Von außen betrachtet
So, da war's. Gestern war toll. Die Kinder waren so ausgelassen fröhlich wie schon lange nicht mehr. Ihr hättet diese großen Kinderaugen sehen sollen. Tja und heute? Alles vorbei. Nichts, aber auch gar nichts erinnert an den Glanz von gestern abend. Dieser Duft von Tannennadeln und Glühwein. Das alles soll vorbei sein? Nach nicht einmal 24 Stunden soll das alles vorbei sein? Das kann ich nicht glauben. Und ich will es nicht glauben. Aber offensichtlich bleibt mir nichts anderes übrig.
Wo soll ich denn jetzt hin? Zurück zu den Anderen? Geht nicht. Da hab ich den Mund viel zu voll genommen. Ihr wißt schon: "Wenn ich mal groß bin." und "Ihr werdet schon noch sehen..." Die üblichen Sprüche eben. Die würden mich doch nur auslachen. Dann bleib ich eben erst mal hier. Hab im Moment sowieso nichts Besseres zu tun, als mir dieses Trauerspiel mit anzusehen. Die Geschenke der Kinder liegen in der Ecke, als wären sie weiß Gott wie alt. Die Mutter schimpft, als hätte sie nie etwas anderes getan und der Vater sitzt desinteressiert vor dem Fernseher.
Mann, Mann, Mann. Vier, fünf Wochen waren alle freundlich zueinander. Alles war friedlich. Man hat gemerkt, daß etwas besonderes in der Luft liegt, daß Weihnachten kommt. Und dann, zack, über Nacht alles beim alten. Na danke. Dann kann ich auf fünf Wochen Heuchlei gut und gerne verzichten. Ok, der Eine oder Andere hat es wirklich ernst gemeint. Aber die meisten Leute haben nur mitgemacht, weil es zu dieser Jahreszeit halt mal so ist.
Na ja, noch zwei Wochen, dann kann ich mit meinen Kollegen mal darüber reden, wie die das erlebt haben. Ich glaube zwar nicht, daß es bei ihnen besser war. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntermaßen zuletzt. Fragt sich nur, was mir das dann bringt. Ich meine, was hab ich davon, wenn ich weiß, wie es den Anderen ergangen ist? Früher oder später kommt einer, der mich mehr oder weniger lustlos auf die Ladefläche seines LKW schmeißt, um mich anschließend zu verbrennen.
Aber so ist das nun mal als Weihnachtsbaum. Bleibt nur die Genugtuung, für zwei, drei Stunden ein bißchen Wärme in das Leben der Menschen gebracht zu haben.