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Von der Weisheit der Eichenbäume

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13.04.2003
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Von der Weisheit der Eichenbäume

Als die Welt jung wie der Morgen und Sonne und Mond noch nicht lange in ihren ewigen Streit verfallen waren, erforschte die Herrin Ilva die Geheimnisse der Welt, welche ihr damals noch so verborgen waren wie die alte Schlange im salzigen Meer. So wollte sie nun prüfen, welches der vielgestaltigen Geschöpfe wohl das weiseste sei, denn in Ilva pochte jener Wissensdurst, der sich noch heute in den Gemütern der Forscher und Gelehrten zeigt. Darum lud sie zu sich alles, was Beine hatte, auf dem Boden kroch oder mit leichten Schwingen in den vier Winden glitt. Daraufhin kamen die koboldgleichen Mäuse, die Adler der alten Zeit, die Füchse des Milux, die sorglosen Einhörner und selbst das Gewürm. Die Gemahlin Tioris wollte nun prüfen, welches Geschöpf wohl am meisten mit Klugheit und Weisheit gesegnet sei, indem sie sie sprechen ließ. Dem klügsten unter ihnen versprach sie das ewige Leben.
Die Maus piepste sie sei ein Wesen von großer Klugheit, da sie ernten könne ohne zu säen. Darauf sprach der rote Fuchs, sie sei aber nicht klug genug um den Fängen eines Fuchses zu entfliehen. Doch dann kam der sich ringelnde Urwurm zu Wort, der gleichermaßen Vater und Mutter der Lindwürmer, Egel, Salamander und Maden war, und voll von Hochmut sprach zu dem Fuchs und selbst zur Göttin Ilva, es sei die Verschlagenheit des Wurmgeschlechtes die größten Geschöpfe auf jede nur erdenkliche Weise zu necken, sich in winzigen und unscheinbaren Gestalten aller Augen zu verbergen und obendrein die ältesten Geheimnisse des Himmels und Erde zu kennen, sich geschickt in der Tiefe der Welt und in den Flammen des Brandes zu schlängeln, geheime Runen in den Windungen des spindeldürren Leibes abzubilden, mit Feuer und Rätselworten zu sprechen und dabei Weisheit und Verderben zugleich unter Lebende und Tote zu bringen. Die zischenden Worte der gespaltene Zunge unterbrach ein Adler, der sprach, es sei ihm wohl ein leichtes die Verdorbenheit eines Wurmes mit seinen scharfen Augen zu erkennen, dem bösen Blick einer Schlange eine spitze Klaue entgegenzusetzen und selbst den Madenkönig Urwurm an Kenntnissen über die Welt zu überbieten, die er doch hoch oben, sich Seite an Seite mit dem Herrn Tiori, dem Fürsten der Wolken, bewegend, leicht überblicken und mit der Leichtigkeit eines Flügelschlages erklären könne.
Allein das Einhorn widersprach dem Adler, denn es war sittsam und tugendhaft, es wäre wohl nichtig, ob ein kluger Fuchs eine Maus fange oder der Adler dem Gewürm die Augen ausbeißen könne, denn letztlich sei es doch nicht Klugheit, sondern Verschlagenheit, nicht Edelmut, sondern Hochmut, nicht Weisheit, sondern Wüten, womit die Geschöpfe hier einander maßen. Sei es nicht die Weisheit des Einhornes, auf grünen Lichtungen zu äsen anstatt sich an den Kämpfen der wilden Tiere und Würmer zu beteiligen, statt blutiger Klauen und Zähne ein in sich verschlungenes Horn zu tragen, welches nicht durch Angst und Schauder sondern allein durch Schönheit und Friedfertigkeit die Augen des stillen Betrachters fessele. Die Worte des Einhornes gefielen der Göttin Ilva und so sprach sie, es liege wohl große Weisheit auf den Zungen der weisen Pferde der geheimnisvollen Haine.
Daraufhin brach großer Streit aus unter den Vögel, den Würmern, den Fischen und den Tieren des Waldes und des Ackers. Es kämpften die Hähne untereinander und mit den Füchsen. Die Bilche stritten mit den Mäusen und der Urwurm selbst rang mit den Wölfen, die seinen giftigen Atem und seine verschlagenen Gedanken beneideten. Über dem lärmenden Getümmel erhob ein gewaltiger Eichenbaum, dessen ausladende Krone den Zorn der Tiere mit der Ruhe der rauschenden Blätter bedeckte. Ilva verzweifelte an den Gemütern der Tiere und frug daher den hohen Baum, worin den wohl die Weisheit der Eichen läge. Der Eichenbaum antwortete mit langsamen und knackenden Worten, es liege wohl keine Weisheit im hohlen Holze und er wisse nichts weiter als, dass im Lauf der Jahre Winter und Sommer einander folgen, dass der frische Morgen die dunkle Nacht verjage und dass da ein Unten und Oben sei in dieser ruhelosen Welt, doch stumpf und unbeweglich sei das Leben der Bäume, sodass da nichts sei, worüber es sich zu erzählen lohne, außer dem langsamen Ablauf der Zeiten, weshalb eine Eiche still und stumm verharre, während um sie herum die Gestirne und Geschöpfe jagen. Die Worte der Eiche gefielen der Göttin und sie sprach mit der lauten zauberischen Stimme des Göttergeschlechtes, auf das das Fauchen und Kreischen der Geschöpfe verstummen musste. Sie habe das weiseste aller Geschöpfe in diesem Baum gefunden, denn die Eiche wüsste, dass sie nichts wüsste und sei daher klug und weise, während alles, was da laufe, krieche und fliege in dieser Welt voll Hochmut, Neid und Eitelkeit sei, weshalb sie, die erhabene Göttin Ilva, dem Volk der Eichen das ewige Leben verleihe.
Nun wunderten sich die Geschöpfe über die Entscheidung der Göttin sowie die Weisheit des Baumes und der Urwurm verfiel in großen Zorn, welcher beinahe von gleicher Stärke war wie die Stürme Tioris. Er verfluchte die Bäume und rief seine Kinder zum Kampf. Würmer sollten die Eichen quälen, ihnen als Plagegeister inne wohnen, ihren zähen Lebenssaft saugen, ihr ewiges Wachsen mit spitzem Gewühle hindern und mit dem feurigem Atem des Salamanders gegen sie wüten, auf dass das hölzerne Geschlecht vergehe. Von nun fielen böse Alben und Würmer über die Bäume her und bewohnten sie, sodass aus den friedlichen Wäldern der alten Zeit Heimstätten übler Krankheiten und schändlicher Würmer wurden. Die Bäume erwehrten sich jedoch des Gewürmes und hin und wieder schießen sie mit Holzböcken und Würmern, als ob sie Pfeile wären, auf vorübergehende Tiere und Menschen um sich von ihrer langen Qual zu erlösen. Seit dem Fluch des Urwurmes liegt über den Eichen wieder der Schatten des Todes und die Seuchen der Würmer wüten unter allen Völkern außer denen der Walfische und Alke. Freud und Leid, Güte und Missgunst, liegen eng beieinander, so wie auch der Preis der Weisheit nicht ewiges Glück sondern ruhelose Qual bedeutet, weshalb die Eichen noch heute den Drosseln und Elstern, die in ihren Wipfeln nisten, zumurmeln, wahre Torheit wäre wohl das größte Glück.

 
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Gugux!

Sehr nett und flüssig zu lesen und inhaltlich logisch. Ich bin ein großer Freund der altertümlichen Sprache und verzwickten Sätze, die die hier sehr gut gelungen sind. Einige wenige Forumlierungen wirken nicht so gut, aber ansonsten ist diese Fabel wohlgeraten. :)


Dinge, die mir auffielen:

Dem klügsten unter ihnen versprach sie das ewige Leben.
klügsten -> Klügsten

Die Maus piepste sie sei ein Wesen von großer Klugheit, ...
piepste sie -> piepste, sie

... sie sei aber nicht klug genug um den Fängen eines Fuchses zu entfliehen.
genug um -> genug, um

... Salamander und Maden war, und voll von Hochmut sprach zu dem Fuchs und selbst zur Göttin Ilva, ...
war, und -> war. Und (alternativ mit Semikolon)
sprach zu -> sprach er zu

... es sei die Verschlagenheit des Wurmgeschlechtes die größten Geschöpfe auf jede nur erdenkliche Weise zu necken, ...
Wurmgeschlechtes die -> Wurmgeschlechtes, die

... sich in winzigen und unscheinbaren Gestalten aller Augen zu verbergen ...
Gestalten aller -> Gestalten vor aller

... und obendrein die ältesten Geheimnisse des Himmels und Erde zu kennen, ...
und Erde -> und der Erde

... der sprach, es sei ihm wohl ein leichtes die Verdorbenheit eines Wurmes mit seinen scharfen Augen zu erkennen, ...
leichtes -> Leichtes

... oder der Adler dem Gewürm die Augen ausbeißen könne, ...
ausbeißen -> aushacken

... auf grünen Lichtungen zu äsen anstatt sich an den Kämpfen der wilden Tiere und Würmer zu beteiligen, ...äsen anstatt -> äsen, anstatt

Daraufhin brach großer Streit aus unter den Vögel, ...
Vögel -> Vögeln

Über dem lärmenden Getümmel erhob ein gewaltiger Eichenbaum, ...
erhob ein -> erhob sich ein

Ilva verzweifelte an den Gemütern der Tiere und frug daher den hohen Baum, ...
frug (nicht falsch, aber mir schaudert bei dem Worte ... vielleicht doch lieber: befragte)

... worin den wohl die Weisheit der Eichen läge.
den -> denn

... es liege wohl keine Weisheit im hohlen Holze und er wisse nichts weiter als, dass im Lauf der Jahre Winter und Sommer einander folgen, ...
weiter als, dass -> weiter, als dass

... auf das das Fauchen und Kreischen der Geschöpfe verstummen musste.
auf das das -> auf dass das

Beinahe vergessen: Absätze hier und dort oder Einrücken wäre fein, damit das Augeden Text auch genießen kann. ;)

shade & sweet water
x

 

Hi Maglor,

Mein erster Eindruck zu deiner Geschichte: Verdammt, was sind die Sätze lang!

Mein zweiter Eindruck:
So lange Sätze, und dann noch in indirekter Rede - besonders bei dem Lindwurm bin ich gar nicht mehr durchgestiegen. Ich wusste natürlich, klar, er sagt, er sei der Klügste, aber was genau er von sich gibt, ist an mir völlig vorbeigegangen - der Satz war einfach zu lang.

Die zischenden Worte der gespaltene Zunge unterbrach ein Adler, der sprach, es sei ihm wohl ein leichtes die Verdorbenheit eines Wurmes mit seinen scharfen Augen zu ...
Ein Leichtes, das Wort ist nominalisiert

Sei es nicht die Weisheit des Einhornes, a
War es nicht...

Daraufhin brach großer Streit aus unter den Vögeln,

und sie sprach mit der lauten zauberischen Stimme des Göttergeschlechtes, auf das das Fauchen und Kreischen der Geschöpfe verstummen musste.
auf das ist, glaube ich, futuristisch: auf dass es gelingen möge. Hier tut es ein gutes altes "sodass"

Von nun fielen böse Alben und Würmer über die Bäume her und bewohnten sie, sodass aus den friedlichen Wäldern der alten Zeit Heimstätten übler Krankheiten und schändlicher Würmer wurden.
Wortdopplung von Würmer

Freud und Leid, Güte und Missgunst, liegen eng beieinander, so wie auch der Preis der Weisheit nicht ewiges Glück sondern ruhelose Qual bedeutet, weshalb die Eichen noch heute den Drosseln und Elstern, die in ihren Wipfeln nisten, zumurmeln, wahre Torheit wäre wohl das größte Glück.
Komma nach "Missgunst" weg.

So, jetzt zum Inhalt.

Der xad scheint sich an den Sätzen ja nicht gestört zu haben - mir waren einige davon jedenfalls schlicht zu lang. Sicher, du schaffst damit eine gewisse Atmosphäre - aber es ist unglaublich schwer zu lesen. Auch die indirekte Rede unterstützt das...

Also, mein Tipp wäre, die längsten Sätze zu verkürzen. Wie direkte Rede in dem Text wirkt, weiß ich nicht, aber es klingt so, als sei es einen Versuch wert. Denn die ganze indirekte Rede nervt mich extrem, und ich ertappte mich bei dem Gedanken "Oh, hoffentlich ist das kein langer Text..."

Mehr Absätze, das finde ich auch!

Lieben Gruß,
vita

 

Hi Magor,

mir hat die Story auch ganz gut gefallen. Ich gebe Vita aber völlig rechtm was Satzlänge und Absätze angeht.

Doch dann kam der sich ringelnde Urwurm zu Wort, der gleichermaßen Vater und Mutter der Lindwürmer, Egel, Salamander und Maden war, und voll von Hochmut sprach zu dem Fuchs und selbst zur Göttin Ilva, es sei die Verschlagenheit des Wurmgeschlechtes die größten Geschöpfe auf jede nur erdenkliche Weise zu necken, sich in winzigen und unscheinbaren Gestalten aller Augen zu verbergen und obendrein die ältesten Geheimnisse des Himmels und Erde zu kennen, sich geschickt in der Tiefe der Welt und in den Flammen des Brandes zu schlängeln, geheime Runen in den Windungen des spindeldürren Leibes abzubilden, mit Feuer und Rätselworten zu sprechen und dabei Weisheit und Verderben zugleich unter Lebende und Tote zu bringen.

Gerade solche Sätze finde ich extrem schwer zu lesen. :confused:

Gruß
Jörg

 

Erst einmal danke für die umfangreiche Korrektur.
Die altertümliche Sprache, die indirekte Rede und auch die Hypotaxe wurden absichtlich gewählt.
Eine indirekte Rede verstärkt den Schein urzeitlicherer Überlieferung, während direkte Rede eher eine Gegenwärtigkeit ausdrückt.
Die Unverständlichkeit der Sätze ist teilweise beabsichtigt. Gerade der Urwurm drückt durch extrem unverständliche Sprache und lange Sätze seine Rätselhaftigkeit und Überlegenheit aus. Ausdrücke wie "geheime Runen in den Windungen des spindeldürren Leibes abzubilden" müssen und sollen vielleicht auch gar nicht verstanden werden, sondern als undurchschaubares Rätseln hingenommen werden.
@Der Illusionist
Die Sache mit Sokrates hast du schon erkannt. "Ich weiß, dass ich nichts weiß, und bin daher klüger als du", pflegte der alte Grieche in seinen Dialogen zu sagen. :read: Die Weisheit der Unwissenheit ist es, für die der Baum belohnt wird.
MfG Maglor

 

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