte" impliziert aber Unsicherheit, genau, und so las ich weiter, und sonnte mich beim Säufer und bei den Jungendlichen in grinsender Selbstbestätigung :D.

Zwei Vorschläge:
-Dreiteilung ist hier mE günstig, verbunden mit einer deftigen Klimax:
1. Säufer
2. Jugendliche
3. Schlafender Hofhund
-Wenn sie endlich überfahren ist, warum nicht sie selbst... :rolleyes: ("Dämmrig und wie von fern spürte ich warmen Mundgeruch durch meine Nase wehen...")

Na ja, so hätte ich es vielleicht gemacht. Aber es ist ja schließlich Deine Geschichte. Soviel also meinerseits.

FLoH.

 

Hallo Floh,
danke auch für deine Kritik auch wenn ich sie nicht so ganz verstanden habe. Was meint "Schlafender Hofhund"??
Das Ende das du vorschlägst finde ich auch ganz witzig, würde aber die Naivität der Protagonistin und das offene Ende eleminieren...
Lieben Gruß, Andrea

 

Na, wenn schon Klimax, dann doch eher erst Jugendliche, dann Säufer, dann schlafenden Hofhund "retten" ...

 

Hallo,
schlafender Hofhund ist also wörtlich gemeint, dachte es hätte einen Bezug zur geschriebenen Geschichte. Bin wohl heute etwas sehr schwer von Begriff....

..Andrea

 

Hey Drea,

Mir hat's gefallen, sowohl Idee, als auch Beschreibung der Handlungen und Gedanken und der unterschwellige Witz des ganzen inklusive der Ironie...denn ich denke, niemand wird ihr helfen, wie sie da blutend am Boden liegt..Thats life in Deutschland...manchmal ;o)

 

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