Vom Winde verweht
Der Wind drehte. Bereitwillig ihn aufzunehmen, lege ich mit geschlossenen Augen den Kopf
in den Nacken und mache mich, die Ellenbogen in den Sand gestemmt, so lang wie möglich.
Sanfte, zaghafte Böen streifen mich nur flüchtig, fast zufällig. Wahrscheinlich ist er etwas
schüchtern. Verschmitzt lächelnd öffne ich ein Auge einen Spalt breit. Vielleicht hat er mich
ja verstanden. Und schon wogt eine Welle bewegter Luft über mich hinab, vom Meer noch
freundlicherweise synchronisiert. Wenn das nicht ein paar Härchen sind, die sich mir da aufstellen. Von wo er wohl kommen mag ? Sicher hat er eine lange Reise hinter sich, hat viel
gesehen, wüsste Unglaubliches zu berichten. Wie alt er wohl schon sein mochte ? Den Gedanken nachhängend, merke ich wie sich die grüblerischen Stirnfalten allmählich in ein einziges Fragezeichen verwandeln. Vorsichtig schenke ich meinem Blick durch beide Lider
die Freiheit und sehe das Satzzeichen, krebsrot, in einiger Entfernung vor mir schweben.
Mein lieber Wind scheint es vor sich herzutreiben. Moment mal. Das ist doch....
Hola, da bist Du ja wieder. Mein Herz sendet Signale unter meiner Brust, dass sich etwas
Aufregung breit macht. Hatte ich ja schon lang nicht mehr. Hoffentlich weiss er das zu schätzen. Gegen die Sonne blinzelnd, setze ich meinen Körper in Position. Wissen sie warum
die Indianer beim Spähen die Hand flach über die Augen halten ? Weil sie, wenn sie die Hand
auf die Augen legten, nichts sehen würden. Meine Mundwinkel zeigen, dass ich mich immer noch über diesen Witz amüsieren könnte, aber vergessen wir ihn doch lieber gleich wieder.
Diese aufkeimende Spannung, wie Champagner, ja sie prickelt wirklich wie Champagner.
Vergnügt recke ich meinen Hals, lege den Kopf zur Seite und fülle mit einem tiefen Atemzug meine Lungen. Ich spüre wie sich mein Bikinioberteil etwas spannt. Doch ein wenig
nervös, wische ich mit einem Ohr ein paar Mal über meine Schulter. Lieber würde ich es ja
auf deine Schulter legen, Süsser. Um nicht bei einem zu vielsagenden Grinsen ertappt zu werden, grabe ich schnell meine Schneidezähne in die Unterlippe. Er ist der Mond und ich bin
das Meer. Bewirkt eine Gedankenflut. Wissen sie, dass in den meisten europäischen Sprachen
der Mond weiblich ist ? Im Deutschen ist er männlich. Was finden sie was besser zu unserem
stillen Begleiter passt ? Oder sollte man planetarische Hostesse sagen ? Auf jeden Fall ist es schön in seinem Licht zu tanzen. Tust du das auch gern ? Stop. Ganz langsam. Wenn du jetzt schon alles durchdenkst, hört sich das wie einstudiert an und das merkt der. Echt nett schaut er aus, richtig schnucklig. Was wollte er eigentlich da vorne ? Kam ja ziemlich schnell zurück.
Der wird doch nicht tatsächlich... Tu es, sprich mich an, lass dir was einfallen. Werde auch nachsichtig sein, wenn es nur eine blöde Anmache ist. Der erste Kontakt ist meistens nicht einfach. Auch beim ersten Rendevouz mit dem Mond war die Landung am schwierigsten.
Aber wenns klappt, darfst du auch gleich deine Flagge neben mir in den Sand stecken und mich erforschen. Dann wirst du la luna zu mir sagen, weil du erkennst das ich weiblich bin,
sehr weiblich sogar. Und das ist auch gut so. Wenn er aber schwul ist und sich nur eine
Nagelfeile borgen will ? Ein Lachen durchbricht meine Kehle und ich drehe meinen Kopf um es anonym über den Ozean zu schicken. Am andern Ende der Welt wird es jemand hören und wissen dass er nicht allein ist. Sieht er alleine aus ? Angestrengt
versuche ich an seinen Händen etwas aufblitzen zu sehen. Wie war das gleich nochmal ?
Ring an der rechten Hand, heisst verlobt und an der linken verheiratet. Oder war es
andersrum ? Ich spreize meine Finger der rechten Hand, die versteckt neben meinem Oberschenkel liegt und versuche mir so ein Ding daran vorzustellen. Wenn der Ring am
Daumen weg wär, würde das sogar ganz nett aussehen. Schöner Gedanke, einen Menschen
zu finden, mit dem man den Rest seines Lebens teilen möchte. Glaubst du an die Liebe auf
den ersten Blick ? Rein wissenschaftlich sollen es ja Duftstoffe, Pheromone sein, die jemanden
für einen begehrenswert machen. Dann hat uns der Wind verkuppelt. Dazu noch die Prise
Salz, die in die Luft gestreut ist, das Ganze noch mit Sonnenstrahlen garniert. Wenn das mal kein Cocktail ist, der die Sinne berauscht.
Eine aufregende Urlaubsbekanntschaft sei das Tüpfelchen auf dem i, sagte mal irgendjemand.
Ich möchte aber nicht nur ein i. Ich möchte noch ein großes L davor und ein e, ein b und
nochmal ein e danach. Und wieder dreht sich das Glücksrad. Wo es wohl diesmal stehen bleibt ? Ob er stehen bleibt ? Wie aus einem Traum erwacht, schrecke ich hoch und blicke mich um.
Wo ist er denn ? Umgekehrt ? Der Wind drehte sich wieder.